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OGH vom 15.03.2005, 1Ob7/05v

OGH vom 15.03.2005, 1Ob7/05v

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Adoptionssache der Antragsteller 1. Safet K*****, geboren am *****, 2. Semina K*****, geboren am *****, beide *****, und 3. Amel H*****, geboren am *****, Bosnien/Herzegowina, alle vertreten durch Dr. Franz Serajnik, Rechtsanwalt in Klagenfurt, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom , GZ 4 R 319/04k-16, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Klagenfurt vom , GZ 2 P 105/04f-9, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Mit schriftlichem Adoptionsvertrag vom nahmen die Ehegatten Safet K***** (Erstantragsteller) als Wahlvater und Semina K***** (Zweitantragstellerin) als Wahlmutter den am geborenen und somit bereits volljährigen Amel H***** (Drittantragsteller) an Kindes statt an. Der zur Zeit in Bosnien lebende Drittantragsteller ist bosnischer Staatsbürger und der leibliche Sohn einer Schwester des Wahlvaters. Der bereits seit 1990 in Österreich lebende Erstantragsteller hat im Juni 2003 die österreichische Staatsbürgerschaft erlangt, während die erst vor einem Jahr nach Österreich gezogene Zweitantragstellerin nach wie vor bosnische Staatsangehörige ist.

Der Ehe der Wahleltern entstammen drei minderjährige Mädchen, und zwar die am geborene Selma, die am geborene Selja, und die am geborene Jasmina, welche von ihrer nicht berufstätigen Mutter im gemeinsamen ehelichen Haushalt in einer etwa 65 m² großen Wohnung in Klagenfurt betreut werden. Ihr Vater (Erstantragsteller) ist von Beruf Tischler, arbeitet jedoch seit vier Jahren als Maurer und verfügt über ein monatliches Einkommen von EUR 1.200.

Der Drittantragsteller absolvierte in Bosnien nach Abschluss der Grund- und Mittelschule eine Lehre als Maschinenschlosser und anschließend den Militärdienst. Er ist derzeit arbeitslos.

Zwischen den Wahleltern, die sich bisher immer vergeblich einen Sohn gewünscht hatten, und dem Wahlkind, dessen leibliche Eltern der Adoption zugestimmt haben, bestehen seit Jahren enge familiäre Beziehungen. Es ist geplant, dass der Drittantragsteller nach Österreich kommen, bei der Familie seiner Wahleltern in Klagenfurt wohnen und hier auch arbeiten soll.

Das Erstgericht bewilligte die Annahme an Kindes statt.

Aufgrund des von den leiblichen Kindern der Wahleltern erhobenen Rekurses änderte das Rekursgericht diesen Beschluss in eine Versagung der pflegschaftsgerichtlichen Bewilligung des Adoptionsvertrags ab und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Es führte aus, dass die Voraussetzungen der Annahme an Kindes statt nach § 26 Abs 1 IPR-Gesetz in seiner Fassung vor dem FamErbRÄG 2004 nach dem Personalstatut jedes Annehmenden zu beurteilen seien. Für die Zulässigkeit der Annahme des eigenberechtigten Wahlkindes durch dessen Onkel als Wahlvater sei demnach österreichisches Recht, hinsichtlich der Wahlmutter aber das Recht der Republik Bosnien und Herzegowina anzuwenden. Das Rechtsinstitut der Erwachsenenadoption sei der bosnischen Rechtsordnung nicht nur überhaupt fremd, sondern sogar gefordert, dass ein Wahlkind das fünfte Lebensjahr noch nicht erreicht habe und zumindest einer der miteinander verheirateten Wahlelternteile mindestens 18 Jahre älter als der Angenommene sei. Das Erstgericht hätte daher die Bewilligung der Adoption schon aus diesen Gründen ablehnen müssen. Nach ständiger Rechtsprechung stehe den leiblichen Kindern von Wahleltern (lediglich) eine beschränkte Rechtsmittellegitimation zu. Nach den Feststellungen sei eine Gefährdung des Unterhalts der leiblichen Kinder der präsumtiven Wahleltern zu befürchten, denn eine iSd § 180a Abs 2 ABGB beachtliche Unterhaltsschmälerung sei regelmäßig dann anzunehmen, wenn der Unterhalt leiblicher Kinder schon vor der Adoption erheblich unter dem sogenannten Regelbedarf liege. In Ansehung der Finanz- und Wohnverhältnisse der präsumtiven Wahleltern und ihrer drei minderjährigen Kinder (Monatseinkommen des Erstantragstellers EUR 1.200; einkommenslose und im Haushalt tätige Zweitantragstellerin; Unterbringung der jetzt schon fünfköpfigen Familie in einer lediglich etwa 65 m² großen Wohnung) liege eine Gefährdung (insbesondere) des Unterhalts der Rekurswerberinnen klar auf der Hand. Dies werde dadurch anschaulich, dass dem Erstantragsteller, dessen „eigenes unterhaltsrechtliches Existenzminimum" angesichts seiner körperlich anstrengenden Berufstätigkeit als Maurer mit etwa EUR 500 monatlich anzusetzen sei, zur alimentären Versorgung seiner unterhaltsberechtigten Ehegattin und seiner unterhaltsberechtigten minderjährigen Kinder allmonatlich nur mehr ein Betrag von rund EUR 700 verbleibe, wogegen sich bereits der maßgebliche und aktuelle Regelbedarf der drei Rekurswerberinnen (zusammengerechnet) auf EUR 770 monatlich belaufe. Überdies sei nicht mit der hiefür zu fordernden Gewissheit zu erwarten, dass der Drittantragsteller, der nach der Aktenlage der deutschen Sprache offenbar nicht mächtig sei, im Fall seiner nach Bewilligung der Adoption geplanten Übersiedlung zu seinen Wahleltern nach Klagenfurt auf Grund der derzeit angespannten Arbeitsmarktlage auch nur in annähernd absehbarer Zeit - trotz seiner absolvierten Ausbildung zum Maschinenschlosser - einen Arbeitsplatz erhalten werde, sodass davon auszugehen sei, dass die jetzt schon in bescheidenen Verhältnissen lebenden Wahleltern noch für eine längere Übergangsphase auch noch für die - im Vergleich zu den minderjährigen leiblichen Kindern naturgemäß noch etwas erhöhten - Unterhaltsbedürfnisse ihres bereits im 23. Lebensjahr stehenden Wahlkindes aufzukommen hätten.

Rechtliche Beurteilung

Der von den Antragstellern gegen diesen Beschluss erhobene außerordentliche Revisionsrekurs ist zulässig, da das Rekursgericht unzutreffend von der Anwendung österreichischen Unterhaltsrechts ausgegangen ist, jedoch im Ergebnis nicht berechtigt.

Zwar weisen die Revisionsrekurswerber zutreffend darauf hin, dass den leiblichen Kindern der Annehmenden keine unbedingte und unbeschränkte Beteiligtenstellung wie den im § 181 Abs 1 ABGB genannten Zustimmungsberechtigten und den im § 181a Abs 1 ABGB aufgezählten Anhörungsberechtigten zukommt (2 Ob 230/98g; 9 Ob 46/01g; RIS-Justiz RS0006922) und dass sich deren Anhörungsrecht auf die Wahrung ihrer Interessen iSd § 180a Abs 2 ABGB beschränkt (2 Ob 2321/96d; 9 Ob 284/97y), doch wurde der Umstand, dass nach dem Recht der Republik Bosnien-Herzegowina eine Erwachsenenadoption nicht zulässig ist, vom Rekursgericht aus Anlass des von den nur beschränkt rekurslegitimierten leiblichen Kindern der Annehmenden erhobenen Rekurses ohnehin nicht aufgegriffen.

Entgegen der Auffassung der Rechtsmittelwerber ist vorliegend von einer Gefährdung des Unterhalts der drei leiblichen Kinder der präsumtiven Adoptiveltern auszugehen:

Gemäß § 26 Abs 2 IPRG sind die Wirkungen der Annahme an Kindes statt - und damit auch allfällige Unterhaltsansprüche (Verschraegen in Rummel, ABGB³ § 26 IPRG Rz 21) - nach dem Personalstatut des Annehmenden, bei Annahme durch Ehegatten nach dem für die persönlichen Rechtswirkungen der Ehe maßgebenden Recht ... zu beurteilen. Dies ist nach § 18 Abs 1 Z 1 IPRG in erster Linie das gemeinsame, mangels eines solchen das letzte gemeinsame Personalstatut der Ehegatten, sofern es einer von ihren beibehalten hat. Vorliegend ist, da der Erst- und die Zweitantragsteller(in) kein gemeinsames Personalstatut (mehr) haben, das letzte gemeinsame Personalstatut jenes der Republik Bosnien und Herzegowina, der Unterhaltsanspruch des Drittantragstellers daher nach bosnischem Recht zu beurteilen.

Art 85 des Gesetzes über die Familie v der Republik Bosnien und Herzegowina normiert die Pflicht der Eltern, ihre minderjährigen Kinder „zu unterhalten" und zur Erfüllung dieser Verbindlichkeit alle ihre Möglichkeiten auszuschöpfen. Gemäß Art 105 Abs 2 dieses Gesetzes wird das Kind mit der Vollendung des 18. Lebensjahres volljährig. Befinden sich die Kinder in ordentlicher Schulausbildung, so sind die Eltern verpflichtet ihnen nach ihren Möglichkeiten auch nach Volljährigkeit, längstens aber bis zum 26. Lebensjahr, den Unterhalt zu gewähren, es sei denn, dass die ordentliche Schulausbildung in dieser Zeitspanne aus gerechtfertigten Gründen nicht abgeschlossen werden konnte (Art 231 Abs 1 leg cit). Ist ein volljähriges Kind wegen Krankheit, physischer oder psychischer Mängel arbeitsunfähig und hat es keine ausreichenden Mittel zum Leben oder kann es diese aus seinem Vermögen nicht realisieren, so sind die Eltern verpflichtet, es solange als diese Unfähigkeit dauert, „zu unterhalten" (Art 231 Abs 2 leg cit). Nach der Rechtsprechung jugoslawischer Gerichte waren die Eltern ausnahmsweise verpflichtet, auch volljährigen Kindern unter bestimmten Voraussetzungen Unterhalt zu gewähren.

Den angeführten Fällen muss jener gleichgestellt werden, dass der Unterhaltsberechtigte zwar physisch und psychisch arbeitsfähig wäre, aufgrund der angespannten Arbeitsmarktlage oder infolge faktischer Hindernisse (fehlende Sprachkenntnis) zumindest für einen bestimmten, nicht bloß unerheblichen Zeitraum, eine zumutbare Beschäftigung gar nicht erlangen kann. Es ist dem Rekursgericht beizupflichten, dass im vorliegenden Fall damit zu rechnen ist, dass der Drittantragsteller in absehbarer Zeit nicht in der Lage sein dürfte, einen Erwerb in Österreich nachzugehen und er daher auf den Unterhalt der Erst- und Zweitantragsteller angewiesen wäre. Zumal die leiblichen Kinder der präsumtiven Wahleltern schon derzeit auf unter dem sogenannten Regelbedarf liegende Unterhaltsleistungen angewiesen und beschränkt sind - das Vorbringen der Rechtsmittelwerber, das Einkommen der Eltern sei gestiegen, ist als novum productum nicht zu berücksichtigen -, muss im Falle des Entstehens einer weiteren Unterhaltsverpflichtung tatsächlich von einer Gefährdung des Unterhalts der leiblichen Kinder ausgegangen werden (siehe hiezu die schon vom Rekursgericht zitierte Judikatur), auch wenn sie nicht in den Genuss von Geld-, sondern von Naturalunterhalt gelangen.

Dem Revisionsrekurs ist daher ein Erfolg zu versagen.