OGH vom 26.04.2017, 1Ob66/17p
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. G***** R*****, und 2. M***** B*****, beide vertreten durch Dr. Richard Bickel, Rechtsanwalt in Feldkirch, gegen die beklagten Parteien 1. M***** G*****, und 2. H***** G*****, beide vertreten durch die Summer Schertler Kaufmann Droop Lerch Rechtsanwälte GmbH, Bregenz, wegen Leistung und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 189/16z-47, mit dem das Teilurteil des Landesgerichts Feldkirch vom , GZ 56 Cg 63/15t-43, abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Die relevierte Aktenwidrigkeit liegt nicht vor, ging doch auch das Erstgericht nur von behaupteten Mängeln der Kläger – und nicht tatsächlich festgestellten – aus.
2. Bei einer mehrseitigen (offenen) Treuhand(-schaft) zum Zwecke der Abwicklung eines Liegenschaftskaufvertrags hat der Treuhänder für die ordnungsgemäße Erfüllung der vertraglich übernommenen Aufgaben einzustehen (RIS-Justiz RS0104573 [T2]). Maßgeblich sind die Parteienabsicht und der Zweck des Rechtsgeschäfts. Im Ergebnis sollen durch die Einschaltung des Treuhänders eine Zug-um-Zug-Abwicklung erreicht und die vom jeweiligen Vertragspartner ausgehenden Risken ausgeschlossen werden (7 Ob 119/05h mwN).
3. Nach dem Inhalt des Kaufvertrags über die Liegenschaft zwischen den Klägern (Käufer) und dem Erstbeklagten (Verkäufer) verpflichteten sich die Kläger, den (Rest-)Kaufpreis auf ein Konto eines bestimmten Treuhänders zur Überweisung zu bringen, der unwiderruflich beauftragt wurde, nach Maßgabe der Bestimmungen des Treuhandvertrags binnen sieben Werktagen nach Einlangen der verbücherungsfähigen Löschungsurkunden (betreffend Pfandrechte) das Gesuch auf Einverleibung des Eigentums der Käufer und auf Löschung der Lasten beim Grundbuch einzubringen, weiters binnen sieben Werktagen nach Rechtskraft der Einverleibung des Eigentums der Käufer und Löschung der Pfandlasten den Rest des auf dem Treuhandkonto erliegenden Kaufpreises abzüglich Bankspesen und abzüglich der selbst berechneten, aber noch abzuführenden Immobilienertragssteuer an den Verkäufer zu überweisen.
Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Kläger unter diesen Bedingungen als „vorleistungspflichtig“ anzusehen sind, wurde auch schon vom Obersten Gerichtshof vertreten (6 Ob 248/03v = SZ 2003/160 = ÖBA 2004/1241, 964 [Rabl]), hat doch der Treuhänder den von ihm übernommenen Kaufpreis zur Lastenfreistellung zu verwenden und diese herzustellen, und ist nicht zu beanstanden. Folge daraus ist, dass ihnen die Einrede des nicht (gehörig) erfüllten Vertrags nach § 1052 Satz 1 ABGB wegen der von ihnen geltend gemachten Sachmängel nicht zustand. Die Kläger zahlten zwar zunächst den Restkaufpreis an den Treuhänder, erteilten diesem aber nachfolgend die – vertragswidrige, gegen die vereinbarte Unwiderruflichkeit verstoßende – Anweisung, den Kaufpreis bis zur Klärung der Mängelfrage nicht auszufolgen und machten damit ihre vorerst vertragsgemäß erbrachte Erfüllung wieder rückgängig, sodass sie als „Vorleistungsverpflichtete“ den Vertrag nicht auf die bedungene Weise zur gehörigen Zeit erfüllten, sondern sich im Verzug befanden (vgl 9 Ob 503/94). Der Erstbeklagte war daher zur Rücktrittserklärung gemäß § 918 Abs 1 ABGB durch die Einbringung der Räumungsklage (gegen die nunmehrigen Kläger, denen die Liegenschaft bereits übergeben worden war) berechtigt und übte das Rücktrittsrecht auch rechtswirksam aus.
4. Ist der Käufer einer Liegenschaft damit einverstanden, dass die den Kauf finanzierende Bank in Entsprechung des von ihr dem Treuhänder befristet erteilten Treuhandauftrags den Kaufpreis rücküberwiesen erhält, verstößt er damit gegen seine gegenüber dem Verkäufer eingegangene vertragliche Verpflichtung zum einseitig unwiderruflichen Erlag des Kaufpreises. Der selbst in Vertragswidrigkeiten verstrickte Vertragspartner kann sich auf die Unsicherheitseinrede nach § 1052 Satz 2 ABGB nicht berufen, sodass er in Verzug gerät (1 Ob 204/06s = wobl 2007/136, 346 [zustimmend Bollenberger]).
Aufgrund der Anweisung der Kläger infolge behaupteter Mängel, die zu Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüchen in Höhe von 132.511 EUR führen sollen, den Restkaufpreis bis zur Klärung der Mängelbehebung zurückzubehalten, hinterlegte ihn der Treuhänder in weiterer Folge gemäß § 1425 ABGB. Dadurch konnte er der im Kaufvertrag unwiderruflich festgelegten Auszahlungsanordnung, der die Weisung der Kläger widersprach, nicht nachkommen.
Die im Zusammenhang mit der Unsicherheitseinrede nach § 1052 Satz 2 ABGB weiters monierten sekundären Feststellungsmängel sind für die rechtliche Beurteilung nicht relevant.
5. Das Berufungsgericht hat vertretbar einen Naturalrestitutionsanspruch der Kläger gegenüber dem Zweitbeklagten, der nach dem berechtigten Rücktritt des Erstbeklagten vom Kaufvertrag die Liegenschaft von diesem kaufte und nunmehr Eigentümer ist, verneint.
Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2017:0010OB00066.17P.0426.000 |
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Fundstelle(n):
IAAAD-06212