Studienwechsel, teilweise Anrechnung von Vorstudienzeiten.
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Braunau Ried Schärding vom betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für den Zeitraum bis entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Der Sohn des Berufungswerbers, R, geboren am xx, begann im Wintersemester 2004/2005 das Studium der Internationalen Betriebswirtschaft, legte die erste Diplomprüfung im dritten Semester ab und wechselte nach drei weiteren Semestern im zweiten Studienabschnitt, mit dem Wintersemester 2007/2008, auf das Studium der Betriebswirtschaft. Die bisher im Studium der Internationalen Betriebswirtschaft abgelegten Prüfungen wurden mit Bescheid für das neue Studium anerkannt. Das Finanzamt forderte mit dem angefochtenen Bescheid die im ersten Semester nach dem Studienwechsel ausbezahlte Familienbeihilfe sowie den Kinderabsetzbetrag zurück, da auf die anerkannten Prüfungen insgesamt nur 121,5 ECTS-Punkte entfielen und dies einer Anrechnung von insgesamt fünf Semestern anstatt der bisher abgelegten sechs Semester entspreche, sodass von einem schädlichen Studienwechsel auszugehen war und die Familienbeihilfe für ein Semester auszusetzen war.
In der gegen den Rückforderungsbescheid eingebrachten Berufung wurde sinngemäß eingewendet: Der Sohn hätte im Zeitpunkt seines Studienwechsels den ersten Studienabschnitt längst abgeschlossen gehabt und es seien ihm von der Universität auch alle anderen Prüfungen vollständig anerkannt worden. Dass er zum Zeitpunkt des Wechsels noch nicht alle Prüfungen des sechsten Semesters abgeschlossen habe, resultiere daraus, dass die Terminvergabe für Prüfungen nach häufig nicht nachvollziehbaren Kriterien vorgenommen werde und es oft unmöglich sei, einen Termin überhaupt zu erhalten. Daher sei auch das Toleranzsemester nach dem ersten Studienabschnitt vorgesehen. Es sei kein Semesterverlust entstanden. Die Studienzeit betrage sowohl bei Internationaler Betriebswirtschaft als auch bei Betriebswirtschaft zehn Semester und der Sohn werde noch diesen Sommer fertig und könne im Herbst eine Arbeitsstelle antreten. Durch den Studienwechsel werde daher die Studienzeit zuzüglich zweier Toleranzsemester nicht überschritten und es könne daher auch kein schädlicher Studienwechsel vorliegen.
Im Zuge des weiteren Berufungsverfahrens stellte der Unabhängige Finanzsenat mit Vorhalt vom an den Berufungswerber die Anfrage, ob der Sohn tatsächlich, wie in der Berufung angeführt, im Sommer 2009 das Studium abgeschlossen habe, und wenn nicht, wann die zweite Diplomprüfung abgelegt werde. In Beantwortung dieses Vorhalts teilte der Berufungswerber mit, dass die zweite Diplomprüfung voraussichtlich im Oktober 2010 abgelegt werde.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 haben Personen Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 26. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl.Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. Wird ein Studienabschnitt in der vorgesehenen Studienzeit absolviert, kann einem weiteren Studienabschnitt ein Semester zugerechnet werden. Bei einem Studienwechsel gelten die in § 17 Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr 305, angeführten Regelungen auch für den Anspruch auf Familienbeihilfe.
In diesem Sinn sind folgende Regelungen des § 17 Studienförderungsgesetz 1992 (in der Fassung BGBl. I Nr. 76/2000) für den gegenständlichen Fall von Bedeutung:
§ 17 (1) Ein günstiger Studienerfolg liegt nicht vor, wenn der Studierende 1. das Studium öfter als zweimal gewechselt hat oder 2. das Studium nach dem jeweils dritten inskribierten Semester (nach dem zweiten Ausbildungsjahr) gewechselt hat oder 3. nach einem Studienwechsel aus dem vorhergehenden Studium keinen günstigen Studienerfolg nachgewiesen hat, bis zum Nachweis eines günstigen Studienerfolges aus dem neuen Studium.
(2) Nicht als Studienwechsel im Sinne des Abs. 1 gelten: 1. Studienwechsel, bei welchem die gesamten Vorstudienzeiten für die Anspruchsdauer des nunmehr betriebenen Studiums berücksichtigt werden, weil sie dem nunmehr betriebenen Studium auf Grund der besuchten Lehrveranstaltungen und absolvierten Prüfungen nach Inhalt und Umfang der Anforderungen gleichwertig sind, .......................................
(4) Ein Studienwechsel im Sinne des Abs. 1 Z 2 ist nicht mehr zu beachten, wenn der Studierende in dem nunmehr gewählten Studium so viele Semester wie in den vor dem Studienwechsel betriebenen Studien zurückgelegt hat.
Nach diesem mit Wirksamkeit vom eingeführten Absatz 4 ist es möglich, die Familienbeihilfe auch dann wieder zu erhalten, wenn ein Studium nach dem dritten Semester gewechselt wird. Allerdings ruht die Auszahlung der Familienbeihilfe nach dem Studienwechsel in dem Ausmaß der bislang absolvierten gesamten Studiendauer. Dies bedeutet, dass alle Semester aus den vorherigen Studien, in denen der Studierende zur Fortsetzung gemeldet gewesen ist und für die das volle Semester die Familienbeihilfe bezogen wurde, in Bezug auf die Wartezeiten bis zur Wiedergewährung der Familienbeihilfe für das neue Studium heranzuziehen sind.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt ein Studienwechsel dann vor, wenn der Studierende das von ihm begonnene und bisher betriebene, aber noch nicht abgeschlossene Studium nicht mehr fortsetzt und an dessen Stelle ein anderes unter den Geltungsbereich des Studienförderungsgesetzes fallendes Studium beginnt (z.B. ). Dieser Sachverhalt ist im gegenständlichen Fall unbestrittenermaßen gegeben. Der Berufungswerber vermeint jedoch, dass dieser Studienwechsel nicht schädlich sei, da alle vor dem Studienwechsel abgelegten Prüfungen für das neue Studium anerkannt wurden.
Für die Feststellung, ob entsprechend der oben zitierten gesetzlichen Regelung des § 17 Abs. 2 Z 1 StdFG 1992 "die gesamten Vorstudienzeiten" berücksichtigt wurden, ist nicht allein ausreichend, dass sämtliche bislang abgelegte Prüfungen für das neue Studium anerkannt wurden, es ist vielmehr erforderlich, dass die abgelegten Prüfungen auch mit dem bisherigen Zeitaufwand für das Vorstudium in Einklang stehen, damit im Ergebnis von einer Anerkennung der gesamten Vorstudienzeiten die Rede sein kann.
Wird der Studienerfolg in ECTS-Punkten bemessen, gilt Folgendes: Nach § 51 Abs. 2 Z 26 Universitätsgesetz 2002 werden dem Arbeitspensum eines Studienjahres 60 ECTS-Anrechnungspunkte zugeteilt. Anknüpfend an diese gesetzliche Regelung setzt die Verwaltungspraxis Vorstudienleistungen im Ausmaß von 1 bis 30 ECTS-Punkten einer Vorstudienzeit von einem Semester gleich, Vorstudienleistungen von 31 bis 60 ECTS-Punkten einer Vorstudienzeit von zwei Semestern etc. Diese Vorgangsweise ist nach Ansicht des Unabhängigen Finanzsenates gerechtfertigt.
Laut vorliegendem Erfolgsnachweis der Universität wurden aus dem Vorstudium Prüfungen im Ausmaß von insgesamt 121,5 ECTS-Punkten angerechnet, was im Sinn des zuvor Gesagten einer anerkannten Vorstudienzeit von fünf Semestern entspricht. Da der Studienwechsel nach sechs Semestern erfolgte, liegt keine Berücksichtigung der gesamten Vorstudienzeiten vor. Richtig ist, dass die erste Diplomprüfung innerhalb der Toleranzfrist abgelegt und auch angerechnet wurde. Eine andere Beurteilung ergibt sich jedoch auch dann nicht, wenn der zweite Studienabschnitt gesondert betrachtet wird. Die nach der ersten Diplomprüfung abgelegten und für das neue Studium angerechneten Prüfungen weisen ein Ausmaß von 57,75 ECTS-Punkten auf, was einer Berücksichtigung von Vorstudienzeiten von zwei Semestern entspricht - der Studienwechsel erfolgte nach drei Semestern des zweiten Abschnittes. Der Studienwechsel bleibt damit beihilfenschädlich.
Für den Fall teilweiser Einrechnung von Vorstudienzeiten in die neue Studienrichtung führen Wittmann/Papacek im Kommentar zum Familienlastenausgleich, § 2, aus: Werden nicht die gesamten Vorstudienzeiten eingerechnet, bleibt der zu spät erfolgte Studienwechsel beihilfenschädlich. Es wird jedoch in analoger Anwendung zur Vorgangsweise der Studienbeihilfenbehörde die Wartezeit im Falle der teilweisen Berücksichtigung der Vorstudienzeiten um die Anzahl der Vorstudienzeiten verkürzt. Damit bestand für die Dauer eines Semesters nach dem Studienwechsel kein Anspruch auf Familienbeihilfe, sodass die Rückforderung für diesen Zeitraum gerechtfertigt war.
Abschließend wird bemerkt, dass sich der in der Berufung vorgebrachte Einwand, es sei durch den Studienwechsel die Studienzeit nicht überschritten worden, als nicht richtig erwiesen hat, da die zweite Diplomprüfung bislang noch nicht abgelegt wurde, die höchstzulässige Studiendauer des ursprünglichen Studiums jedoch bereits mit Ende des Sommersemesters 2009 abgelaufen gewesen wäre.
Gemäß § 33 Abs. 4 Z 3 lit.a EStG 1988 steht einem Steuerpflichtigen, dem auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag für jedes Kind zu. Mangels Anspruchs auf Familienbeihilfe für den streitgegenständlichen Zeitraum war auch der Kinderabsetzbetrag zurückzufordern.
Aus den angeführten Gründen war wie im Spruch zu entscheiden.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | |
betroffene Normen | § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 17 Abs. 1 StudFG, Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 305/1992 § 17 Abs. 2 Z 1 StudFG, Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 305/1992 |
Schlagworte | Studienwechsel Vorstudienzeiten |
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