Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 29.04.2011, RV/0934-W/11

1) Zurückweisung einer Berufung als verspätet 2) Kein Familienbeihilfenanspruch während der Ableistung des Präsenzdienstes

Entscheidungstext

Bescheid

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., X., gegen den Bescheid des Finanzamtes Hollabrunn Korneuburg Tulln betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für den Zeitraum bis  entschieden:

Die Berufung wird nach § 273 Abs. 1 lit. b der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl Nr. 1961/194 idgF als nicht fristgerecht eingebracht zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufungswerberin (Bw.) bezog für ihren Sohn L., geb. am 1990, Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge.

Das Finanzamt forderte nach Überprüfung des Anspruches mit Bescheid vom , der mit Zustellnachweis (sog. Rsb-Brief) zugestellt wurde, Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge für den Zeitraum Oktober 2009 bis Juni 2010 mit folgender Begründung zurück:

"Für volljährige Kinder steht Familienbeihilfe nur unter bestimmten, im § 2 Abs. 1 lit. b bis f Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) genannten Voraussetzungen zu. Demnach gebührt Familienbeihilfe bei Erfüllung der ergänzenden Vorschriften nur dann, wenn das Kind in Berufsausbildung bzw. -fortbildung steht, wenn es wegen einer Behinderung dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, wenn es beim Arbeitsmarktservice als Arbeitsuchende/r vorgemerkt ist, sowie für die Zeit zwischen Beendigung des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes und frühestmöglichem Beginn bzw. frühestmöglicher Fortsetzung der Berufsausbildung oder für die Dauer von drei Monaten nach Abschluss der Berufsausbildung."

Nach einem Zustellversuch am wurde der Bescheid beim zuständigen Postamt hinterlegt und als Beginn der Abholfrist der angegeben. Die Bw. erhob gegen den Bescheid Berufung und begründete diese damit, dass L. im Oktober und November 2009 ebenso wie von Juni bis Dezember 2010 keine Einkünfte gehabt hätte. Dazwischen habe er den Präsenzdienst absolviert. L. sei Arbeit suchend gemeldet gewesen. Die Polizeischule hätte erst im Dezember 2010 begonnen.

Laut Poststempel am Briefkuvert wurde die Berufung am zur Post gegeben.

Das Finanzamt wies mit Berufungsvorentscheidung vom die Berufung mit folgender Begründung ab:

"Während der Ableistung des Präsenz-, Ausbildungs- oder Zivildienstes kann keine Berufsausbildung angenommen werden, da die Erfüllung der Wehrpflicht eine Haupttätigkeit darstellt.

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. f Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) haben Personen Anspruch auf Familienbeihilfe, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, wenn sie

a) weder den Präsenz- oder Ausbildungsdienst noch den Zivildienst leisten und

b) bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice als Arbeitsuchende vorgemerkt sind und weder einen Anspruch auf eine Leistung nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (BGBl.Nr. 609) haben noch eine Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhaltes durch das Arbeitsmarktservice erhalten. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist durch eine Bestätigung des Arbeitsmarktservice nachzuweisen.

Ihr Sohn L. hat die Berufsausbildung im September 2009 abgebrochen (nach vorliegendem Zeugnis war er nicht zum Aufsteigen in die 8. Klasse berechtigt. Von Oktober bis November 2009 war er als Angestellter der Fa. O. tätig. Ab - leistete er seinen Präsenzdienst ab. Wie bereits ausgeführt, steht in dieser Zeit die Familienbeihilfe nicht zu.

In den Monaten Juni und Juli 2010 war L. weder berufstätig noch beim AMS als arbeitssuchend gemeldet. Ab bis war Ihr Sohn Bezieher einer Arbeitslosenunterstützung durch das AMS - er war jedoch nie beim Arbeitsmarktservice als arbeitssuchend ohne AMSG-Beihilfe gemeldet.

Es liegen daher die Voraussetzungen für den Bezug der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages ab Oktober 2009 bis Mai 2010 nicht vor, ebenso besteht auch kein Anspruch nach dem Präsenzdienst für die Zeit von Juni 2010 bis November 2010 aus den genannten Gründen.

Für Dezember 2010 wurde die Beihilfe bereits angewiesen."

Das von der Bw. mit der Bezeichnung "Berufung - Rückforderungsbescheid 10/2009 - 6/2010" eingebrachte Schreiben vom wurde vom Finanzamt als Vorlageantrag gewertet.

Die Bw. führte darin aus, dass ihr Sohn L. als Samstagsaushilfe bei der Fa. O beschäftigt gewesen sei. In den Monaten ab Juni 2010 und Juli 2010 hätte sie für ihn keine Kinderbeihilfe mehr bekommen. Nach persönlicher Vorsprache beim Finanzamt sei ihr keine Auskunft bezüglich des Unterschiedes zwischen Arbeitslosmeldung und Arbeitsuchend gegeben worden. Es sei im September noch nicht klar gewesen, ob L. die Klasse wiederholt oder nicht.

Festgehalten wird, dass der Bw. lt. Aktenlage Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge für ihren Sohn noch bis einschließlich Juni 2011 ausbezahlt wurden.

Über die Berufung wurde erwogen:

1. Rechtzeitigkeit der Berufung

Nach § 245 Abs. 1 BAO beträgt die Berufungsfrist einen Monat. Nach § 108 Abs. 2 BAO enden nach Monaten bestimmte Fristen mit Ablauf desjenigen Tages des letzten Monats, der durch seine Zahl dem für den Beginn der Frist maßgeblichen Zahl entspricht.

Nach § 17 Abs. 1 Zustellgesetz (ZustellG) ist ein Dokument, das an der Abgabestelle nicht zugestellt werden kann, bei Erfüllung weiterer Voraussetzungen zu hinterlegen. Von der Hinterlegung ist der Empfänger nach § 17 Abs. 2 ZustellG zu verständigen. Hinterlegte Dokumente gelten nach § 17 Abs. 3 ZustellG mit dem ersten Tag der Abholfrist als zugestellt.

Im Berufungsfall wurde der Rückforderungsbescheid hinterlegt und galt mit dem Beginn der Abholfrist am als zugestellt. Die Berufung hätte daher bis spätestens (= Montag) eingebracht werden müssen. Da die Bw. die Berufung allerdings erst am zur Post gegeben hat, wurde die Berufungsfrist nicht eingehalten. Die Berufung war daher nach § 273 Abs. 1 lit. b BAO als verspätet zurückzuweisen.

2. Materieller Anspruch auf Familienbeihilfe

Es wird allerdings darauf hingewiesen, dass der Berufung - wäre sie nicht verspätet eingebracht worden - auch inhaltlich kein Erfolg beschieden wäre; dies aus folgenden Gründen:

2.1 Ableistung des Präsenzdienstes

Sachverhaltsmäßig ist unbestritten, dass der Sohn der Bw. vom bis Präsenzdienst geleistet hat. In ständiger Rechtsprechung vertritt der Verwaltungsgerichtshof die Rechtsansicht, dass die Ableistung des Präsenz- oder Zivildienstes den Anspruch auf Familienbeihilfe für ein volljähriges Kind beseitigt. Der Gerichtshof hat im Erkenntnis , wörtlich ausgeführt:

"Nach einhelliger Auffassung der Literatur ( Wittmann/Papacek , Kommentar zum Familienlastenausgleich, C, 10/9; Schredl , SWK 1992, Seite 189 ff; Wimmer , SWK 2001, 249), der Judikatur (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2002/15/0022) und auch der Verwaltungspraxis (Durchführungsrichtlinien zum Familienlastenausgleichsgesetz 1967, Stand September 2005, Punkte 16.1., 20.6.), ist die Ableistung des Präsenz(Zivil)dienstes nicht als Ausbildung für einen Beruf iSd § 2 Abs. 1 lit. b FLAG anzusehen. Während der Leistung des Präsenz(Zivil)dienstes besteht sohin kein Anspruch auf Familienbeihilfe gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 . Auf die in der Beschwerde zitierte Literaturstelle (Franz Urban, Familienlastenausgleichsgesetz, 3. Auflage, Seite 18), in der ein gegenteiliger Standpunkt eingenommen wurde, ist nicht einzugehen, weil dieser Autor in der 4. Auflage seines Werkes die von der herrschenden Meinung abweichende Auffassung nicht mehr vertritt. Darüber hinaus ist den Tatbeständen des § 2 Abs. 1 lit. d, e, f und g FLAG 1967 zu entnehmen, dass einerseits die Ableistung des Präsenz(Zivil)dienstes eine Unterbrechung der Ausbildung eines volljährigen Kindes darstellt und andererseits während der Dauer dieses Dienstes kein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht. Diese Bestimmungen (in der anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 23/1999) lauten:

"§ 2. (1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,...

d) für volljährige Kinder, die das 26. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Dauer von drei Monaten nach Abschluss der Berufsausbildung, sofern sie weder den Präsenz- oder Ausbildungsdienst noch den Zivildienst leisten,

e) für volljährige Kinder, die das 26. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen der Beendigung des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes und den Beginn oder der Fortsetzung der Berufsausbildung, wenn die Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach dem Ende des Präsenz- und Zivildienstes begonnen oder fortgesetzt wird,

f) für volljährige Kinder, die das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, wenn sie

aa) weder den Präsenz- oder Ausbildungsdienst noch den Zivildienst leisten und

bb) bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice als Arbeitsuchende vorgemerkt sind und weder einen Anspruch auf eine Leistung nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, BGBl. Nr. 609, haben noch eine Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhaltes durch das Arbeitsmarktservice erhalten; das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist durch eine Bestätigung des Arbeitsmarktservice nachzuweisen,

g) für volljährige Kinder, die in dem Monat, in dem sie das 26. Lebensjahr vollenden, den Präsenz- oder Ausbildungsdienst oder Zivildienst leisten oder davor abgeleistet haben, dies längstens zur Vollendung des 27. Lebensjahres, sofern sie nach Ableistung des Präsenz- oder Ausbildungsdienstes oder Zivildienstes für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist; für Kinder, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannte Einrichtung besuchen, jedoch nur im Rahmen der in § 2 Abs. 1 lit. b vorgesehenen Studiendauer, ..."

Nach dem klaren Wortlaut der zitierten lit. d besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die die Berufsausbildung vor Vollendung des 26. Lebensjahres abgeschlossen haben und nicht sofort eine Erwerbstätigkeit aufnehmen können für die Dauer von drei Monaten. Wird dagegen nach Abschluss der Berufsausbildung vor Vollendung des 26. Lebensjahres der Präsenz(Zivil)dienst geleistet, besteht kein Anspruch. Die Leistung des Präsenz(Zivil)dienstes innerhalb der 3-Monats-Frist hebt den Anspruch auf Familienbeihilfe auf. Die lit. e leg. cit. normiert für die Zeit zwischen der Beendigung des Präsenz(Zivil)dienstes und den Beginn oder der Fortsetzung der Berufsausbildung, wenn die Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach dem Ende des Präsenz(Zivil)dienstes begonnen oder fortgesetzt wird, den Anspruch auf Familienbeihilfe. Diese Regelung stellt klar, dass die Ableistung des Präsenzdienstes für den Gesetzgeber eine Unterbrechung der Ausbildung des Kindes darstellt. Andernfalls könnte nicht von einer "Fortsetzung der Berufsausbildung" die Rede sein. Nach der lit. f leg. cit. besteht ein Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, wenn sie arbeitslos gemeldet sind und keine Geldleistungen aus der Arbeitslosenversicherung erhalten. Dieser Anspruch wird wiederum aufgehoben, wenn sie den Präsenz(Zivil)dienst leisten. Schließlich wird nach der lit. g leg. cit. der Anspruch für volljährige Kinder bis längstens zur Vollendung des 27. Lebensjahres erstreckt, wenn sie in dem Monat, in dem sie das 26. Lebensjahr vollenden, den Präsenz(Zivil)dienst leisten, sofern sie nach der Ableistung dieses Dienstes u.a. für einen Beruf ausgebildet werden; für Kinder, die eine im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannte Einrichtung besuchen, jedoch nur im Rahmen der im § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 vorgesehenen Studiendauer. Gemeinsames Element dieser Bestimmungen ist, dass ein Anspruch normiert wird, der aber durch die Ableistung des Präsenz(Zivil)dienstes aufgehoben wird (lit. d, f) bzw. nach Ableistung des Präsenz (Zivil)dienstes - unter bestimmten weiteren Voraussetzungen - weiterbesteht. Aus diesem Regelungswerk des § 2 Abs. 1 FLAG 1967 ergibt sich einerseits der Grundsatz, dass während der Ableistung des Präsenz(Zivil)dienstes kein Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder besteht und andererseits die Ableistung dieses Dienstes eine Unterbrechung der Ausbildung des Kindes darstellt."

Für die Zeit der Ableistung des Präsenzdienstes steht daher jedenfalls keine Familienbeihilfe zu.

2.2 Übrige Zeiten

Wie bereits das Finanzamt in der Begründung der Berufungsvorentscheidung ausgeführt hat, hat der Sohn der Bw. seine Berufsausbildung im September 2009 abgebrochen und war von Oktober bis November 2009 als Angestellter der Fa. O. tätig. Von bis leistete er seinen Präsenzdienst ab. Erst ab August 2010 bezog er Arbeitslosengeld.

Die Bw. hat keinerlei Umstände aufgezeigt, die für einen Familienbeihilfenanspruch zumindest für Zeiten außerhalb des Präsenzdienstes sprechen könnten. Der Sohn der Bw. hat sich in diesen Zeiten weder in Berufsausbildung befunden noch war er bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice als Arbeitssuchender vorgemerkt. Da auch keiner der übrigen in § 2 Abs. 1 lit. c bis i FLAG 1967 aufgelisteten Tatbestände erfüllt ist, erfolgte die Rückforderung der Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbeträge für den Streitzeitraum zu Recht.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 2 Abs. 1 lit. f FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 245 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 108 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 17 Abs. 1 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 273 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at