Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 20.09.2005, RV/1507-W/05

Steuerliche Berücksichtigung einer durch einen Verkehrsunfall verursachten außergewöhnlichen technischen Abnutzung

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/1507-W/05-RS1
Aufwendungen für einen auf einer beruflich veranlassten Fahrt erlittenen Verkehrsunfall sind bei einem Fehlverhalten des Arbeitnehmers, das nicht als grob fahrlässig zu beurteilen ist, Werbungskosten (, ). Das Vorbringen des Steuerpflichtigen, dass er beim gegenständlichen Verkehrsunfall eine Fahrgeschwindigkeit von maximal 30 bis 40 km/h einhielt, ist auf Grund des Umstandes, dass dieser Unfall bei einem Linksabbiegemanöver unmittelbar nach Umschalten einer Ampel auf Grünlicht erfolgte mit den Erfahrungen des täglichen Lebens durchaus in Einklang zu bringen und ist dieses Vorbringen auch durch nichts widerlegt worden. Danach kann nicht von einer groben Fahrlässigkeit ausgegangen werden.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., W., A.gasse, vom , gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20, vertreten durch Adir. Pablée, vom betreffend Einkommensteuer 2004 entschieden:

Der Berufung gegen den Bescheid betreffend die Einkommensteuer für das Jahr 2004 wird Folge gegeben.

Der Bescheid betreffend die Einkommensteuer für das Jahr 2004 wird geändert.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe sind dem Ende der folgenden Entscheidungsgründe dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber (Bw.) bezog im Kalenderjahr 2004 Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit. In seiner Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für dieses Jahr beantragte er unter anderem die anlässlich eines Unfalles während einer Dienstreise entstandene Wertminderung seines privaten PKW in Höhe von € 11.256,25 als Werbungskosten zu berücksichtigen.

Der Unfall habe sich am um ca. 10.30 Uhr auf der Fahrt vom S.Standort E.l. zum S.Standort S.Straße ereignet.

Die als Werbungskosten beantragte Wertminderung errechnete der Bw. wie folgt:


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Neuwert bei Inbetriebnahme (Erstzulassung )
19.950,00
minus ein Achtel Jahresabschreibung
2.493,75
Wert vor Unfall am
17.456,25
minus Verkaufspreis nach Unfall
6.200,00
Wertminderung insgesamt
11.256,25

Der Bw. legte zur Untermauerung seines Vorbringens Kopien des Kauf- und Verkaufsvertrages sowie des Versicherungsstornos infolge der Abmeldung des KFZ vor.

Weiters teilte er über Vorhalt des Finanzamtes schriftlich mit, dass an dem Unfall kein zweiter Verkehrsteilnehmer beteiligt gewesen sei, demnach kein Unfallbericht vorliege. Zum Nachweis des Unfalltages verwies der Bw. auf eine Ablichtung einer Verständigung der Bundespolizeidirektion Wien, aus der hervorgehe, dass es sich um einen Verkehrsunfall mit Sachschaden gehandelt habe, wobei nach den Unfallsumständen der Bw. beim Einbiegen infolge nasser Fahrbahn ins Schleudern geriet und gegen einen Lichtmast mit zwei Beleuchtungskörper gestoßen sei. Dabei sei am Auto der linke vordere Bereich deformiert und der Lichtmast leicht verbogen worden.

Das Unternehmen S. bestätigte am schriftlich, dass sich der Bw. mit seinem privaten KfZ, O.Kz.X, zum Unfallzeitpunkt am zwischen 10.00 Uhr und 11.00 Uhr auf einer Dienstreise zwischen den beiden Standorten E.l. und S.Straße befunden habe. Ein Kostenersatz sei im konkreten Fall (Dienstfahrt zwischen zwei Wiener Standorten, keine erkennbare Vergrößerung des privaten Unfallrisikos durch die Dienstfahrt) nicht erfolgt.

Außerdem sei nach Angaben des Bw. das KFZ nicht Vollkasko versichert gewesen, und er habe demnach keinen Kostenersatz von einer Versicherung erhalten.

Mit Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2004 vom versagte das Finanzamt die Anerkennung der vom Bw. beantragten Wertminderung als Werbungskosten, da Aufwendungen im Zusammenhang mit einem auf einer beruflich veranlassten Fahrt erlittenen Verkehrsunfall unter bestimmten Voraussetzungen Werbungskosten darstellen können. Dies gelte jedenfalls für einen unverschuldeten Unfall. Ob ein Verkehrsunfall beruflich oder privat veranlasst sei, hänge unter anderem vom Grad des Verschuldens des Lenkers ab. Bei einem selbstverschuldeten Unfall handle es sich um ein Fehlverhalten, dass nicht durch die berufliche Tätigkeit veranlasst sei (, ).

Dagegen erhob der Bw. Berufung und führte in der Begründung aus, dass sich aus den beiden vom Finanzamt angeführten Entscheidungen des VwGH ergebe, dass nur grob fahrlässiges Fehlverhalten dazu führe, einen daraus resultierenden Schaden steuerlich nicht zu berücksichtigen. Auch sei in den Lohnsteuerrichtlinien 2002, Rz 374 festgelegt, dass der berufliche Zusammenhang erst dann durch auf private Umstände beruhende Ursachen überlagert werde, wenn grob fahrlässig gehandelt worden sei (z.B. durch Alkoholisierung oder durch nicht nur leicht fahrlässige Missachtung der Verkehrsvorschriften).

Zum Unfallhergang gab der Bw. bekannt, dass er die Fahrt unmittelbar nach dem Ende einer dienstlichen Besprechung am Standort R. in Richtung Standort S.Straße angetreten habe. Es sei ein trüber Tag mit Nieselregen gewesen. Bei der Kreuzung A.E.Straße habe er sich von der A.Straße kommend als erstes Fahrzeug zum Linksabbiegen eingeordnet und wegen Rotlicht angehalten. Nachdem die Ampel auf Grün umgeschaltet habe, sei er angefahren und habe nach links gelenkt.

Dabei hätte er eine Fahrgeschwindigkeit von höchstens 30 bis 40 km/h erreicht und wegen eines vermeintlich auf der Fahrbahn liegenden Hindernisses etwa in der Mitte der Kreuzung das Lenkrad verrissen. In der Folge sei er gegen einen Lichtmast gestoßen, der sich auf dem mittleren Fahrbahnteiler befunden habe. Überdies teilte der Bw. im Berufungsverfahren mit, dass es zum Unfallhergang, ausgenommen die bereits vorgelegten Unterlagen, keine weiteren geben würde.

Unmittelbar nach dem Unfall habe er die Polizei sowie seine Haftpflichtversicherung verständigt, die den am Lichtmast eingetretenen Schaden ersetzt hätte. Der beschriebene Unfallhergang zeige auf, dass er den Unfall nicht durch grob fahrlässiges Verhalten verursacht habe, was auch sowohl die unmittelbar nach dem Unfall verständigte Polizei als auch die Versicherung im gegebenen Zusammenhang zum Ausdruck gebracht hätten. Überdies würden sonst keinerlei Anhaltspunkte vorliegen, die auf ein grob fahrlässiges Verhalten hindeuten würden.

Dazu komme, dass das Finanzamt im angefochtenen Bescheid weder festgestellt noch behauptet habe, dass ein über die leichte Fahrlässigkeit hinaus gehender Grad des Verschuldens vorliege.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 16 Abs.1 EStG 1988 sind Werbungskosten Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Aufwendungen und Ausgaben für den Erwerb oder Wertminderungen von Wirtschaftsgütern sind nur insoweit als Werbungskosten abzugsfähig, als dies im folgenden ausdrücklich zugelassen ist.

§ 16 Abs. 1 Z 7 EStG 1988 zufolge sind Werbungskosten auch Aufwendungen für Arbeitsmittel. Nach dem ersten Satz des § 16 Abs. 1 Z 8 EStG 1988 sind Werbungskosten auch Absetzungen für Abnutzung und für Substanzverringerung (§§7 und 8).

Ein PKW stellt ein Arbeitsmittel dar, dessen Verwendung sich auf einen Zeitraum vom mehr als einem Jahr erstreckt. Führt die berufliche Verwendung infolge Totalschadens zu einer vollständigen und damit außergewöhnlichen "Abnutzung", ist diesem Umstand gem. § 16 Abs. 1 Z 8 iVm § 8 Abs. 4 EStG 1988 durch eine Absetzung für außergewöhnliche technische Abnutzung Rechnung zu tragen (vgl. , zur vergleichbaren Rechtslage des EStG 1972 ergangen). Der als außergewöhnliche technische Abnutzung nach § 8 Abs. 4 EStG 1988 zu berücksichtigende Betrag ergibt sich unter Ansatz eines nach den Grundsätzen des § 7 Abs. 1 und 2 EStG 1988 zu ermittelnden "Restbuchwertes" im Jahr der Beschädigung bzw. Vernichtung des Wirtschaftsgutes (vgl. ).

Im Fall eines Totalschadens ist kein Privatanteil auszuscheiden, vielmehr ist auf den Anlass der Fahrt, auf der ein Schaden entstanden ist, abzustellen. Erfolgt die Fahrt aus einem privaten Anlass, kann die außergewöhnliche technische Abnutzung überhaupt nicht als Werbungskosten anerkannt werden. Ereignet sich der Verkehrsunfall aber auf einer beruflich veranlassten Fahrt, so ist auch die außergewöhnliche technische Abnutzung insgesamt beruflich veranlasst und um keinen Privatanteil zu mindern (vgl. , LStR §16, Rz 374).

Weiters ergibt sich aus der höchstgerichtlichen Rechtsprechung, dass Aufwendungen im Zusammenhang mit einem auf einer beruflich veranlassten Fahrt erlittenen Verkehrsunfall unter bestimmten Voraussetzungen Werbungskosten darstellen können. Dies gilt jedenfalls für einen unverschuldeten Unfall. Tritt ein Fehlverhalten des Arbeitnehmers hinzu, so kann dadurch der berufliche Veranlassungszusammenhang unterbrochen werden. Dieses Fehlverhalten tritt aber als ungewollte Verhaltenskomponente gegenüber den angestrebten Betriebszweck dann in den Hintergrund, wenn der Verkehrsunfall nicht durch ein grob fahrlässiges Verhalten des Lenkers verursacht worden ist. Die Beurteilung, ob ein Verkehrsunfall beruflich oder privat veranlasst ist, hängt somit unter anderem vom Grad des Verschuldens des Lenkers ab.

Im Berufungsfall steht außer Streit, dass der Bw auf einer beruflich veranlassten Fahrt am um 10.30 Uhr auf einer Lichtgeregelten Kreuzung zunächst wegen Rotlicht angehalten hat, sodann bei Grünlicht in den genannten Kreuzungsbereich bei nasser Fahrbahn links eingebogen ist. Die Sichtverhältnisse waren infolge Nieselregens trüb. Der Bw. verriss in der Kreuzungsmitte wegen eines vermeintlich auf der Fahrbahn liegenden Hindernisses das Lenkrad und stieß gegen einen am mittleren Fahrbahnteiler befindlichen massiven Lichtmast, der nur leicht verbogen war, am Fahrzeug des Bw. hingegen einen erheblichen Sachschaden verursachte.

Zunächst ist festzuhalten, dass bei einem, wie im konkreten Fall, selbst verschuldeten Unfall ein Fehlverhalten vorliegt, das nicht durch den Beruf veranlasst ist. Dieses Fehlverhalten tritt jedoch nach der bereits zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung als ungewollte Verhaltenskomponente gegenüber dem angestrebten Betriebszweck dann in den Hintergrund, wenn der Verkehrsunfall nicht durch ein grob fahrlässiges Verhalten des Lenkers verursacht worden ist.

Das Vorbringen des Bw., dass er beim gegenständlichen Verkehrsunfall eine Fahrgeschwindigkeit von maximal 30 bis 40 km/h einhielt, ist auf Grund des Umstandes, dass dieser Unfall bei einem Linksabbiegemanöver unmittelbar nach Umschalten einer Ampel auf Grünlicht erfolgte mit den Erfahrungen des täglichen Lebens durchaus in Einklang zu bringen und ist dieses Vorbringen auch durch nichts widerlegt worden.

Daraus ergibt sich jedoch für den zu beurteilenden Fall, vor dem Hintergrund, dass als grobe Fahrlässigkeit nur eine besonders auffällige über die alltäglichen Fahrlässigkeitshandlungen erheblich hinausgehende Außerachtlassung der im Straßenverkehr erforderlichen Sorgfalt zu verstehen ist ( 7Ob 45/67, ), wie zB ein Fahren im alkoholbeeinträchtigten Zustand sowie mit überhöhter Geschwindigkeit, dass der Bw. sich im Zeitpunkt des Unfalles nicht grob fahrlässig verhalten hat.

Ein allfälliger Fahrfehler wegen eines vermeintlichen Hindernisses auf der Fahrbahn bei normaler Geschwindigkeit stellt im gegebenen Zusammenhang kein Fahrverhalten dar, das von auffallender Sorglosigkeit getragen war.

Da somit der Bw. beim Lenken seines Kraftfahrzeuges nicht grob fahrlässig handelte, war die durch den Unfall verursachte außergewöhnliche technische Abnutzung des PKW steuerlich als Werbungskosten zu berücksichtigen.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Beilage: 1 Berechnungsblatt

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Werbungskosten
grobe Fahrlässigkeit
Geschwindigkeit
auffallende Sorglosigkeit
Linksabbiegemanöver
Verweise
Zitiert/besprochen in
UFSaktuell 2005, 399

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at