Wiederaufnahme des Verfahrens ohne ausreichende Angabe von Wiederaufnahmsgründen und unklare Bezeichnung von die Wiederaufnahme des Verfahrens verfügenden Bescheiden
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung und Zurückweisungsbescheid
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Berufungswerberin, vom gegen die Bescheide des Finanzamtes vom betreffend die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 4 BAO hinsichtlich der Einkommensteuer 1994 bis 1996 und die Bescheide des Finanzamtes vom betreffend die Einkommensteuer 1994 bis 1996 entschieden:
Der Berufung gegen die Bescheide, welche die Wiederaufnahme der Verfahren für die Einkommensteuer 1994 bis 1996 verfügen wird Folge gegeben und werden diese Bescheide ersatzlos aufgehoben.
Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung gegen die Bescheide des Finanzamtes Gmunden Vöcklabruck am Inn betreffend die Einkommensteuer 1994 bis 1996 beschlossen:
Die Berufung wird gemäß § 273 Abs. 1 lit. a BAO als unzulässig zurückgewiesen
Entscheidungsgründe
Die Berufungswerberin wurde mit den Bescheiden datiert vom (für das Jahr 1994), (für das Jahr 1997) und (für das Jahr 1998) antragsgemäß zur Einkommensteuer veranlagt.
Dabei wurden von der Berufungswerberin in den genannten Einkommensteuerbescheiden im Jahr 1994 S 104.555,00, im Jahr 1995 S 104.555,00 und im Jahr 1996 S 108.131,00 an Sonderausgaben für "Renten und dauernde Lasten" geltend gemacht. Dazu erklärte die Berufungswerberin in der Beilage zur Einkommensteuererklärung 1994, dass das vermietete Objekt in der B in C gegen Versorgungsrente von Frau A übernommen worden sei.
Mit den Bescheiden datiert vom wurden die Verfahren für die Einkommensteuer 1994 bis 1996 der Berufungswerberin gemäß § 303 Abs. 4 BAO (Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961) von Amts wegen wiederaufgenommen. Die Begründung dieser Bescheide lautet wortgleich übereinstimmend: "Die Wiederaufnahme des Verfahrens erfolgte gem. § 303 (4) BAO, weil Tatsachen und Beweismittel neu hervorgekommen sind, die im abgeschlossenen Verfahren nicht geltend gemacht worden sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte."
Die damit gemäß § 307 BAO verbundenen Sachbescheide lassen die oben genannten Sonderausgaben für "Renten und dauernde Lasten" unberücksichtigt.
Dies wurde damit begründet, dass Versorgungsrenten Renten seien, welche, insbesonders unter nahen Angehörigen, anlässlich des Erwerbes von Wirtschaftsgütern des Privat- oder Betriebsvermögens vereinbart würden und bei denen die Rentenleistung kein angemessenes Entgelt sei. Dies sei dann der Fall, wenn der Rentenbarwert (einschließlich einer allfälligen Einmalleistung) weniger als 75% oder mehr als 125% des gemeinen Wertes (beziehungsweise des Teilwertes einschließlich Firmenwert bei Betrieben) der übertragenen Wirtschaftsgüter betrage. Mit Kaufvertrag vom habe die Berufungswerberin einen 245/1000-tel Anteil an der Liegenschaft in C, B (Wohnung Top 2) käuflich erworben. Der Gebäudesachwert inklusive des Anteils für Grund und Boden dieses Anteiles betrage zum Stichtag Dezember 1992 S 1,300.000,00. Als Gegenleistung sei eine Einmalzahlung von S 500.000,00 sowie eine monatliche wertgesicherte Rentenzahlung in Höhe von S 8.300,00 vereinbart worden. Der Gesamtwert der Gegenleistung ergebe sich aus dem Kapitalwert der Rente, S 8.300,00 multipliziert mit 12 und 9, also S 896.400,00 und der Einmalzahlung von S 500.000,00, was S 1,396.400,00 ergebe. Es handle sich daher nach der Aktenlage eindeutig um eine Kaufpreisrente, da eine angemessene Gegenleistung für die Übertragung des Liegenschaftsanteiles vereinbart worden sei. Kaufpreisrenten seien nach der Rechtsprechung erst ab dem Zeitpunkt als Sonderausgaben abzuziehen, ab welchem die Rentenzahlung einschließlich Wertsicherungsbeiträgen den nach § 16 Abs. 3 BewG (Bewertungsgesetz 1955, BGBl. Nr. 148/1955) kapitalisierten Rentenbarwert überschreiten würde. Der kapitalisierte Rentenbarwert betrage S 896.400,00, die bis dahin geleisteten Rentenzahlungen S 526.190,00. Für die Jahre 1994 bis 1996 seien die beantragten Sonderausgaben zu streichen.
Am verfasste die steuerliche Vertreterin der Berufungswerberin ein Ersuchen um Verlängerung der Rechtsmittelfrist, dessen Betreff die Steuernummer, den Namen der Berufungswerberin und folgenden Wortlaut enthält: " Ansuchen um Verlängerung der Rechtsmittelfrist betreffend die Einkommensteuerbescheide für das Jahr 1994, 1995,1996 und 1997 vom zugestellt am ". Es werde beabsichtigt gegen die angeführten Bescheide Berufung einzubringen und ersucht, die Rechtsmittelfrist bis zum zu verlängern.
Ein Schreiben mit gleichem Betreff, welches am bei der Abgabenbehörde erster Instanz einlangte, verfasste die steuerliche Vertreterin der Berufungswerberin am . Darin brachte die steuerliche Vertreterin der Berufungswerberin vor, dass es ihr aus terminlichen Gründen bisher leider nicht möglich gewesen sei, die Berufung auszuarbeiten, weswegen sie sich vor die Notwendigkeit gestellt sehe, die Verlängerung der Rechtsmittelfrist für die angeführten Bescheide bis zum zu beantragen.
Ein weiteres gleichartiges mit gleichem Betreff versehene Schreiben, welches am unterzeichnet worden war, langte bei der Abgabenbehörde erster Instanz am ein. Aus gesundheitlichen Gründen und den damit verbundenen terminlichen Schwierigkeiten sei es der steuerlichen Vertreterin der Berufungswerberin bisher leider nicht möglich gewesen, die Berufung auszuarbeiten, weswegen Sie nochmals um Rechtsmittelfristverlängerung bis zum ersuchen müsse.
Die Berufung vom nennt im Betreff die Steuernummer der Berufungswerberin, ihren Namen und folgenden Text: "Berufung gegen sämtliche Einkommensteuerbescheide 1994,1995 und 1996 vom ". Weiter lautet der Text wörtlich: " das Finanzamt hat mit den im Betreff angeführten bescheiden vom die Einkommensteuer 1994 bis 1996 für obige Mandantin meine Kanzlei durch Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 4 BAO neu festgesetzt. Gegen die erwähnten Bescheide bringe ich das Rechtsmittel der Berufung ein. Die Berufung richtet sich gegen die Wiederaufnahme des Verfahrens." Als Begründung führte die Berufungswerberin an, dass eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amtes wegen in allen Fällen zulässig sei, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu vorkommen würden, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden seien, und deren Kenntnis allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnissen des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten. In der Bescheidbegründung vom habe das Finanzamt als einzige Tatsache angeführt, dass die Berufungswerberin oben genannte berufungsgegenständlichen Liegenschaft am käuflich erworben habe und der Sachwert dieser Liegenschaft S 1.300.000 ,00 betragen habe. Daher habe es sich bei den als Sonderausgaben abgesetzten Rentenzahlungen um eine nicht als Sonderausgaben absetzbare Kaufpreisrente gehandelt. Es sei keinerlei Aussage darüber erfolgt, wie das Finanzamt den Wert von S 1.300.000,00 errechnet habe. Dies sei keine neue Tatsache, da dieser Wert nicht richtig sei. Die im Jahr 1992 erworbene Wohnung habe ein Flächenausmaß von 172 Quadratmeter. Durch das beiliegende Schätzgutachten werde nachgewiesen, dass diese Wohnung im Jahr 1992 einen Verkehrswert von etwa S 2,236.000,00 gehabt habe. Es seien keine neuen Tatsachen hervorgekommen. Die Parifizierung habe mit der Frage des Wertes der Wohnung so gut wie gar nichts zu tun. Dem Finanzamt seien alle Tatsachen bereits vorher bewusst gewesen, die notwendig seien, um beurteilen zu können, ob bei den Rentenzahlungen eine Versorgungsrente vorliege oder nicht. Es sei zwar nicht Sache des Abgabepflichtigen, das nicht vorliegen von Wiederaufnahmsgründen nachzuweisen, sondern Aufgabe der Abgabenbehörden, die von ihnen verfügte die Wiederaufnahme durch unmissverständliche Hinweise darauf zu begründen, welche Tatsachen oder Beweismittel auf welche Weise neu hervor gekommen seien. Auf Grund der Vorgangsweise des Finanzamtes habe sich die Berufungswerberin aber gezwungen gesehen, ein Gutachten über den Verkehrswert der berufungsgegenständlichen Liegenschaft ausarbeiten zu lassen. Die Berufungswerberin bitte Ihren Ausführungen entsprechend, der Berufung gegen die Wiederaufnahme der Verfahren gemäß § 303 Abs. 4 BAO stattzugeben.
Das von der Berufungswerbern übermittelte Gutachten eines gerichtlich beeidigten Sachverständigen datiert vom beschreibt sich selbst als Feststellung des Verkehrswertes zum Stichtag Dezember 1992 im Sachwertverfahren als Grundlage für die Vorlage beim Finanzamt. Nach der Beschreibung der Ausstattung der zu beurteilenden Wohnung führt der Sachverständige aus, dass aufgrund der Lage und der Ausstattung und ähnlich gelagerter Fälle der Quadratmeter mit S 13.000,00 bewertet werde. Der Zeitwert für die 172 m² große Ordination werde daher her mit S 2,236.000,00 festgestellt. Die Bewertung entspreche den Preisen im Jahr 1992 in vergleichbarer Lage. Der Bewertung seien die Vergleichspreise aus der Erfahrung des Sachverständigen zu Grunde gelegt worden. Es seien auch die Werte des Immobilienpreisspiegels aus dieser Zeit herangezogen worden.
In der Berufungsvorentscheidung vom wurde das Begehren der Berufungswerberin als unbegründet abgewiesen. Dies wurde damit begründet, dass der gesonderten Begründung zur Wiederaufnahme der Einkommensteuer 1994 bis 1996 eine detaillierte Gegenüberstellung des Wertes der Rentenzahlungen inklusive der Einmalzahlung im Verhältnis zum Gebäudesachwert entnehmen sei. Der Gebäudesachwert sei auf Grund fachkundiger finanzamtlicher Bewertung ermittelt worden. Im Zuge des Berufungsverfahrens sei ein weiteres, noch ausführliches Gutachten eines gerichtlich beeidigten Sachverständigen eingeholt worden. Dieser habe den Verkehrswert mit S 1,580.000,00 errechnet. Die Berufungswerberin habe ein Gutachten mit einem Wert von S 2,230.000,00 beigebracht, welches ebenfalls von einem gerichtlich beeidigten Sachverständigen erstellt worden sei. Darin sei der Wert als Produkt einer einfache Multiplikation errechnet worden. In freier Beweiswürdigung würden detaillierteren Berechnungen den Bescheiden zu Grunde gelegt.
Der Antrag der Berufungswerberin auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz vom nennt im Betreff die Steuernummer der Berufungswerberin, ihren Namen und Folgendes: "Einkommensteuerbescheide 1994,1995 und 1996, Berufungsvorentscheidung gemäß § 276 BAO vom zugestellt am ". Auf eine weitere Begründung wurde verzichtet.
Über die Berufung wurde erwogen:
A) Zulässigkeit der Berufungen:
Als Erstes ist zu klären gegen welche Bescheide sich die oben beschriebene Berufung vom richtet. Der Betreff nennt die Einkommensteuerbescheide 1994, 1995 und 1996 vom , also bloß die Sachbescheide. Der übrige Text und die Begründung (insbesonders der Satz: "Die Berufung richtet sich gegen die Wiederaufnahme der Verfahren.") lässt auf den Willen der Berufungswerberin schließen, die Bescheide bekämpfen zu wollen, welche die Wiederaufnahme der Verfahren für die Einkommensteuer 1994 bis 1996 verfügt haben, aber auch mit dem Inhalt der Sachbescheide nicht einverstanden zu sein.
Insgesamt macht der Inhalt des Berufungsschreiben daher den Eindruck sowohl gegen die Sachbescheide als auch gegen die die Wiederaufnahme verfügenden Bescheide gerichtet zu sein. Nur darauf kommt es an und nicht, ob die Bescheide korrekt bezeichnet oder an einer bestimmten Stelle des Schriftstückes genannt wurden (vergleiche Ritz, Bundesabgabenordnung³, § 250, Tz 4-6, samt Fundstellen, zuletzt ) und richtet sich die gegenständliche Berufung daher sowohl gegen die die Wiederaufnahme der Verfahren verfügenden Bescheide als auch die damit verbundenen Sachbescheide für die Einkommensteuer 1994 bis 1996 datiert vom .
Allerdings wurde die Berufung erst zwei Monate und neun Tage nach der Zustellung der angefochtenen Bescheide verfasst und eingebracht.
Nach § 245 Abs. 1 BAO beträgt die Berufungsfrist ein Monat. Diese kann allerdings nach § 245 Abs. 3 BAO aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erforderlichenfalls auch wiederholt, verlängert werden. Durch einen solchen Antrag wird der Lauf der Berufungsfrist gehemmt.
Dies hat die Berufungswerberin, wie oben geschildert, mit den Schreiben datiert vom , und getan. Dabei hat sie allerdings jedes mal von einem "Ansuchen um Verlängerung der Rechtsmittelfrist betreffend die Einkommensteuerbescheide für das Jahr 1994, 1995,1996 und 1997 vom zugestellt am " gesprochen.
Dies könnte zu dem Schluss führen, dass die Berufungswerberin nur hinsichtlich der Sachbescheide betreffend die Einkommensteuer 1994 bis 1996 datiert vom erfolgreich die Rechtsmittelfrist verlängert hat und die Berufung gegen die die Wiederaufnahme verfügenden Bescheide für die Einkommensteuer 1994 bis 1996 gemäß § 273 Abs. 1 lit. b BAO als verspätet zurückzuweisen wäre.
Die oben beschriebenen Bescheide vom , welche die Wiederaufnahme der Verfahren für die Einkommensteuer 1994 bis 1996 verfügen, sind auf von den damit verbundenen Sachbescheiden getrennten Blättern ergangen und tragen alle gemeinsam die Bezeichnung: "Einkommensteuerbescheid Jahr". Erst nach dieser in Großbuchstaben geschriebenen Überschrift folgt in normalem Fließtext "Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 4 BAO vom Datum". Die jeweiligen damit verbundenen Sachbescheide tragen die wörtlich gleiche Überschrift in Großbuchstaben ("Einkommensteuerbescheid Jahr"). Erst darunter stehende Fließtext lautet: "Die Einkommensteuer wird für das Jahr ... wird festgesetzt mit ...".
Das beide Bescheidformen, nämlich die die Wiederaufnahme verfügenden und die Sachbescheide, wörtlich gleich benannt werden, mag aus der Sicht des Bescheidempfängers zum Zweifeln darüber Anlass geben, wie den nun der Bescheid zu bezeichnen ist, gegen welchen er berufen oder dessen Rechtsmittelfrist er verlängern will.
Mit einem gleichartigen Fall hatte sich der Verwaltungsgerichtshof in der Entscheidung vom , 2007/15/0043, auseinanderzusetzen und dazu Folgendes festgehalten:
"Vor diesem Hintergrund ist festzustellen, dass die Fristverlängerungsansuchen den zu bekämpfenden Bescheid mit exakt jener Bezeichnung benennen, die das Finanzamt im Wiederaufnahmebescheid (aber auch im Sachbescheid) gefordert hat, und dass diese Bezeichnung zudem jener entspricht, die der Kopf des Wiederaufnahmebescheides (aber auch des Sachbescheides) anführt. Im Beschwerdefall wurde in kaum zu überbietender Weise Unklarheit geschaffen, indem der Wiederaufnahmebescheid und der Sachbescheid im Kopf gleich bezeichnet wurden (nämlich als "EINKOMMENSTEUERBESCHEID 2001" ) und in der Rechtsmittelbelehrung sowohl des Wiederaufnahmebescheides als auch des Sachbescheides der Beschwerdeführer dazu angeleitet wurde, im Falle einer Berufungserhebung den bekämpften Bescheid mit Einkommensteuerbescheid für 2001 vom zu bezeichnen. Bei dieser Sachlage ist - ungeachtet des Verfassens der Eingaben durch berufsmäßige Parteienvertreter - objektiv zweifelhaft, ob sich die Fristverlängerungsansuchen, die als mit Berufung zu bekämpfenden Bescheid den Einkommensteuerbescheid 2001 vom bezeichnen (und weder zur Verfahrenswiederaufnahme noch zur Einkommensteuer weitere Ausführungen enthalten), auf den Wiederaufnahmebescheid oder auf den Sachbescheid oder - was durchaus naheliegend ist - auf beide Bescheide bezogen haben (vgl hiezu das hg Erkenntnis vom , 2006/15/0042). Es war dem Beschwerdeführer daher unbenommen, auch noch in der Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid bzw im Laufe dieses Berufungsverfahrens anzugeben, worauf sich diese Fristerstreckungsansuchen - innerhalb der durch die Formulierung dieser Ansuchen gesteckten Grenzen - bezogen haben."
Dieser Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs folgend hat die Berufungswerberin durch die Berufung vom die vorangegangen Rechtsmittelfristverlängerungsansuchen im Sinne des § 245 Abs. 3 BAO dahingehend konkretisiert, dass sich diese sowohl auf die die Wiederaufnahme der Verfahren für die Einkommensteuer hinsichtlich der Jahre 1994 bis verfügenden Bescheide, als auch auf damit verbundenen Einkommensteuerbescheide 1994 bis 1996 datiert vom bezogen haben und ist daher die gegenständliche Berufung auch hinsichtlich der genannten die Wiederaufnahme der Verfahren für die Einkommensteuer 1994 bis 1996 verfügenden Bescheide rechtzeitig im Sinne des § 245 Abs. 1 und 3 BAO iVm. § 273 Abs. 1 lit. b BAO.
B) Wiederaufnahme betreffend der Verfahren für die Einkommensteuer 1994 bis 1996:
Entsprechend § 303 Abs. 4 BAO ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen unter anderem dann zulässig, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im ursprünglichen Verfahren nicht geltend gemacht worden sind und bei Kenntnis dieser Umstände oder in Verbindung mit den anderen Ergebnissen des Verfahrens bei richtiger rechtlicher Würdigung einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten.
Eine Tatsache oder Beweismittel ist in diesem Sinn dann neu hervorgekommen, wenn diese im Zeitpunkt des Erlassens der ursprünglichen Bescheides schon vorhanden, jedoch der entscheidenden Behörde nicht bekannt war (nova reperta). Ein Verschulden der Behörde für das Nichtausforschen solcher Sachverhaltselemente, obwohl ausreichende Hinweise für die Notwendigkeit weiterer Ermittlungen vorhanden waren, schließt die Wiederaufnahme von Amts wegen nicht aus (so die herrschende Lehre und ständige Judikatur; für viele siehe Ritz, Bundesabgabenordnung Kommentar3, RZ 16 f zu § 303, 940).
Die Frage, ob Tatsachen oder Beweismittel in diesem Sinn neu hervorgekommen sind, ist aus der Sicht des jeweiligen Abgabenverfahrens zu beurteilen (siehe etwa Ritz, aaO. RZ 14 zu § 303, 939 und die dort zitierte Judikatur, so auch zuletzt ). Es ist dabei also nicht nur die Sicht der jeweiligen Abgabenart, sondern sogar das Wissen in den einzelnen Veranlagungsjahren zu trennen.
Der Gegenstand des Verfahrens eines eine Wiederaufnahme verfügenden Bescheides wird einerseits durch das wieder aufgenommene Verfahren selbst und andererseits durch den jeweiligen Wiederaufnahmsgrund bestimmt. Dies ist auch der Grund dafür, dass die Abgabenbehörde zweiter Instanz in einer Berufungsentscheidung keine Wiederaufnahmsgründe austauschen oder ergänzen kann. Denn dadurch würde der Gegenstand des Verfahrens geändert (siehe auch Ritz, aaO. Rz 65 zu § 289, 872 und die dort zitierte Judikatur und auch zuletzt : "Demnach kann Sache, über die die Abgabenbehörde zweiter Instanz gemäß § 289 Abs. 1 BAO zu entscheiden hat, bei einer Berufung der Partei gegen eine Wiederaufnahme von Amts wegen durch das gemäß § 305 Abs. 1 BAO zuständige Finanzamt nur die Wiederaufnahme aus den vom Finanzamt herangezogenen Gründen sein, also jene wesentlichen Sachverhaltsmomente, die das Finanzamt als Wiederaufnahmegrund beurteilt hatte. Unter Sache ist in diesem Zusammenhang die Angelegenheit zu verstehen, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Abgabenbehörde erster Instanz gebildet hatte. Bei einem verfahrensrechtlichen Bescheid wie dem der Wiederaufnahme des Abgabenverfahrens von Amts wegen wird die Identität der Sache über die abgesprochen wurde, durch den Tatsachenkomplex begrenzt, der als neu hervorgekommen von der für die Wiederaufnahme zuständigen Behörde zur Unterstellung unter den von ihr gebrauchten Wiederaufnahmetatbestand herangezogen wurde (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa die hg. Erkenntnisse vom , 90/14/0262, vom , 97/14/0069, und vom , 97/13/0131).").
Von der Abgabenbehörde erster Instanz wurde in den die Wiederaufnahme der verfügenden Bescheiden der Tatsachenkomplex, welcher als neu hervorgekommen angesehen wurde, jedoch nicht genannt und auch hinsichtlich der Begründung nicht auf einen anderen Bescheid (etwa auf die Begründung der Abgabenbescheide, welche allerdings auch keinen Wiederaufnahmsgrund nennt) verwiesen. Die Wiedergabe des Gesetzestextes des § 303 Abs. 4 BAO macht noch nicht erkennbar, welches Tatsachensubstrat die Abgabenbehörde erster Instanz hier als relevant angesehen hat.
Es fehlt somit jeglicher Hinweis darauf, welchen Tatsachenkomplex die Abgabenbehörde erster Instanz ihren Bescheiden über die Wiederaufnahme der Verfahren für die Einkommensteuer 1994 bis 1996 der Berufungswerberin als neu hervorgekommen angesehen hat.
Der Abgabenbehörde zweiter Instanz steht es nach der Judikatur und Lehre (siehe oben) nicht zu Wiederaufnahmsgründe aufzugreifen, welche von der Abgabenbehörde erster Instanz nicht herangezogen worden sind, da ansonsten die im § 289 BAO eingeräumte Entscheidungskompetenz überschritten würde und war daher der Berufung gegen die Bescheide, welche die Wiederaufnahme der Verfahren für die Einkommensteuer 1994 bis 1996 der Berufungswerberin verfügen, stattzugeben und waren diese Bescheide ersatzlos aufzuheben.
B) Berufung gegen die Einkommensteuerbescheide 1994 bis 1996:
Durch das ersatzlose Aufheben der die Wiederaufnahme des Verfahrens für die Einkommensteuer der Berufungswerberin verfügenden Bescheide betreffend die Einkommensteuer 1994 bis 1996 sind die Sachbescheide für die Einkommensteuer 1994 bis 1996 ex lege gemäß § 307 Abs. 3 BA0 ("Durch die Aufhebung des die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligenden oder verfügenden Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor seiner Wiederaufnahme befunden hat.") weggefallen.
Dementsprechend richtet sich die Berufung vom , soweit die Einkommensteuer 1994 bis 1996 betroffen ist, gegen nicht (mehr) existente Bescheide und war daher als unzulässig gemäß § 273 Abs. 1 lit. a BAO zurückzuweisen (siehe auch Ritz, aaO. Rz 12 zu § 273, 800).
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 303 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 273 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte | Wiederaufnahme Amts wegen Tatsachenkomplex Verweis Spruch Verfahrensgegenstand Zurückweisung unklar Bezeichnung verwechselbar |
Verweise |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at