Säumniszuschlag wegen unterlassenem Steuerabzug bei beschränkter Steuerpflicht (§ 99 EStG 1988) und Antrag auf Aussetzung der Einhebung der Abzugsteuer
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Berufungswerberin vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Innsbruck vom betreffend Festsetzung eines ersten Säumniszuschlages entschieden:
Der Berufung wird teilweise stattgegeben. Von der Abzugsteuer gemäß § 99 EStG 1988 für Mai 2006 in Höhe von 195.312,50 € wird der Säumniszuschlag mit 2 %, das sind 3.906,25 € festgesetzt.
Entscheidungsgründe
Geschäftsgegenstand der Berufungswerberin (Bw.) ist die Organisation von Events.
Mit Bescheid vom schrieb das Finanzamt der Bw. die auf einen Auftritt der ausländischen Musikgruppe X. am in Y. entfallende Einkommensteuer beschränkt Steuerpflichtiger (Steuerabzug gemäß § 99 EStG 1988) in Höhe von 195.312,50 € zur Haftung und Zahlung vor.
Mit weiterem Bescheid vom setzte das Finanzamt gegenüber der Bw. einen ersten Säumniszuschlag (3.933,05 €) von der Einkommensteuer beschränkt Steuerpflichtiger für den Zeitraum Mai 2006 mit der Begründung fest, dass diese Abgabe nicht bis zum entrichtet worden sei. Als Bemessungsgrundlage für den Säumniszuschlag wurde ein Betrag in Höhe von 196.652,50 € herangezogen.
Die gegen den Säumniszuschlagsbescheid erhobene Berufung vom wurde darauf gestützt, dass die Bw. gegen den Stammabgabenbescheid vom am Berufung erhoben und gleichzeitig einen Antrag auf Aussetzung der Einhebung dieser Abgabe gestellt habe. Nach Ansicht der Bw. sei der Berufung deshalb stattzugeben.
Mit Berufungsvorentscheidung vom gab das Finanzamt der Berufung keine Folge. Ausgeführt wurde, dass ein Säumniszuschlag verwirkt sei, wenn eine Abgabe nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet werde (§ 217 Abs. 1 und 2 BAO). Da die mit dem Säumniszuschlag belastete Abgabe gemäß § 101 Abs. 1 EStG 1988 am fällig gewesen sei, sei der Säumniszuschlag zu Recht vorgeschrieben worden. Gesetzliche Ausnahmeregelungen, wonach die Verpflichtung zur Entrichtung des Säumniszuschlages hinausgeschoben würde, seien auf den Berufungsfall nicht anwendbar. Zwar sei der Bw. für die Entrichtung der Abzugsteuer eine einmonatige Nachfrist ab Bekanntgabe des Haftungs- und Zahlungsbescheides vom zur Verfügung gestanden (§ 210 Abs. 4 BAO), doch sei der gesetzliche Fälligkeitstermin der Abzugsteuer dadurch nicht berührt worden. Da die Nachfrist des § 210 Abs. 4 BAO nicht spätestens am Fälligkeitstag der Abzugsteuer (), sondern erst mit der Zustellung des Haftungs- und Zahlungsbescheides vom in Lauf gesetzt worden sei, habe diese Zahlungsfrist nur eine die Einbringung hemmende Wirkung (§ 230 Abs. 2 BAO), jedoch keine den Säumniszuschlag vermeidende Wirkung gehabt. Aufgrund der Unterbrechung der maßgeblichen Fristenkette habe die Festsetzung des Säumniszuschlages durch den erst am eingebrachten Antrag auf Aussetzung der Einhebung der Abzugsteuer nicht vermieden werden können. Im Fall eines (teilweisen) Erfolges der Berufung gegen den Stammabgabenbescheid könne eine Herabsetzung bzw. Nichtfestsetzung des Säumniszuschlages beantragt werden.
Im Vorlageantrag vom , der kein weiteres Sachvorbringen enthält, wurde die Entscheidung über die Berufung durch den gesamten Berufungssenat und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt (§§ 282 Abs. 2 Z 1 und 284 Abs. 1 Z 1 BAO). Diese Anträge wurden mit Telefax vom wiederum zurückgezogen.
Über die Berufung wurde erwogen:
Wird eine Abgabe, ausgenommen Nebengebühren (§ 3 Abs. 2 lit. d), nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so ist ein erster Säumniszuschlag in Höhe von 2 Prozent des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages zu entrichten (§ 217 Abs. 1 und 2 BAO).
Nach Abs. 4 dieser Bestimmung sind Säumniszuschläge für Abgabenschuldigkeiten insoweit nicht zu entrichten, als
a) ihre Einhebung gemäß § 212a ausgesetzt ist,
b) ihre Einbringung gemäß § 230 Abs. 2, 3, 5 oder 6 gehemmt ist,
c) ein Zahlungsaufschub im Sinn des § 212 Abs. 2 zweiter Satz nicht durch Ausstellung eines Rückstandsausweises (§ 229) als beendet gilt,
d) ihre Einbringung gemäß § 231 ausgesetzt ist.
Die zu den Selbstbemessungsabgaben zählende Abzugsteuer gemäß § 99 EStG 1988 ist vom Abfuhrpflichtigen (Haftungspflichtigen) selbst zu berechnen und zu entrichten, ohne dass eine vorherige abgabenbehördliche Tätigkeit wie etwa die bescheidmäßige Festsetzung abgewartet werden darf. Bei dieser Abgabe handelt es sich um eine Zahlungsschuld kraft Gesetzes, deren Entstehungszeitpunkt durch § 100 Abs. 4 EStG 1988 i. V. m. § 4 Abs. 2 lit. a Z 3 BAO geregelt wird. Der jeweilige Fälligkeitstermin ergibt sich aus § 101 Abs. 1 EStG 1988. Danach hat der Schuldner der dem Steuerabzug unterliegenden Einkünfte die innerhalb eines Kalendermonates gemäß § 99 einbehaltenen Steuerbeträge unter der Bezeichnung "Steuerabzug gemäß § 99 EStG" spätestens am 15. Tag nach Ablauf des Kalendermonates an sein Betriebs- bzw. Wohnsitzfinanzamt abzuführen.
Die Frage, ob die Bw. als Schuldnerin der dem Steuerabzug unterliegenden Einkünfte für die Einbehaltung und Abfuhr der Abzugsteuer haftet (§ 100 Abs. 2 EStG 1988), ist nicht im Berufungsverfahren betreffend den Säumniszuschlag, sondern im Berufungsverfahren betreffend die Vorschreibung der Abzugsteuer zu klären. Dieses Verfahren ist beim Unabhängigen Finanzsenat noch anhängig (GZ. RV/0097-I/10).
Der Haftungs- und Zahlungsbescheid vom wurde an die Bw. am ordnungsgemäß zugestellt. Demnach ist im Säumniszuschlagsverfahren davon auszugehen, dass die Bw. die mit dem Säumniszuschlag belastete Abzugsteuer einbehalten und in Befolgung der Anordnung des § 101 Abs. 1 EStG 1988 spätestens am 15. Tag nach Ablauf dieses Kalendermonates abführen hätte müssen. Aus dieser Verpflichtung zur Einbehaltung und Abfuhr der Abzugsteuer zum gesetzlich vorgesehenen Termin folgt, dass diese Abgabe gegenüber der Bw. schon längere Zeit vor ihrer Haftungsinanspruchnahme (am ) fällig gewesen ist.
Die Fälligkeitsregel des § 101 Abs 1 EStG 1988 ist eine speziellere Bestimmung zu § 224 Abs. 1 zweiter Satz BAO, der zufolge die Haftungsschuld innerhalb einer Frist von einem Monat zu entrichten ist. Durch die Geltendmachung der Haftung für die Abzugsteuer wurde für die Bw. keine neue Fälligkeit begründet; ihr stand lediglich eine Zahlungsfrist von einem Monat zu. Nur in jenen Fällen, in denen der Haftungspflichtige nicht schon kraft Gesetzes Zahlungsschuldner (insbesondere als Abfuhrpflichtiger) war, wird eine von der Bekanntgabe des Haftungsbescheides abhängige und vom Zeitpunkt, bis zu dem die Abgabe ohne abgabenbehördliche Festsetzung zu entrichten war, abweichende Fälligkeit begründet. Ergibt sich hingegen die Fälligkeit - wie im Streitfall - aus einer Abgabenvorschrift, so löst der Haftungsbescheid keine neue Fälligkeit aus. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob sich die Nachfrist von einem Monat aus § 224 Abs. 1 zweiter Satz BAO oder (wie das Finanzamt meint) aus einer analogen Anwendung des § 210 Abs. 4 BAO ergibt, weil die gesetzlich festgelegte Fälligkeit in beiden Fällen unberührt bleibt (vgl. Ritz, BAO-Kommentar3, § 224, Tz 9; Ellinger/ Bibus/Ottinger, Abgabeneinhebung, Orac 1996, § 210, Tz 4 Pkt. 3.2, Tz 19 u. 26; § 224, Tz. 4 u. 7).
Der Umstand, dass gegen den Haftungs- und Zahlungsbescheid vom Berufung erhoben wurde, ist für die Frage der Rechtmäßigkeit des Säumniszuschlages ohne Bedeutung, weil nach § 254 BAO eine Berufung keine aufschiebende Wirkung hat (vgl. , 0146). Auch setzt die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages nicht den Bestand einer sachlich richtigen oder rechtskräftigen, sondern einer formellen Abgabenschuld voraus (vgl. ). Der Akzessorietät des Säumniszuschlages trägt die in § 217 Abs. 8 BAO für den Fall der nachträglichen Herabsetzung der Abgabenschuld getroffene Regelung in der erforderlichen Weise Rechnung.
Der Antrag auf Aussetzung der Einhebung der Abzugsteuer wurde erst in der Berufung vom und somit geraume Zeit nach Eintritt der Fälligkeit gestellt. Zwar hat ein Aussetzungsantrag, soweit ihm einbringungshemmende Wirkung nach § 230 Abs. 6 BAO zukommt, auch säumniszuschlagsvermeidende Wirkung (§ 217 Abs. 4 lit. b BAO). Die Einbringung eines Aussetzungsantrages berührt aber bereits entstandene Säumniszuschlagsansprüche nicht. Wird ein Aussetzungsantrag erst nach Ablauf der für die Entrichtung einer Abgabe zur Verfügung stehenden Frist eingebracht, so erfährt dadurch der durch Fristablauf bereits verwirkte Säumniszuschlag keine Änderung (vgl. Ritz, SWK 2001, S 312 ff, Punkt V 2. 2. 1; Stoll, BAO, 2275; ; ).
Gleiches gilt für die mit Bescheid vom bewilligte Aussetzung der Einhebung der Abzugsteuer, welche nicht die Wirkung hatte, dass die Säumnis und deren Folgen rückwirkend aufgehoben wurden.
Bemessungsgrundlage für den Säumniszuschlag ist die nicht (bzw. nicht rechtzeitig) entrichtete Abgabenschuldigkeit (vgl. Ritz, BAO3, § 217, Tz 4). Das Finanzamt hat die dem Säumniszuschlag zugrunde liegende Abzugsteuer bescheidmäßig in Höhe von 195.312,50 € festgesetzt. Als Bemessungsgrundlage für den Säumniszuschlag wurde jedoch ein auf dem Abgabenkonto belasteter höherer Betrag (196.652,50 €) herangezogen. Da für den Säumniszuschlag nicht die verbuchte, sondern die mit Bescheid festgesetzte Abgabenschuldigkeit maßgebend ist, war der Berufung insoweit stattzugeben.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 217 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 217 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 217 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 212a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 224 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 101 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at