Beschwerdeentscheidung - Strafsachen (Referent), UFSI vom 13.08.2008, FSRV/0020-I/08

Einleitung eines Finanzstrafverfahrens

Entscheidungstext

Beschwerdeentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz hat durch das Mitglied des Finanzstrafsenates 1, Mag. Peter Maurer, in der Finanzstrafsache gegen Bf., über die Beschwerde des Beschuldigten vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Innsbruck als Finanzstrafbehörde erster Instanz vom , SN X,über die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens gemäß § 83 Abs. 1 des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) zu Recht erkannt:

I. Aus Anlass der Beschwerde wird der Spruch des angefochtenen Bescheides insofern abgeändert, als die Wortfolgen "in Höhe von € 14.500,11" und "in Höhe von € 41.615,81" jeweils durch die Wortfolge "in betragsmäßig noch festzustellender Höhe" ersetzt werden.

II. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom hat das Finanzamt Innsbruck als Finanzstrafbehörde erster Instanz gegen den Beschwerdeführer zu SN X ein finanzstrafbehördliches Untersuchungsverfahren eingeleitet, weil der Verdacht bestehe, dass dieser als ehemals verantwortlicher Unternehmer im Bereich des Finanzamtes Innsbruck vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht hinsichtlich der Jahre 1997-2000 (hinsichtlich 2000 gelte der Versuch) eine Abgabenverkürzung an Umsatzsteuer in Höhe von € 14.500,11 sowie an Einkommensteuer in Höhe von € 41.615,81 bewirkt habe, indem Erlöse nicht erfasst und Privatanteile nicht ausgeschieden worden seien sowie gravierende Lebenshaltungskostenunterdeckungen festgestellt worden seien. Er habe hiemit ein Finanzvergehen nach § 33 Abs. 1 FinStrG begangen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerechte (als "Einspruch" bezeichnete) Beschwerde des Beschuldigten vom , in welcher im Wesentlichen wie folgt vorgebracht wurde:

Bereits 2003 sei bezüglich der Unterdeckung der Lebenshaltungskosten geprüft und [seien diese] als gegenstandslos betrachtet worden. Eine Unterdeckung sei nicht gegeben gewesen. Somit sei der Vorwurf der versuchten Steuerhinterziehung als gegenstandslos zu betrachten.

Zur Entscheidung wurde erwogen:

Gemäß § 82 Abs. 1 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde I. Instanz die ihr zukommenden Mitteilungen und Verständigungen daraufhin zu prüfen, ob genügende Verdachtsgründe für die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens gegeben sind. Das Gleiche gilt, wenn sie z.B. aus eigener Wahrnehmung vom Verdacht eines Finanzvergehens Kenntnis erlangt. Ergibt diese Prüfung, dass die Durchführung des Strafverfahrens nicht in die Zuständigkeit des Gerichtes fällt, so hat die Finanzstrafbehörde das verwaltungsbehördliche Finanzstrafverfahren einzuleiten. Gemäß § 83 Abs. 1 FinStrG ist die Einleitung des Strafverfahrens aktenkundig zu machen und der Verdächtige von der Einleitung unter Bekanntgabe der ihm zur Last gelegten Tat sowie der in Betracht kommenden Strafbestimmung zu verständigen (§ 83 Abs. 2 FinStrG).

Aus dem Vorgesagten ergibt sich, dass anlässlich der Einleitung des Finanzstrafverfahrens keine endgültigen Lösungen, sondern nur Entscheidungen im Verdachtsbereich zu treffen sind. Die endgültige Sachverhaltsklärung und abschließende rechtliche Beurteilung sind vielmehr dem Untersuchungsverfahren und der abschließenden Entscheidung (Strafverfügung, Erkenntnis, Einstellungsbescheid) vorbehalten (siehe z.B. ).

Hinsichtlich des Begriffes Verdacht hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass ein Verdacht nur aufgrund von Schlussfolgerungen aus Tatsachen entstehen kann. Ein Verdacht bestehe sohin, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens von bestimmten Umständen rechtfertigen ().

Gemäß § 33 Abs. 1 FinStrG macht sich der Abgabenhinterziehung schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung bewirkt.

Der Beschwerdeführer hat von 1995 bis 2001 die X-Kantine sowie im Jahr 1998 die Y-Kantine betrieben. Er war für die Einhaltung der abgabenrechtlichen Vorschriften verantwortlich.

Beim Beschwerdeführer wurde zu AB-Nr. Y für die Zeiträume 1997 bis 2000 eine Prüfung der Aufzeichnungen durchgeführt. In Tz. 17 des Berichtes vom über das Ergebnis dieser Prüfung wurde festgestellt, dass die Lebenshaltungskosten laut Vermögensdeckungsrechnung "mangelhaft" sind. Eine "grobe" Kalkulation ergab Schwankungen in den Aufschlägen verschiedener Sparten. Laut Kontrollmaterial gab es in den Jahren 1997 und 1998 einen geringen Schwarzeinkauf von Bier. Weiters wurde kein Kfz-Privatanteil angesetzt. Zur Belegsammlung und Belegaufbewahrung wurde festgestellt, dass diese mangelhaft und die vorgelegten Unterlagen nicht vollständig waren. Differenzen in den Aufzeichnungen konnten vom Beschwerdeführer nicht erklärt werden. Die Erfassung "ausgelieferter Speisen" blieb ungeklärt. Schließlich wurden noch ungeklärte Privateinlagen festgestellt.

Aufgrund dieser Feststellungen wurden folgende Umsatzzurechnungen vorgenommen (alle Beträge in ATS):


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1997
1998
1999
2000
Hinzurechnung 10%
450.000,00
450.000,00
450.000,00
450.000,00
Hinzurechnung 20%
30.000,00
64.000,00
0,00
0,00
Summe
480.000,00
514.000,00
450.000,00
450.000,00
Nachforderung USt
51.000,00
57.800,00
45.000,00
45.000,00

Dies wirkte sich auf die Gewinnermittlung wie folgt aus:


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1997
1998
1999
2000
Einkünfte laut Erklärung
27.226,00
-89.572,00
7.347,00
41.910,00
Hinzurechnung
480.000,00
514.000,00
450.000,00
450.000,00
Einkünfte laut Bp
507.226,00
424.428,00
457.347,00
491.910,00
Nachforderung ESt
161.352,00
125.200,00
138.549,00
147.545,00

In der Folge wurden die Verfahren hinsichtlich der Umsatz- und Einkommensteuer für 1997 bis 1999 gemäß § 303 Abs. 4 BAO wieder aufgenommen und dem Beschwerdeführer die Nachforderungen an Umsatz- und Einkommensteuer für 1997 bis 1999 mit Bescheiden vom vorgeschrieben. Die Umsatz- und Einkommensteuererklärungen für 2000 wurden am eingebracht und waren zum Prüfungszeitpunkt noch nicht veranlagt. Nach Prüfungsabschluss ergingen unter Berücksichtigung der Prüfungsfeststellungen am die Umsatz- und Einkommensteuerbescheide für 2000. Gegen diese Bescheide hat der Beschwerdeführer am Berufungen eingebracht. Diese Berufungen wurden mit Berufungsvorentscheidungen vom abgewiesen.

Seitens der Betriebsprüfung wurde für die Jahre 1997 bis 2000 jeweils eine pauschale Hinzurechnung vorgenommen. Die steuerlichen Hinzurechnungen wurden unter anderem mit Kalkulationsdifferenzen und Unterdeckungen der Lebenshaltungskosten begründet. In der Beschwerde wird vorgebracht, dass 2003 die Unterdeckung der Lebenshaltungskosten geprüft worden sei und eine Unterdeckung nicht gegeben sei.

Der angefochtene Bescheid stützt sich unter anderem darauf, dass (offenkundig für den gesamten inkriminierten Zeitraum) gravierende Lebenshaltungskostenunterdeckungen festgestellt worden seien. In Tz. 17 des Bp-Berichtes vom wie auch in den Berufungsvorentscheidungen vom wurde ohne nähere Konkretisierung festgestellt, dass die Lebenshaltungskosten nicht vollständig nachgewiesen werden konnten. Im Arbeitsbogen zu Ab-Nr. Y finden sich zwei Vermögensdeckungsrechnungen (AS 70 und 119). Aus der "2. Vermögensdeckungsrechnung" in AS 119 ergibt sich lediglich für das Jahr 1998 eine Unterdeckung, hingegen sind dem Beschwerdeführer nach dieser Rechnung im Jahr 1997 S 9.000,00, im Jahr 1999 S 13.000,00 und im Jahr 2000 S 11.000,00 monatlich zur Verfügung gestanden. Nach diesen Feststellungen kann eine Unterdeckung der Lebenshaltungskosten den Tatverdacht allenfalls hinsichtlich des Zeitraumes 1998 stützen.

Das im angefochtenen Bescheid angesprochene Nichtausscheiden von Privatanteilen bezieht sich offenkundig auf die Kfz-Privatanteile (Tz. 17 des Bp-Berichtes vom ). Im Schreiben des steuerlichen Vertreters des Beschwerdeführers vom an die Prüferin (AS 101f des Arbeitsbogens) sowie im e-Mail des Beschwerdeführers vom (AS 106 des Arbeitsbogens) wurde vorgebracht, es sei kein Kfz-Privatanteil ausgeschieden worden, weil dem Beschwerdeführer ein weiteres ausschließlich privat genutztes Fahrzeug zur Verfügung gestanden sei. Dieses Vorbringen wird ebenso einer finanzstrafrechtlichen Würdigung zu unterziehen sein wie der Vorgang bei der Übergabe des Kraftfahrzeuges XY an die geschiedene Ehegattin des Beschwerdeführers (vgl. AS 106 des Arbeitsbogens).

Es ist auch darauf hinzuweisen, dass im strafbestimmenden Wertbetrag auch die in der Umsatzsteuererklärung für 2000 ausgewiesene Restschuld von S 726,00 berücksichtigt wurde. Der angefochtene Bescheid enthält keine Begründung einer finanzstrafrechtlichen Relevanz dieser Restschuld. Zudem ist zu bemerken, dass hinsichtlich dieser Restschuld kein Finanzvergehen nach § 33 Abs. 1 FinStrG, sondern allenfalls eines nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG in Betracht käme.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass aufgrund der Prüfungsfeststellungen, insbesondere der festgestellten Schwarzeinkäufe von Bier und der Nichterfassung von ausgelieferten Speisen hinreichende Verdachtsmomente bestehen, dass der Beschwerdeführer in den Zeiträumen 1997 bis 2000 Verkürzungen an Einkommen- und Umsatzsteuer bewirkt hat. Das Beschwerdevorbringen vermag diesen Tatverdacht nicht zu beseitigen, zumal neben der Unterdeckung der Lebenshaltungkosten (die, wie bereits ausgeführt, tatsächlich einer eingehenden Betrachtung bedürfen) die angeführten weiteren Umstände - Schwarzeinkäufe, Nichterfassung von Lieferungen, Kalkulationsdifferenzen - den Verdacht hinsichtlich der objektiven Tatseite stützen. Die einzelnen Prüfungsfeststellungen sind jedoch noch einer eingehenden finanzstrafrechtlichen Würdigung zu unterziehen; es ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt von einem strafbestimmenden Wertbetrag in betragsmäßig noch festzustellender Höhe auszugehen. Ergänzend wird bemerkt, dass es der Angabe des verkürzten Betrages an Abgaben im Einleitungsbescheid nicht bedarf (; ).

Für die Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG ist Vorsatz im Sinne des § 8 Abs. 1 FinStrG erforderlich. Nach dieser Gesetzesbestimmung handelt vorsätzlich, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht; dazu genügt es, dass der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet.

Es ist allgemein bekannt und bedarf keines steuerlichen Spezialwissens, dass bei Erzielung von Einkünften bzw. Umsätzen bei der Finanzbehörde entsprechende Erklärungen einzureichen sind. Auch der Beschwerdeführer, der jedenfalls bereits seit 1992 unternehmerisch tätig ist, hat von dieser Verpflichtung zweifelsfrei gewusst. Die für einen mehrjährigen Zeitraum rechtskräftig festgesetzten Nachforderungen gründen unter anderem auf das Nichterfassen von Erlösen. Wenn jemand Leistungen nicht (vollständig) erfasst - in den Tz. 14 und 17 des Bp-Berichtes vom werden Mängel und Unvollständigkeiten in der Belegsammlung und Belegaufbewahrung angeführt -, besteht jedenfalls der Verdacht, dass er es ernstlich für möglich hält und sich damit abfindet, dass durch diese Vorgangsweise Leistungserlöse in der Folge auch in den Steuererklärungen nicht erfasst und damit verkürzt werden. Es bestehen daher hinreichende Verdachtsmomente, dass der Beschwerdeführer (zumindest bedingt) vorsätzlich gehandelt und damit auch die subjektive Tatseite des § 33 Abs. 1 FinStrG verwirklicht hat.

Abschließend wird festgehalten, dass im Rahmen dieser Rechtsmittelentscheidung nur zu untersuchen war, ob für die Einleitung des Strafverfahrens ausreichende Verdachtsmomente gegeben waren. Die endgültige Beantwortung der Frage, ob der Beschwerdeführer das Finanzvergehen nach § 33 Abs. 1 FinStrG begangen hat, bleibt dem Ergebnis des Untersuchungsverfahrens nach den §§ 115 ff FinStrG vorbehalten.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Lebenshaltungskosten
Verdacht
strafbestimmender Wertbetrag
unbestimmte Höhe
Abgabenhinterziehung

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at