OGH vom 26.04.2017, 1Ob64/17v
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. HoferZeniRennhofer als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj E***** S*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters H***** J*****, vertreten durch Dr. Johann Etienne Korab, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 43 R 91/17a216, mit dem der Rekurs des Vaters gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Josefstadt vom , GZ 2 Ps 184/13g185, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Dem Rekursgericht wird die meritorische Behandlung des Rekurses aufgetragen.
Text
Begründung:
Das Erstgericht wies den Antrag des Vaters, über die Mutter wegen wiederholter Vereitelung der (gerichtlich festgelegten) Kontakte eine Geldstrafe zu verhängen, ab.
Den dagegen vom Vater erhobenen – und von der Mutter beantworteten – Rekurs wies das Rekursgericht zurück; der ordentlichen Revisionsrekurs erklärte es für nicht zulässig. Die Durchsetzung von prozessualen Verfügungen habe von Amts wegen zu erfolgen und sei nicht von einem entsprechenden Parteiantrag abhängig. Wer eine Tätigkeit des Gerichts offensichtlich nur anrege, sei gemäß § 2 Abs 2 AußStrG nicht Partei. Trotz ihrer Bezeichnung als Antrag begründeten Anregungen eines Verfahrensbeteiligten auf Verhängung einer Beugestrafe keinen Rechtsanspruch auf eine stattgebende Entscheidung. Mangels Parteistellung sei der Rekurs des Vaters daher zurückzuweisen. Der Revisionsrekurs sei nicht zulässig, weil Rechtsfragen der in § 62 Abs 1 AußStrG genannten „Qualifikation“ nicht zu beantworten gewesen seien, sondern vielmehr die Beurteilung des konkreten Sachverhalts im Vordergrund gestanden sei.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen erhobene außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters ist zulässig und berechtigt.
Zutreffend verweist der Revisionsrekurswerber darauf, dass § 110 Abs 2 AußStrG für die Durchsetzung von Regelungen der Obsorge oder des Rechts auf persönliche Kontakte die Anordnung angemessener Zwangsmittel nach § 79 Abs 2 AußStrG ausdrücklich auch auf Antrag vorsieht. Dies entspricht der Judikatur zum früheren AußStrG, in der etwa ausgesprochen wurde, der berechtigte Elternteil erwerbe ein Recht auf Anwendung der Zwangsmittel und sei zur Erhebung von Rechtsmitteln in diesem Verfahren legitimiert (vgl nur 7 Ob 186/02g mwN; Beck in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG,§ 110 Rz 4). Ein Antragsrecht des Vaters – das auch seine Parteistellung iSd § 2 Abs 1 Z 1 AußStrG und damit seine Rechtsmittellegitimation im betreffenden Verfahren nach sich zieht – ergibt sich als notwendige Konsequenz bereits aus § 187 Abs 1 Satz 3 ABGB. Wenn damit einem Elternteil das Recht eingeräumt wird, eine gerichtliche Regelung des Kontakts zum Kind zu beantragen, wäre es inkonsequent, dem Vater ein Antragsrecht auf Anordnung von Maßnahmen, die der Realisierung dieses Kontaktrechts dienen sollen, zu verwehren.
Da das Rekursgericht die Spezialvorschrift des § 110 Abs 2 Satz 2 AußStrG für das Verfahren zur Durchsetzung des Rechts auf persönlichen Kontakt missachtet und sich lediglich mit den allgemeinen Bestimmungen des AußStrG beschäftigt hat, ist es von einer klaren Gesetzeslage abgewichen, weshalb die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG erfüllt sind.
Da das Rekursgericht nicht iSd § 68 Abs 1 AußStrG „über die Sache“, sondern lediglich über die Zulässigkeit des Rekurses entschieden hat, ist das Revisionsrekursverfahren einseitig (RISJustiz RS0120614).
Das Rekursgericht wird über den (zulässigen) Rekurs nunmehr inhaltlich abzusprechen haben.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2017:0010OB00064.17V.0426.000 |
Schlagworte: | Zivilverfahrensrecht,Familienrecht |
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