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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSL vom 26.02.2013, RV/0541-L/12

Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Braunau Ried Schärding vom , mit dem ein Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung für das Kind K abgewiesen wurde, entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Mit einem am eingelangten Formblatt beantragte die Berufungswerberin die Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung ihrer am z.x.2010 geborenen Tochter ab September 2010.

Das Finanzamt forderte daraufhin vom Bundessozialamt eine Bescheinigung im Sinne des § 8 Abs. 6 FLAG an.

Das Kind der Berufungswerberin wurde am untersucht, und folgendes ärztliches Sachverständigengutachten, welches der Bescheinigung des Bundessozialamtes zugrunde gelegt wurde, erstellt:

Anamnese:

Kind hat links einen Klumpfuß. Es wurde schon eine Achillessehnendurchtrennung gemacht, die Operation muss aber nochmals gemacht werden, weil die Sehnen noch verlagert werden muss. Momentan trägt sie eine Dennis-Braun-Schiene v.a. nachts, aber auch möglichst viel tagsüber.

Behandlung/Therapie (Medikamente, Therapien - Frequenz):

Dennis-Braun Schiene, regelmäßige Betreuung auf der Orthopädie in B

Untersuchungsbefund:

14 Monate altes Mäderl, 75cm, 8,2kg. Dennis-Braun Schiene angelegt. Ohne der Schiene weicht der linke Fuß ab, sie kippt dann beim Stehen auf den Außenknöchel. Der Klumpfuß ist immer kälter als der andere. Er ist um ca. 2cm kleiner. Ebenso die Wadenmuskulatur links.

Status psychicus / Entwicklungsstand:

altersgemäß

Relevante vorgelegte Befunde:

2011-10-10 Y, FA ORTHOPÄDIE

Diagnose: Z. n. Klumpfusskorrektur, Residuum links, Z. n. 2x Nachgipsen, Dennis-Braun-Schiene wird 11-12 Stunden getragen, deutliche Peronäusschwäche

Diagnose(n):

Klumpfuß links

Richtsatzposition: 020535 Gdb: 040% ICD: Q66.0

Rahmensatzbegründung:

Korrekturoperationen erforderlich, Behandlung noch nicht abgeschlossen

Gesamtgrad der Behinderung: 40 vH voraussichtlich mehr als 3 Jahre anhaltend.

Der(Die) Untersuchte ist voraussichtlich n i c h t dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

erstellt am 2011-12-01 von UH, Arzt für Allgemeinmedizin

zugestimmt am 2011-12-06, Leitender Arzt: WK

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe für den Zeitraum "Nov. 2011 - Nov. 2011" ab, da der festgestellte Grad der Behinderung nicht mindestens 50 % betrage (§ 8 Abs. 5 FLAG).

Gegen diesen Bescheid wurde mit Eingabe vom Berufung erhoben. Der festgestellte Grad der Behinderung von 40 % werde zur Gänze abgelehnt. Bei der Untersuchung durch Frau Dr. H habe es nur eine Befragung und keine Untersuchung gegeben. Auch die Zustimmung durch den leitenden Arzt Dr. KW werde zur Gänze abgelehnt, da auch dieser das Kind nie gesehen habe. Es werde eine ordnungsgemäße Untersuchung von einem Facharzt und keinem Hausarzt verlangt.

Das Finanzamt forderte daraufhin eine neue Bescheinigung des Bundessozialamtes an. Im daraufhin erstellten neuerlichen ärztlichen Sachverständigengutachten wurde festgestellt:

Anamnese:

Der Vater gibt an, Kind wurde schon wg. dem Klumpfuss li operiert, es wird vielleicht eine weitere Operation notwendig. Das linke Bein ist taub, sie kann gehen.

Behandlung/Therapie (Medikamente, Therapien - Frequenz):

dzt. keine

Untersuchungsbefund:

16 Monate altes Kind, 8 Kg, unauffällige Entwicklung, hat eine Zwillingsschwester. Der linke Fuss ist ca 2 cm kleiner und nach innen verdreht. Gang unauffällig.

Status psychicus / Entwicklungsstand:

unauffällig

Relevante vorgelegte Befunde:

2012-01-23 Y KH: KLUMPFUSS LINKS; ST. P. PONSETI MIT PAST Adductus und Cavus-Residuum

Diagnose(n):

Klumpfuss links

Richtsatzposition: 020535 Gdb: 040% ICD: Q66.0

Rahmensatzbegründung:

Es wurde der oberen RS gewählt aufgrund der Missbildung und der noch ausstehende operative Behandlung

Gesamtgrad der Behinderung: 40 vH voraussichtlich mehr als 3 Jahre anhaltend.

Der(Die) Untersuchte ist voraussichtlich n i c h t dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

erstellt am 2012-01-30 von AS, Arzt für Allgemeinmedizin

zugestimmt am 2012-02-07, Leitender Arzt: WK

Aufgrund der neuerlichen BSB-Bescheinigung, in der wiederum nur ein Grad der Behinderung von 40 % festgestellt wurde, wies das Finanzamt die Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom ab.

Im Vorlageantrag vom führte die Berufungswerberin aus, dass bei ihrer Tochter nicht nur eine vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder der Sinneswahrnehmung vorliege. Sie werde zeitlebens einen Behinderungsgrad von mindestens 50 % aufweisen. Die Beurteilung, ihre Tochter habe einen unauffälligen Gang und ihr Entwicklungszustand sei unauffällig, sei haltlos und werde vehement abgestritten. Zudem bestünden erhebliche Zweifel am Urteil einer Ärztin der Allgemeinmedizin (Dr.AS). Es stelle sich auch die Frage, wie ein leitender Arzt (Dr.KW), der das Kind noch nie gesehen habe, seine Zustimmung geben könne. Nach Ansicht der Berufungswerberin könne nur ein Facharzt für Kinderorthopädie bzw. Orthopädie oder ein orthopädischer Chirurg den eindeutigen Behinderungsgrad ihrer Tochter diagnostizieren, sowohl im derzeitigen Stand als auch beim voraussichtlich künftigen Verlauf. Aus den angeführten Gründen bleibe ihr nur die Möglichkeit "in die nächste Instanz zu gehen und dort ein fachärztliches Sachverständigengutachten anfertigen zu lassen".

Über die Berufung wurde erwogen:

Einleitend ist zunächst festzuhalten, dass die Berufungswerberin zwar die Zuerkennung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe für ihre Tochter ab September 2010 (somit ab Geburt) beantragt hat, im angefochtenen Bescheid jedoch ausdrücklich nur über den Anspruch für den Zeitraum November 2011 (Zeitraum von Nov. 2011 bis Nov. 2011) abgesprochen wurde.

Die Befugnis der Berufungsbehörde nach § 289 BAO, "in der Sache selbst zu entscheiden" und "den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Berufung als unbegründet abzuweisen", bedeutet, dass die Berufungsbehörde so zu entscheiden hat, als ob die Sache erstmals nach den für sie geltenden materiell-rechtlichen Bestimmungen unter Beachtung der Verfahrensgrundsätze behandelt würde. Das Gebot, "in der Sache selbst zu entscheiden", setzt allerdings voraus, dass die Sache, also die, die den Inhalt des Spruches erster Instanz gebildet hat, mit der Sache identisch ist, die in die Sachentscheidung der Berufungsbehörde einbezogen wird. Entsprechend dieser rechtlichen Vorgabe darf der Unabhängige Finanzsenat nur über die Sache des erstinstanzlichen Bescheides, nämlich die Zuerkennung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe für den Zeitraum November 2011 entscheiden. Eine Entscheidung über diesen Zeitraum hinaus läge nicht in seiner Zuständigkeit (vgl. mit Hinweis auf ).

Gemäß § 8 Abs. 4 FLAG erhöht sich die Familienbeihilfe für jedes Kind, das erheblich behindert ist, monatlich um 138,30 €.

Als erheblich behindert gilt ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muß mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen (§ 8 Abs. 5 FLAG).

Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen. Die diesbezüglichen Kosten sind aus Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen zu ersetzen (§ 8 Abs. 6 FLAG).

§ 4 der erwähnten Einschätzungsverordnung normiert:

(1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.

(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.

Entgegen der Ansicht der Berufungswerberin fordern sowohl die Bestimmung des § 8 Abs. 6 FLAG als auch jene des § 4 Abs. 1 EinschätzungsVO kein fachärztliches, sondern "nur" ein ärztliches Sachverständigengutachten. Der Umstand, dass im gegenständlichen Fall nur Bescheinigungen des Bundessozialamtes vorliegen, welche auf Sachverständigengutachten von Ärztinnen für Allgemeinmedizin fußen, macht den angefochtenen Bescheid daher nicht rechtswidrig. Darüber hinaus fanden in beiden Gutachten fachärztliche Befunde Berücksichtigung. Im ersten Gutachten wurde auf den vorgelegten relevanten Befund des Y, Facharzt für Orthopädie vom , und im zweiten Gutachten auf den weiteren Befund des Y vom Rücksicht genommen.

Zur Frage der Beurteilung des Grades der Behinderung ist darauf hinzuweisen, dass durch die Bestimmung des § 8 Abs. 6 FLAG der Gesetzgeber die Frage des Grades der Behinderung und auch die damit in der Regel unmittelbar zusammenhängende Frage der voraussichtlich dauernden Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, der eigenständigen Beurteilung der Familienbeihilfenbehörden entzogen und dafür ein qualifiziertes Nachweisverfahren eingeführt, bei dem eine für diese Aufgabenstellung besonders geeignete Institution eingeschaltet wird und der ärztliche Sachverstand die ausschlaggebende Rolle spielt. Die Beihilfenbehörden haben bei ihrer Entscheidung jedenfalls von dieser durch ärztliche Gutachten untermauerten Bescheinigung auszugehen und können von ihr nur nach entsprechend qualifizierter Auseinandersetzung abgehen (). Daraus folgt, dass de facto eine Bindung der Beihilfenbehörden sowie des Unabhängigen Finanzsenates an die Feststellungen der im Wege des Bundessozialamtes erstellten Gutachten gegeben ist. Die Tätigkeit der Behörden hat sich daher im Wesentlichen auf die Frage zu beschränken, ob die Gutachten als schlüssig anzusehen sind (in diesem Sinne auch Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 8 Rz 29 mit weiteren Judikaturnachweisen; ebenso z.B. ).

Eine solche Unschlüssigkeit wurde von der Berufungswerberin mit der bloßen Behauptung, ihre Tochter werde zeitlebens einen Behinderungsgrad von mindestens 50 % aufweisen, nicht dargetan. Der Grad der Behinderung wird gemäß § 2 Abs. 1 zweiter Satz der genannten Einschätzungsverordnung nach Art und Schwere der funktionellen Einschränkungen in festen Sätzen oder Rahmensätzen in einer Anlage zu dieser Verordnung festgestellt. Diese Anlage führt unter Punkt 02 Beeinträchtigungen des Muskel-, Skelett- und Bindegewebesystems sowie des Haltungs- und Bewegungsapparates an. Die Rahmensätze für nicht kompensierte Fußdeformitäten (Fußdeformitäten und Restzustand nach operativer Sanierung je nach Funktionsstörung) werden in den Unterpunkten bis wie folgt festgelegt:


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Je nach Funktionseinschränkung einseitig
10 - 40 %
Beidseitig mit Funktionseinschränkungen geringen bis mittleren Grades
30 - 40 %
Beidseitig mit Funktionseinschränkungen schweren Grades
50 - 60 %

Im gegenständlichen Fall weist unbestritten nur der linke Fuß der Tochter eine Funktionseinschränkung auf. Bei einer einseitigen Funktionseinschränkung kann aber höchstens ein Grad der Behinderung von 40 % festgestellt werden, wie dies in den vorliegenden Bescheinigungen auch erfolgt ist. Ein für die Zuerkennung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe erforderlicher Grad der Behinderung von mindestens 50 % könnte überhaupt nur bei Funktionseinschränkungen in beiden Beinen festgestellt werden, was gegenständlich jedoch nicht der Fall ist. Die Einholung eines weiteren (fach)ärztlichen Sachverständigengutachtens erübrigte sich daher.

Zum Einwand der Berufungswerberin, der den ärztlichen Gutachten zustimmende leitende Arzt habe ihre Tochter nie untersucht, wird bemerkt, dass dies auch nicht dessen Aufgabe ist. Der leitende Arzt überprüft nur die Schlüssigkeit und Richtigkeit der aufgrund der festgestellten Anamnese und des Untersuchungsbefundes (einschließlich vorgelegter Befunde) erstellten Diagnose und des daraus abgeleiteten Grades der Behinderung.

Insgesamt gesehen fehlte es daher an den Voraussetzungen des § 8 Abs. 5 FLAG zur Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe, sodass spruchgemäß zu entscheiden war.

Linz, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at