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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 12.05.2010, RV/3320-W/09

Doppelte Haushaltsführung - Zumutbarkeit der täglichen Heimfahrt (Entfernung ca. 96 km)

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vom gegen die Bescheide des Finanzamtes für den 12., 13. und 14. Bezirk und Purkersdorf vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für den Zeitraum 2007 bis 2008 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber (Bw.) arbeitet als Manager in Österreich und ist Student an der Wirtschaftsuniversität in Wien. Im Rahmen der Erklärung zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für die Jahre 2007 und 2008 wurde die Anerkennung von Werbungskosten im Zusammenhang mit den Wohnungskosten in Österreich und Familienheimfahrten nach B. iHv. €°5.048,91 und € 5.972,09 (lt. Erklärung über 120 km) beantragt.

Im Zuge des Vorhalteverfahrens wurde ergänzend ausgeführt, das der Bw. mit der Freundin in der Wohnung des Bw. in B wohne, welche auch in Bratislava arbeiten würde. Der Bw. arbeite in Wien und sei das Pendeln unzumutbar, da die Arbeitsstätte im Westen Wiens liege und daher ein Anfahrtszeitraum von mehr als 2 Stunden notwendig wäre. Der Bw. hätte daher eine kleine Wohnung von 29 m² ca. 10 Minuten von der Arbeitsstelle bezogen und würde nur wöchentlich nach Hause fahren. Der Bw. beantrage daher im Zeitraum 2007 die Anerkennung der Wohnungskosten von € 195,- (8 Monate) bzw. € 205,- (4 Monate) sowie Strom und Gas in Höhe von € 50 für 9/2007 bzw. € 400,- jährlich. Die Fahrtkosten von Wien nach Bratislava würden unter Heranziehung der Kosten der ÖBB rund € 608,8, die Wohnungseinrichtung iHv. € 880,53 sowie Bettwäsche iHv. € 53,8, Licht € 4,5, Bett, Modem Polster und Sofa in Höhe von gesamt € 822,32 betragen. Für das Jahr 2008 wurden entsprechend Aufwendungen in Höhe von gesamt € 2.396,- (Miete), Strom € 454,5, Fahrtkosten von € 608,8 und Wohnungseinrichtung von € 458,38 sowie Vermittlung von €°917,96 geltend gemacht.

Mit Einkommensteuerveranlagungen (Arbeitnehmerveranlagung) vom wurden die geltend gemachten Werbungskosten nicht anerkannt. Begründend wurde ausgeführt, dass mangels Nachweis der Studienausbildung, Einkommens- und Meldenachweis der Partnerin über den gemeinsamen Haushalt sowie Mietvertrag in Österreich die geltend gemachten Aufwendungen nicht anerkannt werden konnten.

Mit Eingabe vom erhob der Bw. fristgerecht Berufung und legte den Einkommensnachweis 2007 seiner Freundin in der Slowakei sowie einen Grundbuchsauszug betreffend die Wohnung in B zum Nachweis vor. In der Folge legte der Bw. eine Bestätigung des Einkommens für das Jahr 2008 Sk 179.642,- (€ 5.963,11) vor.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass Aufwendungen durch die beruflich veranlasste Begründung eines eigenen Haushalts an einem außerhalb des Familienwohnsitzes gelegenen Beschäftigungsort nur dann absetzbar sind, wenn der Familienwohnsitz vom Beschäftigungsort so weit entfernt ist, dass eine tägliche Rückkehr nicht zugemutet werden kann. Unzumutbarkeit der täglichen Rückkehr ist jedoch nur dann anzunehmen, wenn der Familienwohnsitz vom Beschäftigungsort mehr als 120 km entfernt ist. Lt. Erhebungen des Finanzamtes würde die Fahrtstrecke zwischen Familienwohnsitz und Arbeitsstätte nur 96 km betragen und daher nicht als Familienheimfahrten und doppelte Haushaltsführung anzuerkennen sein.

Im Rahmen des Vorlageantrages der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz wird ergänzt, dass die tägliche Rückkehr des Bw. an den Familienwohnsitz nicht zugemutet werden könnte, da diese mindestens 2 Stunden benötige. Mit dem Kfz würde über die Route Westeinfahrt, Grünbergstraße und Altmannsdorfer Straße mindestens 40 Minuten innerhalb der Stadt und 15 Minuten über die S1 sowie 1 Stunde über die überlastete A4 benötigt, abgesehen von Stausituationen. In B würden weiters noch mindestens 15 bis 25 Minuten mit dem Bus notwendig sein, ebenso in Wien. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln würden sich durchschnittlich 141 Minuten bzw. 2 Stunden und 21 Minuten die einfache Fahrt ergeben, somit rund 5 Stunden täglich bei täglichen Pendeln und sei dies unzumutbar.

Über die Berufung wurde erwogen:

Rechtlage: Gemäß § 16 Abs. 1 erster Satz EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Werbungskosten sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind.

Gemäß § 20 Abs. 1 EStG 1988 dürfen bei den einzelnen Einkünften u.a. die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge nicht abgezogen werden.

Wenn dem Arbeitnehmer Mehraufwendungen erwachsen, weil er am Beschäftigungsort wohnen muss und die Verlegung des (Familien-) Wohnsitzes in eine übliche Entfernung zum Ort der Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann, sind diese Mehraufwendungen Werbungskosten iSd § 16 Abs. 1 EStG 1988.

Unter "doppelter Haushaltsführung" sind folglich jene Aufwendungen zu verstehen, die dem Steuerpflichtigen durch die beruflich veranlasste Begründung eines eigenen Haushaltes an einem außerhalb des Familienwohnsitzes gelegenen Beschäftigungsortes erwachsen. Die Begründung eines eigenen Haushaltes am Beschäftigungsort ist beruflich veranlasst, wenn der Familienwohnsitz des Steuerpflichtigen

vom Beschäftigungsort so weit entfernt ist, dass ihm eine tägliche Rückkehr nicht zugemutet werden kann und entweder

die Beibehaltung des Familienwohnsitzes außerhalb des Beschäftigungsortes nicht privat veranlasst ist oder

die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort nicht zugemutet werden kann. Dies ist zB bei einer ständig wechselnden Arbeitsstätte der Fall oder dann, wenn von vornherein mit Gewissheit anzunehmen ist, dass die auswärtige Tätigkeit mit bis zu vier oder fünf Jahren befristet ist ( Zl 95/14/0124).

Unzumutbarkeit der täglichen Rückkehr ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn der Familienwohnsitz vom Beschäftigungsort mehr als 120 km entfernt ist. In begründeten Einzelfällen kann auch bei einer kürzeren Wegstrecke Unzumutbarkeit anzunehmen sein.

Nach den in der Verwaltungspraxis zum Themenkomplex der Zumutbarkeit der täglichen Rückkehr entwickelten Prinzipen ist davon auszugehen, dass diese ab einer Entfernung von mehr als 120 km jedenfalls als nicht mehr gegeben zu erachten ist. Ungeachtet dessen kann in begründeten Einzelfällen, wie beispielsweise bei schwierigem Gelände, bzw. schlechten Straßen auch bei einer kürzeren Wegstrecke Unzumutbarkeit der Rückkehr vorliegen (in diesem Sinne ; Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, § 16 Tz 102 "Doppelte Haushaltsführung").

Nach der Aktenlage und den durchgeführten Erhebungen liegt der Entscheidung folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Bw. ist slowakischer Staatsbürger, ledig und in den Streitjahren 2007 und 2008 durchgehend beim selben Arbeitgeber in Österreich beschäftigt. Die Freundin des Bw. ist in der Slowakei beschäftigt und bezog in den Streitjahren 2007 und 2008 Einkünfte iHv. rund € 6.000,-. Der Familienwohnsitz des Bw. ist von seinem Beschäftigungsort (laut Routenplaner www.de.map24) 92km und einer Fahrzeit von 1 Stunde und 13 Minuten entfernt (Angabe des Bw. über 120km). Der Bw. bewohnt bzw. bewohnte von Montag bis Freitag ein kleine Wohnung von ca. 30 m² in P. bzw. W., in der Nähe seiner Arbeitsstelle. Lt. Angaben des Bw. liegt eine Meldung der Freundin am Wohnsitz in B nicht vor.

Im Folgenden ist zu beurteilen, ob die Voraussetzungen für eine doppelte Haushaltsführung gegeben sind und somit die Kosten der Wohnung sowie monatlichen Familienheimfahrten als Werbungskosten zu gewähren sind oder nicht.

Wie bereits ausgeführt, können die Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung dann als Werbungskosten abgezogen werden, wenn sich der Familienwohnsitz in einer solchen Entfernung zum Arbeitsort befindet, dass eine tägliche Rückkehr zum Familienwohnsitz nicht zumutbar ist. Dazu wird in der Literatur (vgl. Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer, Kommentar, § 16 Abs. 1 Z 6; Tz 3; Doralt, Einkommensteuer-Gesetz, Kommentar, 4. Auflage, § 4, Tz 348, aber auch ) in Anlehnung an die Verwaltungspraxis die Ansicht vertreten, dass bei einer Entfernung von 120 km zwischen Wohnort und Arbeitsort eine tägliche Rückkehr jedenfalls unzumutbar ist. In begründeten Ausnahmefällen - z.B. schlechte Straßen - ist unter Umständen auch bei kürzerer Entfernung die tägliche Rückkehr unzumutbar (vgl. Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, § 16 Tz 102, "Doppelte Haushaltsführung").

Im gegenständlichen Fall beträgt die Wegstrecke zwischen dem Familienwohnsitz und der Arbeitstätte ca. 92 km; für diese Strecke benötigt man laut Routenplaner www.de.map24 eine Fahrzeit von 1 Stunde und 13 Minuten; die Wegstrecke zwischen dem Familienwohnsitz und der Wohnsitz in den Jahren 2007/2008 in Wien ca. 100 km; für diese Strecke benötigt man laut Routenplaner www.de.map24 eine Fahrzeit von 1 Stunde und 19 Minuten; die Wegstrecke zwischen dem Familienwohnsitz und Wohnsitz im Zeitraum 1-9/2007 ca. 85km; für diese Strecke benötigt man laut Routenplaner www.de.map24 eine Fahrzeit von 1 Stunde und 2 Minuten. Die nach der Verwaltungspraxis angenommene Entfernung von 120 km zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, ab der eine tägliche Rückkehr nicht mehr zumutbar ist, wird im gegenständlichen Fall erheblich unterschritten. Auch liegen keine außergewöhnlichen Straßenverhältnisse vor, die die tägliche Bewältigung dieser Strecke unzumutbar erscheinen lassen. Der Bw. bemängelt im Vorlageantrag, dass die tägliche Rückkehr des Bw. an den Familienwohnsitz nicht zugemutet werden könnte, da diese mindestens 2 Stunden benötige. Mit dem Kfz würde über die Route Westeinfahrt, Grünbergstraße und Altmannsdorfer Straße mindestens 40 Minuten innerhalb der Stadt und 15 Minuten über die S1 sowie 1 Stunde über die überlastete A4 benötigt, abgesehen von Stausituationen. In B würden weiters noch mindestens 15 bis 25 Minuten mit dem Bus notwendig sein, ebenso in Wien. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln würden sich darüber hinaus durchschnittlich 140 Minuten die einfache Fahrt ergeben, somit rund 5 Stunden täglich bei täglichen Pendeln und sei dies unzumutbar. Was die Fahrtstrecke zwischen der Arbeitsstelle in W. und dem Familienwohnsitz anlangt, so ist festzuhalten, dass der Bw. eine Fahrtstrecke von 120 km behauptet, für die überhaupt keine Grundlage erkennbar wird. Im Verfahrensverlauf behauptet der Bw. weiters eine Fahrtdauer von mindestens 2 Stunden. Diese längere Fahrdauer erscheint in Hinblick auf die kürzeste von den Routenplanern ermittelte Strecke zweifelhaft.

Betreffend die Ausführungen des Bw. - wonach bei fiktiver Benützung des öffentlichen Verkehrsmittels eine Fahrzeit von mindestens rund 2 Stunden und 21 Minuten benötigt würden - vermag sich der Unabhängige Finanzsenat nicht anzuschließen, da vom Bw. tatsächlich das Kfz benützt wird. Folgte man diesen Ausführungen, so hätten wohl fast alle Steuerpflichtigen, die in großstädtischen Ballungsräumen unterwegs sind Anspruch auf ein großes Pendlerpauschale, obwohl sie deutlich weniger Kilometer als gesetzlich vorgesehen zurücklegen. Eine derartige Interpretation des Begriffes Fahrtstrecke ist nach Ansicht des Unabhängigen Finanzsenates weder dem Gesetz noch der Judikatur zu entnehmen.

Damit erscheinen die Ausführungen des Bw. unlogisch und mit den Erfahrungen des täglichen Lebens unvereinbar. Es erscheint vielmehr logisch und nachvollziehbar, dass die von beiden Routenplanern übereinstimmend empfohlene Strecke tatsächlich die schnellste und vernünftiger Weise gewählte ist. Die veranschlagte Fahrtdauer ist auch wesentlich kürzer (um 60 bzw. 45 Minuten) als auf der vom Bw. angeblich befahrenen Strecke (Fahrdauer 2 h). Allerdings handelt es sich eben um eine bloße Behauptung, für deren Richtigkeit es keinerlei Anhaltspunkte gibt.

Insgesamt kommt der Unabhängige Finanzsenat zum Ergebnis, dass zwischen der Arbeitsstelle des Bw. und seinem Familienwohnsitz eine Fahrtstrecke von ca. 92km liegt, die nachvollziehbar in einer Zeit von 1 h 13 bewältigt werden kann, weshalb eine tägliche Heimfahrt nicht als unzumutbar anzusehen ist.

Den geltend gemachten Kosten für Familienheimfahrten und doppelte Haushaltsführung waren daher die Abzugsfähigkeit als Werbungskosten zu versagen.

Unter Berücksichtigung oben genannter Grundsätze wurde auch in zahlreichen Entscheidungen des Unabhängigen Finanzsenates die tägliche Rückkehr als zumutbar erachtet. Im Folgenden exemplarisch einige Entscheidungen: - : 100 km; Fahrtzeit 1:10 - : 99 km; Fahrzeit 1:28 bis 1:39 - UFSI vom , RV/0474-I/04: 92 km; Fahrzeit 1:02 bis 1:16

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden

Wien, am

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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Familienheimfahrten
doppelte Haushaltsführung
Routenplaner

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at