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OGH vom 31.01.2017, 1Ob6/17i

OGH vom 31.01.2017, 1Ob6/17i

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L***** Handelsgesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Hans Georg Zeiner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei K***** GmbH, *****, vertreten durch die Nitsch Pajor Zöllner Rechtsanwälte OG, Mödling, wegen 1.733.260 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 3 R 60/16i-32, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 17 Cg 26/15b-28, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung wird gemäß § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO abgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die Auslegung des Umfangs einer erteilten Vollmacht hat – so wie die Auslegung einer Willenserklärung (9 Ob 1/14h = RIS-Justiz RS0042936 [T57] ua) – nach den Umständen des Einzelfalls zu erfolgen (RIS-Justiz RS0044358 [T36]), sodass sich grundsätzlich keine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO stellt. Auch die Frage der Ungewöhnlichkeit eines Geschäfts im Rahmen einer Handlungsvollmacht im Sinn des § 54 UGB oder, ob es sich dabei um ein „gewöhnliches“ Geschäft handelt, ist nach den örtlichen, zeitlichen und branchenmäßigen Anschauungen zu beurteilen, wobei auch hier – neben der Eigenart des Rechtsgeschäfts – den Umständen des Einzelfalls erhebliche Bedeutung zukommt (7 Ob 621/93; 10 Ob 63/02s; RIS-Justiz RS0019707 [T17]).

Eine Fehlbeurteilung der Vorinstanzen, die mit eingehender Begründung davon ausgingen, dass die dem Key Account Manager der Klägerin konkludent eingeräumte Arthandlungsvollmacht den der Beklagten eingeräumten Sonderrabatt deckte, wobei die als eher unüblich anzusehenden näheren Umstände der Rabattgewährung der getroffenen Vereinbarung aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls noch nicht den Charakter eines „gewöhnlichen“ Geschäfts genommen hätten, ist nicht zu beanstanden.

2.1. Missbraucht ein Vertreter seine Vertretungsmacht, so wird dadurch im Allgemeinen aus Gründen des Verkehrsschutzes die Gültigkeit des von ihm mit einem Dritten abgeschlossenen Geschäfts nicht berührt; dies gilt allerdings nicht, wenn der Dritte nicht schutzwürdig ist (RIS-Justiz RS0019576). Der Dritte kann sich dann nicht auf die Vertretungsmacht des Vertreters berufen, sodass das Geschäft auch dem Dritten gegenüber unwirksam ist, wenn Vertreter und Dritter kollusiv, also absichtlich zusammengewirkt haben, um den Vertretenen zu schädigen; dem ist gleichzuhalten, wenn der Vertreter mit Wissen des Dritten bewusst zum Nachteil des Vertretenen handelte oder der Missbrauch sich dem Dritten geradezu aufdrängen musste. Für die Unwirksamkeit des Geschäfts mit dem Dritten genügt demnach dessen grob fahrlässige Unkenntnis vom Missbrauch der Vertretungsmacht (RIS-Justiz RS0019576 [T9]; 9 Ob 25/08d = RS0016733 [T2] = RS0061579 [T3]; RS0061587 [T2, T 4, T 6]).

2.2. Für ein solches bewusstes Zusammenwirken, also dafür, dass der Key Account Manager der Klägerin mit der Beklagten gemeinsam in Schädigungsabsicht gehandelt hat oder sich ihr eine Schädigung der Klägerin geradezu aufdrängen hätte müssen, finden sich im Sachverhalt keine ausreichenden Anhaltspunkte. Der frühere Geschäftsführer der Klägerin war in Kenntnis der von seinem Mitarbeiter mit der Beklagten getroffenen Vereinbarung. Nicht festgestellt werden konnte, dass der Geschäftsführer der Beklagten wusste, dass die vom zuständigen Key Account Manager der Klägerin vorgeschlagene Vorgangsweise nach deren Geschäftsführerwechsel intern nicht gedeckt war. Der Geschäftsführer der Beklagten hatte also keine Kenntnis davon, dass die neue Geschäftsführung mit dem weiterhin praktizierten Rabattsystem nicht mehr einverstanden war. In der Beurteilung des Berufungsgerichts, dass angesichts der festgestellten Umstände, insbesondere dass auch nach Änderung der Geschäftsführung der Klägerin einige Jahre lang die praktizierte Vorgangsweise anstandslos fortgesetzt wurde, für die Beklagte kein Anlass dafür bestanden habe, die Vollmacht des Mitarbeiters der Klägerin mit den mit ihr getroffenen Zusagen in Zweifel zu ziehen, sodass für eine Annahme eines der beklagten Partei vorzuwerfenden Fahrlässigkeit kein Raum bestehe, kann eine im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung nicht erkannt werden.

Derjenige, der sich im Prozess auf die Unwirksamkeit eines Geschäfts wegen kollusiven Verhalten stützt, trägt diesbezüglich die Beweislast. Schließlich trägt grundsätzlich jene Partei die Behauptungs- und Beweislast, die eine für sie günstige Rechtsnorm in Anspruch nehmen will (RIS-Justiz RS0106638). Die Klägerin konnte Umstände, die die Annahme einer Kollusion rechtfertigen könnten, letztlich nicht nachweisen.

3. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0010OB00006.17I.0131.000

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