Berufungsentscheidung - Steuer (Senat), UFSG vom 27.04.2011, RV/0337-G/10

Eventualantrag betreffend Nachsicht

Rechtssätze


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Stammrechtssätze
RV/0337-G/10-RS1
Wird ein Eventualantrag vor dem Eintritt des Eventualfalles erledigt (hier: bescheidmäßige Abweisung des "in eventu" gestellten Antrages auf Nachsicht von Abgaben, obwohl über die Berufung gegen den Abgaben- und Haftungsbescheid noch nicht entschieden war), belastet dies die Erledigung mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit (, , 2003/17/0002).

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat durch die Vorsitzende Dr. Ursula Leopold und die weiteren Mitglieder Dr. Andrea Ornig, Dr. Bernhard Koller und Mag. Petra Kühberger über die Berufung der Bw., vertreten durch Dr. Hans M. Slawitsch Wirtschaftstreuhandgesellschaft KG, Strauchergasse 16, 8020 Graz, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Graz-Umgebung vom betreffend Nachsicht gemäß § 236 BAO entschieden:

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Entscheidungsgründe

In der Eingabe vom erhob die Berufungswerberin (Bw.) das Rechtsmittel der Berufung gegen den Haftungs- und Abgabenbescheid des Finanzamtes Graz-Umgebung vom , mit welchem ihr nach einer in ihrem Unternehmen durchgeführten Lohnsteuerprüfung u.a. hinsichtlich der Geschäftsführerbezüge ihres wesentlich beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführers A für den Zeitraum 2001 bis 2005 Dienstgeberbeiträge zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfe (DB) in der Höhe von 15.815,81 € und Zuschläge zum Dienstgeberbeitrag (DZ) in der Höhe von 1.616,86 € vorgeschrieben wurden.

Die Bw. beantragte, ihrer Berufung gegen die Haftungs- und Abgabenbescheide stattzugeben und diese ersatzlos aufzuheben; in eventu hinsichtlich des Dienstgeberbeitrages samt Zuschlag die vorgeschriebenen Abgaben im Nachsichtswege auf Grund der Verordnung des BMF betreffend Unbilligkeit der Einhebung im Sinne des § 236 BAO, BGBl II 435/2005, abzuschreiben.

Die Berufung gegen die Haftungs- und Abgabenbescheide wurde dem Unabhängigen Finanzsenat am zur Entscheidung vorgelegt; über die Berufung wurde noch nicht entschieden.

Mit dem Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag vom betreffend Nachsicht als unbegründet ab.

Gegen diesen Bescheid erhob die Bw. das Rechtsmittel der Berufung, in dem sie beantragte, dem Nachsichtsansuchen stattzugeben. Gleichzeitig beantragte sie die Entscheidung durch den gesamten Berufungssenat und die Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 289 Abs. 2 BAO hat die Abgabenbehörde zweiter Instanz immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde erster Instanz zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Berufung als unbegründet abzuweisen.

Die Bw. hat in der Eingabe vom gegen die Haftungs- und Abgabenbescheide vom das Rechtsmittel der Berufung erhoben und in eventu beantragt, die vorgeschriebenen Abgaben gemäß § 236 BAO nachzusehen.

Das Wesen eines Eventualantrages liegt darin, dass er unter der aufschiebenden Bedingung gestellt wird, dass der Primärantrag erfolglos bleibt. Wird bereits dem Primärantrag stattgegeben, so wird der Eventualantrag gegenstandslos. Wird ein Eventualantrag vor dem Eintritt des Eventualfalles erledigt, belastet dies die Erledigung mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit. Daraus folgt, dass eine Entscheidungspflicht der belangten Behörde über einen Eventualantrag so lange nicht entsteht, als der Primärantrag nicht rechtskräftig abgewiesen worden ist (vgl. die Erkenntnissse des und die dort zitierte Vorjudikatur, sowie vom , 2008/23/0754 und die dort zitierte Vorjudikatur).

Da über die Berufung gegen die Haftungs- und Abgabenbescheide vom noch nicht entschieden wurde, war das Finanzamt Graz-Umgebung zur Erlassung des angefochtenen Bescheides vom , der über den Eventualantrag der Bw. abgesprochen hat, nicht zuständig.

Eine solche - nicht heilbare - Unzuständigkeit hat die Rechtsmittelbehörde von Amts wegen aufzugreifen und den erstinstanzlichen Bescheid ersatzlos zu beheben (vgl. nochmals bzw. ).

Hat in der Unterinstanz eine unzuständige Behörde entschieden, so hat die für diese Unterbehörde zuständige Berufungsbehörde eine materielle Entscheidung nicht zu treffen (). Die Nichtwahrnehmung der Unzuständigkeit der Erstbehörde durch die Berufungsbehörde würde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belasten

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, weil beim vorliegenden Sachverhalt ausschließlich zu beurteilen ist, ob die Abgabenbehörde erster Instanz zur Erlassung des angefochtenen Bescheides zuständig war und diese verfahrensrechtliche Frage nach der Aktenlage und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eindeutig beantwortet ist (siehe dazu die Ausführungen im Erkenntnis des ).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Graz, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 236 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 289 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
Zitiert/besprochen in
UFS Newsletter 2011/04

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at