Herstellung oder Erhaltung einer Wasserleitung?
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2011/15/0114 eingebracht. Mit Erk. v. als unbegründet abgewiesen.
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Rechtssätze | |
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RV/0112-I/10-RS1 | Werden im Zuge der Erneuerung der Verteilerleitung einer städtischen Siedlungsanlage im Bereich der Zubringerstrecke zum Zwecke der Verbesserung der Kapazität der Löschwasserhydranten größere Rohre verwendet, liegt - bei einer wesentlichen Erweiterung der Leitungskapazität - insoweit aktivierungspflichtiger Herstellungs- und nicht sofort abzugsfähiger Erhaltungsaufwand vor. |
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw. gegen die Bescheide des Finanzamtes A vom betreffend Körperschaftsteuer 2003 bis 2005 entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Die Bescheide betreffend Körperschaftsteuer 2003 und 2004 werden abgeändert. Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Abgaben sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen. Sie bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruchs.
Entscheidungsgründe
Die Berufungswerberin (kurz: Bw.) führte in ihrer Berufung gegen die gemäß § 200 Abs. 1 BAO vorläufig erlassenen Körperschaftsteuerbescheide der Jahre 2003 und 2004 sowie gegen den "Körperschaftsteuerbescheid Gruppe 2005" (je mit Ausfertigungsdatum ) aus: Die Außenprüfung sei "offenkundig davon ausgegangen, dass, wenn ein Teil eines Wasserleitungsnetzes ausgetauscht wird und dabei Rohre mit einer größeren Nennweite zum Einbau" gelangen, "für diesen Teil der Leitung kein Reparaturaufwand, sondern aktivierungspflichtige Aufwendungen vorliegen". Sie beziehe sich dabei auf das Erkenntnis des , und zitiere dieses Erkenntnis auch insofern korrekt, als sie wiedergebe:
"... stellt solcherart auch der Austausch eines wesentlichen Teiles eines Wirtschaftsgutes im Sinne einer Generalsanierung keine Herstellungsmaßnahme dar, solange die Wesensart des Wirtschaftsgutes beibehalten bleibt. ... Eine Änderung der Wesensart eines Wirtschaftsgutes tritt insbesondere dann nicht ein, wenn die Leitungskapazität keine Änderung erfährt".
Wenn nun aber im Fall der Bw. in einem bestimmten Teil des Wasserleitungsnetzes aus technischen Gründen die Nennweite der Rohre von 80 mm auf 100 mm Durchmesser getauscht worden sei, entspreche dies keiner Kapazitätsausweitung. Eine solche läge nur vor, wenn die gesamte Wasserleitung "von der Quelle bis zum Verbraucher" entsprechend größer dimensioniert worden wäre. Die Kosten der Leitungsrohre bildeten im Übrigen in der Regel auch nur einen untergeordneten Bestandteil der gesamten Errichtungskosten einer Wasserleitung. Die Ausgaben zur Führung und Befestigung der Leitungsrohre sowie die Verlegearbeiten seien in der Regel deutlich höher als die Kosten der Rohre selbst. Werde das Wirtschaftsgut Wasserleitung (bestehend aus der Leitungstrasse, den errichteten Anlagen zur Leitungsführung, den Wasserleitungsrohren) "gesamthaft und somit als ein Wirtschaftsgut" gesehen, so liege im Ersatz der alten Rohre durch neue Rohre "in einem kleinen Teilstück" des Wasserleitungssystems nur ein "Austausch von Bestandteilen zur Erhaltung des Nutzungspotenzials der ursprünglich errichteten Wasserleitung (als ein Wirtschaftsgut) vor." Diese Aussage decke sich mit der Aussage des VwGH in der zitierten Entscheidung, in der ausgeführt werde, dass auch der Austausch eines wesentlichen Teiles eines Wirtschaftsgutes im Sinne einer Generalsanierung nicht als Herstellung zu qualifizieren sei, solange "die Wesensart des Wirtschaftsgutes beibehalten bleibt". Wenn aber ein Wasserleitungsnetz, das ein einheitliches Wirtschaftsgut darstelle, teilweise erneuert werde, könne im Sinne der Judikatur des VwGH kein aktivierungspflichtiger Herstellungsaufwand, sondern nur ein Reparaturaufwand vorliegen. Auch Beiser (ÖStZ 2009, 4) treffe die Entscheidung, ob ein aktivierungspflichtiger Aufwand vorliege, dahingehend, ob das Nutzenpotenzial eines Wasserleitungsnetzes erhöht werde. Werde im Wesentlichen nur wieder der ursprüngliche Zustand hergestellt, liege nach Beiser demgemäß keine Herstellung, sondern Erhaltung vor.
Die Berufung wurde der Abgabenbehörde zweiter Instanz (ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung) unmittelbar zur Entscheidung vorgelegt.
Über die Berufung wurde erwogen:
1.) Die Außenprüfung hat - nach der Darstellung des Berichts vom - "in Anlehnung" an das Erkenntnis des , "eine Prüfung vorgenommen, inwieweit im Zuge der Erneuerung von Versorgungsleitungen eine Änderung der Wesensart" (des Wirtschaftsgutes) stattgefunden habe. Sie hat im Anschluss an ein Zitat aus dieser Entscheidung ("stellt solcherart auch der Austausch eines wesentlichen Teiles eines Wirtschaftsgutes im Sinne einer Generalsanierung eine Herstellungsmaßnahme dar, solange die Wesensart des Wirtschaftsgutes beibehalten bleibt") die Feststellung getroffen, dass eine Änderung der Wesensart eines Wirtschaftsgutes insbesondere dann nicht eintrete, wenn die Leitungskapazität keine Änderung erfahre. Daraus folge, dass eine Änderung der Leitungskapazität zu aktivierungspflichtigen Herstellungsaufwendungen führe. Für die "Verteilerleitung B" seien Kosten von xxx € entstanden. Im Bereich der Zubringerstrecke (47% der Gesamtkosten; xx €) sei es laut Mitteilung der Bw. "zur Verbesserung der Kapazität der Löschwasserhydranten" (und damit zu einer "Erweiterung der Leitungskapazität") gekommen.
2.) Der VwGH hat in seinem Erkenntnis vom , 2006/15/0333, ausgeführt, dass im Geltungsbereich des EStG 1988 Aufwendungen auf ein Wirtschaftsgut - im Hinblick auf die Regelungen des § 4 Abs. 7 bzw. § 28 Abs. 2 EStG 1988 - nicht schon deshalb zu den Herstellungskosten zu zählen seien, weil sie den Nutzungswert des Wirtschaftsgutes wesentlich erhöhen oder seine Nutzungsdauer wesentlich verlängern. Solange die Wesensart des Wirtschaftsgutes beibehalten werde, stelle auch der Austausch eines wesentlichen Teils eines Wirtschaftsgutes im Sinne einer Generalsanierung noch keine Herstellungsmaßnahme dar.
Erhaltungsaufwand liegt insbesondere dann vor, wenn vorhandene Teile eines Wirtschaftsgutes ausgetauscht werden. Der Umstand, dass im Zuge der Erhaltung besseres Material oder eine modernere Ausführung gewählt wird, führt noch nicht zu Herstellungsaufwand, "solange nicht die Wesensart des Wirtschaftsgutes verändert wird".
3.) Bereits im Vorerkenntnis hatte der VwGH festgehalten, dass der angefochtene Bescheid "nicht die Feststellung" treffe, "dass die Leitungskapazität ... eine Änderung erfahren hätte". Bei dieser Sachlage spreche nichts dagegen, die angefallenen Aufwendungen als Erhaltungsaufwendungen einzustufen. Im Rahmen von Erhaltungsmaßnahmen könne durchaus dem Umstand Rechnung getragen werden, dass es nach Abschluss der seinerzeitigen Herstellung eines Wirtschaftsgutes zur Entwicklung anderer Materialien gekommen sei. Der angefochtene Bescheid enthalte sich auch in Bezug auf die im Boden verbliebenen Rohre exakter Sachverhaltsfeststellungen. Sollte die verbliebene Leitung eine grundsätzlich nach wie vor funktionstüchtige Wasserleitung darstellen und daneben eine weitere Leitung eingerichtet worden sein, die als zweite Versorgungsleitung bestehe, wäre - "schon im Hinblick auf die klare Kapazitätsausweitung" - eine Herstellung gegeben ().
4.) Unbestritten ist, dass eine Erweiterung der Leitungskapazität (nur) im Bereich der Zubringerstrecke stattgefunden hat und zwar zum Zwecke der Verbesserung der Kapazität der Löschwasserhydranten (Tz. 2 des Prüfungsberichtes).
Die Ausführungen der Berufung, dass der Durchmesser der Rohre im restlichen Teil des Leitungsnetzes (53%) keine Änderung erfahren habe, erweisen sich als zutreffend. Sie vermögen aber an der Beurteilung des strittigen Abschnittes schon deshalb nichts zu ändern, weil die Verwendung größerer Rohre "im Bereich der Zubringerstrecke" einen eigenständigen Zweck verfolgt hat, nämlich jenen der Verbesserung der Löschwasserzufuhr (im Interesse der Sicherheit der Bevölkerung). Dabei hat auch eine "wesentliche" Erweiterung der Kapazität (in diesem Abschnitt) stattgefunden. Der Durchmesser der Rohre hat sich um 25% erhöht (sodass schon aus diesem Grund nicht gesagt werden kann, es hätte "nur eine minimale Erhöhung" der Nennweite stattgefunden). Vor allem aber konnte die Durchflussmenge erheblich gesteigert werden, nämlich um über 50% (r2π). Die Durchflussmenge bildete auch nicht etwa bloß - wie im Fall des Erkenntnisses des - die unausweichliche Folge der Verwendung zeitgemäßeren Rohrmaterials. Rohre mit 100 mm Durchmesser wurde gerade zur Erreichung des genannten Zwecks eingesetzt.
5.) Die Berufung äußert sich zur Verbesserung der Kapazität der Löschwasserhydranten in keiner Weise. Sie geht nur davon aus, dass eine Ausweitung der Kapazität deshalb nicht stattgefunden habe, weil die Rohre nicht durchgehend, dh "von der Quelle bis zum Verbraucher", ausgetauscht worden sind. In den angefochtenen Bescheiden wurde aber keine Aktivierung der gesamten Aufwendungen (von xxx €) vorgenommen, sondern lediglich eine Aktivierung jener Aufwendungen, die auf den Bereich der Zubringerstrecke entfallen.
6.) Soweit der Standpunkt vertreten wird, dass eine Aktivierung nicht zulässig gewesen sei, weil der Ersatz der Rohre nur in einem "kleinen Teilbereich des Wasserleitungssystems" stattgefunden habe und folglich nur von einem Austausch von Bestandteilen des Wirtschaftsgutes (bestehend aus der gesamten Leitungsanlage) gesprochen werden könne, ist darauf hinzuweisen, dass es sich um einen wesentlichen Teil der gesamten "Verteilerleitung" (nämlich 43%) gehandelt hat und der Erweiterung der Wasserzufuhr im Bereich der Zubringerstrecke die bereits dargestellte, eigenständige Funktion beizumessen ist (Hydrantenversorgung). Diese geht über die Versorgung der "Verbraucher" hinaus. Kommt es zu einem Zubau z.B. an das Erdgeschoßes eines Hauses, ist - wie bei einer Aufstockung - von einer Erweiterung des gesamten Wirtschaftsguts "Gebäude" (und damit von einer Änderung der Wesensart des genannten Wirtschaftsgutes) auszugehen. Schließlich kommt es auch nicht entscheidend darauf an, ob die Kosten der Rohre selbst den wesentlichen Teil der Kosten ausgemacht haben, weil es sich dabei um die Folgekosten der beabsichtigten Maßnahme selbst gehandelt hat, die im strittigen Streckenabschnitt (wie ausgeführt) zu einer Erhöhung des Potenzials der Löschwasserversorgung etc. führen sollte.
7.) Die Berufung gegen die Körperschaftsteuerbescheide 2003 und 2004 war daher als unbegründet abzuweisen. Aus den im Schreiben des steuerlichen Vertreters der Bw. vom dargestellten Gründen waren die Bescheide aber zugleich abzuändern (jährliche Gewinnminderung von x €).
8.) Für das Jahr 2005 wurde das Ergebnis der Bw. als Gruppenträgerin (Hauptbeteiligter) mit Bescheid gemäß § 92 Abs. 1 lit. b BAO festgestellt. Der Bescheid gemäß § 92 BAO hat Bindungswirkung für die Festsetzung der Körperschaftsteuer. Der "Körperschaftsteuerbescheid Gruppe 2005" konnte daher nicht erfolgreich mit Einwendungen bekämpft werden, die gegen den Grundlagenbescheid ("Feststellungsbescheid Gruppenträger 2005") zu richten waren. Zur Berücksichtigung der Gewinnminderung von x € in diesem Jahr (2005) bedarf es der Änderung des Grundlagenbescheides durch das Finanzamt (nach Maßgabe der verfahrensrechtlichen Möglichkeiten).
Sohin war spruchgemäß zu entscheiden.
Beilage: 1 Berechnungsblatt
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 6 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 92 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
Zitiert/besprochen in | StExp 2011/320 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at