Ermessensübung bei Zwangsstrafenfestsetzung
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/1443-W/05-RS1 | Da es sich bei der Festsetzung einer Zwangsstrafe dem Grunde und der Höhe nach um eine Ermessensentscheidung handelt, stellt auch die Androhung der Zwangsstrafe - als Einleitung des allenfalls zur Verhängung einer Zwangsstrafe führenden Verfahrens - eine Ermessensentscheidung dar. |
RV/1443-W/05-RS2 | Wenn in der Berufung gegen den Bescheid, der eine Zwangsstrafe festsetzt, Einwendungen gegen die vorausgegangenen (behaupteterweise unzureichenden) Fristverlängerungen bzw Nachfristsetzungen bzw Nichtgewährung von beantragten Fristverlängerungen erhoben werden, so sind im Rahmen des Berufungsverfahrens auch die diesbezüglichen, der Zwangsstrafe vorangegangenen verfahrensleitenden Verfügungen auf ihre Rechtmäßigkeit (inklusive allfälliger Ermessensübung) zu untersuchen. Hinsichtlich der verfahrensleitenden Verfügungen (Bescheide), mit denen Fristverlängerungsanträge abgewiesen oder zurückgewiesen worden und gegen die keine abgesonderten Rechtsmittel zulässig gewesen sind, stellt der Bescheid über die Festsetzung der Zwangsstrafe den die Angelegenheit abschließenden Bescheid iSd zweiten Satzes von § 244 BAO dar. |
RV/1443-W/05-RS3 | Wenn ein Bescheid (verfahrensleitende Verfügung) die beantragte Verlängerung einer Frist abwies und zugleich die beantragte Frist nach Art einer Nachfrist gewährte, und wenn es sich bei der Frist um eine Abgabenerklärungsfrist handelte, stellte die verfahrensleitende Verfügung keine "pro forma"-Abweisung mit tatsächlicher Fristgewährung im Sinne von Ritz, BAO, 2. Auflage, § 110 Tz 3, dar. Vielmehr handelte es sich um eine tatsächliche Abweisung unter Setzung der von § 134 Abs 2 Satz 2 BAO gebotenen Nachfrist. |
RV/1443-W/05-RS4 | Während die inhaltliche Entscheidung (Stattgabe, teilweise Stattgabe, Abweisung) über einen Fristverlängerungsantrag eine Ermessensentscheidung darstellt, handelt es sich bei der Zurückweisung eines Fristverlängerungsantrages wegen Antragstellung nach Fristablauf um eine zwingende Rechtsfolge. Letzteres sieht Stoll, BAO-Kommentar, 1189, im Ergebnis gleich, jedoch unter abweichender Bezeichnung als zwingende Abweisung. |
RV/1443-W/05-RS5 | Die Androhung einer Zwangsstrafe hat gemäß § 111 Abs 2 BAO zugleich mit der Aufforderung zur Erbringung der betreffenden Leistung zu erfolgen. Auch eine äußerst betuliche Formulierung - "ersucht" statt "aufgefordert" - stellt nach dem heutigen Sprachgebrauch eine Aufforderung dar, wenngleich die Kritik von Ritz, BAO, 2. Auflage, § 93 Tz 5, an derartigen - mehr verunsichernden als höflichen - Formulierungen verständlich ist. Bei der gleichzeitigen Androhung einer Zwangsstrafe bei Nichterfüllen des Ersuchens wird aber ohnehin - bei aller sprachlichen Kritik - vollends klar, dass es sich beim betreffenden Ersuchen in Wahrheit um eine Aufforderung bzw ein Verlangen handelt. |
RV/1443-W/05-RS6 | Die nur erlassmäßig "geregelte" sogenannte Quotenvereinbarung mit berufsmäßigen Parteienvertretern erscheint mangels Normierung in einer wirksamen, abstrakten Norm bzw mangels formeller Fristverlängerungsanträge und -bescheide nur als formloses Zuwarten des Finanzamtes, sodass formell mit dem ungenützten Ablauf der gesetzlichen Abgabenerklärungsfrist eine diesbezügliche Säumigkeit des Steuerpflichtigen eintritt. Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben kann bei den - von einer Ermessensübung abhängigen - Folgen aus einer verspäteten Erklärungseinreichung dem Steuerpflichtigen die aufgrund der Quotenregelung verstrichene Zeitspanne der formellen Säumigkeit nicht angelastet werden. |
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw, vertreten durch Wth-Ges, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Waldviertel vom betreffend Festsetzung einer Zwangsstrafe gemäß § 111 BAO wegen Nichtabgabe der Einkommensteuer- und Umsatzsteuererklärungen für das Jahr 2003, entschieden:
Der Berufung wird teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert und die Zwangsstrafe mit 100 € festgesetzt.
Entscheidungsgründe
Der steuerlich vertretene Berufungswerber (Bw) wurde mit Bescheid (sogenannter verfahrensleitender Verfügung) vom aufgefordert, die Einkommensteuererklärung 2003 und die Umsatzsteuererklärung 2003 bis einzureichen, was das Finanzamt damit begründete, dass die "Abberufung ... unter Bedachtnahme auf die Quotenvereinbarung für berufsmäßige Parteienvertreter" erfolgt sei. Im (elektronischen) Akt des Bw ist diese Frist als Nachfrist ("NF") eingetragen. Danach findet sich die Nachfristeintragung .
Der Bw beantragte (durch seine steuerliche Vertretung) mit Telefax vom die Verlängerung der Frist zur Abgabe der Umsatz- und Einkommensteuererklärungen für das Jahr 2003 bis zum , da für die Fertigstellung der Erklärungen noch Unterlagen fehlten und eine Besprechung der steuerlichen Vertretung mit dem Bw nötig sei.
Mit Bescheid (sogenannter verfahrensleitender Verfügung) vom wies das Finanzamt das Fristverlängerungsansuchen ab; sprach jedoch auch aus, dass die Abgabenerklärungen als fristgerecht eingebracht gälten, wenn dies bis geschähe. Begründend wurde ausgeführt, dass - um den kontinuierlichen Fortgang der Veranlagung zu gewährleisten - eine (weitere) Fristverlängerung nicht ausgesprochen werden könne.
Mit Bescheid (verfahrensleitender Verfügung) vom ersuchte das Finanzamt den Bw, die Einreichung der Einkommen- und Umsatzsteuererklärungen 2003 bis nachzuholen, andernfalls eine Zwangsstrafe von 250 € festgesetzt werden könne ("Androhung im Sinne des § 111 Abs.2 der Bundesabgabenordnung"), mit dem Hinweis, dass die Frist zur Einreichung der Abgabenerklärungen bereits abgelaufen sei und die Frist durch den genannten Termin nicht verlängert werde.
Mit Telefax vom wurde die Verlängerung der Frist zur Abgabe der Umsatz- und Einkommensteuererklärungen für das Jahr 2003 bis zum beantragt, da für die Fertigstellung der Erklärungen noch Unterlagen fehlten und eine Besprechung der steuerlichen Vertretung mit dem Bw nötig sei.
Mit Bescheid (verfahrensleitender Verfügung) vom wies das Finanzamt das Fristverlängerungsansuchen zurück, weil es verspätet eingebracht worden sei.
Mit Telefax vom wurde die Verlängerung der Frist zur Abgabe der Umsatz- und Einkommensteuererklärungen für das Jahr 2003 bis zum beantragt, da für die Fertigstellung der Erklärungen noch Unterlagen fehlten und eine Besprechung der steuerlichen Vertretung mit dem Bw nötig sei. Mit Bescheid (verfahrensleitender Verfügung) vom wies das Finanzamt das Fristverlängerungsansuchen zurück, weil es verspätet eingebracht worden sei.
Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt die mit Bescheid vom angedrohte Zwangsstrafe gemäß § 111 BAO mit 250 € fest, weil die ggstdl Abgabenerklärungen nicht bis eingereicht worden seien. Gleichzeitig werde der Bw aufgefordert, die Abgabenerklärungen bis einzureichen. Dieser Bescheid enthielt hinsichtlich der Zwangsstrafenfestsetzung eine positive Rechtsmittelbelehrung (Berufungsmöglichkeit innerhalb eines Monates nach Zustellung ...), wogegen die anderen, vorher genannten Bescheide (verfahrensleitenden Verfügungen) jeweils die Rechtsmittelbelehrung enthielten, dass dagegen gemäß § 244 BAO kein abgesondertes Rechtsmittel zulässig sei; eine Anfechtung sei erst in der Berufung gegen den die Angelegenheit abschließenden Bescheid möglich.
Am langten die Umsatzsteuererklärung und die Einkommensteuererklärung des Bw für das Jahr 2003 - elektronisch übermittelt - beim Finanzamt ein. Das Finanzamt erließ einen mit datierten Umsatzsteuerbescheid 2003, der eine Nachforderung von 191,54 € ergab. Das Finanzamt erließ einen mit datierten Einkommensteuerbescheid, der keine Nachforderung ergab.
Mit Schreiben vom (Postaufgabe ) wurde Berufung gegen den am zugestellten Bescheid über die Festsetzung einer Zwangsstrafe vom erhoben unter Anfechtung der mit 250 € festgesetzten Zwangsstrafe und mit dem Antrag nach Aufhebung bzw Herabsetzung der Zwangsstrafe auf Null sowie mit folgender Begründung: "Für die Fertigstellung der Steuererklärungen waren zusätzliche Informationen nötig. Seitens der Veranlagungsleitstelle wurden zwar Fristerstreckungen gewährt, jedoch nicht in ausreichendem Ausmaß. In der Folge wurden aufgrund der Abweisungen der Fristverlängerungsanträge telefonisch bzw. schriftlich versucht, die für eine korrekte Erstellung der Abgabenerklärungen notwendige Fristverlängerung zu erhalten. Wir gehen von einem Zufall aus, dass die Zwangsstrafe einen Tag nach dem letzten per Fax übermittelten Fristverlängerungsantrag festgesetzt wurde. Bis zur erfolgten Abgabe der Steuererklärungen lagen uns nicht sämtliche für die Erstellung der Erklärungen notwendigen Informationen vor. Insbesondere auch deshalb, weil unser Mandant zeitweise beruflich in Ausland tätig war. Bei rechtzeitiger Abgabe der Steuererklärungen wären wir daher gezwungen gewesen vermutete Tatbestände zu erklären bzw. wahrscheinlich nach Erhalt der fehlenden Informationen Berichtigungsanträge einzubringen.Gemäß (Ritz, BAO-Komm) zu § 111 liegt die Festsetzung der Zwangsstrafe dem Grunde und der Höhe nach im Ermessen der Abgabenbehörde (vgl. ). Bei der Ermessensübung sind demnach bei der Nichteinreichung von Abgabenerklärungen neben dem steuerlichen Verhalten des Abgabenpflichtigen, die Höhe der allfälligen Steuernachforderung zu berücksichtigen. Die Veranlagung ergab eine Nachforderung iHv € 191,54, die in dem am Abgabenkonto (vor Anlastung der Zwangsstrafe) bestandenen Guthaben gedeckt war. Kaum im Sinn dieser Ermessensübung kann es sein, dass die betragliche Höhe der Zwangstrafe die Abgabennachforderung übersteigt. Im Sinne der Ermessensauslegung sowie der Verwaltungsökonomie erheben wir daher das Rechtsmittel der Berufung."
Das Finanzamt erließ eine teilweise stattgebende, mit datierte Berufungsvorentscheidung, mit der die Zwangsstrafe mit 100 € festgesetzt wurde und der Begründung, dass der Bw nicht rechtzeitig von der Möglichkeit, um Fristverlängerung anzusuchen, Gebrauch gemacht habe. Die Zwangsstrafe bezwecke nicht, in der Vergangenheit begangenes Unrecht zu ahnden, sondern ein bestimmtes künftiges Verhalten herbeizuführen. Im Hinblick darauf, dass die Abgabenforderung nur 191,54 € ausmache, werde die Zwangsstrafe im Rahmen des Ermessens von 250 € auf 100 € herabgesetzt.
Mit Schreiben vom wurde ein Vorlageantrag gemäß § 276 Abs 2 BAO gestellt, das Berufungsbegehren (Aufhebung der Zwangsstrafe bzw Herabsetzung auf Null) wiederholt und begründend zusätzlich ausgeführt: "Im Sinn der Begründung der Berufungsvorentscheidung, dass die Zwangstrafe kein in der Vergangenheit begangenes Versäumnis ahnden soll, sondern ein bestimmtes künftiges Verhalten herbeiführen soll, kann man davon ausgehen, dass unser Mandant (durch uns unterstützt) künftig auf ein besonders korrektes Verhalten achten wird."
Über die Berufung wurde erwogen:
Zwangsstrafen bezwecken, die Abgabenbehörde bei Erreichung ihrer Verfahrensziele zu unterstützen und den Abgabepflichtigen zur Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten zu verhalten (Ritz, BAO-Komm2, § 111 Tz 1). Zwangsstrafen sind keine Geldstrafen für Gesetzesübertretungen und dienen nicht der Bestrafung einer Person, sondern sind ein reines Zwangsmittel, Vollstreckungsmittel, Beugemittel (Stoll, BAO-Komm, 1192, 1194). Somit dürfen sie nicht erstinstanzlich nach - wenn auch verspäteter - Erfüllung der betreffenden abgabenrechtlichen Pflicht festgesetzt werden. Die Erfüllung der betreffenden abgabenrechtlichen Pflicht (durch die Einreichung der Steuererklärungen 2003 am ) zwischen erstinstanzlicher Zwangsstrafenfestsetzung (ggstdl im April 2005) und nunmehriger Entscheidung über die dagegen erhobene Berufung, bewirkt nicht den rückwirkenden Wegfall der Berechtigung zur Zwangsstrafenfestsetzung bzw -bestätigung (vgl Ritz, BAO-Komm2, § 111 Tz 1). Allerdings sind in die Ermessensentscheidung, ob und in welcher Höhe eine erstinstanzlich festgesetzte Zwangsstrafe aufrechtzuerhalten ist, die nach der erstmaligen Festsetzung bekannt gewordenen ermessensrelevanten Umstände von der Berufungsbehörde bei der Ermessensübung einzubeziehn (ggstdl die Höhe der Abgabennachforderung; s unten).
Gemäß § 111 Abs 3 BAO idF BGBl I 2003/124 darf die einzelne Zwangsstrafe den Betrag von 2.200 € nicht übersteigen.
Die Erzwingung der Einreichung von Abgabenerklärungen stellt unzweifelhaft einen Anwendungsfall des - die Zwangsstrafen im Abgabenverfahrensrecht regelnden - § 111 BAO dar (Ritz, BAO-Komm2, § 111 Tz 2). Weiters ist im Einzelfall zu überprüfen, ob die von § 111 Abs 2 BAO geforderte, vorherige Androhung der Zwangsstrafe gehörig erfolgt ist. Da es sich bei der Festsetzung der Zwangsstrafe dem Grunde und der Höhe nach um eine Ermessensentscheidung handelt (Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO, § 111 E 5), stellt wohl auch die Androhung der Zwangsstrafe, dh die Einleitung des allenfalls zur Verhängung einer Zwangsstrafe führenden Verfahrens, eine Ermessensentscheidung dar.
In der Berufung wird auch vorgebracht, dass zwar Fristerstreckungen gewährt worden seien, jedoch nicht in ausreichendem Ausmaß. Dieses Vorbringen betrifft auch die o.a. Bescheide (sogenannte verfahrensleitende Verfügungen) vom 1. Februar, 17. März und , mit denen Fristverlängerungsanträge ab- bzw zurückgewiesen wurden und gegen die gemäß § 110 Abs 3 BAO kein abgesondertes Rechtsmittel zulässig war, deren nur das Verfahren betreffenden Verfügungen aber gemäß § 244 BAO in der Berufung gegen den die Angelegenheit abschließenden Bescheid angefochten werden können, und die daher im Folgenden auch untersucht werden. Im vorliegenden Rechtsmittel wird der Unterschied zwischen Abweisung und Zurückweisung nicht thematisiert und für das gegenständliche Verfahren zur Festsetzung einer Zwangsstrafe ist auch nicht ersichtlich, was für den Bw daraus zu gewinnen wäre:
Der Bescheid vom weist den Antrag vom auf Fristverlängerung bis zum ab. Dahingestellt kann bleiben, ob die Abgabenerklärungsfrist bis zum Zeitpunkt der Stellung des Fristverlängerungsantrages () verlängert worden ist oder ob bis zum lediglich eine Nachfrist gesetzt worden ist. Auf letzteres deuten zwar die Aktenlage (s oben) und die Rechtslage zur Quotenregelung (s unten) hin, was folgende - für den Bw ungünstige - Konsequenzen hätte haben können: Da ein Fristverlängerungsantrag innerhalb der gesetzlichen oder der verlängerten Einreichungsfrist zu stellen ist (vgl Ellinger/Iro/Krammer/Sutter/Urtz, BAO, § 134 E5), wäre der Fristverlängerungsantrag vom als verspätet zurückzuweisen gewesen und der Bw hätte keinen Anspruch gemäß § 134 Abs 2 Satz 2 BAO auf Setzung einer Nachfrist wie im Falle der Abweisung gehabt; auch bei der Wertung als Antrag auf Verlängerung der Nachfrist hätte der Bw keinen Anspruch auf weitere Nachfristsetzung gehabt (vgl Ritz, BAO-Komm2, § 134 Tz 5; Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO, § 134 E 7). Tatsächlich wurde dem Bw aber ohnehin eine Nachfrist gewährt.
Der Ausspruch in dem Bescheid vom , dass die Abgabenerklärungen bis als fristgerecht eingebracht gälten, ist als die gesetzlich vorgesehene Nachfristsetzung gemäß § 134 Abs 2 Satz 2 BAO (im Ausmaß von mindestens einer Woche) bei Verlängerungsanträgen hinsichtlich Abgabenerklärungsfristen anzusehen und nicht als "pro forma"-Abweisung, die tatsächlich eine Fristverlängerung darstellt. Die Zitate bei Ritz, BAO-Komm2, § 110 Tz 3 zur "pro forma"-Abweisung dürften sich auf andere Fristen beziehen, insb auf behördlich festgesetzte Fristen gemäß § 110 Abs 2 BAO, wogegen die Abgabenerklärungsfristen infolge ihrer Normierung in § 134 BAO gesetzliche Fristen sind bzw im Falle einer allgemeinen Verlängerung durch Verordnung gesetzlichen Fristen gleichzuhalten wären (vgl Ritz, BAO-Komm2, § 134 Tz 4; Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO, § 110 Anm 2, § 134 Anm 3 und 4).
Die Nicht-Stattgabe des Fristverlängerungsansuchens vom war berechtigt, denn die Frist zur Einreichung der Einkommen- und Umsatzsteuererklärungen für das Jahr 2003 endete gemäß § 134 Abs 1 idF BGBl I 2003/124 (AbgÄG 2003) bei elektronischer Übermittlung am . Damit stand dem Bw bis zum Fristverlängerungsansuchen vom eine um sieben Monate längere Frist als grundsätzlich vom Gesetz vorgesehen zur Verfügung, die er zur Übermittlung der fehlenden Unterlagen an seine steuerliche Vertretung und zur Besprechung mit dieser hätte nützen können. Hierfür hätte auch die Zeitspanne von der (sogenannten) Abberufung der ggstdl Steuererklärungen im November 2004 bis zum (aufgrund der angemessenen Nachfristsetzung im Bescheid vom ) ausreichen müssen, denn eine konkrete Unmöglichkeit hierfür wurde nicht vorgebracht. Nicht näher konkretisierte - und im Übrigen erstmals in der Berufungsschrift vom erwähnte - zeitweise berufliche Aufenthalte in Ausland stellen jedenfalls nicht einmal eine Glaubhaftmachung der Unmöglichkeit dar. Die inhaltliche Entscheidung über ein zulässiges, rechtzeitiges Fristverlängerungsansuchen (Stattgabe, teilweise Stattgabe, Abweisung) stellt eine Ermessensentscheidung dar, wogegen die Zurückweisung wegen Antragstellung außerhalb der bisherigen Frist eine zwingende Entscheidung darstellt (vgl Stoll, BAO-Komm, 1189 mit der Abweichung, dass bei Antragstellung nach Fristablauf eine zwingende Abweisung zu ergehen habe). Jedenfalls ist der Bw durch die tatsächlich erfolgte Abweisung, die im Folgenden nach Ermessensgesichtspunkten untersucht wird, gegenüber einer zwingenden Nichtstattgabe - sei diese nun als Ab- oder Zurückweisung zu bezeichnen, nicht benachteiligt worden. Für den Bw bietet die Durchführung einer Ermessensübung aber auch keinen Vorteil, weil die Nichtstattgabe unter Einräumung einer Nachfrist bis zu dem mit Telefax vom genannten Termin, nämlich dem , den Ermessenskriterien gemäß § 20 BAO entspricht: Die Billigkeit dieser Entscheidung war durch die bereits angeführte, ausreichende, insgesamt zur Verfügung stehende Zeitspanne sowie dadurch gegeben, dass dem Bw genau der beantragte zusätzliche Zeitraum zur Einreichung der Steuererklärungen als Nachfrist zur Verfügung gestellt wurde. Die Zweckmäßigkeit der Entscheidung war dadurch gegeben, dass das Finanzamt damit dem Bw keine schwer erfüllbare, kurze Nachfrist (zB nur eine Woche) auferlegte, gleichzeitig aber zum Ausdruck brachte, dass die Einreichung der Steuererklärungen bis zum , dh acht Monate nach dem gesetzlich vorgesehenen Termin, ziemlich dringend war.
Die Fristverlängerungsansuchen vom 17. März und erfolgten jedenfalls nach Ablauf der Frist zur Einreichung der ggstdl Steuererklärungen, die (s oben) am oder am endete. Damit konnte aber laut , die "abgelaufene Frist ... begrifflich nicht mehr verlängert werden" und somit erweist sich die Zurückweisung dieser Fristverlängerungsansuchen mit den Bescheiden vom und vom als zwingend. In dem soeben zitierten, abweisenden VwGH-Erk war es zur Entscheidungsfindung offenbar gar nicht nötig, auf die fernmündliche Stellung des betreffenden Fristverlängerungsantrages einzugehen.
In der Berufungsschrift verweist der Bw darauf, dass "aufgrund der Abweisungen der Fristverlängerungsanträge telefonisch bzw. schriftlich versucht" worden sei, die für eine korrekte Erstellung der Abgabenerklärungen notwendige Fristverlängerung zu erhalten. Um welche konkreten schriftlichen oder telefonischen Eingaben es sich handelt, wird nicht angegeben, sodass darauf auch nicht konkret eingegangen werden kann. Aktenkundig sind nur die gemäß § 86a BAO iVm § 1 der "Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Zulassung von Telekopierern zur Einreichung von Anbringen ..." (BGBl 1991/494 idF BGBl II 2002/395) zulässigerweise - statt schriftlich - per Telefax eingebrachten, o.a. Fristverlängerungsanträge vom 31. Jänner, 17. März und . Die telefonische Stellung von Anträgen ist im Abgabenverfahrensrecht nicht vorgesehen.
Die Androhung der Zwangsstrafe mit Bescheid vom erfolgte ordnungsgemäß in einer bestimmten Höhe (vgl Ritz, BAO2, § 111 Tz 7). Gemäß § 111 Abs 2 BAO muss der Verpflichtete "mit Setzung einer angemessenen Frist zur Erbringung der von ihm verlangten Leistung aufgefordert werden." Dies wurde ebenfalls erfüllt:
Vom (gemäß § 26 Abs 2 ZustG idF BGBl I 2004/10) bis standen dem Bw mehr als zwei Wochen zur Verfügung, was angesichts der Säumigkeit des Bw trotz Nachfristsetzung bis angemesen war.
Nach Ritz, BAO-Komm2, § 93 Tz 5, sollten unverbindlich klingende Formulierungen wie "Ersuchen" nicht anstelle von Formulierungen wie "Aufforderungen" verwendet werden, wenn die Aussage normativen Charakter haben solle, um den Adressaten nicht im Unklaren zu lassen.Damit wird aber auch in Frage gestellt, ob der Bw, der laut Bescheid vom "offenbar übersehen" habe, die Steuererklärungen fristgerecht einzureichen, und "ersucht" werde, dies bis nachzuholen, tatsächlich im Sinne des § 111 Abs 2 BAO "aufgefordert" worden ist. Dies ist nach Ansicht der Berufungsbehörde zu bejahen, weil im heutigen Sprachgebrauch die Verwendung von "ersuchen" mit der Bedeutung von "auffordern" bzw "verlangen" üblich geworden ist. Im ggstdl Fall macht überdies die Androhung einer Zwangsstrafe für den Fall der Nichtbefolgung des Ersuchens vollends klar, dass damit eine Aufforderung gemeint ist.
Dass das Finanzamt überhaupt einen Bescheid mit der Androhung der Zwangsstrafe erlassen hat, ist auch unter Ermessensgesichtspunkten zu bestätigen, weil der Bw schon seit säumig mit der Einbringung der Steuererklärungen war, sodass die Zweckmäßigkeit die Androhung der Zwangsstrafe gebot. Hingegen hat der Bw nichts konkretes Außergewöhnliches vorgebracht, was die Einbringung der Steuererklärungen 2003 bis als unbilliges Verlangen erscheinen hätte lassen.
Hierbei ist unter Zweckmäßigkeit das Streben nach Verwirklichung des Gesetzeszweckes von § 111 BAO iVm § 134 BAO zu verstehen, und zwar dass die Steuererklärungen zeitnah eingereicht werden. An diesem Sinn des Gesetzes kann die laut Aktenlage für den Bw beanspruchte, sogenannte Quotenregelung, die laut Stoll, BAO-Komm, 1520, in einer nicht kundgemachten Dienstvorschrift des BMF (Erlass) ihre Grundlage habe, schon deshalb nichts ändern, weil eine solche keine generelle abstrakte Norm (zB Verordnung) darstellt. Im Übrigen wird der Sinn der Quotenregelung auch nicht in einer möglichst späten Steuererklärungsabgabe liegen, sondern in einem verwaltungsökonomischen Ersatz für die ansonsten zu erwartenden, zahlreichen Fristverlängerungsansuchen am Ende der gesetzlichen Erklärungsfrist.
Zu erläutern ist - auch im Hinblick auf spätere Ausführungen -, warum in die Ermessensübung eine Säumigkeit des Bw nur seit und nicht bereits seit - dem gesetzlichen Abgabetermin für die ggstdl Steuererklärungen - einzubeziehen ist, obwohl nach der hier vertretenen Auffassung die Quotenregelung keine formell wirksame Fristverlängerung bewirkt, weil sie außerhalb der mit abstrakten generellen Normen geregelten Vorgangsweise steht, die gemäß § 134 Abs 2 BAO einen begründeten formellen Fristverlängerungsantrag vor dem erfordert hätte. In eine Ermessensentscheidung sind jedoch auch die Grundsätze von Treu und Glauben einzubeziehen. Indem die Finanzverwaltung die Quotenregelung den berufsmäßigen Parteienvertretern anbietet, sind die damit de-facto verlängerten Erklärungsfristen, die formal nur ein formloses Zuwarten darstellen, nach Treu und Glauben so zu betrachten, dass dem Steuerpflichtigen eine allfällige formelle Säumigkeit aufgrund der Quotenregelung nicht vorgeworfen werden kann. Es ist daher im ggstdl Fall der maßgebend, der auch in diesem Sinne richtigerweise durch den Bescheid vom als derjenige Tag normiert wird, bis zu dem die Steuererklärungen des Bw als fristgerecht eingereicht gegolten hätten.
Am , dem Tag der Ausfertigung des Bescheides über die Festsetzung der strittigen Zwangsstrafe, hatte der Bw die Steuererklärungen 2003 noch nicht eingereicht, sodass die Voraussetzungen für die Festsetzung einer Zwangsstrafe vorlagen. Die bereits zur Androhung der Zwangsstrafe mit Bescheid vom angestellten Ermessensüberlegungen (s oben) treffen auch auf die Verfahrenslage vom zu und auch auf die nunmehrige Situation - mit Ausnahme, dass nunmehr die Höhe der Abgabennachforderung durch die Veranlagung 2003 bekannt ist. Das Fristverlängerungsansuchen vom änderte die Situation nicht, weil darin mit derselben Begründung, die bereits im Fristverlängerungsansuchen vom angeführt war und im Bescheid vom zu Recht als unzureichend für eine Gewährung einer Fristverlängerung betrachtet wurde, wiederum um Fristverlängerung angesucht wurde.
Abgesehen vom Fall der Erfüllung der geforderten Verpflichtung zwischen Androhung und der erstmaligen Entscheidung über die erstinstanzliche Festsetzung der Zwangsstrafe, stellt die Erfüllung der betreffenden Verpflichtung nach Ablauf der Frist laut Zwangsstrafenandrohung keinen Hinderungsgrund für die Verhängung der Zwangsstrafe dar, denn sonst würde das Instrument der Zwangsstrafe an Wirksamkeit verlieren: Eine verspätete Erfüllung der Pflicht bis zum Abschluss des Rechtsmittelverfahrens über die Zwangsstrafe könnte die Festsetzung der Zwangsstrafe schlussendlich jedenfalls verhindern und die Festsetzung von Fristen in der Zwangsstrafenandrohung würde als unverbindlich erscheinen, was die Autorität des § 111 BAO untergrübe. Deshalb kann auch das Argument im Vorlageantrag, dass der Bw hinkünftig auf ein besonders korrektes Verhalten achten werde, die Festsetzung der Zwangsstrafe nicht verhindern.
Die Berufungsbehörde bezieht in die von ihr vorzunehmende Ermessensentscheidung weiters ein, dass die Nachforderung aus der ggstdl Veranlagung nur 191,54 € beträgt und in dem Guthaben auf dem Steuerkonto des Bw ohne Anlastung der Zwangsstrafe gedeckt gewesen wäre, sodass die ursprüngliche Höhe der Zwangsstrafe von 250 € nicht mehr als gerechtfertigt erscheint. Es ist jedoch auch zu betonen, dass es nicht nur um die betragliche Nachforderung geht, sondern auch darum, dass Säumigkeiten bei der Einreichung von Steuererklärungen auch Verwaltungsmehraufwand befürchten lassen und dass die Abgabenbehörden auch auf die Einhaltung von Steuererklärungsfristen hinwirken müssen.
Zum bisherigen Verhalten des Bw: Da seine Steuererklärungen für 2002 laut (elektronischer) Aktenlage erst am - nach mehrmaliger Nachfristsetzung bis zuletzt - eingegangen sind, ist für den Bw daraus für das gegenständliche Verfahren nichts zu gewinnen. Weiters wäre laut Rechtsprechung des UFS (RV/0058-F/03-RS1 vom ) aufgrund im Einzelfall gegebener besonderer Umstände ein Absehen von der Festsetzung einer Zwangsstrafe möglich. Die vom Bw in der Berufungsschrift vorgebrachte zeitweise berufliche Tätigkeit in Ausland stellt keinen solchen besonderen Umstand dar. Vielmehr wären die sechs Monate vom Ende des Besteuerungszeitraumes 2003 bis zum Ende der gesetzlichen Erklärungsfrist sowie die daran anschließenden Monate des Zuwartens des Finanzamtes im Rahmen der Quotenregelung dazu zu nützen gewesen, alle nötigen Maßnahmen zur Fertigstellung der Steuererklärung zu ergreifen.
Die insgesamt dem Bw anzulastende Säumigkeit vom bis stellt keine außergewöhnlich lange oder kurze Zeitspanne dar.
Nach Ansicht der Berufungsbehörde ist die Ermessensübung insgesamt so vorzunehmen, dass zwar eine Zwangsstrafe festzusetzen ist, jedoch in einer auf 100 € herabgesetzten Höhe.
Ergeht auch an Finanzamt Waldviertel zu St.Nr. X
Wien, am
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | |
Schlagworte | Zwangsstrafe Erklärungsfrist Säumigkeit |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at