Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSI vom 18.08.2008, RV/0209-I/08

Nachsichtsansuchen im Zusammenhang mit einer krankheitsbedingten Betriebsaufgabe

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw. vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Innsbruck vom betreffend Nachsicht gemäß § 236 BAO entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber (kurz Bw.) beantragte mit Schreiben vom , einen Abgabenbetrag von 2.701,16 € gemäß § 236 BAO nachzusehen. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus Einkommensteuer samt Anspruchszinsen 2004, Umsatzsteuer 2005 bis 2006 sowie Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag samt Zuschlag für die Monate 1-12/2005 und 2/2006.

Der Antrag wurde damit begründet, dass der Bw. in den Jahren 2005 und 2006 zwei Herzinfarkte erlitten habe, welche zu mehreren Krankenhausaufenthalten (2006: 44 Tage, 2007: 19 Tage) und in weiterer Folge dazu geführt hätten, dass der Bw. seinen Gewerbebetrieb als Versicherungsmakler aufgeben habe müssen. Da der Bw. "mehr oder weniger" Einzelunternehmer gewesen sei, habe er während der Dauer seiner Erkrankung "alle Reserven" aufgebraucht. Weiters machte der Bw. geltend, dass er seit September 2006 eine Berufsunfähigkeitspension in Höhe von 1.062 € netto pro Monat beziehe. Er sei für seine Ehegattin sorgepflichtig, welche über kein eigenes Einkommen verfüge, sondern sich der Pflege ihres 80 Jahre alten, an beiden Beinen amputierten Vaters widmen müsse. Weiters lebe die minderjährige Tochter der Ehefrau des Bw. im gemeinsamen ehelichen Haushalt. Der Bw. sei aus den geschilderten Gründen nicht in der Lage, den Abgabenrückstand zu begleichen.

Das Finanzamt wies den Nachsichtsantrag mit Bescheid vom ab und stellte dazu nach Zitat des § 236 Abs. 1 BAO und Darstellung der rechtlichen Voraussetzungen für eine Abgabennachsicht fest, dass die krankheitsbedingte Betriebsaufgabe keine Nachsicht rechtfertige. Eine Existenzgefährdung sei nicht gegeben, weil der Bw. im Jahr 2007 eine monatliche Nettopension von rund 1.367 € bezogen habe. Weiters vertrat das Finanzamt den Standpunkt, dass es keiner Abgabennachsicht bedürfe, wenn Härten aus der Abgabeneinhebung auf andere Weise, etwa durch die Bewilligung von Zahlungserleichterungen, abgeholfen werden könne.

In der dagegen am erhobenen Berufung wurde eingewendet, dass sich die monatlichen Pensionseinkünfte des Bw. auf 1.062 € netto beliefen, weshalb seine Existenzgrundlage im Fall der Abgabeneinhebung massiv gefährdet wäre. In einem weiteren Schreiben vom wurde dieses Vorbringen dahingehend abgeändert, dass dem Bw. seit "Vorauszahlungen" auf eine Berufsunfähigkeitspension in Höhe von 820 € netto pro Monat zustünden.

Das Finanzamt legte die Berufung ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vor.

Über die Berufung wurde erwogen:

Nach der für die Abgabennachsicht maßgeblichen Bestimmung des § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

Im Fall eines Nachsichtsansuchens ist zunächst zu prüfen, ob ein Sachverhalt vorliegt, der dem unbestimmten Gesetzesbegriff der Unbilligkeit der Einhebung nach Lage des Falles entspricht. Wird diese Frage von der Abgabenbehörde verneint, ist für eine im § 236 BAO vorgesehene Ermessensentscheidung kein Raum mehr, sondern der Antrag aus rechtlichen Gründen abzuweisen. Bejaht die Abgabenbehörde hingegen das Vorliegen einer Unbilligkeit im Sinn des Gesetzes, so hat sie im Bereich des Ermessens nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit zu entscheiden (vgl. etwa ).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt eine Unbilligkeit der Einhebung im Allgemeinen voraus, dass die Einhebung in keinem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zu jenen Nachteilen stünde, die sich aus der Einziehung für den Steuerpflichtigen oder für den Steuergegenstand ergeben. Die Unbilligkeit kann "persönlich" oder "sachlich" bedingt sein. Eine "persönliche" Unbilligkeit liegt insbesondere dann vor, wenn die Einhebung der Abgaben die Existenzgrundlagen des Nachsichtswerbers gefährden würde. Allerdings bedarf es zur Bewilligung einer Nachsicht (aus persönlichen Gründen) nicht unbedingt der Existenzgefährdung oder besonderer finanzieller Schwierigkeiten und Notlagen, sondern es genügt, dass die Abstattung der Abgabenschuld mit wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, die außergewöhnlich sind, so etwa wenn die Abstattung trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Veräußerung von Vermögenschaften möglich wäre und diese Veräußerung einer Verschleuderung gleichkäme (vgl. z. B. ; ). Eine "sachliche" Unbilligkeit ist hingegen anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit ähnlichen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt (vgl. z. B. ; ).

Der Bw. begründet das Nachsichtsansuchen im Wesentlichen mit einer krankheitsbedingten Betriebsaufgabe und mit der relativ geringen Höhe seiner Pensionseinkünfte. Nach der Aktenlage hat der Bw. seinen Betrieb im Jahr 2006 aufgegeben und dabei einen Aufgabeverlust von zirka 1.100 € erzielt. Da es somit zu keiner Steuerbelastung des Bw. im Zusammenhang mit der Betriebsaufgabe gekommen ist, liegt kein Sachverhalt vor, der sich von anderen Fällen einer krankheitsbedingten Betriebsaufgabe unterscheidet. Dass sich der Bw. infolge seiner Erkrankung gezwungen sah, seinen Betrieb einzustellen, kann daher keine sachliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung begründen. Allenfalls käme eine persönliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung in Betracht (vgl. ).

Da der Bw. im vorangegangenen Verfahren teils widersprüchliche, teils unzureichende Angaben zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen gemacht hat, wurde er mit Schreiben des Unabhängigen Finanzsenates vom um eine Ergänzung seines Vorbringens durch Stellungnahme zu folgenden Fragen ersucht:

1.) Ihre Angaben zu Ihren laufenden Einkünften sind insofern widersprüchlich, als Sie die Höhe ihrer (seit September 2006 bezogenen) Berufsunfähigkeitspension im Nachsichtsantrag vom und in der Berufung vom mit 1.062 € netto beziffert haben. Demgegenüber haben Sie im Schreiben vom behauptet, dass Sie seit Vorauszahlungen auf eine Berufsunfähigkeitspension in Höhe von 820 € netto pro Monat erhielten.

Ihre Angaben stimmen mit der Aktenlage auch insofern nicht überein, als der (auf Lohnzettelauskünften bzw. Mitteilungen gemäß § 109a EStG basierenden) Berechnung des Finanzamtes für das Jahr 2007 zu entnehmen ist, dass sich ihr monatliches Nettoeinkommen im Jahr 2007 auf rund 1.416 € belaufen hat (siehe Beilage).

Da es im Nachsichtsverfahren Aufgabe des Antragstellers ist, einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels die Umstände darzulegen, auf die eine Nachsicht gestützt werden kann, werden Sie um Nachweise über die aktuelle Höhe Ihres Einkommens in den Monaten Jänner bis Juli 2008 ersucht.

2.) Da Sie Ihre Vermögensverhältnisse bislang überhaupt nicht offen gelegt haben, werden Sie ersucht, dies nachzuholen.

3.) Entgegen Ihren Angaben im Nachsichtsantrag vom , Ihre Ehegattin verfüge über kein eigenes Einkommen, hat Ihre Ehegattin im Jahr 2007 von der X. Versicherung 14.757,43 € und von der Firma Y. 6.268,88 € bezogen.

Wie hoch waren die Einkünfte Ihrer Ehegattin in den Monaten Jänner bis Juli 2008 ? Um entsprechende Nachweise wird ersucht.

4.) Nach der Aktenlage haben Sie aus Ihrer Tätigkeit als Versicherungsmakler beträchtliche Umsätze erzielt (2004 rund 118.500 €; 2005 rund 73.000 €; 2006 rund 92.800 €).

Warum haben Sie offenbar keine Vorsorge für eine laufende und pünktliche Abgabenentrichtung getroffen, als Sie noch nicht erkrankt waren ?

Der Bw. hat auf diesen Vorhalt nicht reagiert, obwohl es seine Sache gewesen wäre, einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzulegen, auf die die Nachsicht gestützt werden kann (vgl. z. B. ). Diese Untätigkeit des Bw. führt dazu, dass sich die Abgabenbehörde zweiter Instanz den Feststellungen des Finanzamtes über das dem Bw. zur Verfügung stehende monatliche Nettoeinkommen (rund 1.400 €) anschließt. Dieser Betrag ergibt sich aus den aktenkundigen Lohnzetteln der Pensionsversicherungsanstalt und der X. Versicherung sowie aus einer Mitteilung gemäß § 109a EStG der X. Versicherung. Weiters geht die Abgabenbehörde zweiter Instanz davon aus, dass auch die Ehegattin des Bw. Einkünfte (in der oben angeführten Höhe) erzielt. Bei einem monatlichen Nettoeinkommen des Bw. von rund 1.400 € kann in der Einhebung eines Abgabenbetrages von derzeit rund 2.600 € keine ernsthafte Existenzbedrohung erblickt werden. Im Hinblick auf die Höhe des laufenden Einkommens und die Größenordnung der Abgabenschuld ist deren Abstattung selbst dann nicht mit außergewöhnlichen wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden, wenn der Bw. sein Einkommen weitgehend für den Lebensunterhalt aufwenden muss. Ein wirtschaftliches Missverhältnis zwischen der Abgabeneinhebung und den im Bereich des Bw. gelegenen Nachteilen ist nicht feststellbar, zumal bereits das Finanzamt zu erkennen gegeben hat, dass die Möglichkeit zur Gewährung von Zahlungserleichterungen (etwa in Form von Raten) besteht. Dem Bw. ist zwar einzuräumen, dass seine Berufungsunfähigkeit eine belastende Situation für ihn und seine Familie darstellt. Dennoch kann aus diesem privaten Schicksalsschlag keine Unbilligkeit der Abgabeneinhebung abgeleitet werden, weil der Lebensunterhalt des Bw. durch seinen Pensionsanspruch gesichert ist. Dazu kommen noch die laufenden Einkünfte der Ehegattin des Bw. Aus der Pflegebedürftigkeit des im ehelichen Haushalt lebenden Schwiegervaters des Bw. ergibt sich ebenfalls kein tauglicher Nachsichtsgrund, weil kein Zusammenhang zwischen dem schlechten Gesundheitszustand des Schwiegervaters und der Entrichtung der vom Bw. geschuldeten Abgaben besteht.

Soweit der Bw. mit seinem Vorbringen, er habe aufgrund seiner Erkrankung "alle Reserven" aufgebraucht, einen Vermögensverlust anspricht, übersieht er, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein Vermögensverlust selbst dann noch keinen Grund für eine Abgabennachsicht darstellt, wenn der Verlust durch einen Schicksalsschlag oder völlig unerwartet eingetreten ist. Eine Abgabennachsicht dient nämlich nicht dazu, einen außersteuerlich erlittenen wirtschaftlichen Nachteil ganz oder teilweise auszugleichen. Nur dann, wenn sich durch die Vermögenseinbuße oder durch andere Ereignisse die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Abgabepflichtigen derart verschlechtern, dass ihm die Entrichtung von Abgaben nicht mehr zugemutet werden kann, liegen Gründe vor, die die Abgabeneinhebung aus persönlichen Gründen als unbillig erscheinen lassen können (vgl. ). Da der Bw. zu seinen aktuellen Vermögensverhältnissen keine weiteren Angaben gemacht hat, obwohl er auch dazu Gelegenheit hatte, können derartige Gründe im vorliegenden Fall nicht erkannt werden.

Abschließend ist noch festzuhalten, dass die nachsichtsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten zum Teil vor der Erkrankung des Bw. gelegene Zeiträume betreffen, wobei offen geblieben ist, warum der Bw., als sein Betrieb noch bestand, nicht für die vollständige Entrichtung der laufenden Abgaben Sorge getragen hat.

Da die im § 236 Abs. 1 BAO normierte Voraussetzung für eine Abgabennachsicht, nämlich das Vorliegen einer Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nicht gegeben ist, war die Berufung abzuweisen.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 236 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
sachliche Unbilligkeit
persönliche Unbilligkeit
Betriebsaufgabe
Erkrankung
Krankheit
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at