Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSF vom 06.07.2009, RV/0401-F/07

Zumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., B., K.-Straße 15/1, vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Feldkirch vom und vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für die Jahre 2002 bis 2006 entschieden:

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben.

Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Abgaben betragen:


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Die Einkommensteuer 2002 wird festgesetzt mit: Das Einkommen im Jahr 2002 beträgt:
77,83 €16.828,68 €
Berechnung der Einkommensteuer:
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit
19.937,76 €
Werbungskosten, die der Arbeitgeber nicht berücksichtigen konnte
-3.049,08 €
Gesamtbetrag der Einkünfte
16.888,68 €
Sonderausgaben (§ 18 EStG 1988):
Pauschbetrag für Sonderausgaben
-60,00 €
Einkommen
16.828,68 €
Steuer vor Abzug der Absetzbeträge
3.725,49 €
Allgemeiner Steuerabsetzbetrag
-736,82 €
Verkehrsabsetzbetrag
-291,00 €
Arbeitnehmerabsetzbetrag
-54,00 €
Steuer sonstige Bezüge wie z.B. 13. und 14. Bezug (220) nach Abzug der darauf entfallenden SV-Beiträge (225) und des Freibetrages von 620 € mit 6%
154,96 €
Einkommensteuer
2.798,63 €
Anrechenbare Lohnsteuer (260)
-2.720,80 €
Festgesetzte Einkommensteuer
77,83 €
Die Einkommensteuer 2003 wird festgesetzt mit: Das Einkommen im Jahr 2003 beträgt:
-657,49 €15.051,54 €
Berechnung der Einkommensteuer:
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit
18.160,62 €
Werbungskosten, die der Arbeitgeber nicht berücksichtigen konnte
-3.049,08 €
Gesamtbetrag der Einkünfte
15.111,54 €
Sonderausgaben (§ 18 EStG 1988):
Pauschbetrag für Sonderausgaben
-60,00 €
Einkommen
15.051,54 €
Steuer vor Abzug der Absetzbeträge
3.174,58 €
Allgemeiner Steuerabsetzbetrag
-808,24 €
Verkehrsabsetzbetrag
-291,00 €
Arbeitnehmerabsetzbetrag
-54,00 €
Steuer sonstige Bezüge wie z.B. 13. und 14. Bezug (220) nach Abzug der darauf entfallenden SV-Beiträge (225) und des Freibetrages von 620 € mit 6%
158,98 €
Einkommensteuer
2.180,32 €
Anrechenbare Lohnsteuer (260)
-2.837,81 €
Festgesetzte Einkommensteuer
-657,49 €
Die Einkommensteuer 2004 wird festgesetzt mit: Das Einkommen im Jahr 2004 beträgt:
-769,33 €15.400,10 €
Berechnung der Einkommensteuer:
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit
18.830,18 €
Werbungskosten, die der Arbeitgeber nicht berücksichtigen konnte
-3.370,08 €
Gesamtbetrag der Einkünfte
15.460,10 €
Sonderausgaben (§ 18 EStG 1988):
Pauschbetrag für Sonderausgaben
-60,00 €
Einkommen
15.400,10 €
Steuer vor Abzug der Absetzbeträge
3.282,63 €
Allgemeiner Steuerabsetzbetrag
-873,00 €
Verkehrsabsetzbetrag
-291,00 €
Arbeitnehmerabsetzbetrag
-54,00 €
Steuer sonstige Bezüge wie z.B. 13. und 14. Bezug (220) nach Abzug der darauf entfallenden SV-Beiträge (225) und des Freibetrages von 620 € mit 6%
159,09 €
Einkommensteuer
2.223,72 €
Anrechenbare Lohnsteuer (260)
-2.993,05 €
Festgesetzte Einkommensteuer
-769,33 €
Die Einkommensteuer 2005 wird festgesetzt mit: Das Einkommen im Jahr 2005 beträgt:
-1.241,25 €14.892,10 €
Berechnung der Einkommensteuer:
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit
18.322,18 €
Werbungskosten, die der Arbeitgeber nicht berücksichtigen konnte
-3.370,08 €
Gesamtbetrag der Einkünfte
14.952,10 €
Sonderausgaben (§ 18 EStG 1988):
Pauschbetrag für Sonderausgaben
-60,00 €
Einkommen
14.892,10 €
Steuer vor Abzug der Absetzbeträge
1.875,31 €
Verkehrsabsetzbetrag
-291,00 €
Arbeitnehmerabsetzbetrag
-54,00 €
Steuer sonstige Bezüge wie z.B. 13. und 14. Bezug (220) nach Abzug der darauf entfallenden SV-Beiträge (225) und des Freibetrages von 620 € mit 6%
163,19 €
Einkommensteuer
1.693,50 €
Anrechenbare Lohnsteuer (260)
-2.934,75 €
Festgesetzte Einkommensteuer
-1.241,25 €
Die Einkommensteuer 2006 wird festgesetzt mit: Das Einkommen im Jahr 2006 beträgt:
-1.334,42 €16.554,61 €
Berechnung der Einkommensteuer:
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit
20.227,69 €
Werbungskosten, die der Arbeitgeber nicht berücksichtigen konnte
-3.613,08 €
Gesamtbetrag der Einkünfte
16.614,61 €
Sonderausgaben (§ 18 EStG 1988):
Pauschbetrag für Sonderausgaben
-60,00 €
Einkommen
16.554,61 €
Steuer vor Abzug der Absetzbeträge
2.512,60 €
Verkehrsabsetzbetrag
-291,00 €
Arbeitnehmerabsetzbetrag
-54,00 €
Steuer sonstige Bezüge wie z.B. 13. und 14. Bezug (220) nach Abzug der darauf entfallenden SV-Beiträge (225) und des Freibetrages von 620 € mit 6%
168,71 €
Einkommensteuer
2.336,31 €
Anrechenbare Lohnsteuer (260)
-3.670,73 €
Festgesetzte Einkommensteuer
-1.334,42 €

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber (Bw.), der in den Streitjahren nichtselbständig erwerbstätig war, machte in seinen Erklärungen zur Arbeitnehmerveranlagung für die Jahre 2002 bis einschließlich 2006 unter anderem durch eine doppelte Haushaltsführung bedingte Mehraufwendungen in Höhe von jeweils insgesamt 3.080,00 € (Mietkosten sowie Familienheimfahrten) als Werbungskosten geltend. Den Erklärungen beigelegt wurde eine Bestätigung der in Ostungarn an der slowakisch-ukrainischen Grenze liegenden Heimatgemeinde des Bw. über seine Familienverhältnisse (Wohnsitz- und Meldebestätigung betreffend den Bw., seine Gattin und seine drei am Familienwohnsitz gemeldeten 1991, 1993 und 1995 geborenen Kinder) samt einer beglaubigter Übersetzung sowie eine Bestätigung der Arbeitgeberin des Bw. mit folgendem Inhalt:

"Es wird bestätigt, dass der am xx.xx.xxxx in U. geborene Bw. seit im Betrieb der Fa. B als Schweißer beschäftigt ist. Bei der Einstellung des Bw. wurde mit diesem eine Blockarbeitszeit vereinbart. Zwischen diesen Blöcken von ca. fünf bis sechs Arbeitswochen kann der Bw. durch Konsum von Urlaub und Zeitausgleich zu seiner Familie nach Hause fahren. Diese Blockzeiten können sich je nach Auftragslage etwas verschieben."

Im Zuge der Durchführung der betreffenden Arbeitnehmerveranlagungen wurden diese Kosten im Jahr 2002 zur Gänze und im Jahr 2003 für sieben Monate anerkannt. Für die Jahre 2004, 2005 und 2006 versagte das Finanzamt Feldkirch diesen Aufwendungen die Abzugsfähigkeit. Dies wurde sinngemäß damit begründet, dass gegenständlich die Voraussetzungen für eine vorübergehende doppelte Haushaltsführung vorlägen, sodass die Kosten für die Begründung eines beruflich veranlassten zweiten Haushalt am Beschäftungsort lediglich innerhalb eines angemessenen Zeitraumes berücksichtigt werden könnten. Für verheiratete Arbeitnehmer sei im Allgemeinen ein Zeitraum von zwei Jahren ausreichend.

Gegen diese Bescheide wurde Berufung erhoben und insbesondere bemängelt, dass in den Einkommensteuerbescheiden der Jahre 2002 und 2005 die Nichtberücksichtigung der Kosten der doppelten Haushaltsführung nicht einmal begründet worden sei. Entgegen den Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden seien die streitgegenständlichen Aufwendungen auch nicht zumindest für zwei Jahre anerkannt worden. Abgesehen davon lägen im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für eine auf Dauer angelegte doppelte Haushaltsführung deshalb vor, weil eine Verlegung des Familienwohnsitzes wegen der schulpflichtigen Kinder des Bw. nicht möglich sei. Zu bedenken sei zudem, dass diese Lebensführung für den Bw. finanziell, arbeitsmäßig (Notwendigkeit der laufenden Absolvierung von Überstunden zur Ermöglichung eines einige Tage umfassenden Aufenthalts bei der Familie in Ungarn im Rahmen der monatlichen Heimfahrten) und auch psychisch sehr belastend sei. Die steuerliche Begünstigung bringe lediglich eine kleine Erleichterung.

Mit Ergänzungsersuchen des Finanzamtes Feldkirch vom wurde der Bw. um Beantwortung folgender Fragen sowie um Beibringung folgender Unterlagen ersucht:

1) Belegmäßiger Nachweis der Mietkosten am österreichischen Beschäftigungsort

2) Bekanntgabe der Reisedaten bezüglich der Ungarnfahrten, Angabe der dabei verwendeten Verkehrsmittel sowie der Entfernung des österreichischen Wohnortes vom ungarischen Familienwohnsitz (Kilometeranzahl der einfachen Wegstrecke), Übermittlung von Kopien des Reisepasses und des Zulassungsscheines bzw. bei Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln Beibringung der betreffenden Tickets.

3) Bekanntgabe des Grundes der Nichtverlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort und Mitteilung, ob bereits ein Versuch zur Verlegung des Familienwohnsitzes nach Österreich beispielsweise durch Stellung von Aufenthaltsbewilligungsanträgen für die Ehegattin und die Kinder unternommen worden sei.

In Beantwortung dieses Ersuchens teilte der Bw. der Abgabenbehörde erster Instanz mit Schreiben vom mit, die geltend gemachten Mietkosten würden von seinem Lohn abgezogen, weshalb er als Nachweis einen Lohnzettel beilege. Die Familienheimfahrten seien mit dem Pkw erfolgt, der Familienwohnsitz liege in einer von Bludenz ca. 1200 km entfernten ostungarischen Stadt namens S. an der slovakisch-ukrainischen Grenze. Da die Hin- und Rückfahrt zwei Tage beanspruche, sei im Dienstvertrag vereinbart worden, dass für geleistete Überstunden Zeitausgleich gewährt werde, der im Rahmen der regelmäßigen Heimfahrten vom Bw. konsumiert werde. Diesbezüglich werde auf die bereits beigebrachte Bestätigung der Dienstgeberin des Bw. verwiesen. Eine Verlegung des Familienwohnsitzes sei schon allein deshalb nicht überlegt worden, weil die schulpflichtigen Kinder des Bw. die deutsche Sprache nicht beherrschten.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wurde die Berufung im Wesentlichen mit der folgenden Begründung abgewiesen:

Unter "doppelter Haushaltsführung" seien jene Aufwendungen zu verstehen, die dem Steuerpflichtigen durch die beruflich veranlasste Begründung eines eigenen Haushaltes an einem außerhalb des Familienwohnsitzes gelegenen Beschäftigungsortes erwachsen würden. Die Begründung eines eigenen Haushaltes am Beschäftigungsort sei beruflich veranlasst, wenn der Familienwohnsitz des Steuerpflichtigen von seinem Beschäftigungsort so weit entfernt sei, dass ihm eine tägliche Rückkehr nicht zugemutet werden könne und entweder die Beibehaltung des Familienwohnsitzes außerhalb des Beschäftigungsortes nicht privat veranlasst oder die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort nicht zumutbar sei. Dies sei z.B. bei einer ständigen wechselnden Arbeitsstätte der Fall oder dann, wenn von vornherein mit Gewissheit anzunehmen sei, dass die auswärtige Tätigkeit mit bis zu vier oder fünf Jahren befristet sei ().

Bei einer dauernden Beibehaltung des Familienwohnsitzes außerhalb des Beschäftigungsortes sei keine private Veranlassung zu unterstellen und somit die Berücksichtigung von Familienheimfahrten als Werbungskosten zulässig, wenn der Ehegatte des Steuerpflichtigen am Familienwohnsitz steuerlich relevante Einkünfte aus einer Erwerbstätigkeit in Höhe von mehr als 2.200,00 € jährlich erziele. Behalte der Steuerpflichtige den bisherigen Familienwohnsitz auf Dauer deswegen bei, weil er dort ein Eigenheim errichtet habe oder die Kinder dort die Schule besuchten, dann seien die Aufwendungen für Familienheimfahrten privat veranlasst und deshalb nicht abzugsfähig ().

Lägen die Voraussetzungen einer auf Dauer angelegten doppelten Haushaltsführung nicht vor (beispielsweise bei einem Alleinstehenden oder einem Steuerpflichtigen, dessen Ehegatte oder Lebensgefährte nicht mehr als 2.200,00 € jährlich verdiene), so könnten die Kosten für Familienheimfahrten nur vorübergehend als Werbungskosten geltend gemacht werden. Dabei sei von einer angemessenen Frist auszugehen, die sich nach den Möglichkeiten der Beschaffung eines Familienwohnsitzes im Einzugsbereich des Beschäftigungsortes orientiere. Die Frage, ob bzw. wann dem Steuerpflichtigen die Verlegung seines Familienwohnsitzes zumutbar sei, könne nicht schematisch vom Ablauf eines bestimmten Zeitraumes abhängig gemacht werden; vielmehr seien die Verhältnisse des Einzelfalles zu berücksichtigen (). Im Allgemeinen werde aber für Verheiratete und Lebensgefährten ein Zeitraum von zwei Jahren und für allein stehende Arbeitnehmer ein Zeitraum von sechs Monaten anerkannt.

Der Bw. habe als Grund für die Nichtverlegung des Familienwohnsitzes an den österreichischen Beschäftigungsort angegeben, seine schulpflichtigen Kinder beherrschten die deutsche Sprache nicht. Die behördliche Anfrage, ob der Versuch einer Familienwohnsitzverlegung nach Österreich unternommen worden sei, beispielsweise durch Stellung eines Antrages auf Aufenthaltsbewilligung für die Ehegattin des Bw. und seine Kinder, sei unbeantwortet geblieben.

Behalte ein in Österreich tätiger ungarischer Staatsbürger seinen Familienwohnsitz in Ungarn lediglich aus Gründen der Haushaltsführung der Gattin für die gemeinsamen Kinder, des Schulbesuches der Kinder oder zwecks Ausbildung der Kinder in ihrer Muttersprache bei, so sei von keiner beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung auszugehen. Gegenständlich sei daher die Beibehaltung des Familienwohnsitzes in Ungarn als ausschließlich privat veranlasst zu sehen. Der Umstand, dass die Kinder die deutsche Sprache nicht beherrschten, reiche jedenfalls für sich alleine keineswegs aus, Kosten für eine beruflich veranlasste doppelte Haushaltsführung als steuerlich anzuerkennende Werbungskosten zu qualifizieren.

Der Bw. sei laut Bestätigung seines Arbeitgebers vom seit Juli 2001 bei der Fa. B in N. als Schweißer beschäftigt. Da gemäß obigen Ausführungen die Beibehaltung des Familienwohnsitzes in Ungarn privat veranlasst sei, könnten die Kosten der doppelten Haushaltsführung sowie die Kosten für Familienheimfahrten nur vorübergehend für einen Zeitraum von zwei Jahren anerkannt werden. Die Kosten der doppelten Haushaltsführung und der Familienheimfahrten seien daher zu Recht nur für die Dauer von zwei Jahren (bis Juli 2003) als Werbungskosten berücksichtigt worden.

Mit dem fristgerecht eingebrachten Vorlageantrag wurde das Berufungsbegehren aufrechterhalten und ergänzend sinngemäß vorgebracht, der Familienwohnsitz sei vom Beschäftigungsort eine Tagesfahrt entfernt. Es werde nochmals betont, dass die Beibehaltung des Familienwohnsitzes neben sonstigen familiären Verpflichtungen auf Grund des Schulbesuches der schulpflichtigen Kinder unerlässlich sei. Dies möge als privat veranlasst bezeichnet werden, die Errichtung des zweiten Wohnsitzes sei aber beruflich bedingt. Zudem erfolge im Falle einer Erwerbstätigkeit der Ehegattin am Familienwohnsitz und einem daraus folgenden höheren Familieneinkommen eine Anerkennung der Kosten für eine doppelte Haushaltsführung und der Familienheimfahrten. Eine solche Interpretation sei ungerecht und widerspreche dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Angemerkt werden solle auch, dass das Finanzamt in seiner Begründung ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes anführe, welchem ein nicht vergleichbarer Sachverhalt zu Grunde liege. Denn anders als im vorliegenden Fall stünden im zitierten Erkenntnis der Erfüllung der Schulpflicht keine unüberwindbaren Sprachbarrieren entgegen. Andere unüberwindbare finanzielle Probleme seien auch zu berücksichtigen, da eine steuerrechtliche Begünstigung nicht verwehrt werden könne, wenn der Steuerzahler beträchtliche Vermögensverluste in Kauf nehme.

Über die Berufung wurde erwogen:

In Streit steht, ob Aufwendungen für eine "doppelte Haushaltsführung" sowie für Familienheimfahrten wegen Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort als Werbungskosten anzuerkennen sind.

§ 16 Abs. 1 EStG 1988 definiert Werbungskosten als Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Gemäß § 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 dürfen die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden, was nach § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a leg. cit. auch für Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung gilt, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.

Gemäß § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. e EStG 1988 sind Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits-(Tätigkeits-)ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten), soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs-)Tätigkeit bezogenen höchsten in § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c leg. cit. angeführten Betrag übersteigen, nicht abzugsfähig.

Auf Grund der vorliegenden Unterlagen wird folgender Sachverhalt als erwiesen angenommen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

Der Bw. ist seit Juli 2001 bei einem österreichischen Arbeitgeber durchgehend als Schweißer beschäftigt. Er bewohnt am Tätigkeitsort eine Firmenunterkunft, deren Kosten in Höhe von 79,09 € monatlich als Sachbezug im beigebrachten Verdienstnachweis ausgewiesen sind. Am ca. 1200,00 km bzw. eine Tagesreise vom Arbeitsort entfernten Familienwohnsitz in S., in Ostungarn, leben seine nicht erwerbstätige Gattin und seine drei 1991, 1993 und 1995 geborenen schulpflichtigen Kinder. Mit dem Arbeitgeber wurde eine Blockarbeitszeit vereinbart, um den Bw. durch Konsum von Urlaub und Zeitausgleich in Abständen von fünf bis sechs Wochen Fahrten zu seinem Familienwohnsitz zu ermöglichen.

Der Bw. hat die Unzumutbarkeit einer Wohnsitzverlegung in üblicher Entfernung vom Ort der Erwerbstätigkeit mit der Schulpflicht seiner Kinder, die die deutsche Sprache nicht beherrschten, begründet.

Bei der rechtlichen Beurteilung dieses Vorbringens ist auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, der wiederholt zum Ausdruck gebracht hat, dass die Beibehaltung eines (Familien)Wohnsitzes aus der Sicht der Erwerbstätigkeit, die in unüblich weiter Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, nicht durch die Erwerbstätigkeit, sondern durch Umstände veranlasst ist, die außerhalb der Erwerbstätigkeit liegen. Der Grund, warum Aufwendungen für Familienheimfahrten dennoch als Betriebsausgaben oder Werbungskosten bei den aus der Erwerbstätigkeit erzielten Einkünften Berücksichtigung finden, liegt darin, dass derartige Aufwendungen solange als durch die Einkunftserzielung veranlasst gelten, als dem Steuerpflichtigen eine Wohnsitzverlegung in üblicher Entfernung vom Ort der Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann (z.B. ; , ). Die Unzumutbarkeit kann ihre Ursachen sowohl in der privaten Lebensführung haben als auch in der weiteren Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen oder in der Erwerbstätigkeit des Ehegatten (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2005/15/0011). Lehre und Rechtsprechung gehen von der Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes auch dann aus, wenn für die Kinder am neuen Beschäftigungsort eine entsprechende schulische Ausbildung nicht möglich ist (; Jakom/Lenneis EStG, 2009, § 16 Rz 56; Doralt12, § 4 Tz 353).

Schulischer Erfolg bzw. das Erreichen eines bestimmten Ausbildungsniveaus ist unter anderem abhängig von der Kenntnis der Unterrichtssprache. Während Kleinkinder Sprachbarrieren relativ schnell überwinden können, ist das Erlernen einer Fremdsprache mit zunehmenden Alter beschwerlicher. Aus der Sicht des Unabhängigen Finanzsenates ist daher zu prüfen, ob die Kinder des Bw. am Beschäftigungsort in Österreich in den Streitjahren adäquate Ausbildungschancen gehabt hätten.

Der Bw. war im Juli 2001 erstmals in Österreich beschäftigt. Bis zum Beitritt Ungarns zur Europäischen Union mit war eine Verlegung des Familienwohnsitzes schon auf Grund der in Bezug auf den Familiennachzug restriktiven fremdenrechtlichen Bestimmungen schwer verwirklichbar und daher unzumutbar (siehe dazu z.B. ; ; ; ). Seit dem Beitrittszeitpunkt Ungarns gilt die in Art 43 bis 48 EG geregelte Niederlassungsfreiheit für ungarische Staatsbürger unbeschränkt (Windisch-Graetz in Mayer (Hrsg), Kommentar zu EU- und EG-Vertrag Art 39 EGV Rz 34), sodass fremdenrechtliche Bestimmungen einer Wohnsitzverlegung nicht mehr entgegenstehen. Im Jahr 2004 waren die 1991, 1993 und 1995 geborenen Kinder des Bw. aber bereits 13 Jahre, 11 Jahre und 9 Jahre und damit in einem Alter, in dem nach Ansicht der Abgabenbehörde zweiter Instanz auf Grund der Sprachbarrieren die Erreichung eines bestimmten Ausbildungsniveaus (Pflichtschulabschluss, Berufsschulausbildung, Maturaabschluss, Universitätsausbildung) in Österreich ungleich schwieriger gewesen wäre als in ihrem Heimatland Ungarn. Die eingeschränkten Möglichkeiten der Erlangung einer entsprechenden schulischen Ausbildung am neuen Beschäftigungsort ziehen nach Rechtsmeinung des Unabhängigen Finanzsenates zumindest in den Streitjahren die Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes nach sich. Die Aufwendungen für eine "doppelte Haushaltsführung" sowie für Familienheimfahrten waren daher dem Grunde nach anzuerkennen.

Belegmäßig nachgewiesen wurden für die Unterkunft am Beschäftigungsort angefallene Mietkosten in Höhe von 79,09 € monatlich bzw. 949,08 € jährlich. Hinsichtlich der Aufwendungen für Familienfahrten wurde die Kilometeranzahl der einfachen Wegstrecke zwischen österreichischem Wohnort (Bz.) und ungarischem Familienwohnsitz (S.) mit ca. 1200 km angegeben und es wurde auch erklärt, dass für die Fahrten der PKW des Bw. benutzt worden sei. Bezüglich der mit Vorhalt des Finanzamtes Feldkirch vom erbetenen Reisedaten der Ungarnfahrten wurde auf die bereits übermittelte Bestätigung der Dienstgeberin des Bw. verwiesen, wonach der Bw. ca. alle fünf bis sechs Wochen Fahrten zu seinem Familienwohnsitz unternommen habe. Nicht beigebracht wurden trotz Vorhalt des Finanzamtes Kopien des Reisepasses und des Zulassungsscheines. Da das Finanzamt sowohl für das Jahr 2002 als auch für die ersten sieben Monate des Jahres 2003 nicht in Zweifel gezogen hat, dass die Familienheimfahrten mit dem eigenen PKW unternommen worden sind, sieht der Unabhängige Finanzsenat keine Veranlassung, dieses Vorbringen nicht als glaubhaft zu erachten. Bei Überprüfung der Kilometeranzahl mittels Routenplaner (http://www.viamichelin.ch; http://www.falk.de und http://www.reiseplanung.de) wurde die Kilometeranzahl der einfachen Wegstrecke allerdings mit maximal 1119 km ermittelt, die in freier Beweiswürdigung als tatsächliche Entfernung des Familienwohnsitzes vom Arbeitsort angesehen werden. Bei durchschnittlich neun Fahrten pro Jahr ergeben sich Aufwendungen von jeweils 7.170,48 € in den Jahren 2002, 2003 und 2004 (1119 km x 0,356 x 2 x 9), von 7.260,00 € im Jahr 2005 ((1119 km x 0,356 x 2 x 7) + (1119 km x 0,376 x 2 x 2)) und von 7.573,32 € im Jahr 2006 (1119 km x 0,376 x 2 x 9). Da Familienheimfahrten aber gemäß § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. e EStG 1988 nur insoweit Werbungskosten darstellen, als sie das für das jeweilige Veranlagungsjahr höchstzulässige Pendlerpauschale nicht übersteigen, konnten aus diesem Titel für 2002 und 2003 nur Aufwendungen in Höhe von jeweils 2.100,00 €, für 2004 und 2005 solche in Höhe von jeweils 2.421,00 € und für 2006 lediglich solche in Höhe von 2.664,00 € berücksichtigt werden.

Gesamthaft waren daher für 2002 und 2003 Aufwendungen für eine "doppelte Haushaltsführung" sowie für Familienheimfahrten in Höhe von jeweils 3.049,08 €, für 2004 und 2005 in Höhe von jeweils 3.370,08 € und für 2006 in Höhe von 3.613,08 € anzuerkennen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Doppelte Haushaltsführung
Familienheimfahrten
Zumutbarkeit der Wohnsitzverlegung
Unmöglichkeit einer adäquaten Schulausbildung am Beschäftigungsort

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at