Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSG vom 27.09.2006, RV/0657-G/05

Strittig ist, wie der Nachweis des Gleichbehandlungsgrundsatzes zu erbringen ist und welche Auswirkungen er hinsichtlich einzelner Abgaben entfaltet.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vertreten durch StB., vom gegen den Bescheid des Finanzamtes X. vom betreffend Haftungsbescheid gemäß § 9 iVm § 80 BAO im Beisein der Schriftführerin Y. nach der am in 8018 Graz, Conrad von Hötzendorf-Straße 14-18, durchgeführten Berufungsverhandlung entschieden:

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert. Der Haftungsbetrag wird mit 67.796,90 € festgesetzt.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Abgaben sind dem Ende der folgenden Entscheidungsgründe den als Beilage angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.

Entscheidungsgründe

Im angefochtenen Bescheid wurde der Bw. als Geschäftsführer der GmbH für Abgabenschuldigkeiten in folgender Höhe gemäß § 9 in Verbindung mit § 80 BAO in Anspruch genommen:


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Abgabenart
Zeitraum
Betrag in EURO
Umsatzsteuer
07-12/2003
21.024,60
Umsatzsteuer
01-12/2004
48.343,76
Umsatzsteuer
01-02/2005
9.899,93
Lohnsteuer
10-12/2002
3.988,85
Lohnsteuer
01-12/2003
18.775,66
Lohnsteuer
01-12/2004
18.204,27
Lohnsteuer
01-04/2005
14.533,81
Dienstgeberbeitrag
07-12/2002
2.111,24
Dienstgeberbeitrag
01-12/2003
7.403,91
Dienstgeberbeitrag
01-12/2004
7.814,32
Dienstgeberbeitrag
01-04/2005
2.950,52
Zuschlag zum DB
07-12/2002
234,31
Zuschlag zum DB
01-12/2003
756,85
Zuschlag zum DB
01-12/2004
764,06
Zuschlag zum DB
01-04/2005
275,39
Summe
 
157.081,48

In seiner Begründung verwies das Finanzamt auf die oa. Gesetzesbestimmungen und den grundsätzlich anzuwendenden Gleichbehandlungsgrundsatz. Hinsichtlich der abzuführenden Lohnsteuer habe der Arbeitgeber dann, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen Arbeitslohnes nicht ausreichen, die Lohnsteuer vom tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten. Der Einrede der nicht ausreichenden Mittel sei somit bereits materiell-rechtlich der Weg abgeschnitten, weil die Lohnsteuer vom entsprechend niedrigeren Betrag zu berechnen ist. Die Unterlassung der Abfuhr der Lohnsteuer kann mit dem Nachweis nicht ausreichender Mittel nicht als unverschuldete Pflichtverletzung gewertet werden.

In seiner Berufung gegen den Haftungsbescheid bemängelte der Bw., der Grundsatz der haftungsbegrenzenden anteiligen Tilgung sei in keiner Weise berücksichtigt worden und der verantwortliche Geschäftsführer habe selbst den Konkursantrag über das Vermögen der GmbH gestellt. Da der Bescheid eine falsche Steuernummer aufweise, sei von einem Nichtbescheid auszugehen.

Mit Vorhalt vom forderte das Finanzamt den Bw. auf, die Gründe, die zur Unterlassung der Abgabenentrichtung geführt haben, bekannt zu geben, alle Kassenein- und Ausgänge seit der Entstehung des Abgabenrückstandes darzustellen, die Gesamtschulden der Gesellschaft den verfügbaren Mitteln den einzelnen Fälligkeits- bzw. Zahlungstagen gegenüber zu stellen und diese Gegenüberstellung dem Finanzamt zu unterbreiten und falls von der Gesellschaft in Rechnung gestellte Umsatzsteuerbeträge nicht vereinnahmt worden sind, die Höhe der gegenwärtig bestehenden Umsatzsteuerforderungen, die Gründe für die Uneinbringlichkeit sowie die Namen und Anschriften der Schuldner mitzuteilen. Weiters sei für die Klärung der Frage, ob eine Gläubigerbegünstigung vorliege oder nicht, die Entrichtung der Verbindlichkeiten in Form einer Geldflussrechnung für den Zeitraum 7/2003 bis 4/2005 erforderlich darzustellen.

In seiner Vorhaltsbeantwortung vom gelangte der Bw. ausgehend vom Zeitraum Juli 2003 bis April 2005 auf einen um 35.858,34 € reduzierten Haftungsbetrag. Dies erfolgte in der Weise, dass einerseits die Abgaben L, DB, DZ 7-12/2002 und 1-5/2003 ausgeblendet und andererseits Zahlungen vom in Höhe von 9.428,86 € als auf die Haftungsschuld anrechenbar dargestellt wurde, obwohl mit dieser Zahlung restliche Schuldigkeiten aus der U 4/2003 entrichtet wurden. Ähnlich verhält es sich bei der Zahlung vom in Höhe von 4.887,74 €, womit die U 5/2003 in Höhe von 1.313,50 €, K 7-9/2003 in Höhe von 272,00 € und die U 6/2003 in Höhe von 3.302,24 € bezahlt wurden. Mit der Zahlung vom wurde die U 9/2003 zur Gänze entrichtet, während die Zahlung vom in Höhe von 56,65 € auf die L 7/2002 angerechnet wurde. Am erfolgte wiederum eine Zahlung in Höhe von 2.406,01 €, die für die Selbstbemessungsabgaben L 8/2004 in Höhe von 1.693,17 €, DB 8/2004 in Höhe von 649,35 € und DZ 8/2004 in Höhe von 63,49 € verrechnet wurden. In diesem Zusammenhang soll an dieser Stelle angemerkt werden, dass sämtliche ins Treffen geführten Zahlungen zur Tilgung von Abgabenschuldigkeiten verwendet wurden, für die der Bw. gar nicht in Anspruch genommen wurde.

Nach Ansicht des Bw. sei eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht gegeben, wenn sich die offenen Abgabenschulden zum Verhältnis der offenen Verbindlichkeiten analog verhielten. Im Übrigen sei aus seinen Aufstellungen ersichtlich, dass er die Abgabenschulden nicht schlechter als die übrigen Schulden behandelt habe. In der Beilage wurden monatsweise die Verbindlichkeiten zum Ersten des Monats, die Zugänge, die Zahlungen und die Verbindlichkeiten zum Letzten des Monats für die Zeit von Juli 2003 bis März 2005 aufgelistet.

In seiner Berufungsvorentscheidung führte das Finanzamt aus, es sei Sache des Vertreters der GmbH eindeutig darzustellen, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die angefallenen Abgaben nicht entrichtet wurden, weshalb im Falle des Nichtantretens dieses Nachweises, eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf. Zur oben erwähnten Vorhaltsbeantwortung vom wies er darauf hin, es gehöre zu den abgabenrechtlichen Verpflichtungen dafür zu sorgen, dass die Abgaben ordnungsgemäß und rechtzeitig entrichtet werden. Diese Verpflichtung beschränke sich auf die Verwaltung der dem Vertreter obliegenden und zur Verfügung stehenden Mittel. Stehen diesem bezogen auf den Fälligkeitszeitpunkt keine ausreichenden Mittel zur Verfügung, dürfe er die Abgabenschulden im Vergleich zur Summe der anderen Verbindlichkeiten nicht schlechter behandeln und müsse diese zumindest anteilig erfüllen (Gleichbehandlungsgrundsatz), wobei die Bezahlung laufender Kosten, neu eingegangener Verbindlichkeiten, Sozialversicherungsabgaben ohne gleichzeitige anteilige Begleichung der Abgabenschulden gegen diesen Grundsatz verstoßen. Eine Ausnahme vom Gleichbehandlungsgrundsatz gelte für den Lohnsteuerabzug, denn die auf ausbezahlte Löhne entfallende Lohnsteuer sei in jedem Fall zur Gänze abzuführen. Die Entwicklung der Gesamtschulden bedeute im haftungsrelevanten Zeitraum einen Zuwachs von 114%, während die Abgabenschuldigkeiten einen solchen von 421% erfuhren. Im Übrigen erwähnte das Finanzamt, der Konkursantrag sei bereits von der Finanzverwaltung am und nicht durch einen Eigenantrag der gemeinschuldnerischen GmbH gestellt worden.

In seinem fristgerecht überreichten Vorlageantrag verwies der Bw. auf ein anhängiges Zivilverfahren gegen einen Sachverständigen einer Versicherung, der ihn geschädigt und vorhandene Unternehmenssubstanzen nachteilig vernichtet habe. Weiters sei eine Würdigung der bisherigen abgabenrechtlichen Verfolgung des Bw. in keiner Weise vollzogen worden. Im Übrigen sei die Abgabenbehörde auf diese Vorbringen nicht eingegangen. Es sei ihm daher nicht vorzuwerfen, seinen abgabenrechtlichen Pflichten nicht zur Gänze nachgekommen zu sein. Auf Grundlage der bereits übermittelten Werte für den haftungsrelevanten Zeitraum betrage die Haftungsquote 19,09%. Diese ergebe sich aus dem Anteil der gesamten Zahlungen zu den gesamten Verbindlichkeiten, abzüglich der bisher bezahlten Finanzamtsquote, daher müsste diese Quote auf die vom Bw. selbst ermittelte eingangs erwähnte Bemessungsgrundlage von 121.223,14 € angewendet werden.

Mit Vorlagebericht wurde die Berufung - ohne weiteres Eingehen auf den Vorlageantrag - dem unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vorgelegt.

In einem Vorhalt ersuchte der unabhängige Finanzsenat den Bw. weitere Unterlagen vorzulegen und insbesondere Schuldenaufstellungen zum jeweiligen Fälligkeitstag zu erstellen sowie einige Unstimmigkeiten seiner Berechnungen zu erläutern. Insbesondere blieben Abgaben aus älteren Zeiträumen unberücksichtigt, und es wurden nicht näher nachvollziehbare Verrechnungen mit der Bemessungsgrundlage der Haftungsschuld vorgenommen. Weiters war der Berechnungsprozentsatz der ermittelten Haftungsquote unklar.

Laut Auskunft der Masseverwalterin sei mit keiner über 10% liegenden Befriedigung der allgemeinen Gläubiger zu rechnen.

In der mündlichen Verhandlung erklärte der steuerliche Vertreter, die haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten seien durch umfangreiche Verfolgungshandlungen resultierend aus einer anonymen Anzeige zu Stande gekommen. Durch direkte Erhebungen bei Versicherungen hätten diese ihre Aufträge an den Bw. eingestellt und somit das erfolgreiche wirtschaftliche Handeln und Begleichen der Schulden vereitelt. Auf Grund der schlechten wirtschaftlichen Situation sei es dem Bw. nicht möglich umfangreiche Vorhaltsbeantwortungen zu bezahlen und die notwendigen Unterlagen lägen bei der Masseverwalterin. Daher stellte er den Antrag den Haftungsbescheid aufzuheben, in eventu auf den im Vorlageantrag bezeichneten Betrag einzuschränken. Im Hinblick auf das offene Klageverfahren gegen den Sachverständigen der Versicherung aus dem Titel des Schadenersatzes stellte er den weiteren Antrag, das gegenständliche Verfahren ruhen zu lassen.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen werden durch Erlassung von Haftungsbescheiden (§ 224 Abs. 1 BAO) geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.

Aus der Konkurseröffnung ergibt sich noch nicht zwingend die gänzliche Uneinbringlichkeit (, , 99/14/0277, , 99/14/0233). Allerdings ist eine Uneinbringlichkeit bereits dann anzunehmen, wenn im Laufe des Insolvenzverfahrens feststeht, dass die Abgabenforderung im Konkurs mangels ausreichenden Vermögens nicht befriedigt werden kann (, , 98/15/0129, , 99/14/0218); ein Abwarten bis zur vollständigen Abwicklung des Konkurses ist jedoch nicht erforderlich ().

Laut Auskunft der Masseverwalterin könne nicht mit einer wesentlich über 10% liegenden Konkursquote gerechnet werden, womit von einem Ausfall von etwa 90% auszugehen wäre. Um allfällige Unsicherheiten auszugleichen, wird der präsumptive Ausfall zu Gunsten des Bw. mit 85% angenommen.

Strittig ist, ob den Bw. ein Verschulden im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO trifft. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes haftet der Vertreter nicht für sämtliche Abgabenschulden des Vertretenen in voller Höhe, sondern - was sich aus dem Wort "insoweit" in § 9 BAO eindeutig ergibt - nur in dem Umfang, in dem eine Kausalität zwischen der (schuldhaften) Pflichtverletzung des Vertreters und dem Entgang von Abgaben besteht. Reichten somit die liquiden Mittel nicht zur Begleichung sämtlicher Schulden und haftet der Vertreter nur deswegen, weil er die Abgabenforderungen nicht wenigstens anteilig befriedigt und somit die Abgabengläubiger benachteiligt hat, so erstreckt sich die Haftung des Vertreters auch nur auf jenen Betrag, um den bei gleichmäßiger Behandlung sämtlicher Gläubiger die Abgabenbehörde mehr erlangt hätte als sie infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreters tatsächlich bekommen hat. Der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, obliegt dem Vertreter. Vermag er nachzuweisen, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, so haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und der tatsächlich erfolgten Zahlung. Wird dieser Nachweis nicht angetreten, kann dem Vertreter die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden ().

Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , 96/15/0049, klargestellt hat, haftet der Vertreter nicht für sämtliche Abgabenschulden des Vertretenen in voller Höhe, sondern nur im Umfang der Kausalität zwischen seiner schuldhaften Pflichtverletzung und dem Entgang der Abgaben. Reichten die liquiden Mittel nicht zur Begleichung sämtlicher Schulden aus und haftet der Vertreter nur deswegen, weil er die Abgabenforderungen nicht wenigstens anteilig befriedigt und den Abgabengläubiger somit benachteiligt hat, dann erstreckt sich die Haftung des Vertreters auch nur auf den Betrag, um den der Abgabengläubiger bei gleichmäßiger Befriedigung aller Forderungen mehr erlangt hätte, als er infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreters tatsächlich erhalten hat. Der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, obliegt allerdings dem Vertreter. Weist er nach, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, dann haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und dem tatsächlich bezahlten Betrag. Tritt der Vertreter diesen Nachweis aber nicht an, dann kann ihm die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden. Die qualifizierte Mitwirkungspflicht des Geschäftsführers bedeutet nicht, dass die Behörde von jeder Ermittlungspflicht entbunden wäre; entspricht der Vertreter der Gesellschaft nämlich seiner Obliegenheit, das Nötige an Behauptung und Beweisanbot zu seiner Entlastung darzutun, dann liegt es an der Behörde, erforderlichenfalls Präzisierungen und Beweise vom Geschäftsführer abzufordern, jedenfalls aber konkrete Feststellungen über die von ihm angebotenen Entlastungsbehauptungen zu treffen ().

Der bloße Hinweis des Bw., die Unterlagen der GmbH lägen bei der Masseverwalterin und er sei nicht im Stande, die erforderlichen Nachweise zu erbringen, reicht in diesem Zusammenhang nicht aus, denn nur der Vertreter wird nämlich idR jenen ausreichenden Einblick in die Gebarung des Vertretenen haben, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermöglicht (; , 2001/14/0087). Daher hat er für die Möglichkeit des Nachweises seines pflichtgemäßen Verhaltens vorzusorgen ().

Gegen die Gleichbehandlungspflicht verstößt ein Geschäftsführer, der Abgabenschulden bei Fälligkeit nicht vollständig entrichtet, dann nicht, wenn die Mittel, die ihm zur Verfügung stehen, nicht für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft ausreichen, er aber die Abgabenschulden im Vergleich zur Summe der anderen Verbindlichkeiten nicht schlechter behandelt und diesem Verhältnis entsprechend anteilig erfüllt; insoweit ist auch das Ausmaß der Haftung bestimmt. Dies setzt allerdings voraus, dass der Geschäftsführer im Verfahren betreffend seine Heranziehung zur Haftung die Grundlagen für die behördliche Feststellung des zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt zur Bezahlung der Abgabenschuld zur Verfügung stehenden Anteils an liquiden Mitteln beigebracht hat ().

Vom Gleichbehandlungsgrundsatz ausgenommen ist die Lohnsteuer. Reichen die einem Vertreter zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die Entrichtung der auf die ausbezahlten Löhne entfallende Lohnsteuer aus, darf der Geschäftsführer gemäß § 78 Abs. 3 EStG nur einen entsprechend niedrigeren Betrag zur Auszahlung bringen, sodass die davon einbehaltene Lohnsteuer auch abgeführt werden kann. Wird dagegen die auf ausbezahlte Löhne entfallende Lohnsteuer nicht einbehalten und an das Finanzamt abgeführt, ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - ungeachtet der wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Primärschuldnerin - von einer schuldhaften Pflichtverletzung des Geschäftsführers auszugehen. Die Verpflichtung eines Vertreters nach § 80 BAO geht hinsichtlich der Lohnsteuer über das Gebot der gleichmäßigen Behandlung aller Schulden (bzw. aller Gläubiger) hinaus (; , 97/14/0164). Nur dann, wenn die der haftungsgegenständlichen Lohnsteuer zugrunde liegenden Löhne tatsächlich nicht mehr ausbezahlt worden sind, liegt keine schuldhafte Pflichtverletzung im Sinne des § 9 BAO vor, da der Arbeitgeber gemäß § 78 Abs. 1 EStG die Lohnsteuer nur bei einer Lohnzahlung einzubehalten hat. Erfolgt keine Zahlung der vereinbarten Löhne und Gehälter, besteht auch keine Einbehaltungs- und Abfuhrpflicht des Arbeitgebers.

Undeutlich und dunkel bleiben in diesem Zusammenhang die bw. Ausführungen über den Hinweis auf das anhängige Zivilverfahren des Bw. gegen einen Sachverständigen, der Gutachten zu seinem und zum Nachteil der Gesellschaft erstellt habe. Mit diesem Vorbringen konnte der Bw. keine Verbindung zum angefochtenen Bescheid herstellen, weil mit der Geltendmachung oder Nichtgeltendmachung von Schadenersatzansprüchen weder auf eine Wahrnehmung oder Pflichtverletzung bei der Entrichtung von Abgaben der vertretenen GmbH geschlossen werden kann. Wie bereits umfänglich dargestellt, kommt es darauf an, ob aus den vorhandenen Mitteln einerseits der Grundsatz der par conditio creditorum eingehalten bzw. ob die Lohnsteuer aus den ausbezahlten Barlöhnen entsprechend abgeführt wurde. Daher erweist sich das diesbezügliche Vorbringen als wenig dienlich, sodass sich darob weitere Ausführungen erübrigen. Aus diesem Grunde sah sich der unabhängige Finanzsenat auch nicht weiter veranlasst mit der Entscheidung zuzuwarten, weil eine Präjudizialität nach Art einer Vorfrage nicht einmal entfernt gegeben erscheint. Eine Vorfrage ist eine Rechtsfrage, für deren Entscheidung die Behörde nicht zuständig ist, die aber für ihre Entscheidung eine notwendige Grundlage bildet. Bei der Vorfrage handelt es sich um eine Frage, die als Hauptfrage Gegenstand einer Absprache rechtsfeststellender oder rechtsgestaltender Natur ist (, , 97/14/0053). Im Übrigen besteht keine Bindung der Abgabenbehörden an gerichtliche Entscheidungen im Zivilprozess, wenn das Gericht über privatrechtliche Fragen bei Ermittlung des Sachverhaltes nicht von Amts wegen vorzugehen hat (Ritz, BAO-Kommentar³, § 116, Tz. 6).

Für den Zeitraum bis wurde keine Aufstellung der Verbindlichkeiten und Zahlungen beigebracht, weshalb für Fälligkeiten dieser Zeiträume ein Ausfall von 85% angenommen wurde. Für die übrigen Zeiträume wurden aus Vereinfachungsgründen die Prozentzahlen für die Haftungsinanspruchnahme zum Letzten des Monats auf die jeweils nächstfolgende Fälligkeit berechnet.

Beilage : 1 Berechnungsblatt

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 116 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 116 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Haftung
Gleichbehandlungsgrundsatz
Lohnsteuer
Konkurs
Nachweis
Vorfrage
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at