Zwangsstrafenfestsetzung bei Einbringung vorläufiger mit Formgebrechen (fehlende Unterschrift) behafteter Steuererklärungen
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufungen der Bw., vertreten durch St., gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg vom betreffend die Festsetzung von Zwangsstrafen entschieden:
Den Berufungen wird Folge gegeben.
Die angefochtenen Bescheide werden aufgehoben.
Entscheidungsgründe
Mit Verfügung vom forderte das Finanzamt die Berufungswerberin (Bw.) auf, die Umsatzsteuer- und Körperschaftsteuererklärung für 2001 bis zum einzureichen.
Am stellte die Bw. ein Ansuchen um Fristverlängerung für die Abgabe der Steuererklärungen für 2001, welches vom Finanzamt mit Bescheid vom - unter Setzung einer Nachfrist bis zum - abgewiesen wurde.
Ein weiteres Fristverlängerungsansuchen der Bw. vom wies das Finanzamt mit Bescheid vom - unter Nachfristsetzung bis zum - ebenfalls ab.
Mit Schreiben vom (eingelangt im Finanzamt am ) reichte die Bw. "vorläufige" Steuererklärungen für 2001, welche in allen Teilen ausgefüllt, jedoch nicht unterschrieben waren, beim Finanzamt ein.
Mit Verfügung des Finanzamtes vom wurde die Bw. an die Abgabe der Umsatzsteuer- und Körperschaftsteuererklärung für 2001 - unter Setzung einer Nachfrist bis zum - erinnert.
Mit zwei weiteren Verfügungen vom forderte das Finanzamt die Bw. auf, die Umsatzsteuer- und Körperschaftsteuererklärung für 2001 "vollständig und ordnungsgemäß ausgefüllt" bis längstens einzureichen. Für den Fall der Nichtbefolgung der Aufforderung wurde die Festsetzung von Zwangsstrafen in Höhe von jeweils 2.500 € angedroht.
Mit Bescheiden vom setzte das Finanzamt die angedrohten Zwangsstrafen in Höhe von jeweils 2.180 € fest.
Die Zwangsstrafenbescheide vom wurden laut Rückschein am zugestellt.
Am hatte die Bw. weitere "vorläufige" Umsatzsteuer- und Körperschaftsteuererklärungen für 2001 zur Post gegeben, welche am im Finanzamt einlangten.
In der gegen die Zwangsstrafenbescheide vom eingebrachten Berufung wird die Aufhebung der Bescheide mit der Begründung beantragt, die vollständig ausgefüllten Erklärungen seien dem Finanzamt bereits zugeleitet worden. Die Verzögerungen hätten sich infolge des schlechten Gesundheitszustandes der Geschäftsführerin der Bw. ergeben, die längere Krankenhausaufenthalte habe absolvieren und danach die jeweils dringendsten Angelegenheiten zur Aufrechterhaltung des Betriebes erledigen habe müssen.
Mit Berufungsvorentscheidungen vom wies das Finanzamt die Berufungen mit der Begründung ab, die Steuererklärungen für 2001 seien erst am - und somit nach der Festsetzung der Zwangsstrafen mit Bescheiden vom - im Finanzamt eingelangt.
Gegen die Berufungsvorentscheidungen stellte die Bw. Anträge auf Entscheidung über die Berufungen durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.
Über die Berufungen wurde erwogen:
Gemäß § 111 Abs. 1 BAO sind die Abgabenbehörden berechtigt, die Befolgung ihrer auf Grund gesetzlicher Befugnisse getroffenen Anordnungen zur Erbringung von Leistungen, die sich wegen ihrer besonderen Beschaffenheit durch einen Dritten nicht bewerkstelligen lassen, durch Verhängung einer Zwangsstrafe zu erzwingen.
Zweck der Zwangsstrafe ist, die Abgabenbehörde bei Erreichung ihrer Verfahrensziele zu unterstützen und die Partei zur Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten zu verhalten (vgl. ; ; ). Zu diesen Pflichten gehört auch die Abgabe von Steuererklärungen.
Eine Zwangsstrafe darf dann nicht verhängt werden, wenn die Leistung unmöglich, die Erfüllung unzumutbar oder bereits erfolgt ist (vgl. ; ).
Im gegenständlichen Fall wurden am "vorläufige" Steuererklärungen für das Jahr 2001, welche in allen Teilen ausgefüllt, jedoch nicht unterschrieben waren, beim Finanzamt eingereicht.
Die Abgabe "vorläufiger" Steuererklärungen ist im österreichischen Abgabenverfahrensrecht nicht vorgesehen. Werden Abgabenerklärungen als "vorläufige" Erklärungen eingereicht, ist zu prüfen, ob die betreffenden Erklärungen - ungeachtet ihrer Bezeichnung als vorläufig - Abgabenerklärungen im Rechtssinn sind oder ob ihnen diese Eigenschaft insgesamt gesehen nicht zukommt. Ist der Erklärungsinhalt von der Art, dass von einer Abgabenerklärung im formellen Sinn zu sprechen ist, macht die Abgabenerklärung die Durchführung einer Veranlagung möglich, so ist die Abgabenerklärungspflicht als erfüllt anzusehen, auch wenn die Abgabenerklärung als solche oder einzelne ihrer Positionen als "vorläufig" bezeichnet wurden (vgl. Stoll, BAO Kommentar, Wien 1994, 1514). Von der Erfüllung der Verpflichtung zur Einreichung einer Abgabenerklärung ist dann auszugehen, wenn der Abgabenbehörde Informationen von substantiellem Gehalt übermittelt werden, die ihr ein erstes Bild über Steuersubjekt und Steuergegenstand sowie über Art und ungefähres Ausmaß der festzusetzenden Abgabe verschaffen (vgl. ).
Letzteres ist im vorliegenden Fall bereits in den am eingereichten Steuererklärungen für 2001 erfolgt.
Das Fehlen der Unterschrift der Bw. (bzw. ihres Vertreters) stellt einen Formmangel dar. Die Behebung eines solchen Formmangels ist in einem dem § 85 Abs. 2 BAO analogen Verfahren zu veranlassen. Wird dem Mängelbehebungsauftrag nicht oder verspätet entsprochen, ist davon auszugehen, dass eine Abgabenerklärung nicht vorliegt und somit die Erklärungsfrist versäumt ist (vgl. Stoll, BAO Kommentar, Wien 1994, 1510).
Ein solches Mängelbehebungsverfahren, in welchem ausdrücklich die fehlende Unterschrift anzuführen gewesen wäre, wurde im vorliegenden Fall jedoch nicht durchgeführt.
Auf Grund der obigen Ausführungen war die Festsetzung der Zwangsstrafen nicht rechtmäßig.
Die Bescheide vom waren daher aufzuheben.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 111 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte | Zwangsstrafe vorläufige Steuererklärung fehlende Unterschrift |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at