Keine direkte postalische Zustellung von Schriftstücken österreichischer Abgabenbehörden in Liechtenstein.
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/0509-I/06-RS1 | Im Gegensatz zu den meisten anderen Staaten besteht mit dem Fürstentum Liechtenstein (ebenso wie mit der Schweiz) keine internationale Übung über die direkte postalische Zustellung ausländischer abgabenbehördlicher Schriftstücke.
Das Finanzamt hat daher den Abgabepflichtigen, der seinen ständigen Wohnsitz in Liechtenstein hat, zu Recht nach § 10 ZustG ersucht, einen im Inland wohnhaften Zustellungsbevollmächtigten namhaft zu machen. |
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der unabhängige
Finanzsenat hat über die Berufung des Bw, vom gegen
den Bescheid des Finanzamtes Innsbruck vom betreffend dem
Auftrag dem angeführten Finanzamt einen in Österreich wohnhaften
Zustellungsbevollmächtigten bekannt zu geben entschieden:
Die Berufung
wird als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungsgründe
Der Berufungswerber (Bw), ein österreichischer
Staatsbürger, ist "X und hat seinen ständigen Wohnsitz in
Triesen im Fürstentum Liechtenstein. Mit Eingabe vom beantragte er beim Finanzamt Innsbruck die Auszahlung des
Alleinverdienerabsetzbetrages für die Jahre 2000 bis 2002.
Mit Bescheid vom forderte das
Finanzamt den Bw nach § 10 ZustG auf, bis zum einen
in Österreich wohnhaften Zustellungsbevollmächtigten bekannt zu geben
und teilte ihm gleichzeitig mit, dass die Zustellung ohne Zustellversuch durch
Hinterlegung bei der Behörde vorgenommen werde, falls dieser Aufforderung
nicht fristgerecht nachgekommen werde.
Gegen diesen Bescheid erhob der Bw mit Eingabe vom
Berufung und beantragte den Bescheid ersatzlos
aufzuheben. Zur Begründung führte er aus, § 10 ZustG
sei eine Ermessensbestimmung, die Behörde hätte begründen
müssen, warum sie es für notwendig erachte, in seinem Fall nach dieser
Gesetzesbestimmung vorzugehen, sei doch allgemein bekannt, dass es sich beim
Fürstentum Liechtenstein um einen mitteleuropäischen Staat,
nämlich einen Nachbarstaat Österreichs, mit funktionierender
Postverwaltung handle (www.post.li). So habe die Zustellung des
gegenständlichen, nicht mit Rückscheinbrief versandten Bescheides,
anstandslos vorgenommen werden können. Weiters verweise er auf
§ 9 Abs. 2 ZustG, wonach sogar eine im Ausland wohnhafte Person
als Zustellungsbevollmächtigter namhaft gemacht werden könne. Er sei
Unionsbürger (Österreicher) mit Wohnsitz in einem EWR-Vertragsstaat
(Liechtenstein). Die Zustellung sei zwar nicht durch Staatsverträge, aber
auf andere Weise sichergestellt. Sie funktioniere faktisch im Postweg (siehe die
obigen Darlegungen zur Liechtensteinischen Post AG). Sie könne aber auch im
Wege der Amtshilfe nach Art. 25 Abs. 3 des Liechtensteinischen
Landesverwaltungspflegegesetzes erfolgen. Er erkläre sich ausdrücklich
dazu bereit, Schriftstücke des Finanzamtes Innsbruck entgegen zu nehmen.
Weiters sei es möglich, mit ihm per E-Mail oder per Telefon Kontakt
aufzunehmen. Der angefochtene Bescheid sei somit ersatzlos aufzuheben.
Gleichzeitig beantragte er, seiner Berufung aufschiebende
Wirkung zuzuerkennen und sämtliche Zustellungen bis zur Rechtskraft der
Entscheidung über die Berufung an ihn persönlich vorzunehmen. Die
Behörde erleide dadurch keinen Nachteil, im Gegenteil: Sie werde
feststellen können, dass die Zustellung an ihm tatsächlich
funktioniere. Er hingegen habe einen Zustellungsbevollmächtigten namhaft zu
machen, was Mühen und Kosten mit sich bringe. Als Unionsbürger mit
Sitz im EWR-Ausland habe er einen Anspruch darauf, gegenüber in
Österreich wohnhaften Personen nicht diskriminiert zu werden.
Eventualliter, nämlich für den Fall, dass seinen
Aufschiebungsantrag keine Folge gegeben werden sollte und er zu gewärtigen
habe, dass die Behörde gemäß
§ 10 ZustG durch
Hinterlegung bei der Behörde zustelle, machte er RA Dr. T als
Zustellungsbevollmächtigten namhaft.
Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das
Finanzamt die Berufung als unbegründet ab und führte unter Hinweis auf
Ritz, BAO³, § 10 ZustG, Tz. 4, begründend aus, die
Zustellung nach Liechtenstein sei grundsätzlich völkerrechtlich
verboten. Ausgenommen davon sei die Zustellung der Aufforderung nach
§ 10 ZustG (Aufforderung zur Namhaftmachung eines in Österreich
wohnhaften Zustellungsbevollmächtigten).
Mit Schreiben vom stellte der Bw den
Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch den UFS und führte
ergänzend aus, das Finanzamt stützte sich bloß auf einen
Kommentar, der nur auf einen Erlass aus dem Jahr 1983 verweise. Abgesehen davon,
dass es nicht genüge, darauf zu verweisen, dass Zustellungen nach
Liechtenstein angeblich völkerrechtlich verboten seien (wo soll das
stehen?), verabsäume es die Behörde, im Kommentar etwas weiter zu
lesen. Dann hätte sie nämlich festgestellt, dass im EWR ein Anrecht
auf unmittelbaren Schriftverkehr bestehe. Wie die Behörde wisse, sei
Liechtenstein EWR-Mitglied. Er stelle somit den Antrag, der UFS möge
gemäß Art. 234 EGV ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH
stellen und fragen, ob es mit dem EWR-Vertrag vereinbar sei, dass ein
Mitgliedsstaat der Union an einen in einem EWR-Mitgliedstaat (konkret
Liechtenstein) wohnhaften Unionsbürger trotz eines ausdrücklichen
Antrages auf Zustellung, Entscheidungen nicht zustelle, sondern die
Namhaftmachung eines Zustellungsbevollmächtigten verlange.
Über
die Berufung wurde erwogen:
Gemäß
§ 10 ZustG kann einer sich nicht
nur vorübergehend im Ausland aufhaltenden Partei oder einem solchen
Beteiligten von der Behörde aufgetragen werden, innerhalb einer
gleichzeitig zu bestimmenden, mindestens zweiwöchigen Frist für ein
bestimmtes oder für alle bei dieser Behörde anhängig werdenden,
sie betreffenden Verfahren einen Zustellungsbevollmächtigten namhaft zu
machen. Wird diesem Auftrag nicht fristgerecht nachgekommen, so wird die
Zustellung ohne Zustellversuch durch Hinterlegung bei der Behörde
vorgenommen. Der Auftrag, einen Zustellungsbevollmächtigten namhaft zu
machen, muss einen Hinweis auf diese Rechtsfolge enthalten.
Nach herrschender Auffassung und nach der
überwiegenden Staatspraxis gelten Zustellungen von Verwaltungsakten im
Ausland als Hoheitsakte des Staates, dessen behördliches Organ den
Verwaltungsakt erlassen und die Zustellung an den Bescheidadressaten im Ausland
veranlasst hat. Demgemäß werden Zustellungen, die Rechtswirkungen
nach dem Recht des Staates auslösen sollen, dessen Organe den
Verwaltungsakt gesetzt haben und durch Zuleitung an den Empfänger die
Begründung der mit dem Verwaltungsakt verbunden Rechte und Pflichten im
Ausland bedingen, als Eingriffe in die Hoheitsrechte des ausländischen
Staates beurteilt. Für eine Zustellung sind daher (im Interesse eines
völkerrechtskonformen Handelns) die bestehenden internationalen
Grundsätze, nach denen Zustellungen von Verwaltungsakten der
Vertragspartner auf fremdem Staatsgebiet unter bestimmten Voraussetzungen
ausdrücklich zugelassen werden, anzuwenden (vgl. Stoll, BAO-Kommentar,
§ 11 ZustG, Pkt. 2a).
§ 11 Abs. 1 ZustG bestimmt somit, dass
Zustellungen im Ausland nach den bestehenden internationalen Vereinbarungen oder
allenfalls auf dem Weg, den die Gesetze oder sonstigen Rechtsvorschriften des
Staates, in dem zugestellt werden soll, oder die internationale Übung
zulassen, erforderlichenfalls unter Mitwirkung der österreichischen
Vertretungsbehörden, vorzunehmen sind.
Internationale Abkommen bzw. bilaterale Übereinkommen
zwischen Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein im Sinne des
§ 11 Abs. 1 ZustG, denen zufolge Österreich berechtigt
wäre auf dem Gebiet des Fürstentum Liechtenstein Zustellungen in
Abgabensachen vorzunehmen, bestehen nicht. Auch wenn mit einem bestimmten Staat
kein internationales Übereinkommen besteht, so lässt nach herrschender
Ansicht die internationale Übung die direkte postalische Zustellung
abgabenbehördlicher Schriftstücke im Ausland grundsätzlich zu
(vgl. Ritz, BAO-Kommentar², Rz 3 zu § 11 ZustG). Eine solche
internationale Übung besteht - im Gegensatz zu den meisten anderen Staaten
- aber nicht mit dem Fürstentum Liechtenstein, das (ebenso wie die
Schweiz) einer Zustellung ausländischer abgabenbehördlicher
Schriftstücke auf dem Postweg ablehnend gegenübersteht (vgl. Loukota,
Internationale Steuerfälle, Tz. 436; Jirousek, Zwischenstaatliche
Amtshilfe in Steuersachen, Seite 63 f). Eine solche Zustellung wird daher
nicht für zulässig erachtet (vgl. ).
Daran vermag auch der vom Bw angeführte Artikel 26 Abs. 3 des
Liechtensteinischen Landesverwaltungspflegegesetzes nichts zu ändern, der
lediglich bestimmt, dass die Regierung und die anderen Verwaltungsbehörden
im Rahmen der Vorschriften (Staatsverträge, Verwaltungsübereinkommen,
Regierungserklärungen, Gesetzen und Verordnungen) oder nach der bisherigen
Übung befugt sind, ausländischen Verwaltungsbehörden oder Organe
Hilfe zu leisten.
Aber selbst wenn man eine postalisch Zustellung in
Liechtenstein für zulässig erachten würde, hätte das
Finanzamt das ihr in § 10 ZustG eingeräumte Ermessen nicht
missbräuchlich ausgeübt, da Zustellungen selbst im benachbarten
Ausland erfahrungsgemäß aufwendiger und häufig mit
Verzögerungen und Schwierigkeiten verbunden sind.
Dem Einwand des Bw, wonach nach § 9 Abs. 2
ZustG sogar eine im Ausland wohnhafte Person als
Zustellungsbevollmächtigter namhaft gemacht werden könne, ist entgegen
zu halten, dass ein Angehöriger eines EWR-Vertragsstaates mit Wohnsitz in
einem der EWR-Vertragsstaaten nur dann eine Zustellvollmacht wirksam erteilt
werden kann, falls Zustellungen durch Staatsvertrag oder auf andere Weise
sichergestellt sind. Eine Sicherstellung der Zustellung durch Staatsvertrag oder
auf andere Weise ist - wie oben ausgeführt - mit Liechtenstein
aber gerade nicht gegeben.
Bezüglich des vom Bw angeregten
Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH, wonach der UFS fragen möge, ob es
mit dem EWR-Vertrag vereinbar sei, dass ein Mitgliedsstaat der Union an einen in
einem EWR-Mitgliedstaat (konkret Liechtenstein) wohnhaften Unionsbürger
trotz eines ausdrücklichen Antrages auf Zustellung, Entscheidungen nicht
zustelle, sondern die Namhaftmachung eines Zustellungsbevollmächtigten
verlange, ist darauf hinzuweisen, dass sich bereits der OGH im Verhältnis
zwischen Österreich und Deutschland mit dieser Frage auseinander gesetzt
hat und in seiner Entscheidung vom , OGH 7 Ob 135/04k, zur Ansicht
gelangt ist, dass § 10 ZustG, der verlangt, dass für eine im
Ausland wohnhafte Partei ein im Inland wohnhafter
Zustellungsbevollmächtigter namhaft zu machen ist, sachlich gerechtfertig
ist und daher auch aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht dagegen keine Bedenken
bestehen. Eine auch vom Bw behauptete Diskriminierung, ist - wie der OGH
ausführt - in § 10 ZustG schon deshalb nicht zu erkennen, weil
diese Bestimmung ja gleichermaßen die Zustellung an Österreicher und
an Ausländer betrifft, die sich nicht nur vorübergehend im Ausland
aufhalten. Der UFS sieht daher keine Veranlassung ein Vorabentscheidungsersuchen
an den EuGH zu stellen.
Es war somit spruchgemäß zu
entscheiden.
Innsbruck,
am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | |
Schlagworte | Liechtenstein direkte postalische Zustellung Zustellvollmacht Namhaftmachung Internationale Übung Zustellung im Ausland |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at