OGH vom 24.06.2020, 1Ob66/20t

OGH vom 24.06.2020, 1Ob66/20t

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr.

Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Kodek, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. E***** und 2. G*****, beide *****, vertreten durch Mag. Thomas Müller, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 100.000 EUR sowie Feststellung (Streitwert 30.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 14 R 128/19z-115, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 32 Cg 10/18b-108, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

I. Die Revision der erstklagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

II. Der Revision der zweitklagenden Partei wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden hinsichtlich der zweitklagenden Partei aufgehoben und dem Erstgericht wird insoweit die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Verfahrens über die Revision der zweitklagenden Partei sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Kläger begehren mit ihrer Amtshaftungsklage den Ersatz des Schadens, der ihnen dadurch entstanden sei, dass ein von ihnen im Vorverfahren (dort als Beklagte) gestellter Antrag auf Aufhebung der Rechtskraft- und Vollstreckbarkeitsbestätigung eines gegen sie (gegen die Erstklägerin als Akzeptantin und gegen den Zweitkläger als Bürgen und Zahler) erlassenen Wechselzahlungsauftrags vom dortigen Erstgericht zu Unrecht – unter Bezugnahme auf § 86a Abs 2 ZPO – ohne beschlussmäßige Entscheidung zum Akt genommen worden sei. Ihr Schaden bestehe einerseits darin, dass in dem aufgrund des Wechselzahlungsauftrags geführten Exekutionsverfahren Liegenschaften „der Kläger“ unter ihrem (bei einem „außergerichtlichen“ Verkauf erzielbaren) Verkehrswert versteigert worden seien, wodurch ein Vermögensschaden von zumindest 70.000 EUR eingetreten sei, und sie andererseits – eigene sowie der betreibenden Partei zu ersetzende – Kosten des Exekutionsverfahrens in Höhe von zumindest 100.000 EUR zu tragen gehabt hätten. „Aus anwaltlicher Vorsicht“ werde insgesamt nur ein Zahlungsbegehren von 100.000 EUR erhoben. Es möge weiters festgestellt werden, dass die Beklagte „für sämtliche künftige Schäden der klagenden Parteien durch die rechtswidrige Nichtbehandlung ihres Antrages“ hafte.

Das Erstgericht wies die Klage ab.

Es legte seiner Entscheidung die vom Berufungsgericht im ersten Rechtsgang vertretene, für die Vorinstanzen bindende Rechtsansicht zugrunde, dass über den Antrag der Kläger auf Aufhebung der Rechtskraft- und Vollstreckbarkeitsbestätigung inhaltlich entschieden werden hätte müssen und dieser nicht als „wiederholender Schriftsatz“ iSd § 86a Abs 2 ZPO unerledigt zum Akt genommen werden hätte dürfen.

Allerdings wäre der Antrag bei meritorischer Behandlung abzuweisen gewesen, weil die darin – hinsichtlich beider Kläger – behaupteten Zustellmängel nicht glaubhaft gemacht werden hätten können. Die Erstklägerin habe den Wechselzahlungsauftrag persönlich übernommen. Der Zweitkläger habe die Abgabestelle in Italien – entgegen seiner Behauptung im Antrag auf Aufhebung der Rechtskraft- und Vollstreckbarkeitsbestätigung – regelmäßig benutzt und der gegen ihn ergangene Wechselzahlungsauftrag sei dort (ebenfalls entgegen der Behauptungen des Zweitklägers) vom (italienischen) Gerichtsvollzieher an die Ehefrau seines Unterkunftgebers übergeben worden. Dem Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens komme damit Berechtigung zu. Die Abweisung der Amtshaftungsklage ergebe sich aber auch aus der fehlenden Kausalität der haftungsbegründenden Unterlassung für die behaupteten Schäden, weil das aufgrund des vollstreckbaren Wechselzahlungsauftrags eingeleitete Versteigerungsverfahren auch bei Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung zugunsten der diesem Verfahren beigetretenen weiteren betreibenden Gläubiger fortgesetzt worden wäre. Die mit der Versteigerung bzw dem Versteigerungsverfahren verbundenen Nachteile wären dann ebenso eingetreten.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger nicht Folge.

Es ging wie – bereits das Erstgericht – davon aus, dass der im Vorprozess unerledigt gebliebene Antrag auf Aufhebung der Rechtskraft- und Vollstreckbarkeitsbestätigung des Wechselzahlungsauftrags hinsichtlich der Erstklägerin jedenfalls abzuweisen gewesen wäre, weil ihr der Zahlungsauftrag persönlich zugestellt worden sei.

Hinsichtlich des Zweitklägers sei nicht zu prüfen, ob mit Übergabe des Wechselzahlungsauftrags an die Ehefrau seines „Unterkunftgebers“ in Italien alle Erfordernisse einer wirksamen Zustellung erfüllt worden seien, weil sich die mangelnde Berechtigung seines Antrags bereits daraus ergebe, dass die dort behaupteten Zustellmängel (kein Aufenthalt des Zweitklägers an der Zustelladresse in Italien; keine Übergabe des Schriftstücks an die Ehefrau seines „Unterkunftgebers“) nicht nachgewiesen werden hätten können. Soweit der Zweitkläger in zweiter Instanz behauptet, dass die Ehefrau seines „Unterkunftgebers“ nach italienischem (Zustell-)Recht gar nicht zur Übernahme des Zahlungsauftrags berechtigt gewesen und er entgegen den Vorgaben des italienischen Zivilprozessrechts nicht durch eine eingeschriebene Briefsendung von der Übergabe des zuzustellenden Schriftstücks an diese verständigt worden sei (woraus er die Unwirksamkeit der Zustellung ableitet), verstoße dieses Vorbringen einerseits gegen das im Berufungsverfahren geltende Neuerungsverbot, andererseits wären „diese Fragen“ mangels entsprechenden Vorbringens auch vom „Titelgericht“ (im Vorverfahren) nicht zu prüfen gewesen. Davon abgesehen sei die Rechtsansicht des Erstgerichts zutreffend, dass die aus der Versteigerung von Liegenschaften „der Kläger“ bzw den von „ihnen“ im Versteigerungsverfahren getragenen Kosten abgeleiteten Schäden auch bei Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung eingetreten wären, weil die Versteigerung auch bei Einstellung des aufgrund des Wechselzahlungsauftrags geführten (führenden) Exekutionsverfahrens zugunsten der weiteren (beigetretenen) Gläubiger erfolgt wäre.

Die ordentliche Revision sei mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Erstklägerin ist mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

Die

Revision des Zweitklägers ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts zulässig und mit ihrem hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag berechtigt.

I. Zur Revision der Erstklägerin:

Die formal von beiden Klägern erhobene Revision enthält hinsichtlich der Erstklägerin keine konkreten Ausführungen. Das Rechtsmittel geht insbesondere nicht auf die Begründung des Berufungsgerichts ein, dass die Erstklägerin den Wechselzahlungsauftrag persönlich übernommen habe. Eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 501 Abs 2 ZPO wird somit nicht aufgezeigt. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

II. Zur Revision des Zweitklägers:

1. Vorauszuschicken ist, dass die vom Berufungsgericht bereits im ersten Rechtsgang vertretene Rechtsansicht, wonach der im Vorprozess gestellte Antrag auf Aufhebung der Rechtskraft- und Vollstreckbarkeitsbestätigung inhaltlich behandelt werden hätte müssen, keinen Bedenken begegnet. Von einem „wiederholenden Schriftsatz“ iSd § 86a Abs 2 zweiter Fall ZPO kann nicht gesprochen werden, wenn die neuerliche Entscheidung über einen Antrag begehrt wird, über den – wie im vorliegenden Fall – bisher inhaltlich noch nicht abgesprochen wurde (hier wurden vorangegangene inhaltsgleiche Anträge jeweils wegen fehlender rechtsanwaltlicher Vertretung zurückgewiesen). Dass das Gericht im Vorprozess den von den dort zuletzt anwaltlich vertretenen Klägern (dort: Beklagte) eingebrachten (weiteren) Antrag auf Aufhebung der Rechtskraft- und Vollstreckbarkeitsbestätigung inhaltlich unbehandelt ließ, könnte daher grundsätzlich eine Amtshaftung für den dadurch verursachten Schaden begründen.

2. Der Schädiger ist auch im Rahmen der Amtshaftung von einer Haftung entbunden, wenn der Schaden gleichermaßen bei rechtlich einwandfreiem Verhalten eingetreten wäre. Das Berufungsgericht prüfte daher – aufgrund eines entsprechenden Einwands der Beklagten – zu Recht, ob dem Antrag auf Aufhebung der Rechtskraft- und Vollstreckbarkeitsbestätigung (hypothetisch) Berechtigung zugekommen wäre. Es kam dabei aber zum unrichtigen Ergebnis, dass der Antrag deshalb abgewiesen werden hätte müssen, weil die darin Zustellmängel (im Rahmen der im Amtshaftungsverfahren „inzident“ vorgenommenen Prüfung des hypothetischen Verfahrensausgangs) nicht erwiesen werden konnten. Im – hier aufgrund des Antrags der Kläger (als Beklagte des Vorverfahrens) eingeleiteten – Verfahren zur Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung ist jedoch stets von Amts wegen zu prüfen, ob aufgrund des festgestellten Sachverhalts eine rechtswirksame Zustellung erfolgte (vgl zur Amtswegigkeit im Verfahren nach § 7 Abs 3 EO etwa RS0013483; RS0001544 [T5]; RS0001572 [T1]; Jakusch in Angst/Oberhammer³ § 7 EO Rz 110). Bei der im Amtshaftungsprozess vorzunehmenden Beurteilung, ob der im Vorprozess (inhaltlich) unerledigt gebliebene Antrag auf Aufhebung der Rechtskraft- und Vollstreckbarkeitsbestätigung bei (gebotener) meritorischer Behandlung erfolgreich gewesen wäre, darf daher nicht nur auf das (insbesondere Rechts-)Vorbringen der (dortigen) Antragsteller (Beklagten) abgestellt werden, sondern es hat eine umfassende amtswegige rechtliche Beurteilung des festgestellten Zustellvorgangs zu erfolgen.

3.1. Die Zustellung des Wechselzahlungsauftrags im Anlassverfahren an den Zweitkläger erfolgte auf Basis der EuZVO. Nach dessen Art 7 Abs 1 wird die Zustellung von der Empfangsstelle entweder nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats oder in einem von der Übermittlungsstelle gewünschten besonderen Verfahren, sofern dieses Verfahren mit dem Recht des Empfangsmitgliedstaats vereinbar ist, bewirkt oder veranlasst. Dafür, dass das österreichische Titelgericht (im Vorverfahren) eine besondere Zustellungsart vorgegeben hätte, ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte (dies wird auch nicht behauptet), sodass die Wirksamkeit der Zustellung nach italienischem (Zustell-)Recht zu prüfen ist.

3.2. Der Zweitkläger behauptet, dass durch die Übergabe des Wechselzahlungsauftrags an die Ehefrau seines Unterkunftgebers nach italienischem Recht keine wirksame Zustellung an ihn bewirkt worden sei. Das Berufungsgericht ging darauf nicht ein, weil es dieses erstmals in der Berufung erstattete Vorbringen als Verstoß gegen das Neuerungsverbot wertete und außerdem davon ausging, dass die Frage der Wirksamkeit der Zustellung nach italienischem Recht auch im Anlassverfahren (nach § 7 Abs 3 EO) mangels diesbezüglicher (Rechts-)Behauptung ihrer Unwirksamkeit nicht zu prüfen gewesen wäre. Dass in dem – von den Klägern im Vorprozess (dort als Beklagte) eingeleiteten – Verfahren über die Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung von Amts wegen zu prüfen gewesen wäre, ob nach dem anzuwendenden (italienischen) Recht eine wirksame Zustellung erfolgte, wurde bereits dargelegt. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts verstieß die erstmals in der Berufung erhobene Behauptung, dass die (zunächst bestrittene) Übernahme des an den Zweitkläger zuzustellenden Wechselzahlungsauftrags durch die Ehefrau seines „Unterkunftgebers“ (nach italienischem Recht) keine wirksame Zustellung an ihn bewirkt habe, auch nicht gegen das Neuerungsverbot, weil dieses nur den Tatsachenbereich betrifft (RS0016473 [T6]).

4. Ob die Zustellung nach (gemäß Art 7 Abs 1 EuZVO maßgeblichem) italienischem Recht wirksam war, kann derzeit – mangels Erhebung der italienischen (Zustell-)Vorschriften durch die Vorinstanzen – noch nicht abschließend beantwortet werden. Dies begründet grundsätzlich einen Verfahrensmangel besonderer Art, der dem Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung zu unterstellen ist und gegebenenfalls zur Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen führt (RS0116580). Ob der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens überhaupt zu prüfen ist (im Rahmen dieser Prüfung ist die Wirksamkeit der Zustellung an den Zweitkläger zu beurteilen) und dem Unterlassen der Ermittlung der maßgeblichen italienischen Zustellvorschriften daher überhaupt eine Relevanz für das Ergebnis des Verfahrens zukommt, hängt jedoch davon ab, ob das Klagebegehren von den Vorinstanzen nicht ohnehin zu Recht mit der – in der Revision bekämpften – Hilfsbegründung der fehlenden der unterlassenen (inhaltlichen) Behandlung des Antrags auf Aufhebung der Rechtskraft- und Vollstreckbarkeitsbestätigung für die behaupteten Schäden abgewiesen wurde.

5.1. Dem Berufungsgericht ist beizupflichten, dass der Schaden, der darin gelegen sein soll, dass die aufgrund des vollstreckbaren Wechselzahlungsauftrags erfolgte Versteigerung von Liegenschaften einen geringeren Erlös gebracht habe als deren außergerichtlicher Verkauf, auch bei einer – infolge der Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung erfolgten – Einstellung des aufgrund dieses Titels geführten Exekutionsverfahrens eingetreten wäre, weil das Versteigerungsverfahren gemäß § 206 EO – da der Einstellungsgrund des § 39 Abs 1 Z 9 EO nicht in gleicher Weise gegen alle Gläubiger wirkt, die das Versteigerungsverfahren betreiben – zugunsten der übrigen betreibenden Gläubiger fortzusetzen gewesen wäre (siehe auch § 139 Abs 3 EO). Dass keine solche Fortsetzung (und letztlich) Versteigerung der Liegenschaften (die bei Einbringung des Antrags der Kläger im Vorverfahren nicht bereits versteigert waren) erfolgt wäre, wurde weder behauptet, noch ergeben sich dafür Anhaltspunkte aus dem Akt. In der Revision wird dazu nur (unrichtig) behauptet, mit der Einstellung des führenden Exekutionsverfahrens wäre die Grundlage für die Versteigerung überhaupt weggefallen. Sohin fehlt es der unterlassenen (stattgebenden) Entscheidung über den Antrag auf Aufhebung der Rechtskraft- und Vollstreckbarkeitsbestätigung tatsächlich an der erforderlichen Kausalität für jenen behaupteten Schaden, der durch die Versteigerung der Liegenschaften unter ihrem (behaupteten) Marktwert entstanden sei.

5.2. Der Zweitkläger begehrt auch den Ersatz der von ihm im Exekutionsverfahren getragenen (eigenen sowie dem betreibenden Gläubiger ersetzten) Kosten. Er weist in seiner Revision zutreffend darauf hin, dass der betreibende Gläubiger im Fall einer gemäß § 39 Abs 1 Z 9 EO aufgrund einer rechtskräftigen Aufhebung der Bestätigung der Vollstreckbarkeit des Exekutionstitels erfolgten Einstellung des Versteigerungsverfahrens nach § 75 EO keinen Anspruch auf den Ersatz seiner gesamten bis zur Einstellung aufgelaufenen Exekutionskosten hat, sodass dem betreibenden Gläubiger auch bereits zuerkannte Kosten (allenfalls in Durchbrechung der Rechtskraft des diese bestimmenden Beschlusses) wieder abzuerkennen sind (vgl Jakusch in Angst/Oberhammer³ § 75 EO Rz 12 mwN). Dabei gilt grundsätzlich, dass dem betreibenden Gläubiger dann, wenn der Sachverhalt, der den Einstellungsgrund begründet, erst nach Bewilligung der Exekution verwirklicht wurde, nur jene Kosten abzuerkennen sind, die nach diesem Zeitpunkt entstanden sind. Bildet den Einstellungsgrund aber (wie insbesondere im hier zu beurteilenden Fall des § 39 Abs 1 Z 9 EO) eine behördliche Entscheidung, kommt es nicht auf den Zeitpunkt der Fällung dieser Entscheidung an, sondern darauf, wann der dieser Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt verwirklicht wurde (Jakusch aaO). Zur Aberkennung der dem betreibenden Gläubiger zuerkannten Kosten kommt noch hinzu, dass der (Erst-)Kläger im Versteigerungsverfahren (als dort Verpflichteter) ab dem Zeitpunkt, ab dem dieses Verfahren (soweit es aufgrund des Wechselzahlungsauftrags geführt wurde) aufgrund des Wegfalls der Vollstreckbarkeitsbestätigung eingestellt worden wäre, keine eigenen Kosten mehr aufwenden hätte müssen. Dem für die Bestätigung der Klageabweisung ins Treffen geführten (Hilfs-)Argument des Berufungsgerichts, dass die „den Klägern“ im (Real-)Exekutionsverfahren entstandenen Kosten durch die unterbliebene Behandlung ihres Antrags auf Aufhebung der Rechtskraft- und Vollstreckbarkeitsbestätigung nicht verursacht worden wären, kann daher – jedenfalls in dieser Allgemeinheit – nicht gefolgt werden.

6. Als ist festzuhalten, dass die Beklagte mangels Kausalität keinesfalls für jene Schäden haftet, die sich aus der Versteigerung von Liegenschaften „der Kläger“ unter ihrem Marktwert ergeben sollen. Andererseits kann ihre Haftung für die „den Klägern“ entstandenen Kosten des Versteigerungsverfahrens nicht von vornherein mangels Kausalität verneint werden, sodass insoweit der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens (und damit die nach italienischem Recht zu beurteilende Frage der Wirksamkeit der Zustellung des Wechselzahlungsauftrags an den Zweitkläger) zu prüfen ist.

7.1. Bevor eine weitere inhaltliche Beurteilung der Haftung zu erfolgen hat, ist jedoch das Zahlungsbegehren schlüssig zu stellen. Dessen Unschlüssigkeit ergibt sich zum einen daraus, dass „die Kläger“ sowohl einen Schaden in Höhe von 70.000 EUR aufgrund der Versteigerung „ihrer“ Liegenschaften unter dem Marktwert als auch einen Schaden von zumindest 100.000 EUR wegen der Kosten des Versteigerungsverfahrens behaupten, insgesamt aber nur einen Ersatzbetrag von 100.000 EUR begehren, ohne darzulegen, wie sich dieser auf die beiden behaupteten Schadenspositionen (und hinsichtlich des behaupteten „Kostenschadens“ auf die einzelnen – den Betrag von 100.000 EUR insgesamt übersteigenden – Kostenpositionen) aufteilt. Ein alternatives Klagebegehren, bei dem dem Gericht die Auswahl überlassen wird, welchem

Begehren es stattgibt, wäre unzulässig (RS0119632; RS0031014 [T20, T 22, T 32, T 35 ua]). Eine Missachtung des Bestimmtheitserfordernisses des § 226 ZPO führt jedoch nicht zur sofortigen Abweisung der Klage, vielmehr ist der Zweitkläger nach § 182 ZPO – auch wenn er anwaltlich vertreten ist – im fortzusetzenden Verfahren zu einer Präzisierung seines Begehrens aufzufordern (RS0031014 [T10]; allgemein RS0037166).

7.2. Die Unschlüssigkeit des Zahlungsbegehrens ergibt sich auch daraus, dass sich dem Klagevorbringen nicht entnehmen lässt, in welcher Höhe im Exekutionsverfahren Kosten zu tragen gehabt hatte. Das Klagebegehren lautet auf eine Zahlung an „die [also beide] Kläger“; auch das Vorbringen zu den behaupteten Schäden differenziert nicht, welcher der beiden Kläger (in welchem Umfang) zur Kostentragung verpflichtet gewesen ist bzw diese tatsächlich getragen hat (da die Beklagte mangels Kausalität nicht für den behaupteten Schaden wegen einer Versteigerung der Liegenschaften „der Kläger“ unter ihrem angeblichen Marktwert haftet, ist das insoweit ebenfalls unschlüssige Vorbringen zum Schaden der jeweiligen Kläger nicht weiter beachtlich). Auch dies wird mit dem Zweitkläger im fortgesetzten Verfahren noch zu erörtern sein.

8. Dem – auf eine Haftung für sämtliche durch die Nichtbehandlung des Antrags auf Aufhebung der Rechtskraft- und Vollstreckbarkeitsbestätigung verursachten künftigen Schäden gerichteten – , mit dem sich die Vorinstanzen (erkennbar aufgrund des als berechtigt angenommenen Einwands des rechtmäßigen Alternativverhaltens) nicht näher auseinandergesetzt haben, kann die Berechtigung keinesfalls mit dem Hinweis auf die fehlende Kausalität der rechtswidrigen Unterlassung für die behaupteten (Vermögens-)Schäden abgesprochen werden.

9. haftet die Beklagte jedenfalls nicht für die behaupteten Nachteile, die „den Klägern“ durch die Versteigerung „ihrer“ Liegenschaften zu einem unter dem Marktwert liegenden Betrag entstanden seien. Da sich dem Klagevorbringen nicht entnehmen lässt, welcher Teil des Zahlungsbegehrens auf diese Schäden entfällt, kann aber auch dieser (unbestimmte) Teil des Klagebegehrens gegenüber dem Zweitkläger noch nicht abgewiesen werden. Hinsichtlich des begehrten Ersatzes der Kosten des Exekutionsverfahrens kann eine Haftung dem Grunde nach derzeit noch nicht ausgeschlossen werden. Dazu wird zunächst – nach Schlüssigstellung des Zahlungsbegehrens – der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens (Abweisung des Antrags auf Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung wegen wirksamer Zustellung des Wechselzahlungsauftrags nach dem gemäß Art 7 Abs 1 EuZO maßgeblichen italienischen Recht) zu prüfen sein. Zu ersetzen wären nur jene Kosten (siehe dazu 5.2.), die der Zweitkläger selbst – allenfalls auch aus dem ihm zuzuordnenden Teil des Meistbots – wirtschaftlich getragen hat und die ihm bei Erledigung seines Antrags nicht erwachsen wären, was er konkret darzulegen haben wird. In diesem Zusammenhang wäre auch auf den von der Beklagten erhobenen Mitverschuldenseinwand – den diese daraus ableitet, dass der Antrag auf Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung erst Jahre nach Einleitung des Exekutionsverfahrens gestellt wurde – Bedacht zu nehmen. Für das Feststellungsbegehren, mit dem sich die Vorinstanzen bisher noch nicht auseinandergesetzt haben, wird allenfalls (sollte der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens verworfen werden) auch das Feststellungsinteresse – insbesondere im Hinblick auf die Subsidiarität zum Leistungsbegehren – zu erörtern und zu prüfen sein.

10. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2020:0010OB00066.20T.0624.000

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