Aufhebung unter Zurückverweisung wegen unterlassener Ermittlungen sowie fehlender Feststellungen zu den Entlastungsunterlagen.
Entscheidungstext
Bescheid
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Beschwerde des A, Anschrift, vertreten durch TU Pircher, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs-GmbH, 6020 Innsbruck, Neuhauserstraße 7, vom gegen die Berufungsvorentscheidung des Zollamtes Innsbruck vom , Zl. 800000/00000/14/2004, betreffend Haftungsbescheid gemäß § 9 iVm § 80 BAO entschieden:
Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 289 Abs 1 BAO in Verbindung mit § 85c Abs 8 ZollR-DG unter Zurückverweisung der Sache an die Berufungsbehörde der ersten Stufe aufgehoben.
Rechtsbelehrung
Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 85c Abs. 8 des Zollrechts-Durchführungsgesetzes (ZollR-DG) in Verbindung mit § 291 der Bundesabgabenordnung (BAO) ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht dem Beschwerdeführer jedoch das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt (Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer) eingebracht werden.
Gemäß § 85c Abs. 7 ZollR-DG steht der Berufungsbehörde der ersten Stufe das Recht zu, gegen diese Entscheidung innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung (Kenntnisnahme) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.
Begründung
Am wurde die A-GmbH mit Sitz in X unter der Nummer 000000d in das Firmenbuch eingetragen. Laut Firmenbuchauszug war der Beschwerdeführer (Bf.) Geschäftsführer der primärschuldnerischen Gesellschaft. Nach einem erfolglos verlaufenen Ausgleichsverfahren wurde über die A-GmbH der Anschlusskonkurs eröffnet und laut Beschluss des zuständigen Gerichts vom der Konkurs aufgehoben.
Mit Vorhalt vom teilte das Zollamt Innsbruck dem nunmehrigen Beschwerdeführer mit, dass die im Vorhalt ausgewiesenen Abgabenbeträge durch die A-GmbH während seiner Vertretungsperiode nicht entrichtet wurden und aufgrund des Konkursverfahrens als uneinbringlich anzusehen sind. Das Zollamt müsse daher bis zum Beweis des Gegenteils davon ausgehen, dass er der ihm obliegenden Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten nicht nachgekommen ist. Ferner wird er im Vorhalt aufgefordert, zum Nachweis der Gläubigergleichbehandlung geeignete Unterlagen vorzulegen.
Mit Schreiben vom erfolgte die Beantwortung des Vorhalts. Dazu legte der Bf. für den Zeitraum von bis der Behörde so genannte "Kontoblätter-Lieferanten" und "OP Listen-Lieferanten" vor.
Am erließ das Zollamt Innsbruck einen Haftungsbescheid gegen den Bf. Im Wesentlichen begründete es sein Vorgehen mit dem Argument, der Vorhalt vom sei nicht ausreichend beantwortet worden, weshalb von einer schuldhaften Pflichtverletzung hinsichtlich der Nichtentrichtung der vorgeschriebenen Abgaben auszugehen sei. Nach stRsp des VwGH sei es Sache des Geschäftsführers, nachzuweisen, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger, bezogen auf jeweilige Fälligkeitszeitpunkte und dem Vorhandensein liquider Mittel, an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre. Dafür genüge es nicht, so das Zollamt weiter, den fälligen Abgabenschulden alle fälligen und noch nicht fälligen Verbindlichkeiten anderer Gläubiger gegenüberzustellen. Die Behörde wäre überdies nicht verpflichtet, die Beachtung des Gleichbehandlungsgebotes von Amts wegen zu prüfen.
Mit Schreiben des bevollmächtigten Vertreters vom legte der Bf. form- und fristgerecht beim Zollamt Innsbruck das Rechtsmittel der Berufung ein. Darin wird der Standpunkt vertreten, es bestünde grundsätzlich kein Haftungsanspruch. Unterlagen zum Nachweis, dass keine schuldhafte Verletzung der Sorgfaltspflicht des Geschäftsführers stattgefunden habe, würden ehest möglich nachgereicht. In der Folge übermittelte der Vertreter des Bf. der Rechtsmittelbehörde erster Instanz eine Vermögensübersicht, Saldenlisten sowie eine Zahlungsaufstellung über einem bestimmten Zeitraum.
Die Berufung wurde mit Bescheid (Berufungsvorentscheidung) vom insofern teilweise stattgebend erledigt, als das Haftungsausmaß auf EUR 240.786,00 reduziert wurde. Aus der Aktenlage ist ersichtlich, dass es sich dabei um den nach Beendigung des Konkursverfahrens verbliebenen Restbetrag an Mineralölsteuer für November 2004 handelt. Für diesen Betrag war laut Rechtsmittelbehörde erster Instanz der Berufung der Erfolg zu versagen, weil die beigebrachten Unterlagen wiederum nicht geeignet gewesen wären, die Einhaltung der Gleichbehandlung der Gläubiger vor der Ausgleichseröffnung nachzuweisen.
Mit Schreiben vom langte beim Zollamt Innsbruck frist- und formgerecht die gegen diese Entscheidung erhobene Beschwerde ein. Wie schon in der Berufung wird darin neuerlich die Auffassung vertreten, es bestünde gegenüber dem Bf. kein Haftungsanspruch. Zudem würden der Behörde alle Unterlagen zur Beurteilung der Haftungsfrage vorliegen.
Dazu hat der Senat Folgendes erwogen: Gemäß § 9 Abs 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Nach § 80 Abs 1 leg cit haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Die haftungsgegenständliche Abgabenforderung ist unbestritten. Der Bf. war im haftungsrelevanten Zeitraum alleiniger Geschäftsführer der Gesellschaft und daher für die Entrichtung der Abgaben verantwortlich. Das Konkursverfahren über das Vermögen der Primärschuldnerin wurde nach der Schlussverteilung aufgehoben, das Unternehmen befindet sich derzeit in Liquidation. Die haftungsgegenständliche Abgabe ist bei der Gesellschaft uneinbringlich.
Ungeachtet der grundsätzlichen amtswegigen Ermittlungspflicht der Behörde trifft laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes denjenigen, der eine ihm obliegende Pflicht nicht erfüllt - über die ihn stets allgemein treffende Behauptungslast im Verwaltungsverfahren hinaus - die besondere Verpflichtung darzutun, aus welchen Gründen ihm deren Erfüllung unmöglich war, widrigenfalls angenommen werden darf, dass er seiner Pflicht schuldhaft nicht nachgekommen ist. Allerdings darf diese besondere Behauptungs- und Beweislast einerseits nicht überspannt, andererseits nicht so aufgefasst werden, dass die Behörde jeder Ermittlungspflicht entbunden wäre. Hat der Geschäftsführer nicht nur ganz allgemeine, sondern einigermaßen konkrete, sachbezogene Behauptungen aufgestellt, die nicht schon von vornherein aus rechtlichen Gründen unmaßgeblich sind, so hat ihn die Behörde vorerst zu einer solchen Präzisierung und Konkretisierung seines Vorbringens und zu entsprechenden Beweisanboten aufzufordern, die es ihr - nach allfälliger Durchführung eines danach erforderlichen Ermittlungsverfahrens - ermöglichen zu beurteilen, ob der Geschäftsführer ohne Verstoß gegen die ihm obliegende Gleichbehandlungspflicht vorgegangen ist und ob und in welchem Ausmaß ihn deshalb eine Haftung trifft. Kommt der haftungspflichtige Geschäftsführer dieser Aufforderung nicht nach, so bleibt die Behörde zur eben angeführten Annahme berechtigt, dass er seiner Pflicht schuldhaft nicht nachgekommen ist. Konsequenterweise haftet der Geschäftsführer dann für die (von der Haftung betroffenen) Abgabenschulden zur Gänze ().
Im verfahrensgegenständlichen Fall hat der Bf. nicht nur ganz allgemeine, sondern konkrete, sachbezogene Behauptungen zur Gläubigergleichbehandlung aufgestellt und diese mit der Vorlage umfangreicher Unterlagen untermauert. In diesem Fall liegt es sodann an der Behörde, erforderlichenfalls Präzisierungen und Beweise vom Geschäftsführer abzufordern, jedenfalls aber konkrete Feststellungen über die von ihm angebotenen Entlastungsbehauptungen zu treffen (). Nach der Vorlage der Unterlagen im Berufungsverfahren (Vermögensübersicht, Saldenlisten und Zahlungsaufstellung) hätte die Behörde im Sinne der stRsp des VwGH dem Bf. im Rahmen der ihr obliegenden, wenn auch verminderten Ermittlungspflicht die nötige Konkretisierung bzw Präzisierung abverlangen müssen. Dabei verkennt der Senat nicht, dass die Verpflichtung zur Errechnung einer entsprechenden Quote auf dem Bf. lastet, und nicht auf der Behörde (). Aber gerade darauf hätte die Behörde den Bf. im Rahmen der Aufforderung zur Präzisierung hinweisen müssen. Somit wurden offensichtlich Ermittlungen unterlassen, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können.
Darüber hinaus steht die Kernaussage in der Begründung zur abweisenden Berufungsvorentscheidung vom , die beigebrachten Unterlagen wären wiederum nicht geeignet gewesen, die Einhaltung der Gleichbehandlung der Gläubiger vor der Ausgleichseröffnung nachzuweisen, unbegründet im Raum. Das Zollamt hat somit keine Feststellungen zu den Entlastungsunterlagen getroffen.
Ist die Berufung weder zurückzuweisen noch als zurückgenommen oder als gegenstandslos zu erklären, so kann die Abgabenbehörde zweiter Instanz gemäß § 289 Absatz 1 BAO die Berufung durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides und allfälliger Berufungsvorentscheidungen unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erster Instanz erledigen, wenn Ermittlungen unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können. Im weiteren Verfahren sind die Behörden an die für die Aufhebung maßgebliche, im Aufhebungsbescheid dargelegte Rechtsanschauung gebunden. Durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat. Nach § 85c Absatz 8 ZollR-DG ist diese Bestimmung für Berufungsfälle vor den Zollbehörden sinngemäß anzuwenden (siehe auch Ritz, BAO-Handbuch, S 306).
Die Rechtsmittelbehörde erster Instanz hat - wie oben dargelegt - im Berufungsverfahren Ermittlungen unterlassen, bei deren Durchführung offensichtlich ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden können. Der UFS kann somit in freiem Ermessen entscheiden, ob er diese Ermittlungen selbst durchführt oder den angefochtenen Bescheid aufhebt und die Sache an die Abgabenbehörde erster Instanz zurückverweist. Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidungen) müssen sich, wie § 20 BAO bestimmt, in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen.
Billigkeitsgründe, die gegen eine Ermessensübung sprechen, liegen nach der Aktenlage nicht vor. Im Sinne der Entscheidung des -F/02, spricht folgende Zweckmäßigkeitsüberlegung für die Zurückverweisung: Es ist zu berücksichtigen, dass das mit Wirkung ab dem reformierte Verfahren dem UFS als Rechtsmittelbehörde die Rolle eines unabhängigen Dritten zuweist. Will der UFS dieser Rolle gerecht werden, muss er sich im Wesentlichen auf die Funktion eines Kontroll- und Rechtsschutzorgans beschränken (vgl. Beiser, SWK 3/2003, S 102 ff). Und im konkreten Beschwerdefall ist schließlich auch darauf Bedacht zu nehmen, dass eine Beweisaufnahme vor der Abgabenbehörde zweiter Instanz nur mehr darin bestehen soll, "notwendige Ergänzungen" des (bisherigen) Ermittlungsverfahrens vorzunehmen. Bei der verfahrensgegenständlich erforderlichen Überprüfung der Präzisierung und Quotenberechnung handelt es sich nicht mehr um eine geringfügige, sondern für die Beurteilung des Haftungsanspruches wesentliche Ergänzung des Ermittlungsverfahrens.
Die Begründung des Bescheides hat dann das Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens und die Beweiswürdigung nachvollziehbar wiederzugeben (-I/04). Erst wenn die notwendige Ergänzung des Ermittlungsverfahrens vorliegt und der abschließende Bescheid nachvollziehbar begründet ist, dh wenn die Rechtsmittelbehörde erster Instanz konkrete Feststellungen zu den vorgelegten Unterlagen getroffen hat, kann der UFS seiner Kontroll- und Rechtschutzpflicht nachkommen.
Aus den dargelegten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.
Salzburg, am
Zusatzinformationen
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Materie | Zoll |
betroffene Normen | |
Verweise | -F/02 -I/04 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at