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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSI vom 07.08.2008, RV/0316-I/08

Unzulässige Behandlung einer Berufung (auch) als Wertfortschreibungsantrag

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/0316-I/08-RS1
Enthält eine als "Berufung" bezeichnete Eingabe, die auch inhaltlich dem Rechtsmitteltypus einer Berufung entspricht, nichts, was auf die Absicht hinweist, auch (oder zumindest für den Eventualfall, dass der auf eine Fortschreibung des Einheitswertes gerichtete Berufungsantrag erfolglos bleibt) einen Wertfortschreibungsantrag im Sinn des § 193 Abs. 2 BAO zu stellen, so ist das Finanzamt nicht berechtigt, eine solche Eingabe sowohl als Berufung als auch als Wertfortschreibungsantrag in sachliche Behandlung zu nehmen. Der Umstand allein, dass Einwendungen gegen die Höhe des Einheitswertes in der Berufung gegen einen Zurechnungsfortschreibungsbescheid nicht mit Erfolg erhoben werden können, rechtfertigt nicht die Deutung dieser Berufung auch als Wertfortschreibungsantrag. Erlässt das Finanzamt einen antragsgebundenen Bescheid ohne Vorliegen eines derartigen Antrages, ist dieser Bescheid ersatzlos aufzuheben.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vertreten durch Dr. Markus Heis, Rechtsanwalt, 6020 Innsbruck, Anichstraße 3/III, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Kitzbühel Lienz vom betreffend Abweisung eines Antrages auf Wertfortschreibung entschieden:

Der angefochtene Bescheid wird ersatzlos aufgehoben.

Entscheidungsgründe

Mit Kaufvertrag vom erwarb der Berufungswerber (kurz Bw.) von seinem Vater die Liegenschaft KG K. EZ 000 Gst 000/0 u. a.

Mit Ausfertigungsdatum erließ das Finanzamt einen Feststellungsbescheid, mit welchem der als Geschäftsgrundstück bewertete Grundbesitz im Wege einer Zurechnungsfortschreibung gemäß § 21 Abs. 4 BewG zum Stichtag an den Bw. zugerechnet wurde.

In der dagegen erhobenen Berufung vom wurde beantragt, den Einheitswert mit höchstens 66.667 € festzustellen. Ausgeführt wurde, dass die Höhe des Einheitswertes bereits im Grunderwerbsteuerverfahren "gegenständlich" gewesen sei. In diesem Verfahren habe sich ein Verkehrswert der Liegenschaft in Höhe von 200.000 € ergeben. Hieraus folge, dass der Einheitswert - "um infolge Verdreifachung für die Bemessung der Grunderwerbsteuer den Verkehrswert nicht zu übersteigen" - höchstens 66.667 € betragen könne.

Das Finanzamt gab der Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom mit der Begründung keine Folge, dass in der Berufung gegen einen Zurechnungsfortschreibungsbescheid keine Einwendungen gegen die Höhe des Einheitswertes zulässig seien. Weiters führte das Finanzamt aus, dass "das Berufungsbegehren...als Antrag gewertet" werde, welcher ebenfalls abgewiesen werde, weil der Verkehrswert laut Gutachten höher sei als der geltende Einheitswert.

Mit Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenates vom , Zl. RV/0315-I/08, wurde die Berufung vom gegen den Zurechnungsfortschreibungsbescheid vom abgewiesen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Begründung dieser Entscheidung betreffend die eingeschränkte Anfechtungsmöglichkeit von Zurechnungsfortschreibungsbescheiden verwiesen.

Mit dem nunmehr in Berufung gezogenen Bescheid vom wertete das Finanzamt die Berufung vom als Antrag auf Wertfortschreibung gemäß § 193 Abs. 2 BAO, welchem es mit der Begründung keine Folge gab, dass der gemeine Wert der Liegenschaft (200.000 €) nicht niedriger als der gemäß § 53 Abs. 1 bis 9 BewG ermittelte Wert sei, weshalb Abs. 10 dieser Bestimmung nicht anwendbar sei.

Gegen den zuletzt genannten Bescheid erhob der Rechtsvertreter des Bw. mit Eingabe vom Berufung. Darin wurde der Antrag, den Einheitswert mit höchstens 66.667 € festzusetzen, mit derselben Begründung wie in der Berufung vom wiederholt.

Das Finanzamt legte diese Berufung ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vor.

Über die Berufung wurde erwogen:

Nach Ansicht der Abgabenbehörde zweiter Instanz entscheidet den Berufungsfall die verfahrensrechtliche Frage, ob das Finanzamt berechtigt war, die gegen den Zurechnungsfortschreibungsbescheid vom gerichtete Berufung vom , über die im oben angeführten Berufungsverfahren entschieden wurde, auch als Wertfortschreibungsantrag zu behandeln und hierüber neuerlich mit dem nunmehr in Berufung gezogenen Bescheid abzusprechen.

Berufungen im Sinn der §§ 243 ff BAO und Fortschreibungsanträge gemäß § 193 Abs. 2 BAO sind Anbringen zur Geltendmachung von Rechten (vgl. Ritz, BAO3, § 85 Tz 5; § 193 Tz 5). Nach einhelliger Lehre und Rechtsprechung ist für die Beurteilung des Charakters eines Anbringens sein wesentlicher Inhalt, der sich aus dem gestellten Antrag erkennen lässt, und die Art des in diesem gestellten Begehrens maßgebend. Es kommt nicht auf Bezeichnungen und zufällige Verbalformen an, sondern auf den Inhalt des Anbringens, das erkennbare oder zu erschließende Ziel eines Parteischrittes. Ist erkennbar, dass ein Antrag entgegen seinem Wortlaut auf etwas anderes abzielt, kommt es auf die erkennbare Absicht der Partei an (vgl. Ritz, a. a. O., § 85, Tz 1 ff, und die dort angeführte VwGH-Judikatur). Andererseits ist es bei antragsbedürftigen Verwaltungsakten unzulässig, entgegen dem erklärten Willen der Partei dem Begehren eine Deutung zu geben, die aus dem Wortlaut des Begehrens nicht unmittelbar erschlossen werden kann. Dabei ist für die Beurteilung eines Anbringens nicht dessen allenfalls unrichtige Bezeichnung, sondern sein wesentlicher Inhalt maßgeblich (; ).

In der ausdrücklich als "Berufung" bezeichneten Eingabe vom wurde der Bescheid, gegen den sich diese richtet, nach Datum und Geschäftszahl genau bezeichnet. Weiters enthält die Eingabe vom eine Erklärung, in welchem Punkt der Feststellungsbescheid vom angefochten wird, den Berufungsantrag, den angefochtenen Bescheid "dahingehend abzuändern, dass der Einheitswert mit höchstens € 66.667,- festgesetzt wird", sowie eine Begründung. Somit entspricht die Eingabe vom - gemessen an den Inhaltserfordernissen des § 250 Abs. 1 lit. a bis d BAO - dem Rechtsmitteltypus einer Berufung. Liegt aber eine solcherart eindeutige Prozesserklärung vor und enthält diese nichts, was auf die Absicht hinweist, auch (oder zumindest für den Eventualfall, dass der Berufungsantrag erfolglos bleibt) einen Fortschreibungsantrag im Sinn des § 193 Abs. 2 BAO zu stellen, besteht keine Berechtigung, eine solche Eingabe sowohl als Berufung als auch als Fortschreibungsantrag zu behandeln. Aus dem Umstand allein, dass Einwendungen gegen die Höhe des Einheitswertes in der Berufung gegen einen Zurechnungsfortschreibungsbescheid nicht mit Erfolg erhoben werden können, kann keinesfalls der Schluss gezogen werden, die Berufung vom habe auch einen Wertfortschreibungsantrag enthalten. Demnach hat das Finanzamt einen antragsgebundenen Bescheid ohne Vorliegen eines derartigen Antrages erlassen, wozu keine Berechtigung bestand. Dies hat wiederum zur Folge, dass der Bescheid vom gemäß § 289 Abs. 2 BAO ersatzlos aufgehoben werden musste (vgl. nochmals Ritz, a. a. O., § 289, Tz 34).

Somit war spruchgemäß zu entscheiden.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 289 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 243 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 250 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 193 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 85 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Berufung
Fortschreibungsantrag
Eingabe
Anbringen
Inhalt
Verbalform
antragsbedürftiger Verwaltungsakt
Deutung
Verweise
Ritz, BAO/3 § 289 Tz 34
Zitiert/besprochen in
UFS Newsletter 2008/05

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at