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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 18.04.2011, RV/1685-W/04

Gefahrenzulage für Transporte von Laborproben (Blut und Harn)

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., Adresse, vertreten durch Europa Treuhand Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs GmbH Young Wirtschaftsprüfungs und Steuerberatungs GmbH, 1220 Wien, Wagramer Straße 19, vom gegen die Bescheide des Finanzamtes für den 12., 13. und 14. Bezirk und Purkersdorf vom betreffend Haftung des Arbeitgebers gemäß § 82 EStG 1988 für den Zeitraum 2001 bis 2003 entschieden:

Der Berufung wird stattgegeben.

Die angefochtene Haftungs- und Abgabenbescheid wird hinsichtlich Lohnsteuer 2001 abgeändert. Der Haftungsbetrag für Lohnsteuer gem § 82 EStG beträgt € 97,02. Die Festsetzung des Dienstgeberbeitrages und des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag bleibt unverändert.

Der angefochtene Haftungs- und Abgabenbescheid für 2002 sowie der angefochtene Bescheid über die Haftung zur Abfuhr der Lohnsteuer 2003 werden aufgehoben.

Entscheidungsgründe

Die Bw. (Berufungswerberin, Bw.) wurde im Jahr 2004 einer Lohnsteuerprüfung (Bp.) betreffend die Jahre 2001 bis 2003 unterzogen. Die Bp. ging unter anderen Feststellung davon aus, dass die von der Bw. an ihre Chauffeure ausbezahlte Gefahrenzulage nicht unter den Anwendungsbereich des § 68 Abs. 1 EStG 1988 falle. Die ausbezahlten Zulagen wurden für den gesamten Streitzeitraum mit einem Durchschnittsteuersatz von 30% versteuert und die Lohnsteuer (LSt) für 2001 mit € 2.502,99, 2002 mit € 2.519,36 und für 2003 mit € 2.863,80 der Bw. mittels Haftungsbescheid vorgeschrieben.

Begründend führt das Finanzamt (FA) aus, dass die betroffenen Chauffeure Blut- und Harnproben der Ärzte in geschlossenen Behältern (Kühlboxen) zum Labor transportieren würden und daher ein Kontakt mit diesen Stoffen und damit eine erhöhte Infektionsgefahr im Normalfall nicht vorstellbar sei.

In der rechtzeitig eingebrachten Berufung wird eingewendet, dass § 68 Abs. 5 EStG keine außerordentliche Gefahr des Dienstnehmers voraussetze, sondern die Abgeltung einer typischen Berufsgefahr zum Inhalt habe. Bei den Laborproben handle es sich um Gefahrengut iSd § 11 Abs. 1 Gefahrengutbeförderungsgesetzes (GGBG). Die Beförderung diagnostischer Proben zur Erstuntersuchung falle dabei immer in die höchste Risikogruppe und werde durch keine Art der Verpackung ausgeschlossen. Aus diesem Grund sei die Bw. auch verpflichtet gewesen, einen einschlägig geschulten Gefahrengutbeauftragten zu bestellen.

Neben dem direkten Kontakt mit der Außenseite der Harnbehälter könnte auch bei sorgfältigstem Transport eine Beschädigung der Behälter und damit eine Infektionsgefahr im Fall eines Sturzes nicht ausgeschlossen werden. Die Gefährdung liege nicht in der Eintrittswahrscheinlichkeit sondern in der Eintrittsmöglichkeit.

Über die Berufung wurde erwogen:

Die Bw. führte im Streitzeitraum Botendienste für Labors in der Form aus, dass sie Blut- und Harnproben mehrmals täglich von ihren Mitarbeitern bei Ärzten abholen ließ und in Labors transportierte, die von Schwestergesellschaften - nunmehr anderen Gruppenmitgliedern der Unternehmensgruppe - betrieben wurden. Unstrittig ist in diesem Zusammenhang, dass die Bw. hinsichtlich ihrer Dienstnehmer aufgrund ihres Betriebsgegenstandes im Streitzeitraum nicht in den Anwendungsbereich des Kollektivvertrages für Angestellte von Ärzten und Labors sondern unter den Kollektivvertrag für das Kleintransportgewerbe fiel. Letzterer sieht im Gegensatz zu Ersterem (Pkt. 18 Z 2) keine Gefahrenzulage für jene Mitarbeiter vor, die im Zuge ihrer Tätigkeit mit Blut- und/oder Harnproben oder anderem infektiösem Material in Kontakt kommen.

Aus dem Akteninhalt kann folgende Vorgehensweise bei der Abholung der Proben erkannt werden. Die Fahrer benutzten für den Transport Fahrzeuge der Marke Opel Combo, welche anstelle der hinteren Sitzreihen über eine Kühlbox für die Proben verfügten. Die Feststellungen der Bp. lauten hiezu wörtlich: Die Fahrer gehen mit einem Koffer zu den Ärzten, geben die Proben in den Koffer, mit diesem werden die Proben zum Auto transportiert und danach aus dem Koffer in die Kühlbox gegeben. Daraus ist ersichtlich, dass die Fahrer die in Glasphiolen (Blutproben) bzw. Kunststoffschraubbechern (Harnproben) befindlichen Proben jedenfalls an deren Außenseite berühren, da sie die Behältnisse in den Koffer legen und von diesem in die Kühlbox. Hinsichtlich des Ausräumens der Kühlbox wurden keine Feststellungen getroffen, jedoch ist anzunehmen, dass die Proben von den Fahrern aus der Kühlbox entnommen und in das Labor getragen wurden. Dass diese Proben an den Außenseiten nicht mit Blut und/oder Harn verunreinigt sein können, ist aus den Feststellungen nicht abzuleiten und erscheint nach den Erfahrungen des Alltags überdies unwahrscheinlich. Im Gegenteil erscheint das Vorbringen der Bw., dass vor allem die Harnproben von den Patienten nicht gereinigt übergeben werden nachvollziehbar und glaubwürdig. Aber auch bei venösem Blut ist eine Verunreinigung der Blutprobe mit Blut an der Außenseite der Glasphiole leicht möglich. Daher ist der Kontakt mit diesen Stoffen auch bei größter Sorgfalt des Mitarbeiters denkbar bzw. wahrscheinlich. Ob die Blut- / Harnproben gesundheitsgefährdende Keime, Viren oder Bakterien enthalten wird erst nach dem Transport im Labor festgestellt. Es daher jederzeit möglich, dass die transportierenden Personen mit diesen allenfalls infektiösen Keimen, Viren oder Bakterien in Kontakt kommen.

Aus dem glaubwürdigen und seitens der Bp. unwidersprochen gebliebenen Vorbringen der Bw, ist abzuleiten, dass die von den Fahrern transportierten Proben als Gefahrengut der höchsten Stufe einzustufen sind und daher auch ein Gefahrengutbeauftragter iSd. Art.1 § 11 GGBG zu bestellen war.

Aus der Sicht des UFS erscheint daher erwiesen, dass die Fahrer durch den Kontakt mit diesen Proben einem erhöhten Gesundheitsrisiko ausgesetzt waren.

Aus dem Akteninhalt ist weiters erkennbar, dass die gesamte Arbeitszeit der Fahrer mit dem Ein- und Ausräumen der Proben in das Fahrzeug und dem Transport der verstauten Proben ausgefüllt war. Sie fuhren mehrmals täglich "Touren" bei welchen sie jeweils mehrere Ärzte oder Kliniken anfuhren um Proben abzuholen. Aus den von der Bp. getroffenen Feststellungen ist nicht abzuleiten, dass diese Tätigkeit nur kurzfristig oder vorübergehend ausgeführt worden wäre.

Die Bw. zahlte über mehrere Jahre an alle bei angestellten Fahrer eine Gefahrenzulage in Höhe von € 72,67 monatlich aus. Der Anspruch auf die monatliche Gefahrenzulage wurde in sämtlichen Dienstzetteln festgehalten

Gefahrenzulagen sind gem. § 68 Abs. 1 EStG 1988 insgesamt bis € 360 monatlich steuerfrei. Unter Gefahrenzulagen sind nach § 68 Abs. 5 EStG 1988 jene Teile des Arbeitslohnes zu verstehen, die dem Arbeitnehmer deshalb gewährt werden, weil die von ihm zu leistenden Arbeiten überwiegend unter Umständen erfolgen, die infolge der schädlichen Einwirkungen von gesundheitsgefährdenden Stoffen eine Gefährdung von Leben, Gesundheit oder körperlicher Sicherheit des Arbeitnehmers mit sich bringen.

Die zitierte Bestimmung ist nach der herrschenden Lehre und Rechtsprechung (Doralt, EStG, § 68 Tz 10 ff; Müller, Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen, ecolex 1995, S 833; UFS [Feldkirch], , RV/0036-F/04) so auszulegen, dass für eine begünstigte Besteuerung der Zulagen im Wesentlichen drei Bedingungen gleichzeitig erfüllt sein müssen: - Die im Gesetz umschriebene Arbeitserschwernis bzw. Gefährdung muss vorliegen (materielle Voraussetzung), - die Zahlung muss neben dem Grundlohn erfolgen (funktionelle Voraussetzung) und - der Zahlung muss eine so genannte lohngestaltende Vorschrift zugrunde liegen oder sie muss an alle bzw. bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern erfolgen (formelle Voraussetzung).

Die funktionelle und die formelle Voraussetzung für die Steuerfreiheit waren im Verfahren nie strittig und liegen wie aus dem Akteninhalt ersichtlich vor. Die Bp. verneinte lediglich das Vorliegen der materiellen Voraussetzung, da nach Ansicht der Bp. von den verschlossenen Proben keine Gesundheitsgefahr für die Mitarbeiter ausgehen konnte.

Wie oben festgestellt, stellen die allenfalls infektiösen Blut-/ Harnproben nach Ansicht des UFS eine potentielle Gefahrenquelle dar, die über das allgemein übliche Gefährdungsausmaß hinausgeht und mit der Tätigkeit der Arbeitnehmer der Bw. zwangsläufig und dauernd verbunden ist. Dabei darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass für andere Berufsgruppen - nämlich Angestellte von Labors-, welche ebenso regelmäßig und täglich mit derartigen Proben in Kontakt kommen, eine kollektivvertragliche Vereinbarung die Auszahlung von Gefahrenzulagen vorsieht. Aus der Sicht des UFS kann die steuerliche Behandlung der Abgeltung der Gesundheitsgefährdung nicht davon abhängen, ob die probenabholenden Personen Dienstnehmer eines Labors sind oder eines Unternehmens welches auf derartige Transporte spezialisiert ist und daher unter einen anderen Kollektivvertrag fällt. Entscheidungswesentlich sind vielmehr die Art der ausgeführten Tätigkeit und der Umstand, dass es zu einem Kontakt mit fremdem menschlichen Blut oder Harn kommen kann.

Da alle Voraussetzungen für die Tarifbegünstigung vorliegen, kann § 68 Abs. 1 EStG zur Anwendung gelangen und der Berufung war daher stattzugeben.

Wien, am

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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Verweise
-F/04

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at