TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 20.09.2005, RV/1361-W/05

Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn die Einkünfte des Ehegatten so gering sind, dass kein Unterhaltsanspruch gegeben ist

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vertreten durch Dr. Susanne Schwarzenbacher, Sachwalterin, 1090 Wien, Rossauer Lände 11/16, gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20 betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe einschließlich Erhöhungsbetrag sowie Kinderabsetzbetrag für den Monat September 2001, sowie für den Zeiträume November 2002 bis März 2003 und Februar 2004 bis Juli 2004, entschieden:

Der Berufung wird stattgegeben.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Entscheidungsgründe

Die Berufungswerberin (Bw.), geb. am , bezog auf Grund ihrer Erkrankung (erhöhte) Familienbeihilfe (Sachverständigengutachten vom ).

Im Zuge der Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe wurde bekannt, dass die Bw. verheiratet ist.

Das Finanzamt erließ am für den Monat September 2001 sowie die Zeiträume November 2002 bis März 2003 und Februar 2004 bis Juli 2004 einen Bescheid über die Rückforderung zu Unrecht bezogener Beträge an Familienbeihilfe einschließlich Erhöhungsbetrag sowie Kinderabsetzbetrag.

Begründend wurde ausgeführt:

"Gemäß § 5 Abs. 2 Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) 1967 besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, denen Unterhalt von ihrem Ehegatten zu leisten ist. Da Ihr Gatte in den oben genannten Zeiträumen beschäftigt war bzw. ist und somit verpflichtet ist, für Ihren Unterhalt zu sorgen, ist die Familienbeihilfe rückzufordern."

Die Bw. erhob gegen den Bescheid am fristgerecht Berufung und führte dazu aus:

"Unbeschadet der Frage, ob mein Ehemann, Herr M.K., im gegenständlichen Zeitraum gearbeitet hat und unterhaltspflichtig war, hat er seine Unterhaltspflichten mir gegenüber gemäß Ehegesetz und ABGB nicht erfüllt. Ich habe von der Beschäftigung meines Mannes nichts gewusst. Deswegen habe ich die erhöhte Familienbeihilfe einschließlich Kinderabsetzbetrag gutgläubig verbraucht. Erst durch die Überprüfung des Sozialreferats für den 2. Bezirk im Frühjahr d.J. ist mir bekannt geworden, dass mein Mann einer Beschäftigung nachgeht.

Ich möchte in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass ich im Rahmen der Behindertenhilfe seit 1997 betreut und dabei auch u.a. in der Finanzgebarung unterstützt werde. Seitens meiner Betreuungseinrichtung, der Wiener Sozialdienste FÖBE GmbH, kann auch gerne bestätigt werden, dass M.K. seinen Unterhaltspflichten nicht nachgekommen ist.

Ich lebe von meinem Ehemann getrennt, erhalte keinerlei Unterhaltsleistungen und bin auch nicht darüber informiert, wo er wohnt und ob er zur Zeit beschäftigt ist. Durch die Unterstützung meiner Sozialarbeiterin habe ich erst jetzt von der Dringlichkeit einer Unterhaltsklage erfahren und werde sie mit ihrer Hilfe jetzt unverzüglich einbringen..."

Das Finanzamt erließ am eine Berufungsvorentscheidung und wies die Berufung mit folgender Begründung ab:

"Anspruch auf Familienbeihilfe haben auch minderjährige Vollwaisen, wenn sie im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, ihnen nicht Unterhalt von ihrem Ehegatten oder ihrem früheren Ehegatten zu leisten ist und für sie keiner anderen Person Familienbeihilfe zu gewähren ist.

Volljährige Vollwaisen haben Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn auf sie die obgenannten Voraussetzungen zutreffen und wenn sie wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 27. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und sich in keiner Anstaltspflege befinden.

Laut Auszug der österreichischen Sozialversicherung war Ihr Ehemann vom -, -, - und vom - beschäftigt. Im Zeitraum vom - wohnte er laut Zentralem Melderegister im gemeinsamen Haushalt. Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen."

Die Bw. stellte am den Antrag auf Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 5 Abs. 2 FLAG besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, denen Unterhalt von ihrem Ehegatten oder ihrem früheren Ehegatten zu leisten ist.

Folgendes steht sachverhaltsmäßig fest:

  • Die Bw. war zumindest im Rückforderungszeitraum gemäß einer Bescheinigung des Bundessozialamtes voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Dies wird auch vom Finanzamt nicht in Zweifel gezogen.

  • Im Zuge der Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe wurde bekannt, dass die Bw. mit M.K., geb. am , verheiratet ist. Bei Familienstand wurde "dauernd getrennt lebend" angekreuzt.

  • Laut Abfrage im Zentralen Melderegister war der Ehemann der Bw. vom bis - ebenso wie die Bw. - in der M-Gasse in 1020 Wien, gemeldet.

  • Die Bw. bezog ab (Bescheid vom ) Pflegegeld der Pflegestufe 2. Mit Bescheid der Stadt Wien vom wurde eine Herabstufung auf die Pflegestufe 1 vorgenommen, welche mit April 2004 wirksam wurde.

  • Der Ehemann der Bw. war - laut Versicherungsdatenauszug vom - wie folgt beschäftigt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
-
Arbeiter ...
-
Urlaubsabfindung, Urlaubsentschädigung
-
Arbeiter
-
Arbeiter
-
Urlaubsabfindung, Urlaubsentschädigung
-
Arbeiter
-
Arbeiter
-
Arbeiter
-
Arbeiter

  • Er bezog im Streitzeitraum Nettoeinkünfte, die im Jahr 2003 weniger als € 4.000 betragen haben und in den übrigen Jahren sogar wesentlich darunter gelegen sind.

In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:

Die Verehelichung eines Kindes soll nur dann mit dem Verlust der (erhöhten) Familienbeihilfe verbunden sein, wenn Unterhalt für das verheiratete Kind von seinem Ehegatten zu leisten ist.

Art und Umfang des Unterhaltsanspruches eines Ehegatten gegenüber dem anderen Ehegatten ergeben sich aus dem Zivilrecht, insbesondere aus § 94 ABGB, welcher lautet:

"(1) Die Ehegatten haben nach ihren Kräften und gemäß der Gestaltung ihrer ehelichen Lebensgemeinschaft zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse gemeinsam beizutragen.

(2) Der Ehegatte, der den gemeinsamen Haushalt führt, leistet dadurch seinen Beitrag im Sinn des Abs. 1; er hat an den anderen einen Anspruch auf Unterhalt, wobei eigene Einkünfte angemessen zu berücksichtigen sind. Dies gilt nach der Aufhebung des gemeinsamen Haushalts zugunsten des bisher Unterhaltsberechtigten weiter, sofern nicht die Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs, besonders wegen der Gründe, die zur Aufhebung de gemeinsamen Haushalts geführt haben, ein Missbrauch des Rechtes wäre. Ein Unterhaltsanspruch steht einem Ehegatten auch zu, soweit er seinen Beitrag nach Abs. 1 nicht zu leisten vermag.

(3) Auf Verlangen des unterhaltsberechtigten Ehegatten ist der Unterhalt auch bei aufrechter Haushaltsgemeinschaft ganz oder zum Teil in Geld zu leisten, soweit nicht ein solches Verlangen, insbesondere im Hinblick auf die zur Deckung der Bedürfnisse zur Verfügung stehenden Mittel, unbillig wäre. Auf den Unterhaltsanspruch an sich kann im Vorhinein nicht verzichtet werden."

Wie oben ausgeführt, ist unbestritten , dass die Bw. derzeit außerstande ist sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Zu prüfen ist daher, ob die Einkünfte des Ehegatten über die eigenen bescheidensten Unterhaltsbedürfnisse hinausgehen, was seine Unterhaltspflicht begründen und somit den Anspruch auf Familienbeihilfe der Bw. ausschließen würde.

Nach dem dargestellten Sachverhalt reichen die Einkünfte des Ehemannes der Bw. nicht über die Bestreitung der eigenen bescheidensten Unterhaltsbedürfnisse hinaus, weshalb er dieser gegenüber auch nicht unterhaltsverpflichtet ist.

Es ist sachgerecht, sich bei der Höhe der "bescheidensten Bedürfnisse" an den zivilrechtlichen Begriffen "notwendiger bzw. notdürftiger" Unterhalt zu orientieren. Diese wiederum orientieren sich nach der Judikatur zum "Existenzminimum", das die Ausgleichszulagenrichtsätze des § 293 ASVG als Basis hat.

Das Existenzminimum (der Ausgleichszulagenrichtsatz) reicht schon nach dem Wortsinn aus, um die eigenen bescheidensten Unterhaltsbedürfnisse abzudecken und wird auch rechtlich in diesem Sinn verstanden (zB im Unterhaltsrecht, im Pensionsrecht und im Exekutionsrecht). Siehe dazu zB E LGZ Wien 44 R 464/02i, EFSlg 100.944, zu § 68a EheG:

"Der Gesetzgeber geht davon aus, dass Personen zur Befriedigung ihrer einfachsten Lebensbedürfnisse eines bestimmten Mindestbetrages bedürfen. Dieser als absolutes Minimum angesehene Betrag ergibt sich aus §§ 293 f ASVG. Mit dem Betrag für allein stehende Personen nach § 293 Abs. 1 lit. a ASVG stimmt nunmehr auch gemäß § 291a Abs. 1 EO der unpfändbare Freibetrag (Existenzminimum) überein."

Es steht fest, dass das (durchschnittliche) Monatseinkommen des Ehegatten weit unter den Richtsätzen der §§ 293f ASVG gelegen ist.

Bei der Feststellung des Unterhaltsanspruchs ist von einem Durchschnittseinkommen auszugehen, das im Allgemeinen von einem längeren, nach den möglichen Einkommensschwankungen zu bemessenden Zeitraum zu ermitteln ist ( mwN; der Gerichtshof hat in diesem Urteil ausdrücklich eine monatliche Anpassung des Unterhaltsanspruchs im Falle eines schwankenden Einkommens abgelehnt). Somit ist es auch unzulässig, eine Rückforderung der Familienbeihilfe für die Monate vorzunehmen, in denen der Ehegatte berufstätig war.

Der Berufung war somit stattzugeben und der angefochtene Bescheid aufzuheben.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
FLAG
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Existenzminimum
notdürftiger Unterhalt

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at