Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 27.08.2008, RV/1622-W/08

Zurückweisung eines Antrages wegen entschiedener Sache

Beachte

VwGH-Beschwerde zur Zl. 2009/13/0062, 2009/13/0063 eingebracht. Mit Erk. v. wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren nicht durch BE erledigt.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vertreten durch Mag. Johann Juster, 3910 Zwettl, Landstraße 52, gegen den Bescheid des Finanzamtes Waldviertel betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Gewährung von Familienbeihilfe und erhöhter Familienbeihilfe für den Zeitraum bis  entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Bezüglich der Vorgeschichte des Berufungsfalles wird auf die Berufungsentscheidung des unabhängigen Finanzsenates vom , RV/0693-W/06 verwiesen; die Berufungsbehörde hat in dieser Entscheidung den Bescheid des Finanzamtes vom , mit dem der Antrag auf erhöhte Familienbeihilfe ab und auf Familienbeihilfe und erhöhte Familienbeihilfe ab abgewiesen wurde, bestätigt. Ergänzt sei, dass das Finanzamt bis August 2004 - in diesem Monat hat die Bw. ihr 18. Lebensjahr vollendet - den Grundbetrag an Familienbeihilfe gewährt hat.

Die obige Berufungsentscheidung wurde beim Verwaltungsgerichtshof angefochten (GZ des VwGH: 2006/15/0309); der Gerichtshof hat über die Beschwerde bislang noch nicht entschieden.

In weiterer Folge hat die Bw. durch ihren Rechtsvertreter am einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 1 BAO gestellt, der vom Finanzamt am bescheidmäßig abgewiesen wurde. Gegen diesen Bescheid hat die Bw. am berufen; über diese Berufung wurde offensichtlich bislang noch nicht entschieden.

Bereits am hat die Bw. einen neuerlichen Antrag auf Gewährung von Familienbeihilfe und erhöhter Familienbeihilfe ab gestellt; sie beruft sich hierbei auf ein am erstelltes Gutachten, aus dem hervorgehe, es sei nicht vorstellbar, dass die Bw. am freien Arbeitsmarkt tätig sei. Dieser Zustand sei nie anders gewesen. Er sei ins Erwerbsleben eingebracht. Somit liege eine bereits vor dem 21. Lebensjahr eingetretene (geistige) Behinderung vor, die bewirke, dass die Bw. dauernd unfähig sei, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Das Finanzamt hat diesen Antrag mit Bescheid vom ab bis mit der Begründung zurückgewiesen, für diesen Zeitraum liege bereits ein rechtskräftiger Abweisungsbescheid vom vor. Der Einbringung eines neuerlichen Antrages für einen (teilweise) identen Zeitraum stehe damit das sogenannte "Wiederholungsverbot" entgegen. Daher müsse der Antrag, soweit er diesen Zeitraum betreffe, wegen bereits entschiedener Sache zurückgewiesen werden.

In der dagegen eingebrachten Berufung gibt die Bw. den bisherigen Verfahrensablauf wieder und bringt vor, weder der Abweisungsbescheid vom noch die Berufungsentscheidung stünden einer neuerlichen Antragstellung für den streitgegenständlichen Zeitraum entgegen. Die Rechtskraft einer Entscheidung und damit die Wirkung eines Bescheides hätten ihre Grenzen. Diese Grenzen würden durch die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung abgesteckt. Zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides vom sowie der daraufhin ergangenen Berufungsentscheidung seien die Behörden davon ausgegangen, dass nach den damaligen Beweisergebnissen die Bw. voraussichtlich nicht dauernd außerstande sei, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Mit ihrem Antrag vom habe die Bw. aber das neulologisch-psychiatrische Sachverständigengutachten vom zur Vorlage bringen können (aus dem sich Gegenteiliges ergebe).

Überdies habe die Bw. einen Wiedereinsetzungsantrag (gemeint offensichtlich: Wiederaufnahmeantrag) eingebracht, der vom Finanzamt abgewiesen worden sei. Über die dagegen eingebrachte Berufung sei noch nicht entschieden worden. Wenn allerdings der Wiederaufnahmeantrag nicht berechtigt sein solle, so sei jedenfalls dem neuen Antrag auch für den hier streitgegenständlichen Zeitraum vom bis stattzugeben.

Über die Berufung wurde erwogen:

Anträge sind unter anderem dann zurückzuweisen, wenn in ein und derselben Sache die Abgabenbehörde bereits einmal rechtskräftig entschieden hat (Grundsatz "ne bis in idem"). Der Grundsatz "ne bis in idem" besagt, dass eine Abgabenbehörde in ein und derselben Sache nicht zweimal entscheiden darf (Unwiederholbarkeit, Einmaligkeitswirkung). Dieser in der Bundesabgabenordnung nicht ausdrücklich verankerte Grundsatz gehört zu den grundlegenden Pfeilern der Verfahrensordnung (siehe , ) und ist mit dem Begriff "Rechtskraftwirkung von Bescheiden" untrennbar verbunden. Die formelle Rechtskraft ist ausschließlich prozessualer Natur und bedeutet die Unanfechtbarkeit eines Bescheides im ordentlichen Rechtsmittelverfahren. Die materielle Rechtskraft eines Bescheides (sie setzt die formelle Rechtskraft des Bescheides voraus) steht der Erlassung weiterer Bescheide in derselben Sache entgegen, dh das Verbot des "ne bis in idem" ist eine Folge der materiellen Rechtskraft (sh. Bichler, "Ne bis in idem", Das Problem der Rechtskraft im Abgabenverfahren, ÖStZ 1995, 233 sowie Stoll, BAO-Kommentar 944 Abs. 4).

Anbringen, die etwa auf Abänderung oder Aufhebung eines nicht mehr mit Berufung anfechtbaren Bescheides gerichtet sind, sind somit wegen entschiedener Sache (res iudicata) zurückzuweisen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (sh. ) ist die Behörde nicht berechtigt, über einen Antrag eine Sachentscheidung zu fällen, wenn ein gleiches Ansuchen bereits einmal abgewiesen worden ist.

Sachverhaltsmäßig steht fest, dass die beiden Anträge der Bw. die gleiche Sache, nämlich die Gewährung von Familienbeihilfe und erhöhter Familienbeihilfe, betroffen haben. Soweit hiervon der gleiche Zeitraum erfasst war, über den bereits mittels Bescheid vom sowie der daraufhin ergangenen Berufungsentscheidung abgesprochen wurde, hat das Finanzamt daher das neuerliche Anbringen zu Recht zurückgewiesen.

Bei Vorliegen eines rechtskräftigen Bescheides kann ein neuer Sachverhalt zwar dazu führen, dass die Erlassung eines geänderten Bescheides zulässig ist, dies aber ausschließlich dann, wenn einer der Tatbestände der BAO vorliegt, die eine Änderung von Bescheiden ermöglichen (insbesondere also die Bestimmungen der §§ 293ff BAO). Dass die Rechtsansicht der Bw. unzutreffend ist, ist somit schon daraus erkennbar, dass eine schrankenlose Änderung von Bescheiden bei geändertem Sachverhalt die diesbezüglichen Vorschriften der BAO, also auch die von der Bw. beantragte Wiederaufnahme des Verfahrens, inhaltsleer und völlig entbehrlich machen würde.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 92 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Ne bis in idem
Rechtskraft
Unwiederholbarkeit

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at