Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSF vom 29.06.2010, RV/0299-F/08

Keine Bescheidaufhebung mangels Gewissheit der Rechtswidrigkeit der Einstufung von Gebäudeinvestitionen

Rechtssätze


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Stammrechtssätze
RV/0299-F/08-RS1
Werden im Zusammenhang mit der Beurteilung von Gebäudeinvestitionen als Erhaltungs- oder Herstellungsaufwand mehrfach unklare und widersprüchliche Angaben gemacht und wäre für die rechtsrichtige Einstufung der Aufwendungen die Einholung eines Gutachtens bzw die Durchführung eines Lokalaugenscheines erforderlich, dann liegen die Voraussetzungen für eine Bescheidaufhebung nach § 299 BAO nicht vor, da es an der hiefür erforderlichen Gewissheit der Rechtswidrigkeit mangelt.
RV/0299-F/08-RS2
Gingen den zuletzt rechtskräftig gewordenen Bescheiden mehrfach berichtigte Bescheide bzw Erklärungen, mehrere Vorhalteverfahren, behördliche Erinnerungen, mehrmalige Fristverlängerungen, fernmündliche Kontakte, zwei mündliche Erörterungen und eine Abstimmung der Positionen durch zwei steuerliche Vertretungen voraus, dann gebührt den Bescheiden, die nach einem eineinhalb Jahre dauernden Verfahren ergangen sind, eine über das übliche Maß hinausreichende Bestandskraft. Deren Durchbrechung würde gegen verwaltungsökonomische Grundsätze bzw gegen die Pflicht zum verantwortungsvollen Umgang mit begrenzten Ressourcen verstoßen. Im Ergebnis wäre es auch ein Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, nach dem jeder, der am Rechtsleben teilnimmt, zu seinem Wort zu stehen hat (vgl. Ritz, BAO3, § 114 Tz 6), zumal die Erklärungen der Bw offensichtlich überlegt, mit Steuerberatern akkordiert und der Finanzverwaltung abgestimmt abgegeben worden sind. Unter Bedachtnahme auf die Besonderheit des Berufungsfalls wird daher das Prinzip der Rechtsrichtigkeit (bei unterstellter Verletzung) entgegen dem sonst geltenden Grundsatz (Ritz, BAO3, § 299 Tz 54) in den Hintergrund gedrängt. Dies auch deshalb, weil die unterstellte Rechtswidrigkeit - jedenfalls gedanklich – überperiodisch auch wieder ausgeglichen würde.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Die Berufung der Vermietergemeinschaft, vertreten durch WTHB, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Bregenz vom betreffend Abweisung eines Antrages auf Aufhebung gemäß § 299 BAO der Feststellungsbescheide für den Zeitraum 1999 bis 2004 wird als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

x und y Z waren in den Streitjahren verheiratet und erzielten gemeinschaftliche Einkünfte aus der Vermietung eines im Jahr 1992 erworbenen, denkmalgeschützten Objektes, in das sie beträchtliche Mittel unter wechselnder Bezeichnung investierten, welche steuerlich im Wesentlichen nach § 28 Abs. 3 EStG abgesetzt worden sind. Die Ehe der Genannten wurde im Dezember 2004 geschieden. Im Zuge dessen übertrug y Z seinen Hälfteanteil am vermieteten Objekt an seine frühere Gattin. Dies löste bei ihm eine Nachversteuerung gem. § 28 Abs. 7 EStG aus.

Mit Schriftsatz vom beantragte die B im Namen und Auftrag von x und y Z unter Anschluss entsprechend berichtigter Berechnungen der gemeinschaftlichen Vermietungseinkünfte die Aufhebung der Feststellungsbescheide gemäß § 299 BAO betreffend die Jahre 1999 bis 2004. Begründend wurde ausgeführt, die Feststellungsbescheide vom erwiesen sich in mehreren Punkten als rechtswidrig: Die Sanierungsaufwendungen der Jahre 1993, 1994, 1998 und 1999 seien in den Feststellungsbescheiden fälschlicherweise zur Gänze als Herstellungsaufwendungen berücksichtigt worden. Herstellungsaufwand liege aber nur hinsichtlich jener Aufwendungen vor, durch welche die Wesensart des Gebäudes geändert werde. Tatsächlich handle es sich bei den getätigten Aufwendungen um klassische Instandsetzungsaufwendungen, da bei den Sanierungsarbeiten lediglich alte durch neue Bausubstanz ersetzt worden sei. Nur das Errichten eines neuen Heizsystems sowie der Einbau und Abriss von einzelnen Zwischenwänden im Rahmen dieser Sanierung könne Herstellungsaufwand darstellen. Weiters sei die Gebäudeabschreibung nicht richtig berücksichtigt worden, da offensichtlich nicht die tatsächlichen Anschaffungskosten des Gebäudes als Bemessungsgrundlage herangezogen worden seien.

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag der Bw als unbegründet ab. Begründend führte es sinngemäß aus: Die Aufhebung nach § 299 BAO setze die Gewissheit der Rechtswidrigkeit voraus. Im Falle einer beantragten Bescheidaufhebung liege es am Antragsteller, das Vorliegen der zur Aufhebung berechtigenden Gewissheit darzutun. Die Gewissheit liege im Berufungsfall jedoch nicht in der erforderlichen Intensität vor. Dies vor allem deshalb, weil die Einreichung der maßgeblichen Steuererklärungen, in denen die strittigen Baumaßnahmen als Herstellungsaufwand gemäß § 28 Abs. 3 EStG beurteilt worden seien, durch einen Wirtschaftstreuhänder nach umfangreichen Ermittlungen und mehreren Besprechungen sowie Rücksprache mit einem weiteren Wirtschaftstreuhänder im Einvernehmen und Einverständnis mit dem Finanzamt erfolgt sei.

In der daraufhin eingebrachten Berufung wandte sich die B im Namen und Auftrag von x und y Z gegen den Standpunkt des Finanzamtes mit folgenden Ausführungen: Bei den Sanierungsarbeiten der Jahre 1993, 1994, 1998 und 1999 handle es sich durchwegs um klassische steuerrechtliche Instandsetzungsaufwendungen wie beispielsweise den Austausch von Fenstern und Türen, die Erneuerung von Strom- und Sanitärleitungen, die Entfernung alter und Verlegung neuer Bodenbeläge, die Modernisierung von Nasszellen und Küchenbereichen, weiters Maler- und Verputzerarbeiten und die damit verbundenen Entsorgungs- und Reinigungskosten. Es bestehe wohl kein Zweifel, dass es sich bei der Berücksichtigung dieser Aufwendungen als Herstellungsaufwendungen um eine Rechtswidrigkeit gemäß § 299 BAO handle.

Das Finanzamt erließ eine abweisliche Berufungsvorentscheidung, in der es seinen Standpunkt nochmals ausführlich darlegte.

Durch die Einbringung eines Vorlageantrages gilt die Berufung wiederum als unerledigt.

Der UFS beraumte antragsgemäß eine mündliche Verhandlung vor dem gesamten Berufungssenat für den an. Am langte der Schriftsatz vom ein, mit dem die B im Namen und Auftrag der Berufungswerberin die Anträge auf Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung und Entscheidung durch den gesamten Berufungssenat zurückzog und ihren Standpunkt ergänzend erläuterte.

Über die Berufung wurde erwogen:

Nach § 299 Abs. 1 der Bundesabgabenordnung (BAO) kann die Abgabenbehörde erster Instanz auf Antrag der Partei oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist.

Bei der Erledigung einer gegen eine amtswegige Bescheidaufhebung gerichteten Berufung hat die Berufungsbehörde wie bei der amtswegigen Wiederaufnahme lediglich zu beurteilen, ob die vom Finanzamt angeführten Gründe eine Bescheidaufhebung rechtfertigen. Für die Gleichbehandlung von Bescheidaufhebungsgründen und Wiederaufnahmegründen sprechen das gleich gelagerte Rechtsschutzinteresse, die gleiche Funktionsweise der beiden Instrumente sowie Gesetzeswortlaut und -systematik (-F/07). Dieser Grundsatz gilt in gleicher Weise bei einer Bescheidaufhebung, die vom Abgabepflichtigen beantragt wird. Ein Nachschieben von Aufhebungsgründen im Berufungsverfahren ist somit auch im gegenständlichen Berufungsverfahren unzulässig.

Die Aufhebung nach § 299 BAO ist gestattet, wenn sich der Bescheid im Spruch als nicht richtig erweist, also der Spruch des Bescheides nicht dem Gesetz entspricht. § 299 Abs. 1 BAO gilt auch für "dynamische", also erst später erweisliche Unrichtigkeiten (vgl. Ritz, BAO³, § 299 Tz. 10). Die Aufhebung setzt weder ein Verschulden noch die Offensichtlichkeit der Rechtswidrigkeit voraus. Voraussetzung ist jedoch die Gewissheit der Rechtswidrigkeit und ihre Konkretisierung. Die bloße Möglichkeit reicht nicht aus (vgl. Ritz, BAO³, § 299 Tz. 13; ; ecolex 2006, 262; Stoll, BAO-Kommentar, 2889). Dies ergibt sich insbesondere auch aus dem Verbindungsgebot nach § 299 Abs. 2 BAO. Der Antragsteller muss daher aus eigenem Antrieb im Antrag auf Aufhebung einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels darlegen, dass sich der Spruch der Bescheide, deren Aufhebung beantragt wird, als nicht richtig erweist und dass diese Unrichtigkeit auch gewiss ist (taxlex 2009, 513).

Gegen diese Auffassung wurde im Schriftsatz vom von der B unter Hinweis auf die höchstgerichtliche Rechtsprechung () vorgebracht, auch im Falle eines Aufhebungsantrages treffe die Behörde die amtswegige Ermittlungspflicht. Dieser Auffassung stimmt der UFS nur eingeschränkt zu. Zum einen ist nämlich zu beachten, dass die zitierte Rechtsprechung zur Wiederaufnahme des Verfahrens und nicht zum reformierten § 299 BAO ergangen ist. Zum zweiten ist zu bedenken, dass nach allgemeinen Verfahrensgrundsätzen die amtswegige Ermittlungspflicht nicht isoliert gesehen werden darf. Zu ihr tritt nämlich hinzu, dass der Antragsteller, der ein auf die Durchbrechung der Rechtskraft gerichtetes Begehren vorbringt, unter anderem für das Vorliegen des Wiederaufnahmegrundes behauptungs- und beweispflichtig ist (). Es darf also nicht übersehen werden, dass im Erkenntnis des , das Höchstgericht die (ergänzende bzw korrespondierende) amtswegige Ermittlungspflicht bejaht hat, nachdem der Antragsteller nachgewiesen hat, dass Täuschungshandlungen (Bilanzverfälschungen) neu hervorgekommen sind, die (dem Umfang nach strittig verbliebene Wertberichtigungen) erforderten. Mit anderen Worten gilt also der Grundsatz, dass die amtswegige Ermittlungspflicht gegenüber der Behauptungs- und Mitwirkungspflicht in den Hintergrund tritt, wenn die Behörde so wie im Berufungsfall nur auf Antrag tätig wird (; Ritz, BAO3, § 115 Tz 11). Aus diesem Grund steht die Berufungsbehörde nach wie vor auf dem Standpunkt, dass eine Bescheidaufhebung auf Antrag entsprechende Behauptungen und Nachweise voraussetzt, sodass die Behörde in die Lage versetzt ist, mit dem allenfalls erforderlichen, allerdings auch vertretbarem, ergänzenden Ermittlungsaufwand zur erforderlichen Gewissheit der Rechtswidrigkeit zu gelangen.

Eben diese Voraussetzung liegt aber im Berufungsfall jedenfalls hinsichtlich jenes Punktes nicht vor, der einzig von Gewicht ist und den Kern des Aufhebungsbegehrens bildet. Dies aus folgenden Gründen:

Zum einen wird der maßgebliche Sachverhalt bzw dessen rechtliche Beurteilung im Aufhebungsverfahren hinsichtlich des Umfangs der unrichtig behandelten Aufwendungen nicht völlig eindeutig und widerspruchsfrei dargestellt. So wird im Aufhebungsantrag vom ausgeführt, die Sanierungsaufwendungen der Jahre 1993, 1994, 1998 und 1999 seien fälschlicherweise zur Gänze als Herstellungsaufwendungen berücksichtigt worden, lediglich das Errichten eines neuen Heizsystems sowie der Einbau von Zwischenwänden könne Herstellungsaufwand darstellen. Demgegenüber wird in der Berufung vom ausgeführt, bei den Sanierungsarbeiten der besagten Jahre handle es sich durchwegs um klassische steuerrechtliche Instandsetzungsaufwendungen.

Im Widerspruch zu den Ausführungen im Aufhebungsverfahren stehen aber vor allem die auch in sich nicht widerspruchsfreien Angaben in den vorangegangenen Feststellungsverfahren, einschließlich mehrfacher Berichtigungen. So wird im Schätzungsgutachten vom ausgeführt, das von den Berufungswerbern in diesem Jahr erworbene Gebäude weise einen schlechten Erhaltungszustand, Feuchtigkeitsschäden, eine schlechte Dachhaut und Schalldämmung auf und erfordere eine Großreparatur bzw Generalsanierung. Die Vorhaltsbeantwortung vom spricht einerseits von Instandsetzungsaufwendungen andererseits von Instandhaltungskosten. In einer Beilage zur Feststellungserklärung für 1998 wiederum ist vom Umbau des Hauses die Rede. Wörtlich führt y Z im Schreiben vom unter anderem aus: "In der Beilage erhalten Sie [.....] den neuen Grundriss nach Umbau der Wohnungen EG, 1. OG und 2. OG." Bereits im Schreiben vom sprach y Z von zwei offenen Wohnungsumbauten. In diesem Schreiben wird auch ausgeführt, das Gebäude sei in sehr desolatem Zustand übernommen worden. Andererseits sind wiederum Honorarnoten aktenkundig, in denen "Sanierungsarbeiten" in Rechnung gestellt werden. In der im Feststellungsverfahren für 2000 eingegangenen Vorhaltsbeantwortung vom wiederum ist von zwei noch offenen Wohnungsumbauten die Rede. In den von einem renommierten Wirtschaftstreuhänder (A ), der nunmehr auch als Vertreter von x Z auftritt, verfassten Beilagen zur Erklärung der gemeinschaftlichen Einkünfte wird mehrfach vor und nach einer Berichtigung der Angaben zwischen Instandsetzungsaufwendungen gem. § 28 Abs. 2 EStG und Herstellungsaufwand gemäß § 28 Abs. 3 EStG unterschieden, wobei der weitaus überwiegende Teil als Herstellungsaufwand eingestuft wurde. In derselben Terminologie und damit die kollegiale Einstufung bestätigend, bringt die B in Beantwortung des umfangreichen Vorhaltes vom , der auch schon die gegenständlich strittige Abgrenzung zum Gegenstand hatte, im Schriftsatz vom vor, das Gebäude sei in vernachlässigtem Zustand erworben worden. Bei dem im Zuge der Sanierung angefallenen Aufwand habe es sich zur Gänze um Herstellungsaufwand gehalten. Schließlich wird im angefochtenen Bescheid, unbeeinsprucht von den Bw festgestellt, dass die Basis der Bescheide, deren Aufhebung begehrt wurde, nämlich die Steuererklärungen von WTH A nach umfangreichen Ermittlungen, mehrmaligen Vorbesprechungen im zuständigen Finanzamt, nach Rücksprache und in Absprache mit der Steuerberatungskanzlei B sowie schließlich im Einvernehmen mit dem Finanzamt erstellt worden sind, woraus zu schließen ist, dass sowohl der Sachverhaltsdarstellung als auch deren rechtlicher Beurteilung entsprechende Prüfungen vorausgingen und dass WTH A seinen Standpunkt nach wie vor aufrecht erhält (siehe auch Aktenvermerk des Finanzamts vom ). Dies bedeutet zusammengefasst, dass die B bzw y Z offensichtlich ihre Rechtsmeinung bzw ihre Sachverhaltsdarstellungen geändert haben, sodass nunmehr in der strittigen Kernfrage zwei renommierte WTH-Kanzleien unterschiedliche Standpunkte vertreten. Während A in der Vorhaltsbeantwortung vom von der "Neuerrichtung der Heizungs-, Sanitär- und Elektroinstallationen spricht, ist im von der WTHB verfassten Schreiben vom vom Austausch von Installationen die Rede.

Bedenkt man nun, dass die rechtliche Einstufung von Gebäudeaufwendungen als Instandhaltungs-, Instandsetzungs- oder Herstellungsaufwendungen oft umstritten (Doralt-Ruppe, Steuerrecht, Band I8, Tz 329) und bei abschnittsweiser Generalüberholung besonders schwierig ist (ÖStZ 2008, 168), dass sie vom Zeitpunkt (ÖStZ 2002, 44; Jakom/Laudacher EStG, 2009, § 28 Rz 111-114) und Umfang (RdW 2006, 529) der jeweiligen Maßnahme abhängen kann, im jeweiligen Gesamtzusammenhang zu sehen ist (Jakom/Laudacher EStG, 2010 Rz 127), zu kasuistischen Ergebnissen führen kann (vgl. Doralt/Mayr, EStG13, § 6 Tz 129-131) und selbst durch höchstgerichtliche Rechtsprechung nicht immer eindeutig und konsistent (ÖStZ 2008, 168) bzw konstant (Zorn in Hofstätter/Reichel, EStG-Kommentar, § 4 Abs. 4 allgemein, Tz 34) beurteilt wird, dann kann keine Rede davon sein, dass die Bescheide, deren Aufhebung begehrt wird, hinsichtlich der in ihnen getroffenen bzw übernommenen Qualifizierung der Gebäudeaufwendungen mit Gewissheit rechtswidrig sind. Jedenfalls würde eine solche Feststellung und Beurteilung weitere Ermittlungen, wie die Durchsicht der Baurechnungen, die Einholung eines Baugutachtens (vgl. UFS RV/0510-L/04 vom ), die Einsichtnahme in die Bau- und Förderakten, die Durchführung eines Lokalaugescheines und schließlich die Würdigung all dieser Ermittlungsergebnisse, unerlässlich machen.

Aber auch dann, wenn entgegen den vorausgegangenen Erwägungen Gewissheit über die Rechtswidrigkeit der Bescheide, deren Aufhebung begehrt wird, im Zeitpunkt des Ergehens des angefochtenen Bescheides vorgelegen hätte, wäre dem Behebungsbegehren nicht Rechnung zu tragen, da folgende Ermessenserwägungen entgegenstünden: Wie bereits in dieser Entscheidung kurz und in der Berufungsvorentscheidung vom ausführlich dargelegt worden ist, gingen den zuletzt rechtskräftig gewordenen Bescheide mehrfach berichtigte Bescheide bzw Erklärungen, mehrere Vorhalteverfahren, behördliche Erinnerungen, mehrmalige Fristverlängerungen, fernmündliche Kontakte, eine mündliche Erörterung am , eine abschließende Erörterung im Oktober 2006 und eine Abstimmung der Positionen durch zwei steuerliche Vertretungen voraus. Im Hinblick darauf gebührt den Bescheiden, die nach einem eineinhalb Jahre dauernden Verfahren ergangen sind, eine über das übliche Maß hinausreichende Bestandskraft. Deren Durchbrechung würde gegen verwaltungsökonomische Grundsätze bzw gegen die Pflicht zum verantwortungsvollen Umgang mit begrenzten Ressourcen verstoßen. Im Ergebnis wäre es auch ein Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, nach dem jeder, der am Rechtsleben teilnimmt, zu seinem Wort zu stehen hat (vgl. Ritz, BAO3, § 114 Tz 6), zumal das Wort der Bw offensichtlich überlegt, mit Steuerberatern akkordiert und mit der Finanzverwaltung abgestimmt geäußert worden ist. Unter Bedachtnahme auf die Besonderheit des Berufungsfalls würde daher das Prinzip der Rechtsrichtigkeit (bei unterstellter Verletzung) entgegen dem sonst geltenden Grundsatz (Ritz, BAO3, § 299 Tz 54) in den Hintergrund gedrängt. Dies auch deshalb, weil die unterstellte Rechtswidrigkeit - jedenfalls gedanklich - überperiodisch auch wieder ausgeglichen würde.

Die Bw stützen ihren Aufhebungsantrag auch auf das Argument, in den Bescheiden, deren Aufhebung begehrt wird, sei die Gebäudeabschreibung mit dem falschen Wert berücksichtigt worden. Es ist zutreffend, dass die der AfA zugänglichen Anschaffungskosten des Mietobjektes für das Jahr 1992 mit ATS 3.284.132,00 ATS ermittelt worden sind, während in den Folgejahren die AfA von der einmalig um eine Jahres-AfA reduzierten Anschaffungskosten berechnet worden ist. Damit aber können keine Zweifel daran bestehen, dass den Bescheiden, deren Aufhebung begehrt wird, insoweit mit der Gewissheit einer Rechtswidrigkeit belastet sind. Ein Aufhebungsgrund liegt also vor.

Allerdings ist zu bedenken, dass die Rechtswidrigkeit geringfügig ist. Dies ist wohl auch der Grund, weshalb sie etliche Jahre weder vom Finanzamt noch von den Bw entdeckt worden ist. In absoluten Zahlen wurde nämlich die AfA von den Anschaffungskosten jährlich statt mit 65.683,64 ATS mit 64.368,99 ATS, also nur um 1.313,65 ATS zu niedrig berücksichtigt. Dies ist ein Grund, der gegen eine Ermessensübung im Sinne von § 299 BAO spricht (vgl. Ritz, BAO3, § 299 Tz 55). Hinzu kommt, dass, worauf bereits hingewiesen worden ist, dem gegenständlichen Verfahren bereits ermittlungs-, gesprächs- und abstimmungsintensive Verfahren vorausgegangen sind, in denen es unter anderem (aus anderem Rechtsgrund) bereits zu Rechtskraftdurchbrechungen gekommen ist. Eine neuerliche Rechtskraftdurchbrechung, zumal wegen geringfügiger Rechtswidrigkeit, ist aus verwaltungsökonomischen Gründen nicht zweckmäßig.

Die Berufung war daher als unbegründet abzuweisen.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 299 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
-G/08
Zitiert/besprochen in
UFS Newsletter 2010/05

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at