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OGH 28.04.2016, 1Ob59/16g

OGH 28.04.2016, 1Ob59/16g

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Kinder P***** H*****, C***** H*****, und V***** H*****, wegen Unterhalts, über den Revisionsrekurs des Vaters R***** H*****, vertreten durch Mag. Andrea Posch, Rechtsanwältin in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 45 R 554/15a-126, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom , GZ 4 Pu 141/12t-117, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung:

Mit dem Beschluss des Erstgerichts wurden über Antrag der Kinder die Unterhaltsverpflichtungen des Vaters für die Zeit ab festgesetzt, wobei die monatlichen Unterhaltsbeiträge ab für P***** 940 EUR, für C***** 658 EUR und für V***** 510 EUR betragen. In seinem Rekurs strebte der Vater primär die Aufhebung des gesamten Beschlusses als nichtig an; hilfsweise begehrte er, seine Unterhaltsverpflichtung „entsprechend seiner tatsächlichen Leistungsfähigkeit“ festzusetzen.

Das Rekursgericht bestätigte den erstgerichtlichen Beschluss für den Zeitraum vom bis und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Das dagegen vom Vater erhobene, als „außerordentlicher Revisionsrekurs“ bezeichnete Rechtsmittel, in dem er eine Abänderung „entsprechend seiner tatsächlichen Leistungsfähigkeit“ beantragt, legte das Erstgericht dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vor.

Diese Vorgangsweise entspricht nicht dem Gesetz.

Der Revisionsrekurswerber weist zwar zutreffend darauf hin, dass der für die Rechtsmittelzulässigkeit maßgebliche Wert des Entscheidungsgegenstands zweiter Instanz unabhängig davon heranzuziehen ist, ob die gesamte Entscheidung des Rekursgerichts angefochten wird (vgl nur RIS-Justiz RS0042408), übersieht aber offenbar, dass der Entscheidungsgegenstand für jedes Kind einzeln zu berechnen ist (RIS-Justiz RS0017257). Unterhaltsansprüche sind gemäß § 58 Abs 1 JN immer mit dem Dreifachen der Jahresleistung zu bewerten (RIS-Justiz RS0046544), und zwar auch dann, wenn neben dem laufenden und zukünftigen Unterhalt auch bereits fällig gewordene Unterhaltsansprüche für die Vergangenheit Entscheidungsgegenstand sind (RIS-Justiz RS0114353).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze errechnet sich der Wert des rekursgerichtlichen Entscheidungsgegenstands für P***** mit 33.840 EUR, für C***** mit 23.688 EUR und für V***** mit 18.360 EUR. Die nach § 62 Abs 3 AußStrG maßgebliche Wertgrenze von 30.000 EUR, ab der ein außerordentlicher Revisionsrekurs zulässig ist, wird daher nur beim Unterhaltsbegehren des ältesten Sohns erreicht, wogegen im Übrigen nur eine Zulassungsvorstellung an das Rekursgericht (§ 63 AußStrG) in Betracht kommt.

Das Erstgericht wird aber zuerst dem Revisionsrekurswerber die Möglichkeit einzuräumen haben, im Sinn des § 65 Abs 3 Z 2 AußStrG zu konkretisieren, welche Abänderung des angefochtenen Beschlusses - hinsichtlich aller drei Kinder - beantragt wird. Im Revisionsrekursverfahren kann sich der Rechtsmittelwerber - soweit er keinen bloßen Aufhebungsantrag stellt - bei einem Geldbegehren regelmäßig nicht die ziffernmäßige Bestimmung der angestrebten Entscheidung vorbehalten bzw diese dem Obersten Gerichtshof übertragen (vgl nur Schramm in Gitschthaler/Höllwerth, Kommentar zum AußStrG § 65 Rz 22). Weiters wird er gegebenenfalls (RIS-Justiz RS0109623 [T14]) zur Klarstellung aufzufordern sein, ob er, soweit es die beiden jüngeren Kinder betrifft, eine (mit einem ordentlichen Revisionsrekurs verbundene) Zulassungsvorstellung erheben will.

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Kinder P***** H*****, geboren am ***** 2002, C***** H*****, geboren am ***** 2007, und V***** H*****, geboren am ***** 2011, über den (teils außerordentlichen) Revisionsrekurs des Vaters R***** H*****, vertreten durch Mag. Andrea Posch, Rechtsanwältin in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 45 R 554/15a-126, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom , GZ 4 Pu 141/12t-117, teilweise bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist der Antrag der Kinder auf Unterhaltsfestsetzung für den Zeitraum vom bis zum . Sie brachten dazu im Wesentlichen vor, der unterhaltspflichtige Vater habe in diesem Zeitraum ein monatliches durchschnittliches Nettoeinkommen in Höhe von etwas mehr als 7.000 EUR bezogen. Auch unter Berücksichtigung der Besuchskosten für regelmäßige Reisen zu den Kindern aus den Niederlanden nach Wien rechtfertige die Einkommenshöhe des Vaters eine Unterhaltsfestsetzung mit dem zwei- bis zweieinhalbfachen Regelbedarf. Zudem seien Unterhaltszahlungen nach dem Recht der Niederlande, wo der Vater seinen Wohnsitz hat und sein Einkommen erzielt, steuerlich zu seinen Gunsten zu berücksichtigen.

Der Vater sprach sich gegen die begehrte Unterhaltshöhe aus. Zu seinem regelmäßigen Einkommen brachte er letztlich vor, er habe im Jahr 2012 durchschnittliche monatliche Nettobezüge von rund 4.215 EUR und in den ersten vier Monaten des Jahres 2013 von rund 4.840 EUR bezogen. Die Absetzbarkeit von Kindesunterhalt sei in den Niederlanden mit Ende des Jahres 2014 abgeschafft worden. Bei der Beurteilung seiner Leistungsfähigkeit seien allerdings die erheblichen Kosten zu berücksichtigen, die mit seinen regelmäßigen Besuchen der Kinder in Wien verbunden seien. Seit September 2013 seien durchschnittlich rund 990 EUR pro Monat an Besuchskosten angefallen; davor habe er Kosten in ähnlicher Höhe aufzuwenden gehabt, könne diese allerdings nicht durchgehend mit Belegen nachweisen. Nach seinem im Mai 2012 erlittenen Unfall habe er allerdings vier Monate lang die regelmäßigen Besuche in Wien nicht unternehmen können.

Das Erstgericht setzte den Unterhalt für P***** in näher dargestellten Zeiträumen mit monatlich 612 EUR, 626 EUR und schließlich mit 895 EUR fest, für C***** mit 476 EUR bzw 486 EUR und für V***** mit 372 EUR bzw 380 EUR. Es führte dazu im Wesentlichen aus, der Vater habe sein monatliches Einkommen trotz wiederholter Aufforderungen nicht detailliert offengelegt. Nach freier Beweiswürdigung sei davon auszugehen, dass er den zweifachen bzw zweieinhalbfachen jeweiligen Durchschnittsbedarfsatz an Unterhalt für die Kinder leisten könne. Seine Aufwendungen für die Besuchskontakte zu den Kindern in Wien seien nicht von der Bemessungsgrundlage abzuziehen. Er übe kein überdurchschnittliches Besuchsrecht aus, weshalb die Kosten auch für die Anreise aus Holland nicht zu Lasten des Unterhalts der Kinder gehen könnten.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss (für den genannten Zeitraum) und erklärte den Revisionsrekurs letztlich in Ansehung der beiden jüngeren Kinder für zulässig. Auch wenn der Vater – für andere Zeiträume – zu Recht die Verletzung der Stoffsammlungspflicht durch das Erstgericht rüge, seien angesichts des von ihm im Rekurs zugestandenen monatlichen Durchschnittseinkommens von 4.215,25 EUR weitere Erhebungen nicht erforderlich. Ausgehend davon bewegten sich die vom Erstgericht festgesetzten Unterhaltsbeiträge unterhalb jener Summen, die bei Anwendung der Prozentwertmethode errechnet würden. Es entspreche der Judikatur, eine Angemessenheitsgrenze („Luxusgrenze“) im Bereich des Zwei- bis Zweieinhalbfachen des Regelbedarfs einzuziehen, um eine pädagogisch schädliche Überalimentierung zu vermeiden. Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil die bisherige Judikatur zur allfälligen Anrechnung von Besuchskosten vor Inkrafttreten des KindNamRÄG ergangen sei und nicht auszuschließen sei, dass durch das neue Gesetz, das die Wichtigkeit des persönlichen Kontakts zwischen Eltern und Kindern besonders betont, insoweit ein Paradigmenwechsel eingetreten sei, welcher eine darüber hinausgehende Anrechnung der Besuchskosten auf den Kindesunterhalt indiziere.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene Revisionsrekurs des Vaters ist – entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Rekursgerichts – mangels Abhängigkeit der Entscheidung von einer im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.

Vorweg ist festzuhalten, dass der Revisionsrekurs zahlreiche Neuerungen enthält, die in diesem Verfahrensstadium jedenfalls unzulässig sind und unbeachtet zu bleiben haben (§ 66 Abs 2 AußStrG). Dies betrifft etwa die Behauptung, der Vater habe wegen der Aufrechterhaltung des Wohnsitzes für die ganze Familie erhebliche Kosten an Wohnungsmiete gehabt, die bei der Unterhaltsbemessung zu berücksichtigen wären, sowie die Behauptung, er habe vereinbarungsgemäß bei seinen Besuchen holländischen Käse mitgebracht, dessen Kaufpreis auf den Unterhalt anzurechnen wäre. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass dem Vater (lediglich) der Auftrag erteilt wurde, sein mangelhaftes Rechtsmittel durch einen ziffernmäßigen Rechtsmittelantrag sowie die Erklärung zu verbessern, ob er im Hinblick auf die beiden jüngeren Kinder eine Zulassungsvorstellung an das Rekursgericht erheben will. Soweit er diese Gelegenheit auch dazu genutzt hat, sein sonstiges Revisonsrekursvorbringen zu ergänzen, hat auch diese Ergänzung unbeachtlich zu bleiben, würde doch sonst der Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels missachtet.

Gegen die Auffassung des Rekursgerichts, die festgesetzten Unterhaltsbeiträge seien bereits nach den vom Vater selbst zugestandenen Einkommensverhältnissen im fraglichen Zeitraum nicht überhöht, bestehen keine Bedenken, selbst wenn man dessen Belastung durch die behaupteten Besuchskosten berücksichtigt. Festzuhalten ist, dass der Vater im Verfahren erster Instanz für das erste Jahr ein Durchschnittseinkommen von 4.215 EUR monatlich und für die folgenden drei Monate von 4.840 EUR monatlich zugestanden hat. Die Behauptung zur Höhe seiner Besuchskosten hält er im Revisionsrekurs insoweit aufrecht, als diese in den acht Besuchsmonaten des Jahres 2012 und den ersten vier Monaten des Jahres 2013 (ohne Berücksichtigung des mitgebrachten Käses) durchschnittlich 423 EUR pro Monat betragen hätten.

Der Oberste Gerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, dass die mit der Ausübung des üblichen Besuchsrechts verbundenen Kosten des Unterhaltspflichtigen die Unterhaltsbemessung nach § 231 ABGB grundsätzlich nicht schmälern können (RIS-Justiz RS0047505; zuletzt 4 Ob 127/11x mwN; 8 Ob 124/15s). Eine Ausnahme ist grundsätzlich nur in jenen Fällen zu machen, in denen ein unterhaltspflichtiger Elternteil seiner Besuchspflicht nicht nachkommen könnte, ohne den eigenen Unterhalt zu gefährden (8 Ob 124/15s; RIS-Justiz RS0121100; 4 Ob 127/11x). Eine solche Situation liegt hier nicht annähernd vor. Selbst unter Zugrundelegung nur der von ihm selbst behaupteten Beträge wurden seine Unterhaltspflichten in den einzelnen Perioden für alle drei Kinder zusammen im Bereich von 35 bis 36 % seines Nettoeinkommens festgesetzt, also unterhalb der üblichen prozentualen Berechnung. Dem Vater verblieben danach – noch ohne Berücksichtigung der von ihm für die fragliche Zeit zugestandenen steuerlichen Begünstigung von Unterhaltszahlungen – monatlich 2.755 EUR bis 3.080 EUR, sodass er selbst unter Berücksichtigung der von ihm behaupteten Besuchskosten noch ausreichende Finanzmittel zur Finanzierung seines laufenden Lebensbedarfs hatte. Auf seine ursprüngliche Behauptung, er sei – seit seinem Unfall – durch laufende Gesundheitskosten finanziell erheblich belastet, kommt der Revisionsrekurswerber nicht mehr zurück.

Nur der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass auch die jüngere Judikatur (so etwa 8 Ob 124/15s) in der Novellierung des Kindschaftsrechts durch das KindNamRÄG keinen Anlass dafür gesehen hat, von der bisherigen Entscheidungspraxis im Zusammenhang mit Besuchskosten des unterhaltspflichtigen Elternteils abzugehen und diese Kosten etwa in höherem Maße zu Lasten der Unterhaltsberechtigten zu berücksichtigen. Schließlich ist auch zu bemerken, dass die vom Revisionsrekurswerber angesprochenen Änderungen erst am in Kraft getreten sind und damit für den Großteil der hier zu beurteilenden Unterhaltsperiode ohnehin keine Bedeutung haben können.

Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 letzter Satz AußStrG).

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2016:0010OB00059.16G.0428.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
LAAAD-05132