Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSL vom 27.09.2007, RV/0857-L/07

Begründungspflicht hinsichtlich Verwirklichung des Tatbestandes, Gefährdung oder Erschwerung der Einbringlichkeit und Ermessen.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw, vertreten durch Stb, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes XY vom betreffend Sicherstellungsauftrag gemäß § 232 BAO entschieden:

Der Berufung wird Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Entscheidungsgründe

Mit Sicherstellungsauftrag vom ordnete das Finanzamt zur Sicherstellung von Abgabenansprüchen im Ausmaß von 3.923.667,19 € die Sicherstellung in das Vermögen der Bw. an. Die Abgabenansprüche wurden wie folgt aufgegliedert:


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Abgabenart
Zeitraum
(voraussichtliche) Höhe in €
Umsatzsteuer
WJ 2000/2001
100.000,00
Umsatzsteuer
WJ 2001/2002
125.000,00
Umsatzsteuer
WJ 2002/2003
130.797,01
Umsatzsteuer
WJ 2003/2004
189.988,42
Umsatzsteuer
WJ 2004/2005
246.153,25
Umsatzsteuer
WJ 2005/2006
283.333,33
Umsatzsteuer
WJ 04/2006 bis 09/2006
133.333,33
Körperschaftsteuer
WJ 2000/2001
170.000,00
Körperschaftsteuer
WJ 2001/2002
212.500,00
Körperschaftsteuer
WJ 2002/2003
222.354,92
Körperschaftsteuer
WJ 2003/2004
322.980,31
Körperschaftsteuer
WJ 2004/2005
418.460,53
Körperschaftsteuer
WJ 2005/2006
481.666,67
Kapitalertragsteuer
WJ 2000/2001
82.500,00
Kapitalertragsteuer
WJ 2001/2002
103.125,00
Kapitalertragsteuer
WJ 2002/2003
107.907,53
Kapitalertragsteuer
WJ 2003/2004
156.740,44
Kapitalertragsteuer
WJ 2004/2005
203.076,43
Kapitalertragsteuer
WJ 2005/2006
233.750,00
Summe
3.923.667,19

Es wurde darauf hingewiesen, dass eine Hinterlegung des Betrages von 3.923.667,19 € bewirken würde, dass Maßnahmen zur Vollziehung dieses Sicherstellungsauftrages unterbleiben und diesbezüglich bereits vollzogene Sicherstellungsmaßnahmen aufgehoben würden. Zur Begründung wurde folgendes ausgeführt: "Die sicherzustellenden Abgabenansprüche sind aufgrund folgender Sachverhalte entstanden und wurden wie folgt ermittelt: Aufgrund des Verdachtes von nichterklärten Einnahmen im Zusammenhang mit Innen- und Außenputzarbeiten bei privaten Auftraggebern. Um einer Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Abgabeneinbringung zu begegnen kann die Abgabenbehörde nach Entstehen des Abgabenanspruches (§ 4 BAO) bis zum Eintritt der Vollstreckbarkeit (§ 226 BAO) einen Sicherstellungsauftrag erlassen (§ 232 BAO). Eine Erschwerung der Einbringlichkeit der Abgabe/der Abgaben ist zu befürchten, weil aufgrund der Höhe des derzeitig zu erwartenden Abgabenbetrages."

Mit Schriftsatz vom wurde gegen den Sicherstellungsauftrag vom durch den ausgewiesenen Vertreter der Bw. das Rechtsmittel der Berufung eingebracht. Es wurde die Aufhebung des Sicherstellungsauftrages beantragt. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass für eine Gefährdung oder wesentliche Erschwerung der Einbringung einer Abgabenschuld sprechen würde, wenn aus der wirtschaftlichen Lage der Steuerpflichtigen geschlossen werden könne, dass nur bei raschem Zugriff die Einbringung (Sicherstellungsauftrag) der Abgabenschuld voraussichtlich gesichert erscheine. Der Annahme der Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung müssten aber entsprechende Tatsachenfeststellungen zugrunde liegen. Die Befürchtung, dass aufgrund der Höhe der Abgabenansprüche die Einbringlichkeit erschwert wäre, sei nicht nachvollziehbar. Ein Blick in die letzte Bilanz per würde diese Ansicht bestätigen (Eigenkapital 7.051.378,67 €). Im Rahmen des Umlaufvermögens per seien Wertpapiere, Bargeld und Guthaben bei Kreditinstituten im Ausmaß von 3.887.046,32 € ausgewiesen. Zum Bilanzstichtag des Vorjahres habe die Summe dieser flüssigen Aktiva 3.648.990,77 € betragen. Es bestehe weiters kein Mangel auf Gewinnaussicht und der Leistungswille von Geschäftsführung und Mitarbeitern sei vorbildlich. Es würde auch kein Konkurs- oder Ausgleichverfahren drohen, keine Exekutionsführung von Dritten, keine Sitzverlegung oder Vermögensverschiebung ins Ausland etc. Das Ziel des Sicherstellungsauftrages, das öffentliche Interesse an der Einbringung der Abgaben zu sichern, sei daher keineswegs gefährdet. Es bestehe kein Grund zur Annahme, dass eine spätere Einbringung von Abgaben gefährdet oder wesentlich erschwert wäre.

Mit Schriftsatz vom wurde die Berufung dahingehend ergänzt, dass darauf hingewiesen wurde, dass bis heute kein Finanzstrafverfahren gegen die Bw. eingeleitet worden sei.

Mit Schriftsatz vom wurde die Berufung vom neuerlich ergänzt. Die Höhe der geforderten Steuer sei offensichtlich nicht nachvollziehbar. Weder schriftlich noch mündlich seien geeignete Informationen zur Nachvollziehbarkeit der Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Abgabenansprüche an die Bw. gegeben. Im Sicherstellungsauftrag sei weiters keine Schätzungsprämissen dargelegt worden, die eine Nachvollziehbarkeit ermöglichen würden.

Mit Schriftsatz vom teilte der Unabhängige Finanzsenat der Abgabenbehörde erster Instanz mit, dass die Bw. mit Schreiben vom eine Vorlageerinnerung gem. § 276 Abs. 6 zweiter Satz BAO eingebracht habe. Das Finanzamt wurde ersucht die bezughabenden Veranlagungs- und Einbringungsakten vorzulegen. Am langten die Akten hierorts ein.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 232 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den die Abgabenvorschriften die Abgabepflicht knüpfen, selbst bevor die Abgabenschuld dem Ausmaß nach feststeht, bis zum Eintritt der Vollstreckbarkeit an den Abgabepflichtigen einen Sicherstellungsauftrag erlassen, um einer Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung zu begegnen. Der Abgabepflichtige kann durch Erlag eines von der Abgabenbehörde zu bestimmenden Betrages erwirken, dass Maßnahmen zur Vollziehung des Sicherstellungsauftrages unterbleiben und bereits vollzogene Maßnahmen aufgehoben werden. Gemäß § 232 Abs. 2 BAO hat der Sicherstellungsauftrag zu enthalten: a) Die voraussichtliche Höhe der Abgabenschuld; b) die Gründe, aus denen sich die Gefährdung oder Erschwerung der Einbringung der Abgabe ergibt; c) den Vermerk, dass die Anordnung der Sicherstellung sofort in Vollzug gesetzt werden kann; d) die Bestimmung des Betrages, durch dessen Hinterlegung der Abgabepflichtige erwirken kann, dass Maßnahmen zur Vollziehung des Sicherstellungsauftrages unterbleiben und bereits vollzogene Maßnahmen aufgehoben werden.

Die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages setzt somit zunächst die Verwirklichung jenes Tatbestandes voraus, an den die Abgabepflicht geknüpft ist. Die Verwirklichung dieses Tatbestandes muss schon im Hinblick auf die auch für die Sicherstellungsaufträge geltende Begründungspflicht im Sinne des § 93 Abs. 3 lit. a BAO in der Begründung des Sicherstellungsauftrages entsprechend dargetan werden. Die Begründung des Bescheides muss klare Aussagen darüber enthalten, dass und auf welche Weise ein abgabenrechtlich relevanter Tatbestand verwirklicht worden ist, welcher konkrete Sachverhalt angenommen wurde und welche schlüssigen Erwägungen für diese Annahmen im Rahmen der freien Beweiswürdigung maßgebend waren.

Ein Sicherstellungsbescheid ist kein abschließender Sachbescheid im Sinne des § 183 Abs. 4 BAO, sondern eine dem Bereich der Abgabeneinhebung zuzuordnende Sofortmaßnahme, die dazu dient, selbst vor Feststellung des Ausmaßes der Abgabenschuld Einbringungsmaßnahmen setzen zu können, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass die spätere Einbringung der Abgaben gefährdet oder wesentlich erschwert wäre. Es liegt in der Natur einer solchen Maßnahme, dass sie nicht erst nach Erhebung sämtlicher Beweise, sohin nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens gesetzt werden kann. Es genügt vielmehr, dass die Abgabenschuld dem Grund nach mit der Verwirklichung des abgabenrechtlich relevanten Tatbestandes entstanden ist und gewichtige Anhaltspunkte für ihre Höhe sowie für die Gefährdung bzw. wesentliche Erschwerung ihrer Einbringung gegeben sind.

Der angefochtene Bescheid genügt den Begründungsanforderungen nicht. Er enthält keine Sachverhaltsfeststellungen und dementsprechend auch keine diesbezügliche Beweiswürdigung zur Frage, durch welches konkrete Verhalten die Abgabepflichtige die Abgabenansprüche ausgelöst habe. Er enthält auch nicht einmal eine kursorische Andeutung, aus welchen Überlegungen sich die Höhe der Abgabenschuld ergibt. Aus dem Sicherstellungsauftrag ist zu entnehmen, dass die Abgabenpflichtige verdächtig sei, Einnahmen im Zusammenhang mit Innen- und Außenputzarbeiten bei privaten Auftraggebern nicht erklärt zu haben. Es wurden weder die genaueren Umstände dargelegt, noch wurde die Höhe der angeblich nicht erklärten Einnahmen bekannt gegeben. Es kann daher darin keine taugliche Begründung im Sinne des § 93 Abs. 3 lit. a BAO erblickt werden.

Ferner muss der Begründung des Bescheides entnommen werden können, aus welchen konkreten Gegebenheiten auf eine Gefährdung oder Erschwerung der Einbringung der Abgaben zu schließen ist und aus welchen besonderen Umständen des Einzelfalles geschlossen werden kann, dass nur bei raschem Zugriff der Behörde die Einbringung der Abgaben gesichert erscheint. Solche Umstände liegen nach der Judikatur vor allem bei drohendem Konkurs- oder Ausgleichsverfahren, bei Exekutionsführung von dritter Seite oder bei Vermögensverschleppung bzw. Vermögensverschiebung ins Ausland oder an Verwandte vor. Die bloße Höhe des zu erwartenden Abgabenbetrages reicht mit Sicherheit nicht aus. Der angefochtene Bescheid entspricht daher auch nicht dem Inhaltserfordernis des § 232 Abs. 2 lit. d BAO.

Liegen die Voraussetzungen des § 232 BAO vor, was im vorliegenden Fall mangels entsprechender Bescheidausführungen nicht beurteilt werden kann, würde es im Ermessen der Abgabenbehörde liegen einen Sicherstellungsauftrag zu erlassen. Gemäß § 20 BAO müssen sich Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidungen), in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Ermessensentscheidungen müssen sohin mit dem im § 20 BAO festgelegten Grundsätzen in Einklang stehen. Diese liegen im Falle des § 232 BAO in der Möglichkeit, bei Vorliegen einer Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung von Abgaben bereits zu einem Zeitpunkt, in dem der Anspruch zwar dem Grunde nach feststeht, aber noch nicht vollstreckbar ist, Sicherungsmaßnahmen zu setzen. Die Bevorzugung der Zweckmäßigkeitserwägungen wurde im vorliegenden Fall nicht begründet und erscheint daher mit dem Sinn des Gesetzes nicht im Einklang stehend. Hinzu kommt, dass laut Vermerk auf dem Sicherstellungsauftrag außer der Zustellung des Bescheides keine Maßnahme gesetzt werden sollte. Mit der Pfändung einer Geldforderung wurde bis , das heißt mehr als acht Monate, zugewartet. Welcher Umstand die Abgabenbehörde bewogen hat, die nunmehr angefochtene Sofortmaßnahme zu setzen, ist nicht nachvollziehbar.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 232 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Verwirklichung des Tatbestandes
Gefährdung oder Erschwerung der Einbringung
Ermessen
Begründungspflicht
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at