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Berufungsentscheidung - Steuer (Senat), UFSL vom 26.02.2013, RV/0512-L/09

Ein bei Gründung der Gesellschaft bedungenes Agio gehört auch bei Verbuchung auf ungebundene Rücklagen und beabsichtigter Rückzahlung zur Gegenleistung

Beachte

VwGH-Beschwerde zur Zl. 2013/16/0070 eingebracht.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat durch die Vorsitzende HR Dr. Edith Putschögl und die weiteren Mitglieder HR Dr. Isolde Zellinger, Dipl. Ing. Christoph Bauer und Mag. Rudolf Lehner im Beisein der Schriftführerin Marija Schistek über die Berufung der IH, Adr, vertreten durch Mag. Klaus Rinner, Rechtsanwalt, 4040 Linz, Hauptstraße 33, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Freistadt Rohrbach Urfahr, vertreten durch ADir. RR Ilse Paar, vom betreffend Gesellschaftsteuer nach der am in 4010 Linz, Bahnhofplatz 7, durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Gesellschaftsvertrag

Mit Gesellschaftsvertrag vom haben A, B, C, D und E die IH wie folgt gegründet:

Das Stammkapital der Gesellschaft beträgt 1 Mio. €, welches ausschließlich durch Bareinlagen voll aufgebracht wird.Die Firma/Herr ... übernimmt eine Bareinlage in Höhe von ... die diese zur Gänze einzahlt. Sie/Er verpflichtet sich gegenüber der Gesellschaft, die von ihr übernommene Stammeinlage, zuzüglich eines Agios in Höhe von ... (jeweils das Neunfache der Stammeinlage), das auf freie Rücklage zu verbuchen ist und keine Gesellschafterrechte gewährt, binnen längstens einer Woche ab Unterfertigung dieses Gesellschaftsvertrages zur Gänze an die Gesellschaft einzuzahlen. Der Abtretungspreis (für die Fälle einer Übertragung eines Geschäftsanteiles oder Ausübung des Aufgriffsrechtes) wird unter anderem aus dem anteiligen buchmäßigen Eigenkapital der Gesellschaft im Sinne des § 224 HGB zuzüglich anteiliger unversteuerter Rücklagen ermittelt.

Am ist vom Notar die Gesellschaftssteuer für die Neugründung mittels Selbstberechnung in Höhe von 1 % vom Stammkapital, daher 10.000,00 €, ermittelt und abgeführt worden.

Festsetzungsbescheid

Im Zuge einer Prüfung hat das Finanzamt Kenntnis vom Inhalt des obigen Gesellschaftsvertrages erhalten und festgestellt, dass die Gesellschaftssteuer von der einbezahlten Stammeinlage zuzüglich Agio (somit insgesamt 10 Mio. €) zu berechnen gewesen wäre.

Das Finanzamt hat daher mit Bescheid vom die Gesellschaftssteuer für den gegenständlichen Gesellschaftsvertrag gemäß § 201 BAO mit 100.000,00 € festgesetzt, weil die Gegenleistung aus dem einbezahlten Stammkapital zuzüglich Agio bestehe.

Berufung

Gegen diese Festsetzung der Gesellschaftssteuer hat die IH am Berufung erhoben, weil die Gesellschafter lediglich vereinbart hätten, dass in der Gesellschaft eine freie Rücklage in Höhe von 9 Mio. € gebildet werde. Daraufhin hätten die Gesellschafter gleichzeitig bei Gründung diesen weiteren Betrag der Gesellschaft zur Verfügung gestellt. Dieser Betrag sei in keiner Weise zweckgewidmet, jederzeit rückzahlbar und gewähre keine Gesellschafterrechte, insbesondere keine Genussrechte. Es handle sich auch um keinen sogenannten Zuschuss, da Zuschüsse die Eigenschaft hätten, dass sie endgültig in der Gesellschaft verbleiben und nicht rückzahlbar seien. Die Gesellschafter hätten aber nicht die Absicht, diese 9 Mio. € in der Gesellschaft zu belassen. Dies sei im Gesellschaftsvertrag ausdrücklich dadurch zum Ausdruck gebracht, dass der Betrag auf eine freie Rücklage verbucht worden sei.

Berufungsvorentscheidung

Am hat das Finanzamt die Berufung als unbegründet abgewiesen, weil auch das Agio als gesellschaftsrechtliche Nebenleistung der Gesellschaftssteuer unterliege. Es komme nicht darauf an, ob das Agio ein (eigenes) Gesellschaftsrecht begründe, da es Teil der Gegenleistung für den Ersterwerb der GmbH-Anteile sei. Nicht zuletzt sei ein Agio gemäß § 229 Abs. 2 Zif. 1 UGB von Gesetzes wegen als Kapitalrücklage auszuweisen und bilde somit Eigenkapital.

Vorlageantrag

Rechtzeitig am hat die Bw den Antrag gestellt, die Berufung der Abgabenbehörde II. Instanz zur Entscheidung vorzulegen. Das Agio sei keine Gegenleistung für die Gewährung der Gesellschafterrechte gewesen. Die Gesellschafter hätten sich über die Stammeinlage hinaus freiwillig verpflichtet, einen weiteren Betrag (vorübergehend) an die Gesellschaft zu leisten. Dieser Betrag soll so schnell wie möglich an die Gesellschafter rückgeführt werden, was auch möglich und von den Gesellschaftern gewollt sei, zumal diese Beträge einer freien Rücklage zugeführt worden seien. Dem Vertrag sei nicht zu entnehmen, dass die Gewährung des Gesellschaftsrechts von der Einzahlung des Agios abhängen würde. Ein derartiger Inhalt könne dem Vertrag nicht unterstellt werden. Jede andere Auslegung würde auch der Kapitalverkehrsrichtlinie widersprechen.

UFS Verfahren

In der am abgehaltenen mündlichen Berufungsverhandlung wurde ergänzend ausgeführt: Die Vertreterin der Abgabenbehörde I. Instanz hat vorgebracht, dass das Finanzamt im Firmenbuch Einsicht in sämtliche Urkunden und Jahresabschlüsse bis 2011 genommen habe, wo das Agio jeweils unter Kapitalrücklagen verbucht worden sei. Der Begriff freie Rücklage sei überdies ein historischer; in HGB und Rechnungslegungsgesetz werde nunmehr zwischen gebundenen und nicht gebundenen Kapitalrücklagen unterschieden. Bei Aktiengesellschaften, großen und mittleren GmbH´s sei das Agio zwingend auf gebundene Rücklagen zu verbuchen, sodass eine Ausschüttungssperre bestehe. Bei einer kleinen GmbH wie der Bw, sei das Agio auf nicht gebundene Kapitalrücklagen zu verbuchen; man könne den Betrag aber nicht wie bei einer Verbindlichkeit schlicht zurückzahlen, sondern zunächst sei die Rücklage aufzulösen und dann könne ein allfälliger Bilanzgewinn ausgeschüttet oder zur Abdeckung von Verlusten verwendet werden. Zunächst sei das Agio aber Eigenkapital und damit gesellschaftsrechtlich gebunden. Bei der Gesellschaftssteuerbemessungsgrundlage gehe es aber um den Wert der Gegenleistung, das sei Alles was der Gesellschafter leisten müsse, um das Gesellschaftsrecht zu erwerben. Aus dem Gesellschaftsvertrag ergäbe sich zweifelsfrei, dass die Gesellschafter die Stammeinlagen und das Agio einzuzahlen haben. Es habe die Verpflichtung bestanden, weshalb nicht bloß eine freiwillige Leistung vorgelegen sei. Nicht zuletzt habe das Agio wegen seiner Proportionalität zum Stammkapital keine Auswirkung auf die Gesellschaftsrechte gehabt. Der steuerliche Vertreter der Bw hat ausgeführt, es sollte nur eine Gesellschaft mit einem Stammkapital von 1 Mio. € gegründet werden. Um aber eine klassische Bankenfinanzierung für den Erwerb mehrerer Beteiligungen zu vermeiden, seien die Gesellschafter überdies übereingekommen, freiwillig vorübergehend weiteres Kapital zur Verfügung zu stellen. Dies sei ungebundenes Kapital gewesen und dementsprechend bilanziert gewesen. Die Bw habe als kleine GmbH einen größeren Spielraum bei seiner bilanziellen Gestaltung und die Gesellschafter könnten das Agio im Rahmen des Abschlusses wieder zurückführen, was auch in nächster Zeit erfolgen werde, da mittlerweile die Akquisitionen abgeschlossen seien. Das Agio sei daher keine zwingende Gegenleistung für die Übernahme der Gesellschaftsanteile gewesen, sondern ein Finanzierungsinstrument. Auf Nachfrage des Senates wurde festgestellt, dass bis dato keine Rückzahlungen erfolgt sind. Der Betrag von 9 Mio. € ist kontinuierlich als Kapitalrücklage vorhanden gewesen, obwohl es zwischenzeitlich schon Ausschüttungen aus dem Jahresgewinn gegeben hat. Die nicht gebundene Rücklage wurde dabei nicht aufgelöst, sondern stehen gelassen. Zum beträgt der Gewinnvortrag rd. 6 Mio. €.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 2 Zif. 1 Kapitalverkehrsteuergesetz (KVG) unterliegt der Gesellschaftsteuer der Erwerb von Gesellschaftsrechten an einer inländischen Kapitalgesellschaft durch den ersten Erwerber.

Auf Grund des § 7 Abs. 1 Zif. 1 lit. a KVG wird die Gesellschaftsteuer beim Erwerb von Gesellschaftsrechten (§ 2 Zif.1), wenn eine Gegenleistung zu bewirken ist, vom Wert der Gegenleistung berechnet. Zur Gegenleistung gehören auch die von den Gesellschaftern übernommenen Kosten der Gesellschaftsgründung oder Kapitalerhöhung, dagegen nicht die Gesellschaftssteuer, die für den Erwerb der Gesellschaftsrechte zu entrichten ist.

Im gegenständlichen Fall ist ausschließlich strittig, ob es sich beim vereinbarten Agio in Höhe von 9 Mio. € um eine Gegenleistung in diesem Sinne handelt.

Nach der innerstaatlichen Begriffsbestimmung gehört zur Gegenleistung alles, was der Erwerber tatsächlich für die Gesellschaftsrechte aufwenden muss, also zB auch Kosten der Gesellschaftsgründung. Zu den vom Erwerber übernommenen Kosten zählt auch das Agio (siehe Knörzer/Althuber, Gesellschaftsteuer, Kurzkommentar, Rz. 6 zu § 7 KVG). Das nationale Recht stellt nach dieser Begriffsbestimmung ausschließlich auf die im zeitlichen und kausalen Zusammenhang mit dem Erwerb von Gesellschaftsrechten vom Erwerber tatsächlich aufgewendeten Leistungen ab. Leistung ist grundsätzlich jedes Tun oder Unterlassen, das Gegenstand des Rechtsverkehrs sein kann. Die Leistung muss auf eine echte (einseitige) Kapitalzufuhr gerichtet sein und als Ausfluss der Gesellschaftereigenschaft als solcher durch den Gesellschafter in seiner Stellung als Anteilseigner erbracht werden. Der innere Beweggrund für die Leistung ist unerheblich. Leistungen die die Gesellschafter auf Grund einer im Gesellschaftsverhältnis begründeten Verpflichtung bewirken, unterliegen jedenfalls der Gesellschaftssteuer. Welche Verpflichtungen durch das Gesellschaftsverhältnis begründet werden, ergibt sich vornehmlich aus dem Gesellschaftsvertrag. Darin übernimmt der Gründungsgesellschafter gegenüber den anderen Gesellschaftern die Verpflichtung der Gesellschaft Werte zuzuführen (Egly/Klenk, Gesellschaftssteuerkommentar, insbesondere Rzn. 68, 72, 73, 79).

Unter einer Leistung ist das Verhalten des Schuldners zu verstehen, welches er aufgrund des Schuldverhältnisses zu setzen verpflichtet ist. Gegenleistung im hier vorliegenden Fall der Gründung einer GesmbH ist daher alles, was der zukünftige Gesellschafter dagegen zu leisten verspricht, dass er die Gesellschafterstellung erwirbt. In diesem Sinn haben sich die Gesellschafter gemäß der Textierung im konkreten Gesellschaftsvertrag der IH gegenüber anlässlich deren Gründung unbedingt verpflichtet, die Stammeinlage zuzüglich des Agio einzuzahlen. Es steht somit fest, dass die IH gar nicht entstanden wäre, wenn sich die Gründer nicht zur Leistung des Agios verpflichtet hätten.

Aus dem Gesellschaftsvertrag ergibt sich keine wie immer geartete Widmung, Einschränkung, Bedingung oder Befristung in Bezug auf das ausdrücklich als solches bezeichnete Agio. Dass es sich bei dem konkreten Agio um eine unbedingt zu leistende oder "korporative Überpariemission" und nicht um eine sonstige zusätzliche Zahlung (zB schuldrechtlicher Gesellschafterzuschuss) handelt, erhellt auch daraus, dass alle fünf Gesellschafter jeweils das Neunfache ihrer Stammeinlage als Agio zu leisten haben, damit sich die Beteiligungen an der Gesellschaft anteilsmäßig nicht verschieben. Gegen eine schuldrechtliche Zuzahlung spricht überdies die Regelung des Gesellschaftsvertrages, wonach ein allfälliger Abtretungspreis zuzüglich anteiliger Rücklagen festzusetzen ist; eine schuldrechtliche Überbindung des Agios ist daher nicht notwendig. Auch die Tatsache, dass das Agio, trotz erheblicher Gewinnausschüttungen, seit mittlerweile 6 Jahren unangetastet als Kapitalrücklage besteht, was den Jahresabschlüssen 2005 bis 2011 zu entnehmen ist, widerspricht dem Vorbringen der Bw, es sei bloß eine vorübergehende, kurzfristige Finanzierung beabsichtigt gewesen.

Bei der Auslegung des KVG ist überdies die Kapitalansammlungsrichtlinie (69/335/EWG) einschließlich der dazu ergangenen Rechtsprechung des EuGH zu beachten. Nach Art. 4 Abs. 1c Kapitalansammlungsrichtlinie (KapAnsR) unterliegt der Gesellschaftsteuer die Erhöhung des Kapitals einer Kapitalgesellschaft durch Einlagen jeder Art. Gemäß Art. 5 Abs. 1a KapAnsR wird die Steuer bei Gründung einer Kapitalgesellschaft erhoben auf dentatsächlichen Wert der von den Gesellschaftern geleisteten oder zu leistenden Einlagen jeder Art; in Österreich umgesetzt als "Wert der Gegenleistung".

Nach den Grundsätzen der KapAnsR sind der Gesellschaftsteuer Vorgänge zu unterwerfen, die einen rechtlichen Ausdruck einer Ansammlung von Kapital darstellen und die zur Verstärkung des Wirtschaftspotenzials der Gesellschaft beitragen. Da aber unbedenklich davon auszugehen ist, dass alle der Gesellschaft bei ihrer Gründung zufließenden liquiden Mittel dazu geeignet sind, das Wirtschaftspotential der Gesellschaft zu stärken, sind sie auch unbedenklich als Bemessungsgrundlage für die Gesellschaftsteuer heranzuziehen.

In diesem Zusammenhang ist insbesondere auf das , zu verweisen, wonach die Beurteilung, ob Einlagen Teil einer Kapitalerhöhung sind, nicht nach einer formalen, sondern anhand einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise, zu treffen ist. Nach diesem Urteil sind schon für die Kapitalerhöhung unabdingbare Leistungen Dritter Teil der Gegenleistung. Umso mehr müssen bei sinngemäßer Anwendung unabdingbare Leistungen der Gründungsgesellschafter zur Gegenleistung zählen. Beim gegenständlichen Agio handelt es sich eindeutig um einen unabdingbaren Teil der Gesellschaftsgründung und somit jedenfalls um eine Gegenleistung für den Erwerb der Beteiligungen anlässlich der Gründung.

Nicht zuletzt ist dem Berufungsvorbringen, das Agio sei auf freie Rücklage zu verbuchen gewesen und gewähre keine Gesellschafterrechte, entgegenzuhalten: Die herrschende Lehre in Deutschland vertritt die Auffassung, dass bei Vorliegen eines zeitlichen und sachlichen Zusammenhanges mit einer Kapitalerhöhung (hier: Gründung) auch schuldrechtliche Gesellschafterzuschüsse zwingend in gebundene Kapitalrücklagen einzustellen sind. Davon abgesehen sind auch "freie" Rücklagen jedenfalls Teil des Eigenkapitals und sind daher die zu ihrer Bildung notwendigen Mittel, sofern sie bei Gründung von den Gesellschaftern geleistet werden, als Einlage jeder Art zu verstehen. Sie dienen als Kapitalreserve für das Unternehmen und verstärken so das Wirtschaftspotential der Gesellschaft. Für die Beurteilung, was gesellschaftssteuerpflichtige Gegenleistung ist, kommt es weder auf die Verbuchung noch auf die Rückzahlbarkeit des Agios an.

Das Aufgeld gehört somit in voller Höhe zur Gegenleistung. Das Finanzamt hat die Gesellschaftssteuer zu Recht gemäß § 201 BAO mit 100.000,00 € festgesetzt, weil sich die Selbstberechnung der Bw als nicht richtig erwiesen hat.

Die Berufung war daher als unbegründet abzuweisen.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 7 Abs. 1 Z 1 lit. a KVG, Kapitalverkehrsteuergesetz, dRGBl. I S 1058/1934
Art. 5 Abs. 1 lit. a Kapitalansammlungs-RL, RL 69/335/EWG, ABl. Nr. L 249 vom S. 25
Zitiert/besprochen in
StExp 2013/209

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
RAAAD-05237