Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 07.09.2007, RV/2243-W/06

Abweisung eines Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens mangels neu hervorgekommener Tatsachen


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Miterledigte GZ:
RV/2244-W/06
RV/2245-W/06

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufungen des Bw, gegen die Bescheide des Finanzamtes X vom betreffend Abweisung der Anträge auf Wiederaufnahme der Umsatzsteuerverfahren gemäß § 303 BAO für die Jahre 1993 bis 1995 (Wiederaufnahmsanträge vom bzw. ) entschieden:

Die Berufungen werden als unbegründet abgewiesen.

Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheiden vom , bzw. setzte das Finanzamt die Umsatzsteuer für die Jahre 1993, 1994 und 1995 fest.

Die Umsatzsteuerfestsetzungen erfolgten unter Zugrundelegung der Feststellungen einer abgabenbehördlichen Prüfung.

Nach den Ausführungen im Betriebsprüfungsbericht wurden auf Grund festgestellter schwerwiegender Mängel der Buchführung bzw. der Aufzeichnungen (im Prüfungszeitraum wurden unter anderem Einnahmen in Höhe von 158.992,50 S (1993), 182.257,50 S (1994) und 162.511,67 S (1995) nicht erklärt, wobei seitens des Abgabepflichtigen eine Selbstanzeige erfolgte, die einen Teil der nicht erklärten Einnahmen zum Inhalt hatte) den Umsätzen Sicherheitszuschläge in Höhe von 160.000 S (1993), 180.000 S (1994) bzw. 170.000 S (1995) hinzugerechnet.

Über die vom Berufungswerber unter anderem wegen dieser Sicherheitszuschläge erhobenen Berufungen wurde mit Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , RV/304-15/05/98, entschieden, wobei die Höhe der von der Betriebsprüfung angesetzten Sicherheitszuschläge von der Berufungsbehörde überprüft und bestätigt wurde.

Mit drei Eingaben vom bzw. brachte der Berufungswerber Anträge auf Wiederaufnahme der Umsatzsteuerverfahren für 1993, 1994 und 1995 beim Finanzamt ein.

Er führte in diesen - im Wesentlichen gleichlautenden - Anträgen aus, sein Betrieb sei zu keinem Zeitpunkt der Finanzbehörde gegenüber irgendeine Steuer oder Abgabe schuldig gewesen. Dies beträfe auch die Umsatzsteuer, die sein Betrieb stets pünktlich bezahlt habe.

Es sei Tatsache, dass er die von der Finanzbehörde den Bemessungsgrundlagen der Jahre 1993, 1994 und 1995 hinzugerechneten Umsätze in Höhe von 160.000 S (1993), 180.000 S (1994) bzw. 170.000 S (1995) nie getätigt habe. Für diese Umsätze seien von der Betriebsprüfung weder Aufträge ermittelt noch an Kunden erbrachte Leistungen, von Kunden erhaltene Zahlungen oder Ansprüche auf Zahlungen festgestellt worden. Heute, neun Jahre später, müsse davon ausgegangen werden, dass allfällige Ansprüche an Kunden bereits verjährt seien.

Da er die hinzugerechneten Umsätze in Höhe von 160.000 S (1993), 180.000 S (1994) bzw. 170.000 S (1995) nicht getätigt habe, beantrage er, die Umsatzsteuerverfahren für 1993, 1994 und 1995 wieder aufzunehmen und die diesbezüglichen Umsatzsteuerbelastungen aufzuheben.

Mit Bescheid (Mängelbehebungsauftrag) vom forderte das Finanzamt den Berufungswerber auf, die den Eingaben vom und anhaftenden Mängel (Fehlen der Angaben, die zur Beurteilung der Rechtzeitigkeit der Wiederaufnahmsanträge notwendig seien; auf die nach § 303 Abs. 2 BAO einzuhaltende Frist von drei Monaten ab Kenntnis des Wiederaufnahmsgrundes wurde zugleich hingewiesen) bis zum zu beheben.

Der Berufungswerber führte in drei - im Wesentlichen gleichlautenden - Schriftsätzen vom zur Rechtzeitigkeit der Wiederaufnahmsanträge aus, er habe erst innerhalb eines Zeitraumes von drei Monaten vor Stellung dieser Anträge nachweislich vom Wiederaufnahmsgrund Kenntnis erlangt. Dies deswegen, weil er eine genaue Überprüfung der Umsatzleistung des Unternehmens in den Jahren 1993, 1994 und 1995 erst in den Monaten August, September und Oktober 2005 vorgenommen habe. Der Wiederaufnahmsgrund sei zu dem Zeitpunkt gegeben gewesen, zu dem seine Ermittlungen abgeschlossen waren. Dies sei im Oktober 2005 der Fall gewesen, so dass die Anträge vom und formuliert werden konnten. Da er auf die Ermittlung der Wiederaufnahmsgründe in einem Zeitraum von weniger als drei Monaten hingearbeitet habe, seien die Wiederaufnahmsanträge rechtzeitig.

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt die Wiederaufnahmsanträge vom bzw. mit der Begründung ab, den Eingaben läge kein tauglicher Wiederaufnahmsgrund zugrunde. Die Überprüfung im Jahr 2005 stelle keine neu hervorgekommene Tatsache und somit keinen Wiederaufnahmsgrund dar.

Gegen den Bescheid vom erhob der Berufungswerber form- und fristgerecht Berufungen.

Über die Berufungen wurde erwogen:

Gemäß § 303 Abs. 1 BAO ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und

a) der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist, oder

b) Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren ohne grobes Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten, oder

c) der Bescheid von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde

und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Eine Wiederaufnahme der Verfahren nach § 303 Abs. 1 lit. a oder c BAO scheidet im gegenständlichen Fall von vornherein aus. In Betracht käme nur eine Wiederaufnahme nach § 303 Abs. 1 lit. b BAO auf Grund neu hervorgekommener Tatsachen oder Beweismittel.

Tatsachen im Sinne des § 303 Abs. 1 lit. b BAO sind ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände, etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen, Eigenschaften (vgl. zB ; ; ).

Solche Tatsachen sind zB der Zufluss von Betriebseinnahmen, getätigte Betriebsausgaben, das Unterbleiben von Aufzeichnungen und der Mangel der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung (vgl. Ritz, Bundesabgabenordnung, Kommentar, 3. Auflage, Wien 2005, Tz 8 zu § 303 BAO, sowie die dort angeführte Judikatur).

Keine Wiederaufnahmsgründe (keine Tatsachen) sind hingegen neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung von Sachverhaltselementen, gleichgültig, ob die späteren rechtlichen Erkenntnisse durch die Änderung der Verwaltungspraxis oder Rechtsprechung oder nach vorhergehender Fehlbeurteilung oder Unkenntnis der Gesetzeslage eigenständig gewonnen werden (vgl. ; ), Entscheidungen von Gerichten oder Verwaltungsbehörden (vgl. ; ; -0289), Hervorkommen von Rechtsirrtümern (), höchstgerichtliche Erkenntnisse (vgl. -0279; ).

Als Beweismittel im Sinne des § 303 Abs. 1 lit. b BAO können etwa Urkunden und Aufzeichnungen neu hervorkommen. Ein neu hervorgekommenes Beweismittel kann weiters eine Zeugenaussage darstellen. Keine Beweismittel sind zB Entscheidungen von Gerichten oder Verwaltungsbehörden (vgl. Ritz, Bundesabgabenordnung, Kommentar, 3. Auflage, Wien 2005, Tz 11-12 zu § 303 BAO, sowie die dort angeführte Judikatur).

Eine Wiederaufnahme auf Grund des Neuerungstatbestandes ist ausgeschlossen, wenn der Abgabenbehörde in dem durch Bescheid abgeschlossenen Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung gelangen hätte können (vgl. zB ; ; ).

Entgegen den Berufungsausführungen ist somit nicht der Kenntnisstand der Partei, sondern ausschließlich die behördliche Kenntnis der abgabenrechtlich bedeutsamen Tatsachen maßgebend.

Waren bestimmte Umstände im betreffenden Verfahren der Behörde bekannt, hat sie diese Umstände jedoch für unwesentlich gehalten, so sind solche Umstände keine Wiederaufnahmsgründe ().

Die Anwendung eines Sicherheitszuschlages gehört zu den Elementen einer Schätzung (vgl. ; ; , 0060, 0061; ). Diese Schätzungsmethode geht davon aus, dass es bei mangelhaften Aufzeichnungen wahrscheinlich ist, dass nicht nur nachgewiesenermaßen nicht verbuchte Vorgänge, sondern auch weitere Vorgänge nicht aufgezeichnet wurden (vgl. ; ; ; , 0106).

Die Verhängung eines Sicherheitszuschlages setzt somit nicht voraus, dass Umsätze in Höhe des Sicherheitszuschlages von der Abgabenbehörde nachgewiesen werden. Ebensowenig ist Voraussetzung für diese Schätzungsmethode, dass erteilte Aufträge, an Kunden erbrachte Leistungen, von Kunden erhaltene Zahlungen oder Forderungen in der hinzugeschätzten Höhe von der Betriebsprüfung exakt nachgewiesen werden.

Die Behauptung, dass die von der Abgabenbehörde hinzugeschätzten Umsätze nicht getätigt wurden, ist daher keine Tatsache im Sinne des § 303 BAO. Eine solche Behauptung ist auch kein Beweismittel im Sinne des § 303 BAO.

Da somit die gesetzlichen Voraussetzungen für die vom Berufungswerber beantragte Wiederaufnahme der Umsatzsteuerverfahren für 1993, 1994 und 1995 nicht vorliegen, wurden die Wiederaufnahmsanträge vom und zu Recht abgewiesen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Wiederaufnahme
Wiederaufnahmsgründe
neu hervorgekommene Tatsachen

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