Haftung eines Geschäftsführers einer GmbH
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/0660-K/07-RS1 | Im Haftungsverfahren besteht eine qualifizierte Mitwirkungspflicht des Geschäftsführers. Reichen die vorhandenen liquiden Mittel einer GmbH zur Befriedigung aller Verbindlichkeiten nicht aus, so kommt eine Haftung lediglich dann nicht zum Tragen, wenn der Geschäftsführer den Nachweis der Gleichbehandlung aller Gläubiger erbringt (Gleichbehandlungsgrundsatz). |
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des W, S, U 1, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes S., vertreten durch HR Dr. K, vom betreffend Haftung gemäß § 9 iVm § 80 BAO entschieden:
Der Berufung wird teilweise stattgegeben und der Haftungsbetrag auf € 39.011,98 verringert. Im Übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungsgründe
Mit angefochtenem Bescheid vom wurde der Berufungswerber zur Haftung für uneinbringlich aushaftende Abgabenschuldigkeiten der Fa. G GmbH in Höhe von € 56.852,00 zur Haftung herangezogen.
Die GmbH wurde mit Gesellschaftsvertrag vom errichtet und war im Transportgewerbe tätig.
Die Abgabenschuldigkeiten wurden tabellarisch wie folgt aufgegliedert:
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Abgabenart | Zeitraum | Fälligkeitstag | Betrag |
Lohnsteuer | 02/2005 | 222,34 | |
Dienstgeberbeitrag | 02/2005 | 684,68 | |
Zuschlag/Dienstgeberbeitrag | 02/2005 | 63,90 | |
Umsatzsteuer | 01/2005 | 319,27 | |
Säumniszuschlag 2 | 2004 | 57,05 | |
Lohnsteuer | 12/2000 | 886,90 | |
Lohnsteuer | 12/2001 | 859,63 | |
Dienstgeberbeitrag | 12/2001 | 164,64 | |
Zuschlag/Dienstgeberbeitrag | 12/2001 | 17,29 | |
Lohnsteuer | 12/2002 | 1.608,00 | |
Dienstgeberbeitrag | 12/2002 | 361,80 | |
Zuschlag/Dienstgeberbeitrag | 12/2002 | 33,75 | |
Lohnsteuer | 03/2005 | 2.257,08 | |
Dienstgeberbeitrag | 03/2005 | 909,31 | |
Zuschlag/Dienstgeberbeitrag | 03/2005 | 84,87 | |
Umsatzsteuer | 02/2005 | 9.850,65 | |
Umsatzsteuer | 2003 | 8.506,97 | |
Körperschaftsteuer | 04-06/2005 | 437,00 | |
Lohnsteuer | 04/2005 | 2.295,88 | |
Dienstgeberbeitrag | 04/2005 | 899,48 | |
Zuschlag/Dienstgeberbeitrag | 04/2005 | 83,95 | |
Kraftfahrzeugsteuer | 01-03/2005 | 5.612,16 | |
Kammerumlage | 01-03/2005 | 100,89 | |
Umsatzsteuer | 03/2005 | 13.435,48 | |
Säumniszuschlag 2 | 2004 | 97,01 | |
Säumniszuschlag 1 | 2004 | 170,14 | |
Lohnsteuer | 05/2005 | 1.729,79 | |
Dienstgeberbeitrag | 05/2005 | 763,58 | |
Zuschlag/Dienstgeberbeitrag | 05/2005 | 71,27 | |
Lohnsteuer | 12/2003 | 1.230,00 | |
Dienstgeberbeitrag | 12/2003 | 260,00 | |
Zuschlag/Dienstgeberbeitrag | 12/2003 | 25,00 | |
Lohnsteuer | 12/2004 | 920,00 | |
Dienstgeberbeitrag | 12/2004 | 195,00 | |
Zuschlag/Dienstgeberbeitrag | 12/2004 | 18,00 | |
Umsatzsteuer | 2004 | 1.619,97 | |
Summe | 56.852,73 |
Über die GmbH wurde am beim Landesgericht das Konkursverfahren eröffnet (Insolvenzakt, Zahl 41 S 21/32).
Zu diesem Zeitpunkt bestand am Abgabenkonto beim Finanzamt ein Abgabenrückstand in Höhe von € 82.981,51. Die gesamten Verbindlichkeiten beliefen sich auf € 720.0000,00.
Die größten Konkursgläubiger waren neben Banken mit Forderungen in Höhe von insgesamt € 205.000,00; das Finanzamt mit Forderungen in Höhe von € 121.000,00; die Gebietskrankenkasse mit Forderungen in Höhe von € 32.851,00; die Firma TS HandelsgesmbH mit € 129.700,00 sowie auch Leasinggesellschaften mit Forderungen in Höhe von ca. € 140.000,00. Die Treibstoffverbindlichkeiten beliefen sich auf € 20.000,00.
Nachdem ein - im Konkursverfahren - beschlossener Zwangsausgleich (20%) 2006 nicht erfüllt werden konnte, wurde mit Beschluss vom dem Zwangsausgleich die Bestätigung versagt und die Schließung des Unternehmens angeordnet. Schließlich legte der Masseverwalter einen Verteilungsentwurf vor, welcher infolge Masseunzulänglichkeit die teilweise Befriedigung der Massegläubiger vorsah. Auf die Konkursgläubiger entfiel keine Quote. Der Konkurs wurde mangels Deckung aufgehoben (Beschluss vom ).
Der Berufungswerber war laut Auszug aus dem Firmenbuch vom bis zur Konkurseröffnung alleiniger, selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer der GmbH.
Aufgrund dieser Sachlage forderte das Finanzamt den Berufungswerber unter Hinweis auf seine gesetzlichen Pflichten und seine qualifizierte Mitwirkungspflicht auf, jene Gründe darzulegen, die zur nicht ordnungsgemäßen Entrichtung der Abgaben geführt haben. Um Nachweis der Gleichbehandlung aller Gläubiger wurde ersucht.
Mit schriftlicher Eingabe vom rechtfertigte sich der Geschäftsführer dahingehend, dass er für seine Tätigkeit niemals eine Vergütung erhalten hätte. Das gesamte Belegwesen sei durch Herrn AB geführt worden und habe er diesem völlig vertraut.
Die Hausbank habe den Kreditrahmen innerhalb kürzester Zeit von € 200,000,00 auf € 100.000,00 reduziert. Daher habe er sich entschlossen ein neues, weiteres Firmenkonto bei einer anderen Bank für einlangende Kundenzahlungen zu errichten, um auf diese Weise wiederum liquide Mittel für die Betriebsfortführung zu erhalten. Diese Bank habe jedoch ihrerseits keine Zahlungen mehr durchgeführt, sodass er gezwungen war, Konkursantrag zu stellen.
In der Berufung vom brachte der Berufungswerber vor, dass er nicht imstande sei, den Betrag in Höhe von € 56.852,00 aufzubringen. Er sei sorgepflichtig für drei minderjährige Kinder und habe in seinem Unternehmen seit 40 Jahren einen behinderten Mitarbeiter. Der Nachweis der Gleichbehandlung aller Gläubiger wurde nicht erbracht.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff leg.cit. bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Voraussetzung für die Haftungsinanspruchnahme sind eine Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die Stellung als Vertreter, die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung, eine Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit.
Unbestritten ist, dass der Bw. im haftungsgegenständlichen Zeitraum als Alleingeschäftsführer zum Kreis der in § 80 BAO genannten Vertreter zählt, der für die Abgaben der GesmbH herangezogen werden kann.
Unbestritten ist weiters, dass Abgaben in Höhe von € 56.852,51, für die der Bw. haftbar gemacht wurde, zufolge Abweisung des Antrages auf Konkurs mangels kostendeckenden Vermögens bei der durch ihn vertretenen Abgabepflichtigen nicht mehr einbringlich sind (Beschlüsse des Konkursgerichtes vom 3. und ).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Sache des Geschäftsführers, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert haben, die ihm obliegenden abgabenrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf. Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung der Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung standen, hiezu nicht ausreichten, es sei denn, er weist nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung der Verbindlichkeiten verwendet hat (vgl. z.B. Erkenntnis vom , Zl. 95/14/0056), er somit die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als andere Verbindlichkeiten.
Vom Gleichbehandlungsgebot ausgenommen ist die Lohnsteuer; aus § 78 Abs. 3 EStG 1988 ergibt sich nämlich die Verpflichtung, die Lohnsteuer zur Gänze zu entrichten und ist, soferne diese nicht einbehalten und an das Finanzamt abgeführt wird - ungeachtet der wirtschaftlichen Schwierigkeiten der GmbH - von einer schuldhaften Pflichtverletzung des Geschäftsführers auszugehen (vgl. Erkenntnis des Zl. 2001/15/0029).
Im gegenständlichen Fall wäre eine Haftung des Bw. für die offenen Abgabenschulden der Primärschuldnerin allenfalls dann nicht zum Tragen gekommen, wenn von der Primärschuldnerin (GesmbH) das Gleichmäßigkeitsgebot (gleichmäßige Behandlung aller Schulden bzw. Gläubiger) zum Zeitpunkt der Fälligkeit der jeweiligen Abgabenschulden beachtet worden wäre.
Dem Bw. wurde im Zuge des Abgabenverfahrens die Möglichkeit eröffnet, ausführlich darzulegen, welche Gründe für die Nichtentrichtung der Abgaben der Primärschuldnerin maßgebend waren bzw. nachzuweisen, welche anderen Verbindlichkeiten im Streitzeitraum bestanden haben und allenfalls wie die Abdeckung derselben erfolgte.
Einen Nachweis der Gleichbehandlung aller Gläubiger zum Zeitpunkt der gesetzlichen Fälligkeit der Abgaben wurde vom Berufungswerber jedoch nicht mehr erbracht.
Der Bw. war entgegen seinem Vorbringen, er habe sich um finanzielle buchhalterische Belange nicht gekümmert, sehr wohl für die geschäftliche Abwicklung bei der Hausbank und einer weiteren Bank zuständig. Er übte diese Funktion eines verantwortlichen Geschäftsführers auch aus. Er war auch für die Entrichtung der Abgaben gesetzlich verpflichtet und für Überweisungen zuständig.
Wenn er meint, er habe seinen Mitarbeitern völlig vertraut, ist ihm entgegenzuhalten, dass es ihm als Geschäftsführer nicht verborgen geblieben sein kann, dass Zahlungen nicht mehr durchgeführt würden. Im Übrigen nahm er aktiv Bankagenden wahr und hatte daher Kenntnis von der Situation der GmbH.
Aus dem Anmeldungsverzeichnis zum Konkursverfahren ergibt sich zur Frage des Eintrittes der Zahlungsunfähigkeit, dass die GmbH auch Leasingraten für den Fuhrpark und Treibstofflieferungen offenkundig nicht mehr bezahlt hat.
Daraus leitet der Referent beim Unabhängigen Finanzsenat ab, dass die Zahlungsunfähigkeit bereits Ende Mai 2005 eingetreten ist, weil laufende Zahlungen (Treibstoff, Leasingraten, Werkstättenrechnungen, Steuerberaterhonorare) ebenso nicht mehr geleistet wurden.
Der Referent geht daher davon aus, dass er hinsichtlich jener Abgabenschuldigkeiten - ausgenommen Lohnsteuer - welche ab Juni 2005 bis zur Konkurseröffnung am fällig wurden, keine nachweisbare schuldhafte Pflichtverletzung zu verantworten hat.
Dabei handelt es sich um nachstehend angeführte Abgabenschuldigkeiten im Ausmaß von € 834,85:
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Dienstgeberbeitrag | 05/2005 | 763,58 | |
Zuschlag/Dienstgeberbeitrag | 05/2005 | 71,27 |
Hinsichtlich jener Abgabenschuldigkeiten, welche bis Mai 2005 fällig wurden, hat der Berufungswerber einen Nachweis der Gleichbehandlung aller Gläubiger nicht erbracht. Der Referent ist auf Grund der Sach- und Rechtslage sowie der höchstgerichtlichen Rechtsprechung daher zur Annahme berechtigt, dass der Bw. hinsichtlich der zeitlich vorgelagerten Abgabenschuldigkeiten auf Grund der Missachtung des Gleichmäßigkeitsgebotes seiner Abgabenzahlungspflicht schuldhaft nicht nachgekommen ist; konsequenterweise haftet er daher für die von der Haftung betroffenen Abgabenschulden der Gesellschaft zur Gänze (vgl. Erkenntnis des Zl. 2001/17/0159).
Die verschuldensunabhängige Haftung für die Lohnsteuer ergibt sich - wie bereits oben dargelegt - im Übrigen bereits aus § 78 Abs. 3 EStG. Demnach haftet man für Lohnabgaben ausbezahlter Löhne verschuldensunabhängig.
Bei der Verletzung von abgabenrechtlichen Zahlungspflichten bedarf es - anders als bei der Verletzung sonstiger abgabenrechtlicher Pflichten - keiner näheren Begründung der Kausalität der Pflichtverletzung für die eingetretene Uneinbringlichkeit der Abgaben (vgl. Erkenntnis des Zl. 98/14/0114). Im Falle des Vorliegens einer schuldhaften Pflichtverletzung spricht die Vermutung für die Verursachung der Uneinbringlichkeit der Abgaben durch die Pflichtverletzung und den Rechtswidrigkeitszusammenhang (vgl. Erkenntnis des Zl. 2001/13/0127).
Die Geltendmachung der Haftung liegt im Ermessen der Abgabenbehörde, die sich innerhalb der vom Gesetz aufgezeigten Grenzen zu halten hat (§ 20 BAO). Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist (vgl. Erkenntnis des Zl. 89/15/0067).
Vom Bw. wurden im Besonderen seine Sorgepflichten für drei minderjährige Kinder vorgebracht, die bei Abwägung von Zweckmäßigkeit und Billigkeit nach Ansicht des Referenten Berücksichtigung finden können.
Aus dem Grundbuch ergibt sich, dass gegen den Berufungswerber wegen Bankverbindlichkeiten in Höhe von mehr als € 600.000,00 ein Versteigerungsverfahren eingeleitet worden ist.
Der Umstand, dass der Bw. für drei Kinder sorgepflichtig ist und die laut Grundbuchsauszug schlechte Vermögenslage, rechtfertigen nach Ansicht des Referenten in Ausübung des Ermessens einen Nachlass der verleibenden Haftungsbetrages von einem Drittel, sodass sich der Haftungsbetrag um € 17.006,00 auf € 39.011,98 verringert.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass auf Grund des Vorliegens der Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 BAO die Inanspruchnahme des Bw. für die im Bescheid des Finanzamtes angeführten Abgaben dem Grunde nach zu Recht erfolgte.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Klagenfurt am Wörthersee, am
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | |
Verweise | -K/03 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at