Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 03.04.2012, RV/0777-W/12

In realisierten Nachlassaktiva nicht gedeckte Begräbniskosten außergewöhnliche Belastung

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/0777-W/12-RS1
Hier: Begräbniskosten fanden in den realisierten Nachlassaktiva keine Deckung.
RV/0777-W/12-RS2
Hier: Soweit die Nachlassaktiva zur Bestreitung der bevorrechteten Forderung zur Verfügung stehen, also nicht pfandrechtlich besichert sind.
RV/0777-W/12-RS3
Hier: Pfandrechtlich besicherte Nachlassaktiva stehen, soweit der Verwertungserlös die besicherten Forderung nicht übersteigt, für die bevorrechtete Begräbniskostenforderung nicht zur Verfügung.
Folgerechtssätze
RV/0777-W/12-RS1
wie RV/0366-G/02-RS1
Begräbniskosten bzw. Kosten für eine Grabstätte können grundsätzlich bei Vorliegen aller Voraussetzungen als außergewöhnliche Belastung gemäß § 34 EStG 1988 geltend gemacht werden. Diese Kosten gehören gemäß § 549 ABGB zu den bevorrechteten Verbindlichkeiten des Nachlasses und sind in erster Linie - bevorzugt - aus dem vorhandenen (verwertbaren) zu Verkehrswerten angesetzten Nachlassvermögen zu bestreiten.
RV/0777-W/12-RS2
wie RV/2469-W/07-RS3
Aufwendungen für eine einfache Bestattung führen nur insoweit zu einer außergewöhnlichen Belastung, als diese die übernommenen Nachlassaktiva übersteigen. Hierbei ist von dem um die entrichteten Gerichtsgebühren gekürzten Nachlassaktiva auszugehen.
RV/0777-W/12-RS3
wie RV/0111-S/04-RS1
Nachlassvermögen ist die Gesamtheit der in Geld schätzbaren Güter eines Menschen. Ausschlaggebend ist das wirtschaftliche Gebrauchsvermögen. Nur dieses erlaubt eine verlässliche Beurteilung darüber, ob die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Steuerpflichtigen wesentlich beeinträchtigt wird. Liegen daher rechtliche Verfügungsbeschränkungen (zB Belastungs- und Veräußerungsverbot) in Bezug auf einen vorhandenen Nachlass vor, die eine Verwertung des vorhandenen Nachlasses nicht gestatten, haben die Begräbniskosten im Nachlassvermögen insoweit keine Deckung gefunden.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw, vertreten durch Dr. Gerhard Kohler Steuerberatungsgesellschaft mbH, Wirtschaftstreuhänder, 1050 Wien, Schönbrunnerstraße 53, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Neunkirchen Wr. Neustadt, vertreten durch Fachvorstand Hofrat Dr. Gerhard Weinmann, vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2010 entschieden:

Der Berufung wird Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Abgabe betragen sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.

Entscheidungsgründe

Die Berufungswerberin (Bw) beantragte in ihrer elektronisch eingereichten Einkommensteuererklärung für das Jahr 2010 unter anderem die Berücksichtigung eines Betrages von 4.520,00 € an Begräbniskosten als außergewöhnliche Belastung.

Mit Vorhalt vom ersuchte das Finanzamt Neunkirchen Wr. Neustadt die Bw um Vorlage der Belege für die beantragten Begräbniskosten einschließlich einer übersichtlichen Aufstellung sowie einer Kopie des Beschlusses des Bezirksgerichts über das Ergebnis der Verlassenschaftsabhandlung.

Da dieser Vorhalt unbeantwortet blieb, erließ das Finanzamt Neunkirchen Wr. Neustadt mit Datum einen Einkommensteuerbescheid (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2010, der keine außergewöhnliche Belastung berücksichtigte, und verwies begründend darauf, dass die erbetenen Unterlagen nicht vorgelegt worden seien.

Mit Schreiben vom erhob die Bw unter anderem Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 2011 und führte diesbezüglich aus:

"Auf Grund des hohen Rückstandes am Finanzamt des verstorbenen Gerhard K und den laufenden Exekutionen durch die Einbringungstelle etc wäre das Finanzamt an sich darüber informiert gewesen, dass die Verlassenschaft völlig überschuldet war.

Gegen den Einkommensteuerbescheid 2010 vom , zugestellt am wird das Rechtsmittel der Berufung eingebracht und der Antrag auf Berücksichtigung der geltend gemachten außergewöhnlichen Belastung gestellt. Die angeforderten Unterlagen, die erst heute bei uns eingelangt sind (weil der Vorhalt bei der Witwe leider nur Emotionen geweckt hat und daher nicht sofort beantwortet wurde) werden beigelegt..."

Beigeschlossen waren die an die Bw adressierte und saldierte Rechnung einer Steinmetzmeisterin vom sowie ein Beschluss des Bezirksgerichtes Wiener Neustadt vom , 23A 9xx/09t.

Die Rechnung vom über 4.520,00 € brutto betrifft folgende Leistungen:

"Herstellen eines Betonfundamentes, eisenarmiert.

Grabanlage aus indischem IMPALA Granit bestehend aus:

Einfassung 110x280 cm, Querschnitt 12x15 cm, oben, vorne und seitlich poliert (Hinterstück unter Sockel aus Beton).

2 schräge Trennstreifen 8 cm breit, oben poliert.

Riesellage hellgrau auf Folie.

Sockel105x30x20 cm, oben, vorne und seitlich poliert.

Grabstein 80x10x90 cm, Form It. Skizze, oben, vorne und seitlich poliert.

Inschrift keilförmig vertieft graviert und mit Kunstharzlack gefärbt.

Porzellanbild, oval, color, 6x8 cm.

Bronzerose Nr. 862.1.

Bronzelaterne Nr. 125, Bronzevase Nr. 418.

Lieferung und fachgerechte Montage."

Der Beschluss des Bezirksgerichtes Wiener Neustadt vom lautet auszugsweise:

"VERLASSENSCHAFTSSACHE

Verstorbener: Gerhard K, zuletzt wohnhaft gewesen in: ..., geboren am XX.09.1961, verstorben am XY.09.2009.

BESCHLUSS

I. Die Verlassenschaft nach Gerhard K, geb. XX.09.1961, bestehend aus

Aktiva von insgesamt € 362.711,20

und Passiva von insgesamt € 580.039,43

ist mit dem Betrag von € 217.328,23

überschuldet.

II. An Gebühren werden bestimmt:

...

III. Der realisierte Nachlass in Höhe von € 13.294,54 m.o.w. wird gemäß §§ 46 , 47 KO (§ 154 (2) Z l AußStrG ) verteilt wie folgt:

1) Die Verfahrenskosten:

a) die Gebühr des Gerichtskommissärs Mag. Herbert T, öffentl. Notar, von € 5.995,80

b) die Gebühr des Sachverständigen Peter H von € 166,00

c) die Gebühr des Sachverständigen Alois E von € 260,00

d) die Gebühr des Sachverständigen Gerhard R von € 1.250,40

gelangen voll zum Zug,

e) die Entschädigung des Verlassenschaftskurators Mag. Peter B, Notariatskandidat, von € 10.000,00 kommt nur mehr mit dem verbleibenden Restbetrag von € 5.622,34 m.o.w. zum Zug, womit der gesamte Nachlass erschöpft ist.

2) Die bevorrechtete Forderung:

a) die Forderung der Witwe Waltraud K, ... , für von ihr bezahlte Bestattungskosten von € 7.726,80

kommt nicht mehr zum Zug.

3) Die nicht bevorrechteten Forderungen [insges. € 260.924,09 plus Verkaufserlös Liegenschaften ]:

a) ...

d) die Forderung der A-Bank, ..., lautend auf Gerhard K in der Höhe von nunmehr € 184.514,58 m.o.w. (Forderung eingeschränkt durch Erhalt der Kaufpreise aus dem Verkauf der beiden Liegenschaften des Verstorbenen in M) ...

i) ...

kommen nicht mehr zum Zug.

4) Die Massekosten [insges. € 2.828,78]:

a) ... c) ...

kommen nicht mehr zum Zug.

IV. Der Gerichtskommissär Mag. Herbert T , öffentl. Notar, wird ersucht und angewiesen, aus den bei ihm erliegenden Realisaten von € 13.294,54 m.o.w. den Nachlass im Sinne des vorigen Beschlusspunktes kridamäßig zu verteilen.

V. Mit Rechtskraft dieses Beschlusses wird der Veriassenschaftskurator Mag. Peter B seines Amtes enthoben."

Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Finanzamt Neunkirchen Wr. Neustadt die Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 2010 als unbegründet ab:

"Begräbniskosten stellen nur insoweit eine außergewöhnliche Belastung dar, als sie nicht auf dem Nachlass bestritten werden können. Ihre Aufwendungen waren daher nicht zu berücksichtigen.

Sobald die Begräbniskosten in den Nachlassaktiva Deckung finden, liegt gemäß § 34 EStG keine außergewöhnliche Belastung vor. Auch dann nicht, wenn insgesamt eine Überschuldung des Nachlasses vorliegt."

Im Vorlageantrag vom führt die steuerliche Vertretung unter anderem aus:

"Gegen die abweisende Berufungsvorentscheidung Einkommensteuer 2010 vom , zugestellt am wird innerhalb offener Frist ein Vorlageantrag eingebracht und der Antrag auf Berücksichtigung der geltend gemachten außergewöhnlichen Belastung aufrecht erhalten.

Hätte das Finanzamt den vorgelegten Beschluss des BG Wiener Neustadt bis zum Ende gelesen, dann hätte es leicht feststellen können, dass die bevorrechtetet Forderung der Witwe für die von ihr bezahlten Bestattungskosten nicht zum Zuge gekommen ist. Denn das Vermögen von Herrn Gerhard K bestand nur in der Liegenschaft im G sowie einem Anteil am Privathaus. Diese beiden Vermögenswerte waren hypothekarisch so überschuldet, dass die Witwe daraus keine Vermögenswerte erhalten konnte, um die Bestattungskosten zu bezahlen. Beide Objekte wurden von der Bank verwertet, ohne das daraus ein Überhang der Witwe ausgehändigt werden konnte. Damit ist die Begründung der abweisenden BVE für den konkreten Fall völlig falsch, weil eben keine verwertbaren Aktiva vorhanden waren...."

Mit am eingelangtem Bericht legte das Finanzamt Neunkirchen Wr. Neustadt die Berufung dem Unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vor und verwies nochmals darauf, dass die Begräbniskosten vorrangig aus dem vorhandenen Nachlassvermögen (Verlassenschaftsaktiva) zu bestreiten seien, weswegen eine außergewöhnliche Belastung nicht in Betracht komme.

Mit (wirksamer, siehe -Z3K/07) Eingabe vom wurde der Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Berufungsverhandlung zurückgenommen.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2 EStG 1988) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18 EStG 1988) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss außergewöhnlich sein, zwangsläufig erwachsen und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen.

Unstrittig ist, dass Begräbniskosten, soweit sie nicht aus dem Nachlass gedeckt werden können und auch nicht als Gegenleistung für die Übertragung von Sachen übernommen werden, im Ausmaß der Kosten eines einfach gestalteten Begräbnisses sowie Grabmals eine außergewöhnliche Belastung darstellen (vgl. Wanke in Wiesner/Grabner/Wanke, MSA EStG 12. EL § 34 Anm. 78 "Begräbniskosten").

Aus Eigenmitteln getragene außergewöhnliche Belastungen sind für das Kalenderjahr abzusetzen, in dem sie geleistet worden sind (Abflussprinzip, § 19 Abs 2 EStG 1988).

Die im Jahr 2010 von der Bw bezahlte Rechnung der Steinmetzmeisterin für die Gestaltung der Grabstätte ist daher als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, wenn die Bw damit auch endgültig belastet wurde.

Das Finanzamt verweist zutreffend darauf, dass nur jene Begräbniskosten abzugsfähig sind, die in den Nachlassaktiva nicht gedeckt sind, da gemäß § 549 ABGB die Begräbniskosten zu den bevorrechteten Nachlassverbindlichkeiten gehören.

Dass der Reinnachlass überschuldet ist, genügt nicht; die Begräbniskosten müssen die Summe der - nach den zuvor nach § 47 IO abzuziehenden Verfahrenskosten (Gerichtskosten, Notarkosten, Schätzkosten, . . .) und der Befriedigung allfälliger Arbeitnehmeransprüche verbleibenden - Nachlassaktiva übersteigen (vgl. Wanke in Wiesner/Grabner/Wanke, MSA EStG 12. EL § 34 Anm. 78 "Begräbniskosten"). Mit Pfandrechten belastetes Vermögen steht der allgemeinen Masse nur insoweit zur Verfügung, als die aus der Veräußerung erzielten Erlöse nicht den Pfand(Absonderungs)gläubigern zuzukommen haben (vgl. Wanke in Wiesner/Grabner/Wanke, MSA EStG 12. EL § 34 Anm. 78 "Begräbniskosten", unter Hinweis auf ).

Nun sind im gegenständlichen Fall bereits die Verfahrenskosten höher als der realisierte Nachlass von 13.294,54 €.

Wenn auch Verlassenschaftsaktiva von 362.711,20 € ausgewiesen sind, konnten diese nur im Umfang von 13.294,54 € verwertet werden, da offenkundig pfandrechtliche Besicherungen der Verwertung der übrigen Aktiva entgegenstanden (siehe Punkt III. 3. d des Gerichtsbeschlusses).

Kommt im Fall der kridamäßigen Verteilung des Nachlasses die bevorrechtete Bestattungskostenforderung nicht mehr zum Zug, da bereits die Verfahrenskosten den realisierten Nachlass übersteigen, stellen die Bestattungskosten auch dann eine außergewöhnliche Belastung dar, wenn die (mit Pfandrechten belasteten und von den Pfandgläubigern verwerteten) Aktiva buchmäßig weit höher als Verfahrenskosten und Bestattungskosten sind.

Gegen die Höhe der Aufwendungen hat das Finanzamt nichts vorgebracht. Der Berufungsbehörde erscheinen Gesamtbestattungskosten von 7.726,80 € (laut Gerichtsbeschluss) nicht unangemessen hoch.

Der Berufung ist daher Folge zu geben und der im Jahr 2010 geleistete Teilbetrag der Bestattungskosten von 4.520,00 € als außergewöhnliche Belastung nach Abzug des Selbstbehalts von 1.835, 36 € zu berücksichtigen.

Beilage: 1 Berechnungsblatt

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 46 KO, Konkursordnung, RGBl. Nr. 337/1914
§ 47 KO, Konkursordnung, RGBl. Nr. 337/1914
§ 34 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 19 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 549 ABGB, Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch, JGS Nr. 946/1811
§ 47 IO, Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914
Verweise
Wanke in Wiesner/Grabner/Wanke, MSA EStG 12. EL § 34 Anm. 78 „Begräbniskosten“
UFS, RV/0884-W/08

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at