Berufungsentscheidung - Steuer (Senat), UFSI vom 04.10.2005, RV/0289-I/05

Keine Unterbrechung der Bemessungsverjährungsfrist durch eine Amtshandlung der Finanzstrafbehörde.

Beachte

VwGH-Beschwerde zur Zl. (früher 2005/14/0110) 2006/15/0077 eingebracht (Amtsbeschwerde). Mit Erk. v. wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.


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Rechtssätze
Stammrechtssätze
RV/0289-I/05-RS1
Amtshandlungen im Sinne des § 209 Abs. 1 BAO (alter wie neuer Fassung) sind zur Geltendmachung des Abgabenanspruches von der Abgabenbehörde unternommene Maßnahmen. Eine an den Abgabepflichtigen gerichtete Aufforderung des Finanzamts, die in dessen Eigenschaft "als Finanzstrafbehörde I. Instanz" ausgefertigt wird, stellt keine Unterbrechungshandlung (bzw. ab : Verlängerungshandlung) dar.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der unabhängige Finanzsenat hat durch den Vorsitzenden Dr. Baldauf und die weiteren Mitglieder Mag. Bergmann, Dr. Lexer sowie Mag. Schönach über die Berufung des Bw., A gegen die Bescheide des Finanzamtes B vom betreffend Wiederaufnahme der Verfahren gemäß § 303 Abs. 4 BAO hinsichtlich Einkommensteuer 1995 bis 1997 sowie Einkommensteuer 1995 bis 1997 entschieden:

I.) Der Berufung gegen die Bescheide betreffend die Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich der Einkommensteuer 1995 und 1996 wird Folge gegeben. Die angefochtenen Bescheide werden aufgehoben. II.) Die Berufung gegen die Bescheide betreffend Einkommensteuer 1995 und 1996 wird (als unzulässig geworden) zurückgewiesen. III.) Die Berufung gegen den (vermeintlich ergangenen) Bescheid betreffend die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der Einkommensteuer 1997 wird zurückgewiesen. IV.) Der Berufung gegen den Bescheid betreffend Einkommensteuer 1997 wird Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Entscheidungsgründe

Der Abgabepflichtige wurde mit Bescheid vom zur Einkommensteuer 1995 sowie mit Bescheid vom zur Einkommensteuer 1996 veranlagt.

Mit Bescheiden vom (Ausfertigungsdatum) wurden die Verfahren hinsichtlich der Einkommensteuer 1995 und 1996 von Amts wegen wieder aufgenommen. Mit demselben Datum wurden berichtigte Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1995 und 1996 sowie ein Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1997 ausgefertigt (die Bescheide wurden gemäß § 200 Abs. 1 BAO vorläufig erlassen). Ein erster Zustellversuch misslang. Die Sendung wurde vor Jahresende neuerlich zur Post gegeben.

Mit Schreiben der steuerlichen Vertreterin des Abgabepflichtigen vom wurde "gegen die vorläufigen Bescheide über die Einkommensteuer 1995 bis 1997 sowie gegen die Wiederaufnahmsbescheide der Einkommensteuer 1995 bis 1997, allesamt vom , zugestellt am " Berufung erhoben.

Begründend wurde dazu ausgeführt: Die Bescheide vom seien am gemäß § 17 Abs. 1 ZustellG hinterlegt worden. Nach der Rückkehr von seinem am angetretenen Weihnachtsurlaub habe der Berufungswerber die Bescheide am behoben. Gemäß § 17 Abs. 3 ZustellG gelten Sendungen an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag als zugestellt.

Die mit den genannten Bescheiden festgesetzten Abgaben seien unter Bedachtnahme auf die seit geltenden neuen Verjährungsbestimmungen der BAO verjährt. Die Mitteilung der Finanzstrafbehörde erster Instanz vom , dass sie Verdachtsgründe gemäß § 82 Abs. 1 FinStrG gegen den Berufungswerber prüfe, stelle keine nach außen erkennbare und damit verjährungshemmende Außenhandlung dar, da die Finanzstrafbehörde nicht die sachlich zuständige Abgabenbehörde sei.

In SWK 2005, Seite 82, habe das Bundesministerium für Finanzen ausgeführt: "Amtshandlungen iSd § 209 Abs. 1 BAO sind zur Geltendmachung des Abgabenanspruches von einer für die Abgabenerhebung sachlich zuständigen Abgabenbehörde unternommene Handlungen. Ihr Zweck ist daher die Erhebung der betreffenden Abgabe. Erhebungen für Zwecke von Finanzstrafverfahren dienen nicht der Erhebung der Abgaben".

Es werde daher die ersatzlose Aufhebung der angefochtenen Bescheide beantragt.

Die Berufung wurde der Abgabenbehörde zweiter Instanz unmittelbar zur Entscheidung vorgelegt.

In der mündlichen Berufungsverhandlung wies der Finanzanwalt (wie schon in seinem Schreiben vom ) darauf hin, dass die "Prüfungsabteilung Strafsachen", die auf dem Kopf des Schreibens vom aufscheine, dem Finanzamt als Abgabenbehörde zuzurechnen sei. Das Schreiben sei daher auch namens des Finanzamts als Abgabenbehörde ergangen. Darüber hinaus sei auf das Erkenntnis des , zu verweisen, aus dem sich für den vorliegenden Fall ergebe, dass das Schreiben als eine Unterbrechungshandlung im Sinne des § 209 Abs. 1 BAO zu werten sei. Das Finanzamt beantrage daher die Abweisung der Berufung.

Über die Berufung wurde erwogen:

1.) Das Recht, eine Abgabe festzusetzen, unterliegt nach Maßgabe der §§ 207 ff. der Bundesabgabenordnung (BAO) der Verjährung. Die Verjährungsfrist beträgt grundsätzlich fünf Jahre. Soweit eine Abgabe hinterzogen ist, beträgt die Verjährungsfrist sieben Jahre (§ 207 Abs. 2 BAO).

Die Verjährung beginnt in den Fällen des § 207 Abs. 2 BAO - von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen - mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist (§ 208 Abs. 1 lit. a BAO).

Werden innerhalb der Verjährungsfrist (§ 207 BAO) nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen (§ 77 BAO) von der Abgabenbehörde unternommen, so verlängert sich die Verjährungsfrist um ein Jahr. Die Verjährungsfrist verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn solche Amtshandlungen in einem Jahr unternommen werden, bis zu dessen Ablauf die Verjährungsfrist verlängert ist (§ 209 Abs. 1 BAO in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 180/2004).

Gemäß § 323 Abs. 18 erster Satz BAO ist § 209 Abs. 1 BAO in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 180/2004 ab dem anzuwenden. § 209 Abs. 1 zweiter Satz BAO in der Fassung BGBl. I Nr. 180/2004 gilt sinngemäß für im Jahr 2004 unternommene Amtshandlungen im Sinn des § 209 Abs. 1 BAO in der Fassung vor BGBl. I Nr. 57/2004 (§ 323 Abs. 18 dritter Satz BAO).

Gemäß § 209 Abs. 1 BAO in der Fassung vor BGBl. I Nr. 57/2004 wird die Verjährung durch jede zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen (§ 77 BAO) von der Abgabenbehörde unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung unterbrochen. Mit Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist, beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen.

Gemäß § 209 Abs. 1 BAO in der Fassung vor BGBl. I Nr. 57/2004 beträgt die Verjährungsfrist für hinterzogene Abgaben zehn Jahre.

2.) Die Bescheide betreffend Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich der Einkommensteuer 1995 und 1996 sowie betreffend Einkommensteuer 1995 bis 1997 (mit Ausfertigungsdatum ), in deren Begründung von der Anwendbarkeit der "10-Jahresfrist gem. § 207 (2) BAO für hinterzogene Abgaben" ausgegangen wurde, wurden - unbestritten - erst im Jahr 2005 zugestellt. Nach altem Verjährungsrecht (Rechtslage vor Inkrafttreten der Bundesgesetze BGBl. I Nr. 57/2004 und BGBl. I Nr. 180/2004) wäre eine Verjährung bis Ende 2004 (unter Zugrundelegung einer Frist von zehn Jahren) jedenfalls nicht eingetreten. Strittig ist, ob im Jahr 2004 eine Unterbrechungshandlung im Sinn des § 209 Abs. 1 BAO in der Fassung vor BGBl. I Nr. 57/2004 gesetzt worden ist. Nach Ansicht der Amtspartei ist eine solche Unterbrechungshandlung in dem am zugestellten Schreiben des Finanzamts vom zu erblicken.

3.) Dieses Schreiben hat in seinen für die Beurteilung der vorliegenden Frage bedeutsamen Teilen folgenden Wortlaut:


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An Bw. ...
Finanzamt B als Finanzstrafbehörde I. Instanz Prüfungsabteilung Strafsachen Steuernummer: XX ...

ErfNrXY

Prüfung von Verdachtsgründen gemäß § 82 Abs 1 FinanzstrafgesetzVerdacht des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG

1. Einkünfte aus Beratertätigkeit für die Firma C, in Verbindung mit dem liechtensteinischen Sitzunternehmen D in den Kalenderjahren 1995 bis 1997Einkünfte aus Beratungs- und anderen Dienstleistungen in den Kalenderjahren 1994 - 2003

Beim Finanzamt B als zuständiger Finanzstrafbehörde I. Instanz besteht der begründete Verdacht, dass Sie zumindest in den Kalenderjahren 1995 - 1997 für Dienstleistungen für die Firma C in Verbindung mit dem liechtensteinischen Sitzunternehmen D Geldbeträge in der Höhe von zumindest ATS xxxxxx erhalten haben.

Die Zahlungsabwicklung erfolgte über E, da Sie selbst als Zahlungsempfänger nicht aufscheinen wollten. Entsprechende Zahlungsquittungen ... liegen der Finanzbehörde vor.

Gegenüber dem Finanzamt B haben Sie für die Kalenderjahre 1994 - 1997 neben Ihren nichtselbständigen Einkünften ... keine weiteren Einkünfte erklärt.

Entsprechende Quittungsbelege, Bankbelege (-konten) sind vorzulegen. Weiters sind alle in diesem Zusammenhang von Ihnen abgeschlossenen schriftlichen Vereinbarungen, Vertragswerke und von Ihnen erstellte Aufzeichnungen beizubringen.

Sie werden zudem aufgefordert, alle weiteren in den Kalenderjahren 1994 - 2003 bezogenen Einnahmen aus Beratungs- und sonstigen Dienstleistungen von der ... und von allen anderen Dritten geleisteten Zahlungen im Rahmen von Jahresaufstellungen offenzulegen.

Entsprechende Quittungsbelege, Bankbelege (-konten) sind auch hier vorzulegen. Weiters sind alle in diesem Zusammenhang von Ihnen abgeschlossenen schriftlichen Vereinbarungen, Vertragswerke und von Ihnen erstellte Aufzeichnungen beizubringen. ...

2. ...

Es besteht daher der begründete Verdacht, dass Sie im Bereich des FA B im Zeitraum 1997 bis 2004 vorsätzlich unter Verletzung der Ihnen obliegenden abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht durch die Nichtoffenlegung Ihrer Einkünfte aus ... und ... für die Kalenderjahre 1994 bis 2003 eine Abgabenverkürzung an Einkommensteuer in noch festzustellender Höhe bewirkt haben, wobei die Abgabenbehörde keine Kenntnis von der Entstehung des Abgabenanspruches hatte und Sie hiedurch das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG begangen haben.

Gemäß § 116 FinStrG werden Sie aufgefordert, neben der Beibringung der angeforderten Unterlagen eine schriftliche Stellungnahme bis Freitag, den vorzulegen oder bis zu diesem Termin ihre Aussage im Rahmen einer Verdächtigeneinvernahme (nach vorheriger Terminvereinbarung) zu Protokoll zu geben. ...

Sollten Sie dieser Aufforderung nicht nachkommen, ist die Finanzbehörde berechtigt, die Bemessungsgrundlagen im Schätzungswege gemäß § 184 BAO zu ermitteln und die daraus folgenden Einkommen-, Umsatz- und/oder Schenkungssteuerfestsetzungen können als Grundlage für den strafbestimmenden Wertbetrag im Finanzstrafverfahren herangezogen werden.

Die Nichtbefolgung der Aufforderung hindert nicht den weiteren Ablauf des Finanzstrafverfahrens (§ 121 FinStrG).

Dem Schreiben vom war eine Rechtsbelehrung für Verdächtige und Beschuldigte eines Finanzstrafverfahrens beigeschlossen.

4.) § 209 Abs. 1 BAO in der Fassung vor BGBl. I Nr. 57/2004 setzt eine Amtshandlung voraus, die von der Abgabenbehörde unternommen wurde. Nach § 49 Abs. 1 BAO sind Abgabenbehörden die mit der Erhebung der im § 1 BAO bezeichneten Abgaben und Beiträge (darunter der Einkommensteuer) betrauten Behörden der Abgabenverwaltung des Bundes (§ 52 BAO). Unter Erhebung iSd BAO sind alle der Durchführung der Abgabenvorschriften dienenden abgabenbehördlichen Maßnahmen zu verstehen (§ 49 Abs. 2 BAO). Zu den der Durchführung der Abgabenvorschriften dienenden abgabenbehördlichen Maßnahmen gehören jedenfalls alle der Durchsetzung von Abgabenansprüchen dienenden behördlichen Maßnahmen, die die Ermittlung und die Festsetzung von Abgaben zum Ziele haben (; ; zur Einhebung und zwangsweisen Einbringung kritisch Achatz, Verjährung im Abgabenverfahren und im Finanzstrafverfahren, in Leitner [Hrsg.], Aktuelles zum Finanzstrafrecht, Wien 1998, 75 [81]).

Gemäß § 52 BAO sind für die sachliche Zuständigkeit und für den Amtsbereich der Abgabenbehörden (unbeschadet anderer gesetzlicher Anordnungen) die Vorschriften des Abgabenverwaltungsorganisationsgesetzes, BGBl. Nr. 18/1975 (AVOG), und des Bundesgesetzes über den unabhängigen Finanzsenat (UFSG) maßgeblich.

5.) Gemäß § 82 Abs. 1 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde erster Instanz die ihr gemäß den §§ 80 oder 81 FinStrG zukommenden Verständigungen und Mitteilungen darauf zu prüfen, ob genügende Verdachtsgründe für die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens gegeben sind. Das gleiche gilt, wenn sie in anderer Weise, insbesondere aus eigener Wahrnehmung vom Verdacht eines Finanzvergehens Kenntnis erlangt. Die Prüfung ist nach den für die Feststellung des maßgebenden Sachverhalts im Untersuchungsverfahren geltenden Bestimmungen vorzunehmen, somit nach den §§ 115 ff. FinStrG. Ergibt die Prüfung gemäß § 82 Abs. 1 FinStrG, dass die Durchführung des Strafverfahrens nicht in die Zuständigkeit des Gerichtes fällt, so hat die Finanzstrafbehörde erster Instanz das Strafverfahren einzuleiten.

Zur Durchführung des (verwaltungsbehördlichen) Finanzstrafverfahrens sind "als Finanzstrafbehörden erster Instanz" - von Ausnahmen abgesehen - grundsätzlich die zur Erhebung der beeinträchtigten Abgaben oder zur Handhabung der verletzten Abgabenvorschriften zuständigen Finanzämter zuständig. Eine Änderung der Zuständigkeit des Finanzamtes zur Erhebung der Abgaben bewirkt keine Änderung der Zuständigkeit zur Weiterführung des anhängigen Finanzstrafverfahrens (§ 58 Abs. 1 lit. f BAO).

Abgabenbehörden sind die im AVOG aufgezählten Behörden nur, soweit sie zur Erhebung von Abgaben tätig sind (Ritz, BAO-Kommentar, 2. Aufl., § 49 Tz 1). Soweit Behörden, die auch Abgabenbehörden sind, Amtshandlungen setzen, die auf die finanzstrafrechtliche Ahndung von Verhaltensweisen gerichtet sind, wird die Verjährung des Rechts, eine Abgabe festzusetzen, dadurch nicht unterbrochen (Ritz, aaO., § 209 Tz 30). So stellt selbst die finanzstrafrechtliche Verurteilung des Hinterziehers keine Amtshandlung dar, die geeignet wäre, die Bemessungsverjährung, dh. die Verjährung des Rechts zur Festsetzung des Abgabenanspruches, zu unterbrechen (vgl. Schartel-Hlavenka, Verjährung von "hinterzogenen" Abgaben, SWK 26/1997, S 567 [571]).

6.) Die Verjährung unterbrechen nur nach außen hin in Erscheinung tretende Amtshandlungen, die als Schritte der "Erhebung" iSd § 49 BAO aufzufassen sind ().

Mit dem am zugestellten Schreiben ist das Finanzamt B nach außen hin ausschließlich in seiner funktionellen Zuständigkeit (Eigenschaft) "als Finanzstrafbehörde erster Instanz" in Erscheinung getreten. Dies ergibt sich mit aller Deutlichkeit aus dem Kopf des vorhin auszugsweise wiedergegebenen Schreibens sowie - infolge Bezugnahme auf das Finanzstrafgesetz - aus dessen Überschrift ("Prüfung von Verdachtsgründen ..."); darüber hinaus auch daraus, dass es dem Berufungswerber in dessen Eigenschaft als Verdächtigem zugestellt werden sollte. Es stellt sich als eine Verfolgungshandlung im Sinn des § 14 Abs. 3 FinStrG, nicht jedoch als eine Unterbrechungshandlung im Sinne des § 209 Abs. 1 BAO (in der Fassung vor BGBl. I Nr. 57/2004 iVm § 323 Abs. 18 dritter Satz BAO) dar.

7.) In seinem Erkenntnis vom , 98/15/0081, hat der VwGH zwar die Ansicht vertreten, dass mit der (im Jahr 1988 erfolgten) Einleitung des Finanzstrafverfahrens durch das im Beschwerdefall "auch für die Geltendmachung des Abgabenanspruches sachlich und örtlich zuständige Finanzamt" eine Unterbrechungshandlung im Sinn des § 209 Abs. 1 BAO gesetzt worden sei. Die (zitierte) Entscheidung ist jedoch, soweit ersichtlich, vereinzelt geblieben. Der Senat vermag ihr angesichts des klaren Wortlauts des Gesetzes (Erforderlichkeit einer Amtshandlung der "Abgabenbehörde") - jedenfalls für den vorliegenden Fall - nicht zu folgen. Die Amtspartei ist explizit in ihrer Eigenschaft "als Finanzstrafbehörde" tätig geworden und nach außen hin in Erscheinung getreten. Dies schließt es im Hinblick auf das Erfordernis der Tatbestandsmäßigkeit des Verwaltungshandelns aus, (im Sinne der genannten Entscheidung des VwGH) eine "implizite" Geltendmachung des Abgabenanspruches als ausreichend anzusehen und in der Aufforderung vom eine Unterbrechungshandlung im Sinne des § 209 Abs. 1 BAO in der Fassung vor BGBl. I Nr. 57/2004 zu erblicken.

Das Schreiben vom war auch seinem Inhalt nach nicht auf eine Geltendmachung des Abgabenanspruches, sondern auf die Ermittlung des für die Erledigung der Strafsache maßgebenden Sachverhaltes im strafrechtlichen Untersuchungsverfahren (§§ 115 ff. FinStrG) gerichtet. Sofern der Verdächtige der Aufforderung der "Finanzstrafbehörde" nicht nachkommen sollte, würde "die Finanzbehörde" zwar berechtigt sein, die Bemessungsgrundlagen im Schätzungswege zu ermitteln. Auch ein Vorgehen "gemäß § 184 BAO" würde aber in die Zuständigkeit der Abgabenbehörde und nicht der Finanzstrafbehörde fallen. Von einer Schätzung der Grundlagen für die Abgabenerhebung (§ 184 BAO) wäre, wie dies im Schreiben vom deutlich zum Ausdruck gelangt, die Ermittlung des strafbestimmenden Wertbetrags zu unterscheiden.

8.) Nach Ansicht des Finanzamts stellt sein Schreiben vom deshalb eine Unterbrechungshandlung dar, weil es (auch) von der "Prüfungsabteilung Strafsachen" ergangen sei. Die "Prüfungsabteilung Strafsachen" sei dem Finanzamt direkt zuzuordnen.

Die im vorliegenden Fall zu berücksichtigenden Zuständigkeitsnormen (BAO, AVOG, FinStrG) kennen keine "Prüfungsabteilung Strafsachen". Das Schreiben vom gibt vielmehr deutlich zu erkennen, von welcher Behörde es ergangen und wem es daher zuzurechnen ist. Dies war die Finanzstrafbehörde. Es fiele dem Abgabepflichtigen (als Adressaten eines solchen Schreibens im Allgemeinen) auch ersichtlich schwer, eine "Prüfungsabteilung Strafsachen" einer anderen Behörde, nämlich der abgabenfestsetzenden Behörde, zuzuordnen. Darüber hinaus wäre es dem Finanzamt frei gestanden, an den Berufungswerber ein weiteres Schreiben in seiner Eigenschaft "als Abgabenbehörde" zu versenden (und in diesem Schreiben die Mitwirkungspflicht des Abgabepflichtigen an der Aufklärung des Sachverhaltes anzusprechen).

9.) Bei den Bestimmungen des Verjährungsrechts handelt es sich um keine Normen des materiellen Rechts, sondern um solche des Verfahrensrechts. Es kommt daher für die Anwendung der ab dem geltenden (neuen) Bestimmungen des Verjährungsrechts nicht auf die Rechtslage im Zeitpunkt der Entstehung des Abgabenanspruches an, sondern auf den Zeitpunkt ihrer Anwendung (; Achatz, aaO., 78), im vorliegenden Fall auf den Zeitpunkt des Wirksamwerdens der angefochtenen Bescheide mit deren Zustellung im Jahr 2005 (§ 97 BAO). Bei Änderungen verfahrensrechtlicher Vorschriften ist das neue Recht im Allgemeinen ab dem Zeitpunkt seines Inkrafttretens anzuwenden, und zwar auch auf solche Rechtsvorgänge, die sich vor dem Inkrafttreten des neuen Verfahrensrechts (Verjährungsrechts) ereignet haben.

Die siebenjährige Verjährungsfrist hinsichtlich der Verkürzungsbeträge an Einkommensteuer 1995 bis 1997 begann mit Ablauf der Kalenderjahre 1995, 1996 bzw. 1997 (§ 4 Abs. 2 lit. a Z 2 BAO). Sie wurde hinsichtlich der erstgenannten beiden Jahre durch die Erlassung der Bescheide vom (Einkommensteuer 1995) bzw. vom (Einkommensteuer 1996) jeweils um ein Jahr - im Ergebnis bis Ende 2003 bzw. Ende 2004 - verlängert. Hinsichtlich der Einkommensteuer 1997 endete sie mit Ablauf des Jahres 2004. Da bis Ende 2004 eine Verjährung nach altem Recht (Vorliegen hinterzogener Abgaben) noch nicht eingetreten war, wären die Abgabenansprüche betreffend Einkommensteuer 1995 bis 1997 nach Übergangsrecht (§ 323 Abs. 18 dritter Satz BAO) nur dann als noch nicht verjährt anzusehen, wenn im Jahr 2004 eine Amtshandlung im Sinne des § 209 Abs. 1 BAO alter Fassung gesetzt worden wäre. Dies war nach den vorstehenden Ausführungen nicht der Fall. Daran vermag auch nichts zu ändern, dass die Sendung noch im Jahr 2004 zur Post gegeben wurde, infolge Abwesenheit des Empfängers von der Abgabestelle (aus welchen Gründen immer) vor Ablauf des Jahres 2004 aber nicht mehr zugestellt werden konnte.

10.) Die Verjährung befristet das Recht, eine Abgabe festzusetzen. Der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1997 war daher rechtswidrig ergangen. Weil der Anwendungsbereich der Bemessungsverjährung in § 304 BAO auf Bescheide erweitert ist, die die Wiederaufnahme von Verfahren verfügen, durften auch keine Wiederaufnahmsbescheide hinsichtlich der Einkommensteuer 1995 und 1996 erlassen werden.

11.) Wird der Wiederaufnahmsbescheid aufgehoben, so tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor der Wiederaufnahme befunden hat (§ 307 Abs. 3 BAO). Durch die Aufhebung der Wiederaufnahmsbescheide hinsichtlich der Einkommensteuer 1995 und 1996 scheiden die (neuen) Sachbescheide somit ex lege aus dem Rechtsbestand aus. Die Berufung gegen die Einkommensteuerbescheide 1995 und 1996 war daher - als unzulässig geworden - zurückzuweisen.

12.) Ein Verfahren hinsichtlich der Einkommensteuer des Jahres 1997 wurde nicht wiederaufgenommen. Da eine Berufung nur gegen Bescheide zulässig ist (§ 243 BAO), war die diesbezügliche Berufung ebenfalls zurückzuweisen (§ 273 Abs. 1 lit. a BAO).

Somit war spruchgemäß zu entscheiden.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 209 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 323 Abs. 18 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Unterbrechungshandlung
Verlängerungshandlung
Abgabenbehörde
Finanzstrafbehörde
Verjährung
Bemessungsverjährung
Anmerkung
Gleicher Ansicht BMF (SWK 2/2005, S 066). Abweichend von
Zitiert/besprochen in
AStN 2005/163
UFSaktuell 2005, 415
UFSaktuell 2006, 35
SWK 16/2008, S 482

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at