Antrag auf Erstattung von Eingangsabgaben nach Ablauf der Drei-Jahresfrist
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2009/16/0213,2009/16/0235 eingebracht.Mit Beschluss vom wird dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht stattgegeben.
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Beschwerde des Bf., Adr, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. Helmut Valenta und Dr. Gerhard Gfrerer, 4020 Linz, Schillerstraße 4, vom gegen die Berufungsvorentscheidung des Zollamtes X vom , Zahl xxxxxx/xxxxx/xxxx, betreffend Erstattung von Eingangsabgaben entschieden:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Mit der als "Antrag auf Wiederaufnahme" bezeichneten Eingabe vom beantragte der Beschwerdeführer (im Folgenden kurz als Bf bezeichnet) die Bescheide vom , Zahl 500/90206/07/2001, und vom , Zahl 500/90115/31/2004, abzuändern, da die Nachverrechnung von Eingangsabgaben in Höhe von € 2.879,73 im ersten und € 409,36 im zweiten Fall nicht berechtigt gewesen sei. Aufgrund des Beweisergebnisses im Finanzstrafverfahren sei der Bf vom Vorwurf des Schmuggels durch fehlerhafte Gewichtsangaben frei gesprochen worden.
Das Zollamt wertete die Eingabe als Antrag auf Erstattung gemäß Art. 236 Zollkodex (ZK) und wies den Antrag wegen Ablaufs der im Abs. 2 dieser Bestimmung normierten Drei-Jahresfrist mit Bescheid vom , Zahl xxxxxx/xxxxx/114/2001, ab.
Die dagegen erhobene Berufung vom wurde mit Berufungsvorentscheidung vom (zugestellt am ), Zahl xxxxxx/xxxxx/116/2001, aus dem gleichen Grund als unbegründet abgewiesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich der frist- und formgerechte Rechtsbehelf der Beschwerde vom .
Begründend bringt der Bf vor, dass grundsätzlich davon auszugehen sei, dass nicht der Erhebungszeitpunkt entscheidend sein könne, sondern letztlich die endgültige Festlegung des tatsächlich vorgeschriebenen Betrages. Andernfalls würde bei einer Verfahrensdauer von mehr als drei Jahren faktisch keine Erstattungsmöglichkeit mehr bestehen.
Im Übrigen hätte im Rahmen des Abgabenverfahrens bei Annahme der vom Bf aufgeworfenen Frage ja noch im Zuge des Erst- und Berufungsverfahrens der Umstand näher aufgeklärt werden können. Nachdem diese Überprüfungen aber nicht erfolgt seien und man vom zunächst eingehaltenen Standpunkt nicht abgegangen sei, habe auch der Bf diesen Umstand zur Kenntnis nehmen und die Fortsetzung des bereits langfristig laufenden Verfahrens als nicht zielführend ansehen müssen.
Im Rahmen des Finanzstrafverfahrens seien dann aber Anhaltspunkte für die Berechtigung des Antrages hervorgekommen. Auch wenn eine Entscheidung im Finanzstrafverfahren für ein Abgabenverfahren nicht unbedingt zu berücksichtigen sei, sei jedenfalls der Umstand hervorgekommen, der einen Erstattungsanspruch rechtfertige. Es sei daher davon auszugehen, dass der Bf durch ein unvorhergesehenes Ereignis (Nichterledigung eines Beweisantrages) an der fristgerechten Geltendmachung verhindert worden sei.
Es sei darüber hinaus auch nicht akzeptabel, dass ein nachträglich hervorgekommenes Beweisergebnis, welches eine völlige Änderung der Abgabenvorschreibung nach sich gezogen hätte, nicht mehr zu berücksichtigen sei. Es seien jedenfalls hilfsweise die Voraussetzungen einer Wiederaufnahme des Verfahrens heranzuziehen.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Der Entscheidung wird folgender Sachverhalt zu Grunde gelegt:
Mit Sammelbescheid vom , Zahl xxx/xxxxx/07/2001 (zugestellt am ), teilte das damalige Hauptzollamt A dem Bf unter Bescheidspruch II die buchmäßige Erfassung einer gemäß Art. 203 Zollkodex (ZK) entstandenen Einfuhrumsatzsteuerschuld in Höhe von € 6.382,86 mit und setzte gleichzeitig eine Abgabenerhöhung gemäß § 108 Abs. 1 ZollR-DG in Höhe von € 745,11 fest.
In Erledigung der dagegen erhobenen Berufung änderte das Zollamt die Abgabenfestsetzung zu Gunsten des Bf auf € 5.375,46 (Einfuhrumsatzsteuer) und € 624,19 (Abgabenerhöhung) ab. Der dagegen zunächst erhobene Rechtsbehelf der Beschwerde wurde wegen Zurücknahme desselben mit Bescheid vom , GZ ZRV/0004-Z2L/04, als gegenstandlos erklärt.
Mit Sammelbescheid vom , Zahl zzz/zzzzz/31/2004 (zugestellt am ), teilte das damalige Zollamt A dem Bf unter Bescheidspruch II für einen weiteren Zeitraum die buchmäßige Erfassung einer gemäß Art. 203 ZK entstandenen Einfuhrumsatzsteuerschuld in Höhe von € 1.908,31 mit und setzte gleichzeitig eine Abgabenerhöhung gemäß § 108 Abs. 1 ZollR-DG in Höhe von € 52,98 fest.
Die dagegen erhobene Berufung wurde als unbegründet abgewiesen. Der Rechtsbehelf der Beschwerde wurde vom Bf ebenfalls zurückgenommen und mit Bescheid vom , GZ ZRV/0025-Z2L/05, als gegenstandslos erklärt.
Mit Eingabe vom beantragte der Bf die Erstattung eines Teiles der mit den oben angeführten Sammelbescheiden mitgeteilten Eingangsabgaben in Höhe von insgesamt € 3.289,09 (€ 2.879,73 und € 409,36).
Im hierzu durchgeführten Finanzstrafverfahren wurde der Bf mit Straferkenntnis vom vom Vorwurf des Schmuggels durch falsche Gewichtsangaben freigesprochen.
Beweiswürdigung:
Der relevante Sachverhalt ergibt sich schlüssig und zweifelsfrei aus den vom Zollamt vorgelegten Akten.
Rechtliche Würdigung:
Gemäß § 2 Abs. 1 ZollR-DG gilt unter anderem das im § 1 leg cit genannte gemeinschaftliche Zollrecht auch für die Erhebung von sonstigen Eingangsabgaben und anderen Geldleistungen, soweit im ZollR-DG oder in den betreffenden Rechtsvorschriften die Vollziehung der Zollverwaltung übertragen und nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist.
Gemäß § 26 Abs. 1 Umsatzsteuergesetz 1994 gelten, soweit in diesem Bundesgesetz nichts anderes bestimmt ist, für die Einfuhrumsatzsteuer die Rechtsvorschriften für Zölle sinngemäß.
Daraus folgt, dass der Zollkodex auch auf die Erhebung und die Erstattung der Einfuhrumsatzsteuer anzuwenden ist.
Die Bestandskraft von Eingangsabgabenbescheiden stellt wegen der Überlagerung der entsprechenden Bestimmungen der BAO durch die gemeinschaftsrechtlichen Zollvorschriften kein rechtliches Hindernis für die Erstattung oder den Erlass von Eingangsabgaben dar. Es bedarf daher auch keiner Bestimmung über die Wiederaufnahme des Verfahrens. Die in der BAO enthaltene Bestimmung betreffend die Wiederaufnahme des Verfahrens ist daher, soweit sie sich auf die Abgabenbemessung bezieht, auf Eingangsabgabenbescheide nicht anwendbar (vgl. auch Fuchs, Bundesabgabenordnung und EG-Zollrecht, Rz 295a.1)
Das Zollamt hat daher folgerichtig den Antrag vom aufgrund seines Inhaltes als Antrag auf Erstattung gemäß Art. 236 ZK gewertet.
Art. 236 ZK lautet:
"Artikel 236
(1) Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben werden insoweit erstattet, als nachgewiesen wird, dass der Betrag im Zeitpunkt der Zahlung nicht gesetzlich geschuldet war oder der Betrag entgegen Artikel 220 Absatz 2 buchmäßig erfasst worden ist.
Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben werden insoweit erlassen, als nachgewiesen wird, dass der Betrag im Zeitpunkt der buchmäßigen Erfassung nicht gesetzlich geschuldet war oder der Betrag entgegen Artikel 220 Absatz 2 buchmäßig erfasst worden ist.
Eine Erstattung oder ein Erlass wird nicht gewährt, wenn die Zahlung oder buchmäßige Erfassung eines gesetzlich nicht geschuldeten Betrags auf ein betrügerisches Vorgehen des Beteiligten zurückzuführen ist.
(2) Die Erstattung oder der Erlass der Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben erfolgt auf Antrag; der Antrag ist vor Ablauf einer Frist von drei Jahren nach Mitteilung der betreffenden Abgaben an den Zollschuldner bei der zuständigen Zollstelle zu stellen.
Diese Frist wird verlängert, wenn der Beteiligte nachweist, dass er infolge eines unvorhersehbaren Ereignisses oder höherer Gewalt gehindert war, den Antrag fristgerecht zu stellen.
Die Zollbehörden nehmen die Erstattung oder den Erlass von Amts wegen vor, wenn sie innerhalb dieser Frist selbst feststellen, dass einer der in Absatz 1 Unterabsätze 1 und 2 beschriebenen Sachverhalte vorliegt."
Aufgrund des eindeutigen Wortlautes des Art. 236 Abs. 2 ZK ist die Frist ab dem Tag der Mitteilung von Eingangsabgaben und somit ab dem Zeitpunkt der Zustellung der betreffenden Eingangsabgabenbescheide zu rechnen.
Die als Erstattungsantrag zu wertende Eingabe vom erweist sich im Hinblick auf die am und am erfolgte Zustellung der Bescheide betreffend die buchmäßige Erfassung der Eingangsabgaben jedenfalls als verspätet. Wie das Zollamt in seiner Berufungsvorentscheidung zutreffend ausgeführt hat, ist die Antragsfrist grundsätzlich am im ersten und am im zweiten Fall abgelaufen. Auf den Eintritt der (formellen) Rechtskraft kommt es nicht an.
Gemäß Art. 236 Abs. 2 zweiter Satz ZK kann die Frist nur dann verlängert werden, wenn der Beteiligte nachweist, dass er infolge eines unvorhersehbaren Ereignisses oder höhere Gewalt gehindert war, den Antrag fristgerecht zu stellen.
Ein unvorhersehbares Ereignis verlangt ein für den Beteiligten nicht vorhersehbares und die Fristeinhaltung unmöglich machendes Ereignis. Dies schließt Ereignisse, die in den Einflussbereich des Beteiligten fallen und von ihm nicht verhindert werden, obwohl er sie verhindern hätte können, aus.
Höhere Gewalt liegt nach der ständigen Rspr. des EuGH vor, wenn ungewöhnliche und unvorhersehbare Ereignisse vorliegen, auf die derjenige, der sich auf höhere Gewalt beruft, keinen Einfluss hat und deren Folgen auch bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt nicht hätten vermieden werden können (vgl. Witte/Huchatz, Zollkodex4, Art. 236 Rz 56).
Der Verwaltungsgerichtshof hat in vergleichbaren Fällen der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 308 BAO ausgesprochen, dass es als unvorhergesehen zu werten ist, wenn die Partei ein Ereignis tatsächlich nicht miteinberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf die zumutbare Aufmerksamkeit und Vorsicht nicht erwarten konnte (vgl. ).
Wie der Bf zutreffend einräumt, entfaltet ein Freispruch im Finanzstrafverfahren keine Bindungswirkung für das Abgabenverfahren.
Das Ergebnis des Beweisverfahrens in der mündlichen Verhandlung vor dem Spruchsenat vom stellt aber auch kein Ereignis dar, welches den Bf an der Einhaltung der bereits lange vor diesem Zeitpunkt abgelaufenen Fristen gehindert hätte.
Wenn der Bf vorbringt, dass ihn in den gegenständlichen Fällen die unvorhergesehene Nichterledigung eines Beweisantrages an der fristgerechten Antragstellung gehindert hätte, ist ihm entgegen zu halten, dass die in Rechtskraft erwachsenen Berufungsvorentscheidungen vom Zollamt bereits am im ersten und am im zweiten Fall erledigt worden sind. Zu diesen Zeitpunkten war die Drei-Jahresfrist noch nicht abgelaufen. Ein im Berufungsverfahren unerledigter Beweisantrag hätte im Übrigen noch im weiteren Instanzenzug bekämpft werden können.
Wenn der Bf meint, dass es nicht akzeptabel sei, dass ein in einem anderen Verfahren hervorgekommenes Beweisergebnis nicht mehr zu berücksichtigen sei, ist anzumerken, dass es sich bei der Frist im Art. 236 ZK um eine Verjährungsfrist handelt. Der Sinn der Verjährungsbestimmungen besteht letztlich auch darin, dass infolge Zeitablaufes Rechtsfriede eintritt, und dies in beiden Richtungen. Der Beteiligte ist geschützt vor Abgabenfestsetzungen, muss aber zur Kenntnis nehmen, dass nach Ablauf einer bestimmten Frist, keine Verfahrensschritte auf Aufhebung früherer Entscheidungen mehr gesetzt werden können.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Zoll |
betroffene Normen | Art. 236 ZK, VO 2913/92, ABl. Nr. L 302 vom S. 1 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
CAAAD-06493