Haftung bei mehreren Geschäftsführern
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat durch den Senat-10 im Beisein der Schriftführerin über die Berufung des Bw., vertreten durch Steuerberatungs_GmbH, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg vom betreffend Haftung gemäß § 9 iVm § 80 BAO nach der am in 1030 Wien, Vordere Zollamtsstraße 7, durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung entschieden:
Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und die Haftung für nachstehende Abgaben auf € 81.911,57 (statt € 90.274,00) herabgesetzt:
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Lohnsteuer 2007 | 62.667,58 |
Dienstgeberbeitrag 2007 | 17.673,05 |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2007 | 1.570,94 |
Im Übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungsgründe
Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom wurde über das Vermögen der C-GmbH das Konkursverfahren eröffnet.
Das Finanzamt ersuchte den Berufungswerber (Bw.) als ehemaligen Geschäftsführer der genannten Gesellschaft mit Schreiben vom um Bekanntgabe, ob im Zeitraum seiner Geschäftsführerfunktion andere anfallende Zahlungen geleistet worden wären.
In Beantwortung dieses Vorhaltes teilte der Bw. mit Schreiben vom mit, dass wie aus den übermittelten Lohnverrechnungskonten ersichtlich im Jahr 2007 nur zwei Mitarbeiter beschäftigt gewesen wären.
Daraufhin wurde der Bw. mit Bescheid vom gemäß § 9 Abs. 1 BAO iVm § 80 BAO als Geschäftsführer der C-GmbH für Abgaben in der Höhe von € 90.274,10, nämlich
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Abgabe | Betrag | Fälligkeit |
Lohnsteuer 2007 | 67.737,60 | |
Dienstgeberbeitrag 2007 | 19.102,71 | |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2007 | 1.698,02 | |
Säumniszuschlag 2007 | 1.354,75 | |
Säumniszuschlag 2007 | 381,02 |
zur Haftung herangezogen, da diese durch die schuldhafte Verletzung der ihm als Vertreter der Gesellschaft auferlegten Pflichten nicht hätten eingebracht werden können.
In der dagegen am rechtzeitig eingebrachten Berufung wandte sich der Bw. ausschließlich gegen die zu Grunde liegenden Abgaben- und Haftungsbescheide, weshalb mangels Relevanz für das Haftungsverfahren auf die Wiedergabe des Vorbringens verzichtet wird.
Mit Berufungsvorentscheidung vom wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen und ergänzend ausgeführt, dass der Einwand der unrichtigen Ermittlung der festgesetzten Lohnabgaben auf Grund der Bestimmung des § 248 BAO geltend gemacht werden könne. Es könne jedoch über diesen Einwand im Berufungsverfahren gegen den Haftungsbescheid nicht abgesprochen werden.
Fristgerecht beantragte der Bw. mit Schreiben vom die Vorlage der Berufung zur Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz und brachte ergänzend vor, dass in der Berufungsvorentscheidung übersehen worden wäre, dass mit sowohl gegen den Haftungsbescheid vom als auch gegen den Festsetzungsbescheid vom berufen worden wäre. Die geltend gemachten Einwendungen würden sich gegen den Festsetzungsbescheid vom und nicht gegen den darauf gestützten Haftungsbescheid richten.
Abschließend beantragte er die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Entscheidung durch den Berufungssenat.
Im Haftungsverfahren des weiteren Geschäftsführers der C-GmbH , H.K. , übermittelte der Bw. am eine schriftliche Stellungnahme zu dessen Berufung. Darin brachte er vor, dass weder er noch der Mitgeschäftsführer jemals im Speditionsgewerbe tätig gewesen wären, sondern die Gesellschaft lediglich als Beteiligung gesehen hätten und hauptberuflich einer ganz anderen Tätigkeit nachgehen würden. So wäre er hauptberuflich gewerblicher, selbstständiger Buchhalter und hätte H.K. eine Versicherungsagentur GmbH.
Dieser und der Bw. hätten die gleichen Rechte und Pflichten gehabt und wären auch jeweils mit den gleichen Vollmachten ausgestattet gewesen. Beide hätten sie die Zeichnungsberechtigung am Girokonto sowie nur die Postvollmacht für Notfälle gehabt. Für das operative Tagesgeschäft hätten sie jeweils ihren Speditionsleiter mit entsprechender Speditionserfahrung gehabt bzw. wäre ihr weiterer Mitgesellschafter K.O. ein erfahrener Transportunternehmer und Konzessionsträger gewesen. Von diesen Personen wären die Partner (Partnerspeditionen, Transportunternehmer und Personalleasingfirmen) akquiriert worden. Er, R.G. , Herr O. und H.K. hätten sämtliche wesentliche Entscheidungen, zB Ankauf bzw. Anmietung von Zugmaschinen, gemeinsam mit dem jeweiligen Speditionsleiter getroffen.
Sie hätten, speziell im Jahr 2007, mindestens einmal wöchentlich eine Besprechung mit dem beschriebenen Personenkreis gehabt. Inhalt dieser Besprechungen wäre immer der aktuelle Stand, die Höhe der Forderungen, die Banksalden, generell die Auslastung und Touren der LKW´s und natürlich die aktuellen Betriebsergebnisse anhand der ihnen seitens der Speditionsleiter vorgelegten Papiere gewesen. Die Aussage, dass H.K. keinen Informationsstand und keine Zuständigkeit gehabt hätte, wäre falsch und eine reine Schutzbehauptung. Allein die Tatsache, dass sie bei den Banken die persönliche Haftung hätten übernehmen müssen und diese auch ausgeweitet hätten, lasse den Schluss zu, dass Herr K. sehr genau informiert gewesen wäre, da er sonst wohl kaum die Haftungen mitunterschrieben hätte. Auch hätten sie die GmbH im Zeitraum 2007/2008 mit weiteren € 70.000,00 als Gesellschafterdarlehen ausgestattet, welches mit dem Konkurs für sie verloren wäre und zumindest auch für ihn existenzbedrohend sein werde.
Gegen dieses Schreiben seines Mitgeschäftsführers nahm H.K. mit Eingabe vom Stellung und führte aus, dass er hauptberuflich als Versicherungsmakler tätig wäre. Er hätte sich bei der C-GmbH ausschließlich um die Abwicklung der LKW-Versicherungen gekümmert. Der Bw. wäre als gewerblicher Buchhalter tätig gewesen und hätte daher auch die Buchhaltung und Lohnverrechnung der Gesellschaft erledigt und auch die Jahresabschlüsse erstellt.
Die Pflichtenaufteilung zwischen den drei Gesellschaftern wäre mündlich vereinbart worden. Frau G.J. , die seit Mitte des Jahres 2007 als Teilzeitkraft in der Gesellschaft tätig und somit im haftungsrelevanten Zeitraum anwesend gewesen wäre, hätte eine eidesstattliche Erklärung ausgestellt, die diese Behauptungen bestätige.
Die eidesstattliche Erklärung von Frau G.J. lautet wie folgt:
"Ich bin Mitte 2007 als Teilzeitkraft in die Firma eingetreten und habe im Büro gearbeitet. Mein Aufgabenbereich war Organisatorisches im speditionellen Bereich.
Meiner Beobachtung nach hätte Herr K. keinerlei geschäftsführerähnliche/geschäftsführerübliche Tätigkeit ausgeübt. Herr R.G. war für das Personal Ansprechpartner für alle Fragen des Tagesgeschäftes. Er hat die Buchhaltung gemacht, die Lohnverrechnung, sich um alle personellen Belange gekümmert, den Bankenverkehr, die Kunden-Op-Listen zu Mahnungszwecken vorgelegt und mit ihm wurden alle Belange der Firma besprochen bzw. Weisungen von ihm eingeholt.
An Herrn K. habe ich mich nur in versicherungstechnischen Dingen die LKWs betreffend gewandt. Ich habe nie feststellen können, dass sich Herr K. um irgendetwas Anderes im Zusammenhang mit dem Tagesgeschäft der Firma gekümmert oder gar Einfluss darauf genommen hat.
Weiters kann ich bezeugen, dass sich die Geschäftsführer K. und G. regelmäßig im Büro der Firma C-GmbH getroffen haben und das Gespräch meistens mit der Frage des Herrn K. an den Herrn G. eröffnet wurde: ,Wie schauen die Zahlen aus? Wie stehen wir da?' Herr G. hätte dann immer ein positives Ergebnis dargestellt."
Abschließend halte H.K. fest, dass er von der Wahrnehmung der steuerlichen Pflichten entbunden gewesen wäre und ihm keine schuldhafte Verletzung seiner auferlegten Pflichten vorgeworfen werden könne. Im haftungsrelevanten Zeitraum hätte zu keiner Zeit ein Anlass bestanden, an der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung durch den Bw. zu zweifeln.
Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom wurde der über das Vermögen der C-GmbH am eröffnete Konkurs nach Verteilung einer Quote von 7,484079 % aufgehoben.
Mit Schreiben vom ersuchte der Unabhängige Finanzsenat den damaligen Mitgeschäftsführer K.O. und den damaligen Prokuristen T.G. um Bekanntgabe der Kompetenzaufteilung zwischen den Geschäftsführern und Verantwortung in steuerlichen Angelegenheiten. Das an Herrn O. gerichtete Schreiben langte mit dem Vermerk "verzogen" wieder retour, obwohl die angeführte Adresse im Melderegister als aufrechter Hauptwohnsitz eingetragen ist. Recherchen in sämtlichen zur Verfügung stehenden Datenbanken ergaben keinen Hinweis auf einen anderen Aufenthalt der Auskunftsperson.
T.G. hingegen teilte mit, dass er in der Angelegenheit keine Auskunft erteilen könnte, da er im Jahr 2007 die Firma verlassen und keinerlei Informationen hätte, wie diese weitergeführt worden wäre. Bis zu diesem Zeitpunkt wäre Herr O. gewerberechtlicher Geschäftsführer und wären die Herren K. und der Bw. Gesellschafter gewesen.
In der am abgehaltenen mündlichen Berufungsverhandlung, die nach Einholung der notwendigen Zustimmungen der Parteien gemeinsam mit der ebenfalls beantragten mündlichen Verhandlung des zweiten Haftungspflichtigen H.K. durchgeführt wurde, wurde seitens des steuerlichen Vertreters des Bw. ergänzend ausgeführt, dass dieser handelsrechtlicher Geschäftsführer der GmbH bis und dann in der Folge wieder ab gewesen wäre. Da er in der Zwischenzeit Prokurist der Gesellschaft gewesen wäre, könne er als solcher nicht zur Haftung gemäß § 9 BAO herangezogen werden.
Weiters brachte er vor, dass auch gegen die zu Grunde liegenden Abgabenbescheide Berufung eingebracht worden wäre. Diese Berufung wäre vom Finanzamt zu Unrecht zurückgewiesen worden. Die zu Grunde liegenden Abgabenbescheide würden auf einer Schätzung der Abgabenbehörde beruhen, die unrichtigerweise von der Beschäftigung von 14 LKW-Fahrern ausgehe und daher zu einer unrichtigen Höhe an Lohnabgaben komme, weil sich die GmbH mehrerer Personalleasingfirmen bedient hätte und die herangezogenen Fahrer im Rahmen dieser Personalleasingfirmen nachweislich angemeldet gewesen wären.
Der steuerliche Vertreter des Herrn K. gab an, dass dieser im Zeitraum bis Geschäftsführer der GmbH gewesen wäre, wobei von vornherein vereinbart gewesen wäre, dass diese Geschäftsführungsfunktion nur vertretungsweise für den Fall eines Ausfalles des Bw. hätte Platz greifen sollen. Die gegenständliche Haftung beziehe sich jedoch auch auf Zeiträume vor Eintritt des Herrn K. als Geschäftsführer.
Vorgelegt wurde eine schriftliche Stellungnahme zum gegenständlichen Sachverhalt vom , die zur Berufungsausführung erhoben wurde. Aus dieser Stellungnahme wäre ersichtlich, dass der Bw. auf Grund einer im Vornhinein vereinbarten Geschäftsverteilung für die steuerlichen Belange der GmbH und auch für die Entrichtung der gegenständlichen Lohnabgaben zuständig gewesen wäre und es werde zu gegenteiligen Behauptungen des Bw. Stellung genommen.
Zu erwähnen wäre auch, dass der Bruder des Bw. Filialdirektor der Hausbank der GmbH gewesen wäre. Bei dieser Bank wäre auch Herr K. Kunde gewesen und es hätte nur einen einzigen Fall gegeben, wo er aus einem Gespräch erfahren hätte, dass das Firmenkonto der GmbH kurzfristig überzogen gewesen wäre. Herr K. wäre daher davon ausgegangen und hätte im Rahmen seiner Geschäftsführerzeit keinen Zweifel gehabt, dass die Geschäfte ordnungsgemäß durch den Bw. geführt worden wären und die Abgabenentrichtung auch erfolgt wäre. In Bezug auf eine eventuell ihn treffende Überwachungspflicht hätte es laufende Gespräche mit dem Bw. gegeben, im Rahmen derer Herrn K. bestätigt worden wäre, dass mit der steuerlichen Gebarung alles in Ordnung wäre.
Obwohl grundsätzlich eine Bindungswirkung an den zu Grunde liegenden Abgabenbescheid im Haftungsverfahren bestehe, müsse dennoch den Ausführungen in der Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes dahingehend entgegnet werden, dass die Höhe der Abgabennachforderung eine Begründung für das Verschulden des Bw. darstellen könne.
Das Vertrauen, das Herr K. in den Bw. gesetzt hätte, könne auch daraus abgeleitet werden, dass er den Bw. auch in seinen eigenen steuerlichen Belangen mit der Abwicklung der steuerlichen Agenden beauftragt gehabt hätte, dieser für diesen Zweck zeichnungsberechtigt am Bankkonto des Herrn K. gewesen wäre und diese Aufgabe zur vollsten Zufriedenheit und ohne Beanstandung durch die Abgabenbehörde erfüllt hätte.
Der Bw. erklärte auf Befragen des Vorsitzenden, dass er nach wie vor als selbstständiger Buchhalter tätig wäre. Er hätte durch die Geschäftsführung im Rahmen der C-GmbH (sowie auch der Herr K.) ca. € 200.000,00 verloren und werde sicher die nächsten Jahre daran noch zu zahlen haben. Sein durchschnittlicher Jahresgewinn aus der Tätigkeit als selbstständiger Buchhalter betrage ca. € 30.000,00. Er wäre Eigentümer einer Eigentumswohnung, die in etwa einen Wert repräsentiere, die den aushaftenden Schulden entspreche.
Weiters teilte der Bw. mit, dass es bei Eintritt des Herrn K. am keine explizite schriftliche oder mündliche Vereinbarung über die Aufteilung der Kompetenzen bzw. Aufgabenbereiche im Rahmen der GmbH gegeben hätte. Auf Grund ihrer bisherigen Tätigkeiten und Vorkenntnisse wäre es jedoch klar gewesen, dass er sich um den kaufmännischen Bereich der Buchhaltung und Lohnverrechnung und auch um die Entrichtung der Abgaben kümmern würde. Während seiner Geschäftsführerperiode hätte es nie einen Rückstand bei der Abgabenbehörde oder bei der Gebietskrankenkasse gegeben.
Es hätte laufend Gespräche über die Geschäftstätigkeit der GmbH gegeben, alle Geschäftsführer hätten sich für diese Zwecke laufend mindestens einmal wöchentlich getroffen. Sein Büro wäre neben dem Büro der GmbH gelegen und er wäre in regelmäßigen Zeitabständen mehrmals wöchentlich in das Büro der GmbH gegangen, um dort aufzubuchen. Jede Entscheidung, wäre sie auch noch so klein gewesen, wäre von ihm und Herrn K. bzw. auch mit Herrn O. und dem Speditionsleiter getroffen worden. Probleme gegenüber der Abgabenbehörde wären in diesem Zeitraum nie ein Thema gewesen, zumal diese Selbstbemessungsabgaben pünktlich gemeldet und bezahlt worden wären. Ab März/April 2007 wären die LKWs angeschafft worden und es wäre immer klar gewesen, dass sie sich Fremdfirmen hinsichtlich der Besorgung der LKW-Fahrer bedienen würden.
Der Speditionsleiter T.G. und Frau J. hätten jeweils Postvollmachten gehabt. Irgendwelche Anzeigen oder Ermittlungshandlungen seitens der Abgabenbehörde hätten in den hier in Rede stehenden Zeiträumen nicht stattgefunden.
Der steuerliche Vertreter von Herrn K. wies auf einen Widerspruch des Bw. hin, dass er im Strafverfahren wegen Krida im Landeskriminalamt am zu Protokoll gegeben hätte, er hätte sich um die Buchhaltung gekümmert, während seine nunmehrige Verfahrenseinlassung dahingehend wäre, dass auch der Bw. dafür zuständig gewesen wäre.
Der Bw. gab daraufhin zu Protokoll, dass es von vorneherein stillschweigend klar gewesen wäre, dass er (Bw.) sich um die Finanzamtsagenden sowie um die Meldungen und Entrichtungen der Selbstbemessungsabgaben kümmern werde. Auf Befragen seines steuerlichen Vertreters teilte er weiters mit, dass über das Geschäftsmodell dahingehend Einvernehmen bestanden hätte, dass man sich für die Betreibung der LKWs Leasingpersonals bedienen würde und oder fremder Frächter, sodass daraus keine Lohnabgabenverpflichtungen resultieren würden.
Herr K. brachte auf Befragen des Vorsitzenden vor, dass er nach wie vor als Versicherungsmakler tätig wäre. Aus dieser Tätigkeit lukriere er einen jährlichen Gewinn von ca. € 45.000,00 bis € 50.000,00, Schulden hätte er in Höhe von ca. € 85.000,00 aus der C-GmbH, darüber hinaus wäre er Alleineigentümer eines unbelasteten Einfamilienhauses.
Er (K.) wäre bei seinem Eintritt vom Bw. gebeten worden, als "Reservegeschäftsführer" zu fungieren, und es hätte ganz klar eine mündliche Vereinbarung über die Aufgabenverteilung dahingehend gegeben, dass der Bw. die steuerlichen Belange der GmbH hätte erledigen sollen, nachdem er ja seine eigenen steuerlichen Belange auch ihm übertragen gehabt hätte, das wäre ganz klar nie ein Thema gewesen. Er hätte nie Anhaltspunkte dahingehend gehabt, dass mit der Gebarung gegenüber der Abgabenbehörde bzw. mit der Meldung und Entrichtung der Lohnabgaben etwas nicht stimmen könnte.
Auf Befragen des steuerlichen Vertreters des Bw. teilte Herr K. mit, dass ihm das Geschäftsmodell hinsichtlich des Einvernehmens über die Anmietung von Fremdarbeitskräften, das schon vor seiner Zeit bestanden hätte, bekannt gewesen wäre.
Abschließend gab der Bw. zu Protokoll, dass dieses Modell auch bereits vor seiner Zeit bestanden hätte.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Persönliche Haftungen erstrecken sich gemäß § 7 Abs. 2 BAO auch auf Nebenansprüche im Sinne des § 3 Abs. 1 und 2 BAO. Zu diesen Nebenansprüchen gehören gemäß § 3 Abs. 2 lit. d BAO insbesondere die Nebengebühren der Abgaben, wie die Stundungs- und Aussetzungszinsen, der Säumniszuschlag und die Kosten (Gebühren und Auslagenersätze) des Vollstreckungs- und Sicherungsverfahrens, worunter gemäß § 26 AbgEO insbesondere Pfändungsgebühren und die durch die Vollstreckungsmaßnahmen verursachten Barauslagen (somit auch Postgebühren) fallen.
Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige kann gemäß § 248 BAO unbeschadet der Einbringung einer Berufung gegen seine Heranziehung zur Haftung innerhalb der für die Einbringung der Berufung gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch berufen.
Die Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO ist eine Ausfallshaftung (). Voraussetzung ist die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden (). Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären ().
Im gegenständlichen Fall steht die Uneinbringlichkeit in Höhe von 92,515921 % fest, da mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom der über das Vermögen der C-GmbH am eröffnete Konkurs nach Verteilung einer Quote von 7,484079 % aufgehoben wurde.
Der Bw. war im Zeitraum vom bis und vom bis Geschäftsführer und dazwischen Prokurist der genannten GmbH. In Streit steht, ob ihm auf Grund einer Kompetenzverteilung allein die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft, insbesondere für die rechtzeitige und vollständige Entrichtung der Abgaben Sorge zu tragen, oblegen wäre.
Nach dem Vorbringen des Mitgeschäftsführers H.K. hätte eine (stillschweigende) Kompetenzaufteilung zwischen den Geschäftsführern bestanden, wonach er selbst lediglich für die Abwicklung der LKW-Versicherungen, Herr O. für den manipulativen Speditionsbereich und ausschließlich der Bw. für die abgabenrechtlichen Angelegenheiten zuständig gewesen wäre, wofür zunächst auch die eidesstattliche Erklärung der damaligen Angestellten und späteren Geschäftsführerin G.J. spricht, wonach der Bw. die Buchhaltung und die Lohnverrechnung gemacht, sich um alle personellen Belange gekümmert hätte sowie für den Bankenverkehr zuständig gewesen wäre.
Die Verantwortlichkeit jedenfalls des Bw. ergibt sich außerdem noch aus seinem eigenen Vorbringen, dass er hauptberuflich selbstständiger Buchhalter wäre und daher auch für die Gesellschaft die steuerlichen und kaufmännischen Angelegenheiten übernommen hätte, und aus der Aktenlage, wonach er die Steuererklärungen und Jahresabschlüsse der Gesellschaft unterfertigte.
Eine Beschränkung auf den Zeitraum seiner tatsächlichen Geschäftsführerfunktion kommt aber nicht in Betracht, weil der Bw. zum Einen schon vor seiner Funktion als Prokurist als Geschäftsführer tätig war und andererseits sich ein Geschäftsführer bei Übernahme der Vertretertätigkeit darüber zu unterrichten hat, ob und in welchem Ausmaß der von ihm nunmehr Vertretene bisher seinen abgabenrechtlichen Verpflichtungen nachgekommen ist ().
Da die haftungsgegenständlichen Säumniszuschläge sich zwar auf die ebenfalls haftungsgegenständlichen Lohnabgaben 2007 beziehen, allerdings erst am , daher erst nach Beendigung der Geschäftsführungstätigkeit des Bw., fällig wurden, waren diese aus der Haftung auszuscheiden.
Dem Vorbringen des Bw. hinsichtlich der behaupteten Unrichtigkeit der mit Abgaben und Haftungsbescheid vom festgesetzten Lohnabgaben muss entgegengehalten werden, dass Einwendungen gegen den Abgabenanspruch nicht mit Erfolg im Haftungsverfahren vorgebracht werden können, sondern ausschließlich im Berufungsverfahren gemäß § 248 BAO betreffend Bescheide über den Abgabenanspruch, zumal nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch die nach § 9 BAO erforderliche Verschuldensprüfung von der objektiven Richtigkeit der Abgabenfestsetzung auszugehen hat ().
Bringt der Haftungspflichtige sowohl gegen den Haftungsbescheid als auch gegen den maßgeblichen Bescheid über den Abgabenanspruch Berufungen ein, so ist zunächst über die Berufung gegen den Haftungsbescheid zu entscheiden (), da von dieser Erledigung die Rechtsmittelbefugnis gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch abhängt ().
Einem allfälligen Obsiegen des Bw. im Verfahren nach § 248 BAO wird insofern Rechnung getragen, dass sich diesfalls die Haftungsschuld nur mehr auf den eventuell verbleiben Restbetrag reduziert.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Sache des Geschäftsführers, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert haben, die ihm obliegenden abgabenrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen (, 0038). Er hat also darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, andernfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf (vgl. ).
Wird eine Abgabe nicht entrichtet, weil der Vertretene überhaupt keine liquiden Mittel hat, so verletzt der Vertreter dadurch keine abgabenrechtliche Pflicht ().
Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten zur Verfügung gestanden sind, hierzu nicht ausreichen; es sei denn, er weist nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als andere Verbindlichkeiten ().
Im gegenständlichen Fall bringt der Bw. jedoch überhaupt keine Gründe, aus denen ihm die Erfüllung seiner abgabenrechtlichen Pflichten unmöglich gewesen wäre, vor. Insbesondere wurde nicht behauptet, dass dem Bw. keine Mittel zur Entrichtung der haftungsgegenständlichen Abgaben zur Verfügung gestanden wären, bzw. wurde auch nicht behauptet, es seien sämtliche Gläubiger gleich behandelt worden. Für eine völlige Vermögenslosigkeit der Primärschuldnerin ergeben sich auch nach Aktenlage keine Anhaltspunkte, zumal jedenfalls noch Löhne ausbezahlt wurden. Was eine allfällige Gleichbehandlung der Gläubiger betrifft, so wäre dies vom Bw. zu behaupten und zu beweisen gewesen, da nicht die Abgabenbehörde das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen hat, sondern der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer das Fehlen ausreichender Mittel ().
Für aushaftende Abfuhrabgaben wie die Lohnsteuer gelten aber ohnedies Ausnahmen vom Gleichheitsgrundsatz (; , 2000/15/0168), da nach § 78 Abs. 3 EStG der Arbeitgeber, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes ausreichen, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten hat.
Zur Schuldhaftigkeit des Bw. war darüber hinaus festzustellen, dass laut Lohnsteuerprüfungsbericht vom betreffend die Jahre 2006-2009 (seitens des Masseverwalters) keinerlei Unterlagen vorgelegt worden wären, weshalb die Bemessungsgrundlagen im Schätzungswege gemäß § 184 BAO, basierend auf dem damals bestehenden Fuhrpark von 14 Firmen-LKWs und der Annahme von 14 Dienstnehmern sowie auf dem Vorliegen mehrerer Anzeigen hinsichtlich Beschäftigung nicht gemeldeter Dienstnehmer, zu ermitteln waren.
Infolge der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Bw. konnte die Abgabenbehörde nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (), auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben war.
Die im Rahmen des § 224 BAO zu treffende Ermessensentscheidung iSd § 20 BAO ist innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenze nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist ().
Auf Grund des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 BAO erfolgte somit die Inanspruchnahme des Bw. als Haftungspflichtiger für die nachstehenden Abgabenschuldigkeiten der C-GmbH im Ausmaß von nunmehr € 81.911,57 zu Recht:
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Abgabe | Betrag | abzüglich Konkursquote von 7,484079 % |
Lohnsteuer 2007 | 67.737,60 | 62.667,58 |
Dienstgeberbeitrag 2007 | 19.102,71 | 17.673,05 |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2007 | 1.698,02 | 1.570,94 |
gesamt | 81.911,57 |
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 248 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at