Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSL vom 24.07.2009, RV/0672-L/09

Die Begünstigungsbestimmung des § 24 Abs. 6 EStG 1988 befreit auch beim § 5-Ermittler den Wertzuwachs des Grund und Bodens.

Beachte

VwGH-Beschwerde zur Zl. 2009/15/0168 eingebracht (Amtsbeschwerde). Mit Erk. v. als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der OHG undGesellschafter, alle vertreten durch Steuerberater, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Gmunden Vöcklabruck, vom betreffend Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für das Jahr 2007

entschieden:

Der Berufung wird Folge gegeben.

Die im Kalenderjahr 2007 erzielten Einkünfte werden gem. § 188 BAO festgestellt. Einkünfte aus Gewerbebetrieb 1.530,12 € In den Einkünften sind enthalten: Veräußerungs- und Aufgabegewinne 26.349,85 €

Bei der Veranlagung der beteiligten Steuerpflichtigen sind im Rahmen der Einkommensermittlung in Frage kommende Begünstigungen/Besteuerungswahlrechte nach §§ 24, 37 und 97 EStG 1988 zu berücksichtigen.


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Nr.
Name/Adresse/Finanzamt/St.Nr.
Anteil
Betrag
1
Beteiligter1
Einkünfte
765,06 €
In den Einkünften sind Veräußerungs- Aufgabegewinne enthalten
13.174,93 €
Bei der Veranlagung des beteiligten Steuerpflichtigen sind im Rahmen der Einkommensermittlung in Frage kommende Begünstigungen /Besteuerungswahlrechte nach §§ 24, 37 und 97 EStG 1988 zu berücksichtigen
Nr.
Name/Adresse/Finanzamt/St.Nr.
Anteil
Betrag
2
Beteiligter2
Einkünfte
765,06 €
In den Einkünften sind Veräußerungs- Aufgabegewinne enthalten
13.174,92 €
Bei der Veranlagung der beteiligten Steuerpflichtigen sind im Rahmen der Einkommensermittlung in Frage kommende Begünstigungen /Besteuerungswahlrechte nach §§ 24, 37 und 97 EStG 1988 zu berücksichtigen

Entscheidungsgründe

Auf Grund des Firmenbuches, der vorgelegten Veranlagungs- und Bewertungsakten und der insoweit widerspruchsfreien Darstellung im Betriebsprüfungsbericht vom und der Berufung vom wird der Entscheidung folgender unstrittige Sachverhalt zugrunde gelegt:

Die Berufungswerberin, die das Ergebnis nach einem abweichenden Wirtschaftsjahr zum Bilanzstichtag 31. März ermittelte, verpachtete einen Restaurantbetrieb in der Rechtsform einer GmbH & Co KG und seit 2006 als OHG (auf Grund des Unternehmensgesetzbuches OG seit ). Das Erdgeschoss des Gebäudes Adresse befand sich anteilig (je ½) im Sonderbetriebsvermögen der OHG. Im ersten Stock dieses Gebäudes befindet sich seit über 30 Jahren der Hauptwohnsitz der beiden vor 1947 geborenen Gesellschafter der OHG.

Seit konnte das Restaurant nicht mehr verpachtet werden und ist eine derartige Nutzung auch unwahrscheinlich. Es wurde daher von der OHG per Ende 2007 die Betriebsaufgabe erklärt und der Antrag auf Hauptwohnsitzbefreiung gemäß § 24 Abs. 6 EStG 1988 gestellt. In der Beilage zur Steuererklärung wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Wertzuwachs bei Grund und Boden für das Betriebsgebäude (von unstrittig 68.250,00 €) auf Grund des Erkenntnisses des , nicht erfasst wurde (Datum richtig ). Im Zuge einer Betriebsprüfung wurde für das streitgegenständliche Jahr 2007 folgendes Ergebnis festgestellt (Tz 3 des Betriebsprüfungsberichtes vom ).


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gesamt
Gesellschafter
Gesellschafterin
stl. Verlust -
- 24.819,73 €
- 12.409,87 €
- 12.409,86 €
Aufgabegewinn Fischhütte
26.349,85 €
13.174,93 €
13.174,93 €
steuerliches Ergebnis bisher
1.530,12 €
765,06 €
765,06 €
A ufgabegewinn Adresse
68.250,00 €
34.125,00 €
34.125,00 €
Steuerliches Ergebnis lt. BP
69.780,12 €
34.890,06 €
34.890,06 €

Die Zurechnung des der Höhe nach unstrittigen Wertzuwachses des Grund und Bodens von 68.250,00 € begründete der Betriebsprüfer damit, dass die gegenständliche Gesellschaft als KG-OHG-OG immer protokollierter Vollkaufmann und als solcher zur Gewinnermittlung nach § 5 Abs. 1 EStG 1988 verpflichtet gewesen sei. Es wären deshalb das gegenständliche Grundstück ins Anlagenverzeichnis aufzunehmen und die stillen Reserven des Grund und Bodens bei der Betriebsaufgabe zu erfassen gewesen. Dem seitens der OHG ins Treffen geführten Erkenntnis des , komme nach den Einkommensteuerrichtlinien (EStR 2000 RZ 5699) keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu.

Mit Bescheid vom stellte das Finanzamt dem Prüfer folgend die Einkünfte aus Gewerbebetrieb für das Kalenderjahr 2007 gemäß § 188 BAO mit 69.780,12 €, darin ein steuerlich begünstigter Aufgabegewinn von 94.599,85 € (26.349,85 + 68.250,00) fest.

Mit Schriftsatz vom erhoben die OHG und deren beide Gesellschafter Berufung gegen diesen Bescheid vom , beantragten, die Betriebsaufgabe in der erklärten Form durch Anerkennung der Hauptwohnsitzbefreiung des § 24 Abs. 6 EStG 1988 auch für den auf die stillen Reserven des Grund und Bodens entfallenden Teil von 68.250,00 € anzuerkennen und begründeten dies nach Darstellung des Sachverhaltes und Wiedergabe der genannten Gesetzesbestimmung im Wesentlichen wie folgt:

"Zur strittigen Frage, ob sich § 24 Abs. 6 EStG 1988 auch auf den Grund und Boden erstreckt, hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis , unter anderem Folgendes festgestellt:

Der Umstand, dass das Gesetz von der Übertragung stiller Reserven auf das Gebäude sowie von der Veräußerung des Gebäudes spricht, zeigt auf, dass auf das einzelne Wirtschaftsgut "Gebäude" abgestellt ist.

Bei Gebäuden stellt in der Regel jede bautechnische Einheit (samt dem Boden, vergleiche die Erkenntnisse vom , 98/15/0019, und vom , 98/14/0061, und Hofstätter-Reichel, § 4 Abs. 1, EStG, Tz 56 und Tz 135, Boden und Gebäude!) ein einzelnes Wirtschaftsgut dar.

Der VwGH beschreibt im Erkenntnis vom , 2000/14/0178, Sinn und Zweck der Hauptwohnsitzbefreiung nach § 24 Abs. 6 EStG 1988:

Demnach sollen durch die Begünstigung des § 24 Abs. 6 EStG 1988 soziale Härten vermieden werden, wenn der Unternehmer im Betriebsgebäude seinen Hauptwohnsitz hat und anlässlich der Betriebsaufgabe stille Reserven versteuern müsste, die er nicht realisieren kann, ohne gleichzeitig seinen Wohnsitz aufzugeben.

Die Bestimmung des § 24 Abs. 6 EStG 1988 will somit gewährleisten, dass der Steuerpflichtige nicht durch die Versteuerung der stillen Reserven seines bisherigen Hauptwohnsitzes zu dessen Aufgabe gezwungen wird.

Daraus ergibt sich, dass die Hauptwohnsitzbefreiung die stillen Reserven im gesamten Wirtschaftsgut (Grund- und Gebäudewert des bisherigen Hauptwohnsitzes) erfasst (vgl. dazu UFS Graz , RV/0701-G/07).

Im konkreten Fall stellt die Versteuerung der stillen Reserven für Grund und Boden eine besondere Härte dar, weil für den Zeitraum vom bis zur Betriebsaufgabe 2007 eine Wertsteigerung von 68.250,00 € festgestellt wurde.

Universitätsprofessor Dr. Reinhold Beiser hat in seinem Artikel vom (SWK/34-35) klar festgehalten, dass die Versteuerung von stillen Reserven für § 5-Ermittler sachlich nicht gerechtfertigt ist.

"Das Ziel, den Steuerpflichtigen nicht zur Aufgabe seiner bisherigen Wohnung zu zwingen, hängt nicht von der Art der Gewinnermittlung ab."

Auch Gewinnermittler nach § 5 EStG müssen die auf ein Hauptwohnsitzgebäude entfallenden stillen Reserven im Grund- und Gebäudewert nach § 24 Abs. 6 EStG nicht versteuern.

Wortlaut, Systematik und Ziel des Gesetzes zwingen zu einer solchen Auslegung ebenso wie das Sachlichkeitsgebot (Art. 7 B-VG).

Die gegenteilige Auffassung in RZ 5699 EStR 2000 ist gesetzlich nicht gedeckt und würde darüber hinaus Gewinnermittler nach § 5 EStG sachlich (Art. 7 B-VG) nicht gerechtfertigt benachteiligen. Ohne festen Grund hat ein Gebäude keinen Bestand, Grund und Gebäude sind somit in der Regel als einheitliches Wirtschaftsgut zu qualifizieren."

Im Vorlagebericht vom beantragte das Finanzamt die Abweisung der Berufung mit der Begründung, seiner Ansicht nach könne der Wert des Grund und Bodens bei einem § 5 EStG-Ermittler nicht in die Begünstigung bei der Betriebsaufgabe miteinbezogen werden, weil der Gesetzgeber bei der Bestimmung des § 24 Abs. 6 EStG 1988 grundsätzlich vom § 4/1-Ermittler ausgehe und lediglich Gebäudeteile erwähnt seien.

Mit Schriftsatz vom wurde der in der Berufung gestellte Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung für den Fall der Stattgabe zurückgenommen.

Über die Berufung wurde erwogen:

Der erste Absatz des ab (§ 124b Z 134 idF BGBl. I Nr. 100/2006) geltenden mit der Überschrift "Gewinn der rechnungslegungspflichtigen Gewerbetreibenden" versehenen § 5 Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr.400/1988 idF BGBl. I Nr. 24/2007 (EStG 1988) lautet (Fettdruck durch die Berufungsbehörde):

§ 5. (1) Für die Gewinnermittlung jener Steuerpflichtigen, die nach § 189 UGB der Pflicht zur Rechnungslegung unterliegen und die Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 23) beziehen, sind die unternehmensrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung maßgebend, außer zwingende steuerrechtliche Vorschriften treffen abweichende Regelungen. § 4 Abs. 1 letzter Satz ist jedoch nicht anzuwenden. Beteiligt sich ein Gesellschafter als Mitunternehmer am Betrieb eines nach § 189 UGB rechnungslegungspflichtigen Gewerbetreibenden, gilt auch diese Gesellschaft als rechnungslegungspflichtiger Gewerbetreibender.

§ 4 Abs. 1 letzter Satz EStG 1988 lautet:

"Gewinne oder Verluste aus der Veräußerung oder Entnahme und sonstige Wertänderungen von Grund und Boden, der zum Anlagevermögen gehört, sind nicht zu berücksichtigen.

Der sechste Absatz des mit der Überschrift "Veräußerungsgewinne" versehenen § 24 EStG 1988 in der gemäß § 124b Z 127 ab dem Veranlagungsjahr 2006 geltenden Fassung BGBl. I Nr. 161/2005, lautet:

(6) Wird der Betrieb aufgegeben und werden aus diesem Anlass Gebäudeteile (Gebäude) ins Privatvermögen übernommen, so unterbleibt auf Antrag die Erfassung der darauf entfallenden stillen Reserven. Voraussetzung ist, dass das Gebäude bis zur Aufgabe des Betriebes der Hauptwohnsitz des Steuerpflichtigen gewesen ist, auf das Gebäude keine stillen Reserven übertragen worden sind und einer der folgenden Fälle vorliegt:

1. Der Steuerpflichtige ist gestorben und es wird dadurch eine Betriebsaufgabe veranlasst.

2. Der Steuerpflichtige ist wegen körperlicher oder geistiger Gebrechen in einem Ausmaß erwerbsunfähig, dass er nicht in der Lage ist, seinen Betrieb fortzuführen oder die mit seiner Stellung als Mitunternehmer verbundenen Aufgaben oder Verpflichtungen zu erfüllen. Das Vorliegen dieser Voraussetzung ist auf Grundlage eines vom Steuerpflichtigen beizubringenden medizinischen Gutachtens eines allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen zu beurteilen, es sei denn, es liegt eine medizinische Beurteilung durch den für den Steuerpflichtigen zuständigen Sozialversicherungsträger vor.

3. Der Steuerpflichtige hat das 60. Lebensjahr vollendet und stellt seine Erwerbstätigkeit ein. Eine Erwerbstätigkeit liegt nicht vor, wenn der Gesamtumsatz aus den ausgeübten Tätigkeiten 22.000 Euro und die gesamten Einkünfte aus den ausgeübten Tätigkeiten 730 Euro im Kalenderjahr nicht übersteigen.

Wird das Gebäude (der Gebäudeteil) nach Betriebsaufgabe durch den Steuerpflichtigen oder einen unentgeltlichen Rechtsnachfolger zur Erzielung von Einkünften verwendet, ist sein steuerlicher Wertansatz um die unversteuerten stillen Reserven zu kürzen. Wird das Gebäude (der Gebäudeteil) innerhalb von fünf Jahren nach Aufgabe des Betriebes durch den Steuerpflichtigen oder einen unentgeltlichen Rechtsnachfolger veräußert, gilt die Veräußerung als rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a der Bundesabgabenordnung, das beim Steuerpflichtigen zur Erfassung der stillen Reserven höchstens im Umfang der Bemessungsgrundlage bei Betriebsaufgabe führt. Die zu erfassenden stillen Reserven sind als Aufgabegewinn zu versteuern. Wurde das Gebäude (der Gebäudeteil) vor der Veräußerung bereits zur Erzielung von Einkünften verwendet, ist der steuerliche Wertansatz um die versteuerten stillen Reserven wieder zu erhöhen.

In der von den Berufungswerbern ins Treffen geführten Entscheidung des Unabhängigen Finanzsenates RV/0701-G/07 vom wird nach Wiedergabe des § 24 Abs. 6 EStG 1988 Folgendes ausgeführt:

"Zur hier strittigen Frage, ob sich § 24 Abs. 6 EStG 1988 auch auf den Grund und Boden erstreckt, hat der VwGH im Erkenntnis vom , 2005/14/0038, ua. Folgendes festgestellt:

(...) Der Umstand, dass das Gesetz von der Übertragung stiller Reserven auf das Gebäude sowie von der Veräußerung des Gebäudes spricht, zeigt auf, dass auf das einzelne Wirtschaftsgut "Gebäude" abgestellt ist. Bei Gebäuden stellt idR jede bautechnische Einheit (samt dem Boden, vgl. die hg. Erkenntnisse vom , 98/15/0019, und vom , 98/14/0061, und Hofstätter/Reichel, § 4 Abs. 1 EStG, Tz 56 und Tz 135 "Boden und Gebäude") ein einzelnes Wirtschaftgut dar.

Der VwGH beschreibt im Erkenntnis vom , 2000/14/0178, Sinn und Zweck der Hauptwohnsitzbefreiung nach § 24 Abs. 6 EStG 1988. Demnach sollen durch die Begünstigung des § 24 Abs. 6 EStG 1988 soziale Härten vermieden werden, wenn der Unternehmer im Betriebsgebäude seinen Hauptwohnsitz hat und anlässlich der Betriebsaufgabe stille Reserven versteuern müsste, die er nicht realisieren kann, ohne gleichzeitig seinen Wohnsitz aufzugeben. Die Bestimmung des § 24 Abs. 6 EStG 1988 will somit gewährleisten, dass der Steuerpflichtige nicht durch die Versteuerung der stillen Reserven seines bisherigen Hauptwohnsitzes zur Aufgabe seines bisherigen Hauptwohnsitzes gezwungen wird. Daraus ergibt sich, dass die Hauptwohnsitzbefreiung die stillen Reserven im gesamten Wirtschaftsgut (Grund- und Gebäudewert des bisherigen Hauptwohnsitzes) erfasst (...)

Damit ist die hier strittige Rechtsfrage durch den VwGH aber eindeutig entschieden. - Der Unabhängige Finanzsenat schließt sich dieser Auffassung des VwGH an (gleicher Ansicht übrigens auch: Beiser, Betriebsaufgabe und Hauptwohnsitzbefreiung, SWK 34/35/2006, S 940).

Der dieser Auffassung entgegenstehenden in der Berufungsvorentscheidung vom zitierten Literaturmeinung sowie der Richtlinienmeinung, wonach "dem gegenteiligen Erkenntnis des ... insoweit keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung" zukomme (vgl. EStR 2000 Rz 5699), wird vom Unabhängigen Finanzsenat also nicht gefolgt".

Gegen diese Entscheidung des UFS RV/0701-G/07 vom wurde vom Finanzamt eine Amtsbeschwerde erhoben, die laut Anmerkung in der FINDOK unter der Zl. 2008/15/0135 beim Verwaltungsgerichtshof anhängig ist. Das Finanzamt dürfte sich dabei auf die schon in der genannten Berufungsvorentscheidung zitierte Literaturmeinung (Quantschnigg/Mayr, Gebäude, Grundstück und Grund und Boden im EStG, RdW 2007, 118) gestützt haben.

Die Berufungsbehörde erachtet jedoch die in der Replik von Beiser (RdW 2007, 243) dazu vorgetragenen Argumente als überzeugend:

1. Der Verwaltungsgerichtshof

hat mit Erkenntnis erkannt, dass die Hauptwohnsitzbefreiung nach § 24 Abs. 6 EStG im Fall einer Betriebsaufgabe den Grund- und Gebäudewert erfasst. Begründend führt der VwGH aus:

"Der Verwaltungsgerichtshof beschreibt im Erkenntnis vom , 2000/14/0178, Sinn und Zweck der Hauptwohnsitzbefreiung nach § 24 Abs. 6 EStG 1988. Demnach sollen durch die Begünstigung des § 24 Abs. 6 EStG 1988 soziale Härten vermieden werden, wenn der Unternehmer im Betriebsgebäude seinen Hauptwohnsitz hat und anlässlich der Betriebsaufgabe stille Reserven versteuern müsste, die er nicht realisieren kann, ohne gleichzeitig seinen Wohnsitz aufzugeben.

Die Bestimmung des § 24 Abs. 6 EStG 1988 will somit gewährleisten, dass der Steuerpflichtige nicht durch die Versteuerung der stillen Reserven seines bisherigen Hauptwohnsitzes zur Aufgabe seines bisherigen Hauptwohnsitzes gezwungen wird. Daraus ergibt sich, dass die Hauptwohnsitzbefreiung die stillen Reserven im gesamten Wirtschaftsgut (Grund- und Gebäudewert des bisherigen Hauptwohnsitzes) erfasst."

2. Die Gesetzesmaterialien

bestätigen die teleologische Auslegung durch den Verwaltungsgerichtshof:

"Zur Vermeidung von Härten sieht der Entwurf in bestimmten Fällen der Betriebsaufgabe auf Antrag eine Ausscheidung der stillen Reserven betrieblich genutzter Gebäudeteile aus dem steuerpflichtigen Aufgabegewinn vor." (so die EB zur RV 457 BLgNR 15. GP zum Abgabenänderungsgesetz 1980). Die Gesetzesmaterialien betonen damit exakt das vom VwGH angeführte Ziel, soziale Härten infolge einer Besteuerung der stillen Reserven des Hauptwohnsitzes anlässlich einer Betriebsaufgabe zu vermeiden.

§ 24 Abs. 6 EStG 1988 hat die Hauptwohnsitzbefreiung des § 24 Abs. 6 EStG 1972 (idF AbgÄG 1980) übernommen, ohne die soziale Zielrichtung zu verändern. In den EB zur RV 621 BLgNR 17. GP ist zu § 24 Abs. 6 EStG 1988 zu lesen:

"Bei Betriebsaufgabe unterbleibt die Versteuerung der stillen Reserven hinsichtlich der Betriebsgebäude, wenn der Steuerpflichtige das 55. Lebensjahr vollendet hat und seine Erwerbstätigkeit einstellt. Bisher wurde auf das Alter abgestellt, ab dem die Voraussetzungen für eine gesetzliche Alterspension vorliegen. Dies führte zu Problemen bei bestimmten Freiberuflern, die erst mit höherem Alter einen Anspruch auf eine Alterspension haben (zB bei Notaren). Außerdem erscheint die bisher ungleiche Behandlung von Männern (60. Lebensjahr) und von Frauen (55. Lebensjahr) im Steuerrecht verfassungsrechtlich bedenklich. Ansonsten ist bei den weiteren Voraussetzungen keine Änderung eingetreten."

Ein Hinweis, die Hauptwohnsitzbefreiung nach § 24 Abs. 6 EStG würde sich nur auf das Gebäude, jedoch nicht auf den Grund erstrecken, ist in den Gesetzesmaterialien nicht zu finden.

Dass das BMF die Hauptwohnsitzbefreiung nur § 4 Abs. 3- und § 4 Abs. 1-Gewinnermittlern gewähren wollte (Quantschnigg/Mayr, RdW 2007/120, 118, mit Hinweis auf Nolz/Scheiner, ÖStZ 1980, 166 f, und Nolz, ÖStZ 1980, 242, 243 f), der Nationalrat eine ungleiche Anwendung der Hauptwohnsitzbefreiung anlässlich einer Betriebsaufgabe jedoch abgelehnt hat und die Befreiung gleichmäßig (Art 7 B-VG) auf alle Arten der Gewinnermittlung ausgeweitet hat, spricht für die Befreiung des Gebäude- und Grundwertes: Eine Besteuerung des Grundwertes nur bei der Gewinnermittlung nach § 5 EStG ist offenkundig ungleich und gerade mit der sozialen Härte verbunden, die es nach dem erklärten Gesetzeszweck zu vermeiden gilt.

3. Die Wortinterpretation

bestätigt den VwGH ebenso: Nach § 12 Abs. 3 EStG 1988 beträgt die Behaltefrist für "Grundstücke oder Gebäude" unter bestimmten Voraussetzungen 15 Jahre. Der Terminus "Grundstücke" erfasst unbebaute Grundstücke, der Terminus "Gebäude" bebaute Grundstücke samt "Grund und Boden". Erfasst der Terminus "Gebäude" in § 12 EStG Gebäude samt "Grund und Boden", so ist es konsistent, den Begriff "Gebäude" und "Gebäudeteile" in § 24 Abs. 6 EStG ebenso im Sinn von "Gebäude" samt "Grund und Boden" zu verstehen. Dafür spricht auch der allgemeine Sprachgebrauch: Wer sich ein Haus/Gebäude oder eine Wohnung kauft, kauft ein Gebäude oder einen Gebäudeteil samt Grund.

Der Ausdruck "Gebäudeteil(e)" in § 24 Abs. 6 EStG 1988 trifft Gebäude, die ertragsteuerrechtlich in einen Privat- und einen Betriebsteil aufgeteilt sind (zB 30 % Privatwohnung, 70 % Betriebsgebäude (Beiser, Steuern 5, 2007 89). In solchen Fällen sind nur die betrieblich genutzten Gebäudeteile (samt dem dazu gehörigen Grundanteil) befreit, weil sich die privat genutzten Gebäudeteile (samt Grundkomponente) ohnehin schon im Privatvermögen befinden.

4. Die teleologische Interpretation

räumt alle Missverständnisse aus:

Der Begriff "Grund und Boden" in § 4 Abs. 1 EStG erfasst nur den Grundwert, weil eine Abschreibung von Gebäudewerten nach §§ 7 und 8 EStG und eine Nichterfassung realisierter stiller Reserven in Gebäudewerten eine überschießende doppelte Begünstigung wäre.

Die Abschreibung nach §§ 7 und 8 EStG erfasst den Grundwert nicht, weil die Nutzung des Grundwertes in der Regel nicht zeitlich begrenzt ist. Der Gebäudewert ist dagegen abzuschreiben, weil er in der Regel nur zeitlich begrenzt nutzbar ist (Beiser, SWK 2006/34/35, S 940, 941).

Der Begriff "Gebäude" und "Gebäudeteile" in § 24 Abs. 6 EStG erfasst den Grund- und Gebäudewert, weil soziale Härten durch eine Versteuerung stiller Reserven des Hauptwohnsitzgebäudes im Fall einer Betriebsaufgabe durch eine Besteuerung stiller Reserven im Grundwert ebenso entstehen können wie durch eine Besteuerung stiller Reserven im Gebäudewert.

Beiser schließt damit und daraus, 5. Die Finanzverwaltung solle die überzeugend begründete Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes in ihre EStR 2000 aufnehmen.

Nach der Verfassungsbestimmung des § 6 iVm § 2 UFSG, BGBl I 2002/97, sind jedenfalls die Mitglieder des Unabhängigen Finanzsenates ua bei Besorgung der ihnen durch Abgabenvorschriften übertragenen Vorschriften weisungsfrei. § 271 BAO bestätigt dies ("Die Mitglieder des Unabhängigen Finanzsenates sind in Ausübung ihres Amtes an keine Weisung gebunden.").

Die Berufungsbehörde erachtet im Lichte der Ausführungen Beisers (RdW 2007, 243) das auf die einschlägige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (; , 2000/14/0178, , 98/14/0061, und , 98/15/0019) und eine bereits ergangene Entscheidung des Unabhängigen Finanzsenates (RV/0701-G/07 vom ) gestützte Berufungsbegehren als berechtigt.

Der Berufung war daher durch Ausscheiden des auf den Grund und Boden des Hauptwohnsitzes entfallenden Wertzuwachses ("Aufgabegewinn Moos 14") von 68.250,00 € aus den Bemessungsgrundlagen stattzugeben.

Hinsichtlich der rechnerischen Darstellung wird auf die Tabelle auf Seite drei dieser Entscheidung verwiesen.

Deshalb war spruchgemäß zu entscheiden.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Verweise
Zitiert/besprochen in
UFSjournal 2009, 386
AFSaktuell 2009, 279

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at