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OGH vom 25.09.2019, 1Ob64/19x

OGH vom 25.09.2019, 1Ob64/19x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei M***** H*****, vertreten durch Dr. Catharina Grau, LL.M., Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte und gefährdende Partei R***** H*****, vertreten durch Mag. Doris Perl, Dr. Gerald Perl, Rechtsanwälte in Gänserndorf, wegen einstweiligen Unterhalts (§ 382 Abs 1 Z 8 lit a EO), über den Revisionsrekurs der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 43 R 51/19x-17, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Donaustadt vom , GZ 3 C 37/18w-12, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die gefährdende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Streitteile gingen am die Ehe ein. Vor dem Erstgericht ist das Scheidungsverfahren anhängig, in dem die Klägerin die Erlassung einer einstweiligen Verfügung begehrte, mit der dem Beklagten – soweit in diesem Verfahrensstadium noch von Relevanz (siehe dazu die Entscheidung zu 1 Ob 64/19d vom ) – aufgetragen werden möge, (1.) einstweiligen Unterhalt von monatlich 110 EUR und (2.) einen Prozesskostenvorschuss von 1.000 EUR zu leisten.

Das Rekursgericht bestätigte die (auch) diese Begehren der Klägerin abweisende Entscheidung des Erstgerichts und erklärte den Revisionsrekurs über einen Abänderungsantrag nach § 528 Abs 2a iVm § 508 ZPO (iVm § 78, 402 EO) nachträglich für zulässig, weil ihm „im Rahmen der umfangreichen Rechtsmittelargumentation inhaltlich eine unvertretbare Rechtsauffassung zur Last gelegt“ werde, sodass „das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage zu bejahen“ sei.

Der Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (und nicht ausreichend begründeten) Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig:

Rechtliche Beurteilung

1.1

Der Anfechtungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens ist nur dann gegeben, wenn ein Verstoß gegen ein Verfahrensgesetz vorliegt, der (abstrakt) geeignet war, eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Streitsache zu hindern (RIS-Justiz RS0043049; RS0043027).

Der Rechtsmittelwerber hat diese Eignung darzutun, wenn die Erheblichkeit des Mangels nicht offenkundig ist (RS0043049 [T6]; RS0043027 [T10]).

1.2 Die Ausführungen der Revisionsrekurswerberin zu diesem Anfechtungsgrund erschöpfen sich darin, dass sie die rechtliche Beurteilung des Rekursgerichts in wesentlichen Punkten als „Leerformel“ abtut. Soweit mit diesem Vorwurf nicht ohnedies ausschließlich Rechtsfragen angesprochen sind, führt sie mit ihren darauf abzielenden Behauptungen nicht nachvollziehbar aus, welche für sie günstigen Verfahrensergebnisse (insbesondere welche Feststellungen) bei welchem prozessrechtlich korrekten Vorgehen zu erwarten gewesen wären (vgl RS0043039 [T4, T 5]). Keinesfalls ist die Entscheidung des Rekursgerichts gar nicht oder so unzureichend begründet, dass sie sich nicht überprüfen ließe (vgl dazu RS0007484).

2.1

Voraussetzung für die Bewilligung einer einstweiligen Verfügung nach § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO ist die Verletzung der Unterhaltspflicht im Antragszeitpunkt oder doch zumindest bis zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Sicherungsantrag (RS0114824). Die gefährdete Partei hat daher (hier relevant) den Unterhaltsanspruch zu bescheinigen. Dementsprechend hat sie die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners bzw die Unterhaltsgrundlagen des § 94 Abs 2 ABGB bei aufrechter Ehe darzutun. Die materiell-rechtlichen Grundlagen des Unterhaltsanspruchs sind dabei im Haupt- und im Provisorialverfahren gleich (RS0127789 [T5]); er

ist nicht starr mathematisch zu berechnen, sondern zu bemessen. Letztlich hängt die Frage des gebührenden Unterhalts aber stets von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab (vgl RS0057284 [T11]).

2.2 Das als Unterhaltsbemessungsgrundlage bescheinigt angenommene Einkommen des Beklagten lässt sich anhand der im Akt erliegenden maßgeblichen Beurteilungsgrundlagen – auch für die Klägerin – ausreichend deutlich nachvollziehen, sodass keineswegs unklar blieb, von welchen Bescheinigungsergebnissen die Vorinstanzen ausgingen. Damit geht sowohl der Einwand einer insoweit unzureichenden Begründung als auch der Vorwurf, es seien im relevanten Durchrechnungszeitraum Abzüge für Gehaltsvorschüsse, die dem Beklagten gewährt worden seien, unberücksichtigt geblieben, ins Leere. Diese wurden von den Vorinstanzen in die Bemessungsgrundlage eingerechnet und sind damit für die Frage des Unterhalts neutral (dazu 3 Ob 69/14i). Eine Erhöhung des Einkommens wegen einer Einkommenssteuerrückzahlung hat die für die Unterhaltsgrundlagen beweispflichtige Klägerin im Verfahren erster Instanz nicht behauptet. Daher rügt sie auch den Umstand, dass das Rekursgericht in ihren diesbezüglichen Behauptungen einen Verstoß gegen das Neuerungsverbot erkannte, zu Recht nicht als Mangel des Rekursverfahrens.

2.3.1 Zu dem als Unterhaltsbemessungsgrundlage dienenden Einkommen zählen alle tatsächlich erzielten Einnahmen des Unterhaltspflichtigen in Geld oder geldwerten Leistungen, über die er verfügen kann; ausgenommen sind solche Einnahmen, die der Abgeltung von effektiven Auslagen dienen (RS0107262 [T1]).

2.3.2 Montagezulagen werden nach der Rechtsprechung zur Hälfte in die Unterhalts-bemessungsgrundlage einbezogen, sofern der Unterhaltspflichtige nicht nachweist, dass er mehr als die Hälfte zur Abdeckung seines berufsbedingten Mehraufwands bedarf (RS0107262 [T2]). Einen gänzlichen Entfall dieses Entgeltbestandteils aus der Unterhaltsbemessungsgrundlage hat der Beklagte nie angestrebt, sodass der Einwand der Klägerin, das Rekursgericht habe die Beweislast verkannt, fehlgeht. Dafür dass der ihm ausbezahlten Montagezulage überhaupt keine Aufwendungen gegenüberstehen, die der Beklagte wegen seiner beruflichen Tätigkeit zu tragen hätte, fehlt jeglicher Anhaltspunkt.

2.3.3 Für die Frage der Berücksichtigung der Überlassung eines Firmenkraftfahrzeugs bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage (vgl dazu RS0109238), ist entscheidend, ob und inwieweit der vom Dienstgeber überlassene Kraftwagen für private Zwecke verwendet wird (vgl Gitschthaler, Unterhaltsrecht4 Rz 193 ff mwN). Im Regelfall ist dabei auf den vom Dienstgeber verrechneten Wert eines solchen Sachbezugs abzustellen (vgl 7 Ob 179/11s mwN). Bescheinigt ist im vorliegenden Fall lediglich, dass der Beklagte das von seinem Dienstgeber zur Verfügung gestellte Fahrzeug nur beruflich verwenden darf. Dass davon auch Fahrten von seinem Wohnort zu Baustellen (als dem tatsächlichen Ort seiner Arbeitsverrichtung) erfasst sind, bescheinigt eine private Nutzung des Fahrzeugs entgegen der Auffassung der Klägerin noch nicht, weil im Einzelfall auch die Zeit, die ein Arbeitnehmer vom

Wohnort zum ersten Kunden bzw vom letzten Kunden zum

Wohnort fährt, als Arbeitszeit iSd § 2 Abs 1 Z 1 AZG anzusehen sein kann (9 ObA 8/18v) und damit bereits der Dienstverrichtung – und nicht dem Privatbereich – zuzuordnen ist. Auch fehlen Anhaltspunkte, dass dem Beklagten von seinem Dienstgeber ein Wert des Sachbezugs als Einkommensbestandteil verrechnet wird, sodass es keine Fehlbeurteilung im Einzelfall und damit keine erhebliche Rechtsfrage begründet, wenn die Vorinstanzen bei der bescheinigten Sachlage nicht einen bestimmten Prozentsatz (je nach dem CO2-Ausstoß 2 % oder 1,5 % vom Anschaffungswert, maximal jedoch 960 EUR) von den tatsächlichen Anschaffungskosten monatlich der Bemessungsgrundlage zugeschlagen haben, wie die Klägerin wünscht. Auf welcher Rechtsgrundlage dem Einkommen des Beklagten unter Zugrundelegung des amtlichen Kilometergeldes ein Betrag von 33,60 EUR pro Arbeitstag hinzuzurechnen wäre, vermag die Klägerin ohnehin nicht darzulegen.

2.4 Der Oberste Gerichtshof ist auch im Provisorialverfahren nur Rechtsinstanz und hat von dem Sachverhalt auszugehen, den das Rekursgericht als bescheinigt angesehen hat (RS0002192). Danach ist die (nicht gemeinsame) Tochter des Beklagten entgegen den Behauptungen der Revisionsrekurswerberin jedenfalls noch nicht selbsterhaltungsfähig. Es begründet daher auch keine im Einzelfall zu korrigierende Fehlbeurteilung des Rekursgerichts, wenn es diese Sorgepflicht des Beklagten, weil Anhaltspunkte für das genaue Einkommen der Tochter als Lehrling fehlten, bei der Prüfung, ob der Klägerin (weiterer) Unterhalt gebührt, (lediglich) mit der Hälfte des sonst für jede zusätzliche Sorgepflicht üblichen Abzugs veranschlagte.

2.5 Hat der Unterhaltsberechtigte nicht für die Wohnkosten aufzukommen, ist die sich wirtschaftlich ergebende Wohnkostenersparnis angemessen zu berücksichtigen und – bei Tragung durch den Unterhaltspflichtigen – als Naturalunterhalt in einem Umfang anzurechnen, der dem persönlichen Bedarf des Unterhaltsberechtigten entspricht (RS0047254 [T1]). Bescheinigt ist, dass die Klägerin mit den beiden gemeinsamen Kindern in der Wohnung verblieben ist und der Beklagte die Wohnkosten zur Gänze trägt. Davon abweichende Behauptungen der Klägerin im Revisionsrekurs widersprechen dem Neuerungsverbot. Die Ansicht der Vorinstanzen, dass die vom Beklagten getragenen Mietzinszahlungen zu einem Viertel – hier mit rund 130 EUR monatlich – als Naturalleistung auf den Geldunterhaltsanspruch anzurechnen sind, steht in Einklang mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (dazu RS0114742). Demgegenüber verfügt die Klägerin über ein Nettoeinkommen von rund 900 EUR monatlich. Ihre Auffassung, es sei lediglich ihr (in Geld zu bemessender) Unterhaltsanspruch um ein Viertel zu kürzen, entbehrt jeder Grundlage.

2.6 Das Rekursgericht hat den dem Beklagten als Weggeld (im Durchschnitt rund 200 EUR brutto monatlich) ausbezahlten Entgeltbestandteil – unter Hinweis auf einschlägige Judikatur und in einer typisierenden Beurteilung – (nur) zur Hälfte in die Unterhalts-bemessungsgrundlage eingerechnet. Ob es sich bei diesem Entgeltbestandteil ausschließlich um die Vergütung von Zeitaufwand handelt, wie die Klägerin unter Bezugnahme auf das dem Beklagten von seinem Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Fahrzeug meint, der damit zur Gänze zu berücksichtigen wäre, kann hier dahinstehen. Bereits das Erstgericht hat zutreffend darauf verwiesen, dass auch ein bei gänzlicher Einbeziehung dieses Entgeltteils in die Bemessungsgrundlage rechnerisch zugunsten der Klägerin resultierender Unterhaltsbetrag in der ihr zukommenden Naturalleistung, die sie sich auf einen Geldunterhaltsanspruch anrechnen lassen muss, Deckung findet. Damit ist es auch nicht mehr von Relevanz, dass dieser Entgeltbestandteil am Lohnzettel des Beklagten mit der Bezeichnung „Wegzeit“ ausgewiesen ist.

3. Nach der Rechtsprechung steht ein Prozesskostenvorschuss zu, wenn die Prozessführung einen besonderen Unterhaltsbedarf ergibt, den der Unterhaltsberechtigte aus den laufenden Unterhaltsbeiträgen nicht decken kann, und die Leistung eines solchen Vorschusses dem Unterhaltspflichtigen zumutbar ist (vgl RS0013486). Eine im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung in der Abwägung der beiderseitigen Interessen (dazu 3 Ob 152/16y) liegt nicht vor. Das Rekursgericht hat nachvollziehbar dargelegt, aufgrund welcher Erwägungen es zur Ansicht gelangte, dass dem Beklagten die Leistung eines solchen Vorschusses nicht zumutbar sei. Demgegenüber lassen die Berechnungen der Klägerin unberücksichtigt, dass der Beklagte nicht nur den Mietzins der bisherigen Ehewohnung, sondern nach dem bescheinigten Sachverhalt auch die weiteren mit der Nutzung dieser Wohnung im Zusammenhang stehenden Kosten trägt und auch für seine eigene Wohnversorgung aufzukommen hat.

4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§§ 528a, 510 Abs 3 ZPO iVm § 78, 402 EO).

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 393 Abs 1 EO iVm § 41, 52 Abs 1 ZPO. Die Rechtsmittelbeantwortung des Beklagten diente mangels eines Hinweises auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses nicht der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2019:0010OB00064.19X.0925.000

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Fundstelle(n):
ZAAAD-05979