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OGH vom 23.03.1999, 1Ob8/99d

OGH vom 23.03.1999, 1Ob8/99d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Christoph K*****, vertreten durch Dr. Walter Strigl und Dr. Gerhard Horak, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei B***** GesmbH, ***** vertreten durch Dr. Heribert Kirchmayer, Rechtsanwalt in Hainburg, wegen S 100.000,-- sA infolge Revision und Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 701/97b-24, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom , GZ 2 C 1001/95k-19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Revision und der Revisionsrekurs der beklagten Partei werden zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 5.892,48 (darin S 982,08 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Kläger kam mit der Beklagten, einer Immobilienmaklerin, über ein Zeitungsinserat in Kontakt und unterfertigte am ein an die Beklagte gerichtetes und als "Kaufanbot/Vorvertrag" bezeichnetes Schreiben über den Ankauf einer durch Ausbau eines Dachbodens erst zu schaffenden Eigentumswohnung. Gemäß Punkt 5. dieses Schreibens sollte die Übergabe der Wohnung am erfolgen; für den Fall der Überschreitung des Übergabetermins um mehr als drei Monate wurde dem Kläger ein Rücktrittsrecht eingeräumt. Er verpflichtete sich weiter, bei Anbotannahme an die Beklagte eine Provision zu bezahlen. Tatsächlich leistete der Kläger in der Folge aus diesem Titel an den Geschäftsführer der Beklagten eine Zahlung von S 100.000, in welchem Betrag keine Umsatzsteuer enthalten war. Der Geschäftsführer nahm die Zahlung für die Beklagte und nicht im eigenen Namen entgegen.

Verkäuferin der Eigentumswohnung war ein Bauunternehmen. Dieses führte die Bauarbeiten zur Errichtung der Wohnung konsenswidrig und unsachgemäß durch, sodaß am von der zuständigen Behörde die Baueinstellung angeordnet wurde, die trotz Einreichung von Austauschplänen unverändert aufrecht blieb. Weder die Wohnung noch der zu dieser führende Lift waren Ende des Jahres 1994 benützbar.

Mit Schreiben vom erklärte der Kläger gegenüber dem Bauunternehmen den Rücktritt von einem allfällig zustandegekommenen Vertrag und forderte die Rückzahlung des gegebenen Angelds von S 400.000. Dem darauf gerichteten Begehren wurde in der Folge in einem vom Kläger gegen das Bauunternehmen angestrengten Verfahren mit in Rechtskraft erwachsenem Versäumungsurteil stattgegeben.

Mit seiner am beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte der Kläger von der Beklagten die Rückzahlung der geleisteten Provision von S 100.000. Zu einer Annahme des Anbots des Klägers vom durch die Verkäuferin sei es nie gekommen. Selbst wenn man dennoch einen Vertragsabschluß annehmen wollte, habe es sich lediglich um einen Vorvertrag im Sinn des § 936 ABGB gehandelt, der wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage hinfällig geworden sei. Darüber hinaus habe der Kläger mangels Baufertigstellung seinen Rücktritt von einem allenfalls zustandegekommenen Vertrag erklärt. Wegen des nicht auf ein Verschulden des Klägers zurückgehenden Unterbleibens der Ausführung des zu vermittelnden Geschäfts sei der Provisionsanspruch der Beklagten erloschen. Die Unwirksamkeit des Vertrags gründe sich auf die rechtliche Unmöglichkeit der Leistung, weil eine Baubewilligung für den Umbau nicht bestehe. Zudem wäre das Grundgeschäft wegen laeasio enormis anfechtbar und unwirksam. Der Beklagten seien die Mängel der Bauausführung bekannt gewesen und sie habe auch über die Vertrauensunwürdigkeit der Verkäuferin Bescheid gewußt. Trotzdem sei sie ihrer Warnpflicht nicht nachgekommen.

Die Beklagte wendete dagegen ein, zwischen ihr und dem Bauunternehmen habe keinerlei rechtliche oder wirtschaftliche Verbindung bestanden. Sie habe weder Haupt- noch Nebenpflichten aus dem Vertrag verletzt; sie habe auch keinen wesentlichen Geschäftsirrtum veranlaßt, sondern sei vielmehr über den mangelnden Baufortschritt verspätet informiert worden. Über ausdrücklichen Wunsch des Klägers sei die Provision ohne Umsatzsteuer begehrt worden. Der Geschäftsführer der Beklagten habe betont, daß er im Falle einer nicht gewünschten Rechnungslegung "das Provisionsgeschäft nur privat abwickeln könne". Dies sei vom Kläger akzeptiert worden. Es werde daher die Passivlegitimation bestritten.

Das Erstgericht erkannte die Beklagte zur Zahlung des Betrags von S 100.000 sA schuldig. Es traf die eingangs zusammengefaßt wiedergegebenen Feststellungen und führte zur rechtlichen Beurteilung aus, der Kläger sei berechtigtermaßen von seinem als Vorvertrag zu qualifizierenden Anbot zurückgetreten. Der Abschluß eines Vorvertrags im Sinn des § 936 ABGB bringe für sich allein einen Provisionsanspruch nicht zur Entstehung. Zum Abschluß des Hauptvertrags sei es nicht gekommen, weshalb eine Provision mangels Zustandekommens des vermittelten Geschäfts nicht zustehe.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß die Revision jedenfalls unzulässig sei. Es übernahm die erstinstanzlichen Feststellungen und folgerte rechtlich, zwischen den Parteien sei aufgrund einer schlüssigen Annahme des Anbots des Klägers ein Vorvertrag zustandegekommen, der allerdings noch keinen Provisionsanspruch begründe. Gemäß § 6 Abs 3 HVG könne der Handelsvertreter bei Unterbleiben der Ausführung des vermittelten Geschäfts nur dann die volle Provision verlangen, wenn für das Verhalten des Geschäftsherrn keine wichtigen Gründe auf seiten des Dritten vorliegen. Derartige wichtige Gründe seien gegeben gewesen, weil die Ausführung des vermittelten Geschäfts dem Kläger nicht mehr zumutbar gewesen sei. Die bereits bezahlte Provision könne vom Kläger daher nach den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung zurückgefordert werden. Zur Frage der behaupteten mangelnden Aktiv- und Passivlegitimation bleibe die Berufung ohne Begründung, sodaß sie insoweit nicht gesetzmäßig ausgeführt sei.

Aufgrund des - nach einem Verbesserungsverfahren der Bestimmung des § 508 Abs 1 ZPO entsprechenden - Antrags der Beklagten, mit welchem Schriftsatz die ordentliche Revision ausgeführt wurde, änderte das Berufungsgericht seinen Ausspruch über die Rechtsmittelzulässigkeit dahin ab, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Es werde dem Kläger freigestellt, eine Revisionsbeantwortung zu erstatten. Die Begründung dieses Beschlusses nimmt auf den konkreten Sachverhalt in keiner Weise Bezug, sondern ergeht sich in allgemeinen Überlegungen über die potentielle Fehleranfälligkeit beruflicher Tätigkeit und die sich daraus ergebende Möglichkeit der Entstehung von Amtshaftungsansprüchen. Mit diesen nicht sachbezogenen Ausführungen verstößt dieser Beschluß gegen die zwingende Bestimmung des § 508 Abs 3 ZPO letzter Halbsatz, nach der der Beschluß über die Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs kurz zu begründen ist. Daß eine bloße Scheinbegründung diesem Gesetzesauftrag nicht entspricht und dem Zweck des § 508 ZPO sowie dem Recht beider Parteien auf effizienten Rechtsschutz, zu dem auch die Vermeidung unnötiger Kosten zählt, diametral zuwiderläuft, ergibt sich ganz eindeutig aus § 508 Abs 3 ZPO erster Satz. Danach darf das Berufungsgericht seinen Ausspruch nur dann mit Beschluß abändern, wenn es den Antrag nach Abs 1 für stichhältig hält. Gemäß § 508 Abs 1 ZPO hat der die Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs begehrende Antragsteller die Gründe dafür anzuführen, warum - entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts - nach § 502 Abs 1 ZPO die ordentliche Revision für zulässig erachtet wird und diese unter einem auszuführen. Diese beiden Gesetzesstellen führen im Zusammenhalt gelesen zwingend zu dem Ergebnis, daß sich die vom Berufungsgericht vorzunehmende Stichhältigkeitsprüfung mit den im Antrag gebrauchten Argumenten wenngleich kurz, so doch sachlich auseinanderzusetzen hat.

Der Revisionsrekurs ist unzulässig.

Mit ihrer Revision hat die Beklagte auch den Rekurs "gegen die Kostenentscheidung beider Instanzen" verbunden und den Antrag gestellt, "der Oberste Gerichtshof möge die Kosten des erst- und zweitinstanzlichen Verfahrens dem Kläger zurechnen, und zwar binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution". Abgesehen davon, daß sich der Zulässigkeitsausspruch der zweiten Instanz - worauf die Revisionsbeantwortung zutreffend verweist - nicht auf den Revisionsrekurs bezieht und die erstmalige Anfechtung einer erstinstanzlichen Entscheidung vor dem Obersten Gerichtshof der Zivilprozeßordnung fremd ist, ist gemäß § 528 Abs 2 Z 3 ZPO der Revisionsrekurs über den Kostenpunkt jedenfalls unzulässig. Da die Kenntnis dieser seit Jahrzehnten bestehenden Regelung bei jedem Rechtskundigen vorauszusetzen ist, grenzt die dennoch erfolgte Anrufung des Obersten Gerichtshofs nachgerade an Mutwillen (§ 528 Abs 4 ZPO).

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist unzulässig.

Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt ebensowenig vor wie die behauptete Aktenwidrigkeit (§ 510 Abs 3 ZPO). Mängel des Verfahrens erster Instanz, deren Vorliegen vom Berufungsgericht verneint wurde, können in der Revision nicht mehr gerügt werden (SZ 62/157; JBl 1990, 535; EFSlg 64.136 uva). Auch die Rüge, das Berufungsgericht habe sich mit bestimmten Zeugenaussagen und anderen Beweisergebnissen nicht auseinandergesetzt, hat in Wahrheit nur die im Revisionsverfahren unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung zum Gegenstand (3 Ob 1506/90; 9 Ob 274/98d uva). Auch der wiederholte Hinweis, die angefochtene Entscheidung verstoße gegen Art 6 EMRK, geht fehl, weil es grundsätzlich den innerstaatlichen Gerichten zukommt, die ihnen vorliegenden Beweise zu würdigen und danach zu entscheiden (EGMR: ÖJZ 1991, 25; 8 Ob 20/98v).

Soweit die Rechtsrüge in der Revision von den vom Obersten Gerichtshof nicht mehr überprüfbaren Feststellungen des Erstgerichts ausgeht, ist sie auf die gesicherte und einhellige Rechtsprechung zu verweisen, nach der der Makler dem gemäß § 29 Abs 1 HVG auf den Provisionsanspruch des Realitätenvermittlers anzuwendenden § 6 Abs 3 HVG zufolge dann keinen Provisionsanspruch hat, wenn das Geschäft begründetermaßen nicht ausgeführt wurde (SZ 66/85; RdW 1995, 98; SZ 70/197; 1 Ob 352/97i uva). Ein Verschulden des Klägers am Unterbleiben des Geschäfts ist dem gesamten Akteninhalt selbst bei Anlegung strengster Maßstäbe nicht zu entnehmen. Bei dieser Sachlage ist es unerheblich, ob das Anbot laut Beilage A als ein solches zum Abschluß eines Vorvertrags oder bereits des Hauptvertrags anzusehen ist (vgl hiezu SZ 66/85; RdW 1995, 98; SZ 70/197).

Angesichts der klaren Rechtslage bewegen sich auch die weitwendigen, fehlerhaften und großteils unzulässigen Ausführungen in der Revision im Grenzbereich zur Mutwilligkeit (§ 512 ZPO).

Da in der Revisionsbeantwortung mit aller Deutlichkeit auf die Unzulässigkeit der Rechtsmittel hingewiesen wurde, ist sie gemäß §§ 50, 41 ZPO zu honorieren. Der begehrte Zuschlag gemäß § 21b RATG ist allerdings nicht zuzusprechen, weil dessen Voraussetzungen nicht vorliegen.