Aufhebung eines Bescheides betreffend Geschäftsführerhaftung und Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erster Instanz.
Entscheidungstext
Bescheid
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die von Dr. Michael Axmann, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Kalchberggasse 10, als damaliger Masseverwalter des Z, Y-Straße, eingebrachte Berufung vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Linz vom betreffend Haftung für Abgabenschuldigkeiten der Firma W GmbH i.L. (StNr. 000/0000) gemäß § 9 iVm § 80 BAO entschieden:
Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 289 Abs. 1 BAO unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erster Instanz aufgehoben.
Begründung
Über das Vermögen der Firma W GmbH (Primärschuldnerin) wurde mit Beschluss des Landesgerichtes Linz vom das Konkursverfahren eröffnet, und nach Verteilung des Massevermögens gemäß § 139 KO am wieder aufgehoben.
Geschäftsführer dieser Gesellschaft waren M (vom bis zur Konkurseröffnung) und Z, der im Firmenbuch für die Zeit vom bis zum (Löschung der Funktion aufgrund eines am eingelangten Antrages) als handelsrechtlicher Geschäftsführer ausgewiesen wurde.
Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Graz-West vom wurde über das Vermögen des Z das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet und Dr. Michael Axmann als sein Masseverwalter bestellt.
Mit einem an den Masseverwalter als gesetzlichen Vertreter des Z gerichteten Haftungsbescheid vom sprach das Finanzamt die Heranziehung zur Haftung für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der Firma W GmbH i.L. im Ausmaß von 14.428,51 € (ausschließlich Dienstgeberbeiträge samt Zuschläge für die Jahre 2001 bis 2003) aus. In der Bescheidbegründung wurden lediglich die allgemeinen Haftungsvoraussetzungen dargestellt und auf die den Haftungspflichtigen treffende qualifizierte Behauptungs- und Konkretisierungspflicht verwiesen, obwohl der Partei vor Erlassung des Haftungsbescheides keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden war. Konkrete Feststellungen traf das Finanzamt nur zur Frage der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin.
In der dagegen erhobenen Berufung vom wurde ausgeführt, dass zwischen den Geschäftsführern der Primärschuldnerin eine klare Aufgabentrennung bestanden habe. Insbesondere sei die gesamt Lohnverrechnung, die Bezahlung der Löhne und Gehälter aber auch die Abfuhr der auf die Löhne und Gehälter entfallenden Lohnnebenkosten ausschließlich dem zweiten Geschäftsführer M oblegen.
Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Graz-West vom wurde im Insolvenzverfahren des Berufungswerbers das Abschöpfungsverfahren eingeleitet. Mit Eintritt der Rechtskraft dieses Beschlusses war das Schuldenregulierungsverfahren aufgehoben und endete das Amt des Masseverwalters.
§ 289 Abs. 1 BAO normiert: Ist die Berufung weder zurückzuweisen (§ 273) noch als zurückgenommen (§ 85 Abs. 2, § 86a Abs. 1) oder als gegenstandslos (§ 256 Abs. 3, § 274) zu erklären, so kann die Abgabenbehörde zweiter Instanz die Berufung durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides und allfälliger Berufungsvorentscheidungen unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erster Instanz erledigen, wenn Ermittlungen (§ 115 Abs. 1) unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können. Im weiteren Verfahren sind die Behörden an die für die Aufhebung maßgebliche, im Aufhebungsbescheid dargelegte Rechtsanschauung gebunden. Durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat.
Gemäß § 115 Abs. 2 BAO ist den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben. Der Grundsatz des Parteiengehörs gehört zu den fundamentalen Grundsätzen des Rechtsstaates bzw. zu den allgemeinen Grundsätzen eines geordneten Verfahrens (Ritz, BAO³, § 115 Tz 14 mit Judikaturnachweisen). Das Parteiengehör ist insbesondere auch vor Erlassung von Haftungsbescheiden einzuräumen (Ritz, BAO³, § 115 Tz 18 mit Hinweis auf ). Das Parteiengehör ist in einer förmlichen Weise zu gewähren, damit der Partei dieser Verfahrensschritt deutlich bewusst wird. Dies kann vor allem schriftlich in Form eines Vorhaltes erfolgen (Ritz, BAO³, § 115 Tz 19 mit Hinweis auf ).
Im gegenständlichen Verfahren erfolgte die Heranziehung des Berufungswerbers zur Haftung ohne diesem zuvor (etwa im Zuge eines Vorhalteverfahrens) Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben und damit ohne Wahrung des Parteiengehörs. Das Finanzamt traf im Haftungsbescheid auch keinerlei Feststellungen, welchem der beiden Geschäftsführer im haftungsrelevanten Zeitraum tatsächlich die Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Pflichten oblegen ist, insbesondere unterblieb dazu eine Befragung des zweiten Geschäftsführers M. An diesen war zwar am ein Vorhalt betreffend Geltendmachung der Vertreterhaftung für die gegenständlichen Lohnabgaben ergangen. In der dazu abgegebenen Stellungnahme vom wurde vom einschreitenden Rechtsvertreter aber die haftungsrechtliche Verantwortlichkeit des M nicht bestritten, sondern nur auf das bereits mit einem Zahlungsplan abgeschlossene Schuldenregulierungsverfahren seines Mandanten verwiesen. Eine Haftungsinanspruchnahme desselben würde seine Vermögens- und Einkommenslage überspannen (§ 197 Abs. 1 KO).
Konkrete Feststellungen zur Frage, welcher der beiden Geschäftsführer für die Abgabenagenden zuständig war, wären schon deshalb geboten gewesen, weil sich bei einer Mehrheit von potenziell Haftenden die haftungsrechtliche Verantwortung nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes danach richtet, wer mit der Besorgung der Abgabenangelegenheiten betraut ist. Der von den finanziellen, insbesondere steuerlichen Angelegenheiten ausgeschlossene Geschäftsführer ist in der Regel nicht in Anspruch zu nehmen. Verletzt jedoch der mit abgabenrechtlichen Angelegenheiten nicht befasste Vertreter seine eigenen Pflichten dadurch grob, dass er trotz Unregelmäßigkeiten des zur Wahrnehmung abgabenrechtlicher Angelegenheiten Bestellten nichts unternimmt, um Abhilfe zu schaffen, so ist er auch haftbar, es sei denn, dass ihm triftige Gründe die Erfüllung dieser wechselseitigen Überwachungspflicht unmöglich machen. Allerdings kommt eine Überprüfung der Tätigkeit des mit der Abgabenentrichtung betrauten oder hiefür verantwortlichen Geschäftsführers durch den anderen Geschäftsführer nur dann in Betracht, wenn ein Anlass vorliegt, an der Ordnungsmäßigkeit seiner Geschäftsführung zu zweifeln (). Sollte daher der zweite Geschäftsführer M für die Abgabenentrichtung zuständig gewesen sein, käme eine Haftungsinanspruchnahme des Berufungswerbers nur in Betracht, wenn Feststellungen getroffen werden könnten, dass für ihn ein Anlass vorlag, an der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung durch den zweiten Geschäftsführer zu zweifeln.
Da somit im vorliegenden Fall Ermittlungen unterlassen wurden, bei deren Durchführung gegebenenfalls die Erlassung eines Haftungsbescheides an Z hätte unterbleiben können, liegen schon aus diesem Grund die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 289 Abs. 1 BAO vor.
Darüber hinaus wurden dem Haftungsbescheid auch keine Ablichtungen der Abgabenbescheide vom bzw. der in Rechtskraft erwachsenen Berufungsvorentscheidung vom über die Festsetzung der haftungsgegenständlichen Lohnabgaben angeschlossen. Aus dem dem Haftungspflichtigen gemäß § 248 BAO eingeräumten Berufungsrecht ergibt sich jedoch, dass ihm anlässlich der Erlassung des Haftungsbescheides von der Behörde über den haftungsgegenständlichen Abgabenanspruch Kenntnis zu verschaffen ist, und zwar vor allem über Grund und Höhe des feststehenden Abgabenanspruches. Eine solche Bekanntmachung hat durch Zusendung einer Ausfertigung (Ablichtung) des maßgeblichen Bescheides über den Abgabenanspruch zu erfolgen (Ritz, BAO³, § 248 Tz 8 mit Judikaturnachweisen; RAE Rz 1216 und 1222; , GZ BMF-010103/0056-VI/2006, Punkt 3.2.2.5). Wird dies unterlassen, liegt ein Mangel des Verfahrens vor, der im Verfahren über die Berufung gegen den Haftungsbescheid nicht sanierbar ist ().
Die Aufhebung eines Bescheides nach § 289 Abs. 1 BAO liegt im Ermessen. Zweck dieser Kassationsmöglichkeit ist die Entlastung der Abgabenbehörde zweiter Instanz und die Beschleunigung des zweitinstanzlichen Berufungsverfahrens (Ritz, BAO³, § 289 Tz 5). Im gegenständlichen Fall wurde vom Finanzamt kein Ermittlungsverfahren zur haftungsrechtlichen Verantwortlichkeit des Berufungswerber durchgeführt, sodass praktisch das gesamte Verfahren an die Abgabenbehörde zweiter Instanz verlagert wird, und durch die faktische Ausschaltung der Abgabenbehörde erster Instanz die Einrichtung von zwei Entscheidungsinstanzen zur bloßen Formsache würde. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur ähnlich lautenden Bestimmung des § 66 Abs. 2 AVG (vgl. ) sei es nicht Sinn des Gesetzes, wenn die Berufungsbehörde, statt ihre (umfassende) Kontrollbefugnis wahrnehmen zu können, jene Behörde ist, die erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und einer Beurteilung unterzieht (). Es ist nicht Aufgabe der Abgabenbehörde zweiter Instanz, alle Ermittlungstätigkeiten erstmals durchzuführen und den vom Finanzamt angenommenen Sachverhalt zu ergründen (). Im übrigen würde es zu erheblichen Verfahrensverzögerungen kommen, würde der Unabhängige Finanzsenat die erforderlichen Sachverhaltsermittlungen nachholen und selbst durchführen, zumal die Ermittlungsergebnisse und allfällige Stellungnahmen den Parteien zwecks Wahrung des Parteiengehörs wechselseitig zur Kenntnis zu bringen wären (-I/08).
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Linz, am
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | |
Verweise |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at