Geschäftsführerhaftung, keine Verjährung zufolge gesetzter Einhebungsmaßnahmen
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vertreten durch Akkurata Wirtschaftstreuhand GmbH, 1030 Wien, Hegergasse 6/7, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Gänserndorf Mistelbach vom betreffend Haftung gemäß § 9 iVm § 80 BAO im Beisein der Schriftführerin S. nach der am in 1030 Wien, Vordere Zollamtsstraße 7, durchgeführten Berufungsverhandlung entschieden:
Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und die Haftung für folgende Abgaben auf nunmehr € 18.106,41 eingeschränkt:
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Umsatzsteuer 11-12/1998 | 969,24 |
Säumniszuschlag 1999 | 19,40 |
Umsatzsteuer 1998 | 903,32 |
Umsatzsteuer 01-08/1999 | 615,83 |
Zwangs- und Ordnungsstrafe 09/1999 | 248,82 |
Lohnsteuer 10/1999 | 64,24 |
Dienstgeberbeitrag 10/1999 | 67,37 |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 10/1999 | 7,92 |
Umsatzsteuer 09/1999 | 441,41 |
Säumniszuschlag 1999 | 22,60 |
Lohnsteuer 12/1999 | 64,24 |
Dienstgeberbeitrag 12/1999 | 67,37 |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 12/1999 | 7,92 |
Umsatzsteuer 11/1999 | 472,66 |
Verspätungszuschlag 09/1999 | 35,32 |
Körperschaftsteuer 01-03/2000 | 1.130,06 |
Säumniszuschlag 2000 | 22,60 |
Umsatzsteuer 1999 | 758,49 |
Umsatzsteuer 02/2000 | 6,10 |
Zwangs- und Ordnungsstrafe 2000 | 363,36 |
Körperschaftsteuer 04-06/2000 | 886,61 |
Säumniszuschlag 2000 | 22,60 |
Umsatzsteuer 03/2000 | 171,23 |
Pfändungsgebühr 2000 | 213,59 |
Barauslagenersatz 2000 | 4,72 |
Umsatzsteuer 05/2000 | 34,74 |
Körperschaftsteuer 1998 | 2.470,90 |
Säumniszuschlag 2000 | 49,42 |
Umsatzsteuer 08/2000 | 146,65 |
Körperschaftsteuer 10-12/2000 | 454,21 |
Zwangs- und Ordnungsstrafe 2000 | 363,36 |
Körperschaftsteuer 01- 03/2001 | 704,93 |
Lohnsteuer 01/2001 | 0,94 |
Dienstgeberbeitrag 01/2000 | 22,02 |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 01/2001 | 2,62 |
Umsatzsteuer 2000 | 2.605,27 |
Umsatzsteuer 01/2001 | 491,85 |
Dienstgeberbeitrag 02/2001 | 10,03 |
Körperschaftsteuer 04-06/2001 | 704,93 |
Lohnsteuer 05/2001 | 0,94 |
Dienstgeberbeitrag 05/2001 | 22,02 |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 05/2001 | 2,62 |
Umsatzsteuer 04/2001 | 372,67 |
Lohnsteuer 06/2001 | 1,16 |
Dienstgeberbeitrag 06/2001 | 22,02 |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 06/2001 | 2,62 |
Körperschaftsteuer 07-09/2001 | 340,11 |
Umsatzsteuer 06/2001 | 34,65 |
Lohnsteuer 07/2001 | 1,16 |
Dienstgeberbeitrag 07/2001 | 22,02 |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 07/2001 | 2,62 |
Dienstgeberbeitrag 08/2001 | 20,78 |
Körperschaftsteuer 01-03/2002 | 704,00 |
Zwangs- und Ordnungsstrafe 2002 | 363,00 |
Körperschaftsteuer 04-06/2002 | 171,00 |
Stundungszinsen 2002 | 374,13 |
Im Übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungsgründe
Mit Schreiben vom teilte die Berufungswerberin (Bw.) mit, dass sie auf Grund des negativen Betriebsergebnisses ihr Unternehmen H-GmbH zu schließen beabsichtige.
Am wurde die H-GmbH von Amts wegen im Firmenbuch gemäß § 40 FBG gelöscht.
Mit Schreiben vom ersuchte das Finanzamt die Bw. um Bekanntgabe der Verwendung der laufenden Einnahmen der Gesellschaft. Außerdem möge sie beweisen, dass die Abgabenschulden einbringlich wären oder dass sie ohne ihr Verschulden daran gehindert gewesen wäre, für die Entrichtung der Abgaben Sorge zu tragen.
Mit Vorhaltsbeantwortung vom gab die Bw. bekannt, dass sie ohne ihr Verschulden daran gehindert gewesen wäre, für die Entrichtung der Abgaben zu sorgen, weil sie angesichts des schlechten Geschäftsganges rechtzeitig die Notwendigkeit wahrgenommen hätte, den Betrieb beizeiten schließen zu müssen. In der Folge wäre die Firma vom Landesgericht XY per amtlich gelöscht worden. Sie wäre bemüht gewesen, alle Passiven aus den Mitteln der Gesellschaft zu bezahlen, was allerdings bedauerlicher Weise nicht mehr möglich gewesen wäre. Mangels Masse wäre auch ein Konkursantrag abgewiesen worden. Bei Betriebsschließung hätten neben den Finanzamtsschulden noch weitere bei der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse (€ 4.586,71) und bei der gewerblichen Sozialversicherung Niederösterreich (€ 6.265,71) bestanden, weshalb von einer Bevorzugung anderer Gläubiger nicht gesprochen werden könne.
Mit Bescheid vom wurde die Bw. gemäß § 9 Abs. 1 BAO i.V.m. § 80 BAO als Geschäftsführerin der H-GmbH für Abgaben in der Höhe von € 18.606,41, nämlich
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Abgabenart | Fälligkeitstag | Betrag |
Umsatzsteuer 11-12/1998 | 969,24 | |
Säumniszuschlag 1999 | 19,40 | |
Umsatzsteuer 1998 | 903,32 | |
Umsatzsteuer 01-08/1999 | 615,83 | |
Zwangs- und Ordnungsstrafe 09/1999 | 248,82 | |
Lohnsteuer 10/1999 | 64,24 | |
Dienstgeberbeitrag 10/1999 | 67,37 | |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 10/1999 | 7,92 | |
Umsatzsteuer 09/1999 | 441,41 | |
Säumniszuschlag 1999 | 22,60 | |
Lohnsteuer 12/1999 | 64,24 | |
Dienstgeberbeitrag 12/1999 | 67,37 | |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 12/1999 | 7,92 | |
Umsatzsteuer 11/1999 | 472,66 | |
Verspätungszuschlag 09/1999 | 35,32 | |
Körperschaftsteuer 01-03/2000 | 1.130,06 | |
Säumniszuschlag 2000 | 22,60 | |
Umsatzsteuer 1999 | 758,49 | |
Umsatzsteuer 02/2000 | 6,10 | |
Zwangs- und Ordnungsstrafe 2000 | 363,36 | |
Körperschaftsteuer 04-06/2000 | 886,61 | |
Säumniszuschlag 2000 | 22,60 | |
Umsatzsteuer 03/2000 | 171,23 | |
Pfändungsgebühr 2000 | 213,59 | |
Barauslagenersatz 2000 | 4,72 | |
Umsatzsteuer 05/2000 | 34,74 | |
Körperschaftsteuer 1998 | 2.470,90 | |
Säumniszuschlag 2000 | 49,42 | |
Umsatzsteuer 08/2000 | 146,65 | |
Körperschaftsteuer 10-12/2000 | 454,21 | |
Zwangs- und Ordnungsstrafe 2000 | 363,36 | |
Körperschaftsteuer 01- 03/2001 | 704,93 | |
Lohnsteuer 01/2001 | 0,94 | |
Dienstgeberbeitrag 01/2000 | 22,02 | |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 01/2001 | 2,62 | |
Umsatzsteuer 2000 | 2.605,27 | |
Umsatzsteuer 01/2001 | 491,85 | |
Dienstgeberbeitrag 02/2001 | 10,03 | |
Körperschaftsteuer 04-06/2001 | 704,93 | |
Lohnsteuer 05/2001 | 0,94 | |
Dienstgeberbeitrag 05/2001 | 22,02 | |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 05/2001 | 2,62 | |
Umsatzsteuer 04/2001 | 372,67 | |
Lohnsteuer 06/2001 | 1,16 | |
Dienstgeberbeitrag 06/2001 | 22,02 | |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 06/2001 | 2,62 | |
Körperschaftsteuer 07-09/2001 | 340,11 | |
Umsatzsteuer 06/2001 | 34,65 | |
Lohnsteuer 07/2001 | 1,16 | |
Dienstgeberbeitrag 07/2001 | 22,02 | |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 07/2001 | 2,62 | |
Dienstgeberbeitrag 08/2001 | 20,78 | |
Körperschaftsteuer 01-03/2002 | 704,00 | |
Zwangs- und Ordnungsstrafe 2002 | 363,00 | |
Körperschaftsteuer 04-06/2002 | 171,00 | |
Stundungszinsen 2002 | 374,13 | |
Zwangs- und Ordnungsstrafe 2003 | 500,00 |
zur Haftung herangezogen, da diese durch die schuldhafte Verletzung der ihr als Vertreterin der Gesellschaft auferlegten Pflichten nicht hätten eingebracht werden können.
In der dagegen am rechtzeitig eingebrachten Berufung wandte die Bw. ein, dass die Gesellschaft am amtswegig gelöscht worden wäre. Gemäß den erläuternden Bemerkungen im Kommentar zur Bundesabgabenordnung von Ellinger-Iro-Kramer-Sutter-Urz zu § 238 BAO stelle die Geltendmachung einer persönlichen abgabenrechtlichen Haftung einen Einhebungsschritt dar und unterliege daher der Einhebungsverjährung nach § 238 BAO.
Ebenso werde darin zum Ausdruck gebracht, dass für den Fall, dass eine Abgabe auf verschiedene einzelne Abgabenschuldigkeiten aufgeteilt wäre, sich für diese Abgabe verschiedene Fälligkeiten ergeben könnten, wodurch die Einhebungsverjährung zu unterschiedlichen Zeitpunkten ende. Weiters werde ausgeführt, dass das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden wäre, keinesfalls jedoch früher als das Recht zur Festsetzung der Abgabe, verjähren würde, dies gleichermaßen für alle Abgaben gelte.
Seit der Löschung der Gesellschaft im Firmenbuch am wären bei der Gesellschaft keine Einbringungsmaßnahmen gesetzt worden, weshalb die fünfjährige Verjährungsfrist des § 238 BAO eingetreten wäre. Gemäß Rückstandsausweis zum Haftungsbescheid und Daten des Steuerkontos hätte die letzte Einbringungsmaßnahme bei der Gesellschaft offensichtlich im Jahr 2000 stattgefunden (Vorschreibung von Einbringungsgebühren mit Fälligkeit ). Außerdem hätte bei der Gesellschaft kein Insolvenzverfahren stattgefunden.
Gemäß § 9 BAO und dem zitierten BAO-Kommentar würden die in den §§ 80 ff. BAO bezeichneten Vertreter bei schuldhafter Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten haften. Diese Haftung wäre eine Ausfallshaftung, weshalb der Vertreter nur insoweit in Anspruch genommen werden dürfe, als die Abgabe bei der Primärschuldnerin uneinbringlich wäre. Dies setze aber ausreichende Eintreibungsmaßnahmen bei der Gesellschaft voraus, bevor der Vertreter zur Haftung herangezogen werden könne. Dies wäre jedoch nicht geschehen. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes könne eine Haftung des Vertreters dann nicht mehr geltend gemacht werden, wenn das Einhebungsrecht gegenüber dem Hauptschuldner bereits verjährt wäre ().
Da bei der Gesellschaft offensichtlich keine ausreichenden Einbringungsmaßnahmen gesetzt worden wären, hätte dies zur Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der GmbH geführt. Eine Inanspruchnahme der Haftung nach § 9 BAO setze aber voraus, dass die rückständige Abgabe des Vertretenen uneinbringlich geworden wäre und dies auf eine schuldhafte Pflichtverletzung des Vertreters zurückzuführen wäre. Neben dem Eintritt des objektiven Schadens und dem Verschulden des Vertreters wäre damit ein Rechtswidrigkeitszusammenhang erforderlich. Weiters werde im genannten Kommentar ausgeführt, dass keine Haftung bestehe, wenn die Abgabe auch ohne schuldhafte Pflichtverletzung des Vertreters uneinbringlich geworden wäre.
Mit Berufungsvorentscheidung vom wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Dazu wurde ausgeführt, dass die Bw. laut Firmenbuch bis zur Löschung unbestritten handlesrechtliche Geschäftsführerin der H-GmbH und daher gemäß § 18 GmbHG zu deren Vertretung berufen gewesen wäre.
Wie richtig in der Berufung angeführt, wäre die Gesellschaft am amtswegig im Firmenbuch gelöscht worden. Entgegen der in der Berufung zum Ausdruck gebrachten Rechtsansicht wären jedoch immer wieder Einbringungsmaßnahmen gesetzt worden, wie zB Erhebungen der wirtschaftlichen Verhältnisse am und am , weshalb die fünfjährige Verjährungsfrist nach § 238 BAO nicht greifen könne.
Darüber hinaus reiche die in der Berufung angeführte Begründung nicht aus, um von der Inanspruchnahme der Haftung Abstand zu nehmen.
Fristgerecht beantragte die Bw. mit Schreiben vom die Vorlage der Berufung zur Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz sowie die Abhaltung einer mündlichen Berufungsverhandlung.
In der am auf Antrag der Bw. durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung wandte die Amtsbeauftragte ein, dass die Abgabenpflichtige L.H. heiße und legte dazu eine Zentralmeldeamtsabfrage vom vor. Der steuerliche Vertreter bestätigte dies.
Er brachte weiters ergänzend vor, dass auf Grund fehlender Einhebungsmaßnahmen die Einhebungsverjährung eingetreten wäre. Dazu legt die Referentin den Einbringungsakt vor und nimmt der steuerliche Vertreter in die ihm gezeigten Einhebungsmaßnahmen Einsicht. Auch die Amtsbeauftragte bekräftigte, dass es immer wieder nach außen gerichtete Amtshandlungen gegeben hätte.
Außerdem wandte sie ein, dass in einem Gastronomiebetrieb zuerst die Getränke und Speisen bezahlt werden würden, um dem Betrieb aufrechterhalten zu können, weshalb jedenfalls eine Gläubigerbevorzugung stattgefunden hätte. Auch wären die Dienstnehmer in voller Höhe entlohnt worden, obwohl § 78 Abs. 3 EStG normiere, dass im Falle nicht ausreichender Mittel die Löhne insoweit zu kürzen wären, dass die Lohnabgaben noch bezahlt werden könnten. Dazu erklärte der steuerliche Vertreter, dass die Lohnabgaben nur den geringsten Teil der haftungsgegenständlichen Abgaben betreffen würden. Die Amtsbeauftragte replizierte, dass eben für die Lohnabgaben diese gesetzliche Regelung bestehe, für die Abgaben gelte der Gleichbehandlungsgrundsatz.
Der steuerliche Vertreter erklärte, zur Frage der Gleichbehandlung keine Auskunft erteilen zu können, da er nicht über dazu erforderlichen Unterlagen verfüge.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Persönliche Haftungen erstrecken sich gemäß § 7 Abs. 2 BAO auch auf Nebenansprüche im Sinne des § 3 Abs. 1 und 2 BAO. Zu diesen Nebenansprüchen gehören gemäß § 3 Abs. 2 lit. d BAO insbesondere die Nebengebühren der Abgaben, wie die Stundungs- und Aussetzungszinsen, der Säumniszuschlag und die Kosten (Gebühren und Auslagenersätze) des Vollstreckungs- und Sicherungsverfahrens, worunter gemäß § 26 AbgEO insbesondere Pfändungsgebühren und die durch die Vollstreckungsmaßnahmen verursachten Barauslagen (somit auch Postgebühren) fallen.
Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Gemäß § 238 Abs. 1 BAO verjährt das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist, keinesfalls jedoch früher als das Recht zur Festsetzung der Abgabe.
Gemäß § 238 Abs. 2 BAO wird die Verjährung fälliger Abgaben durch jede zur Durchsetzung des Anspruches unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung, wie durch Mahnung, durch Vollstreckungsmaßnahmen, durch Bewilligung einer Zahlungserleichterung oder durch Erlassung eines Bescheides gemäß §§ 201 und 202 leg.cit. unterbrochen. Mit Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist, beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen.
Dem Einwand der Bw., dass die haftungsgegenständlichen Abgaben gemäß § 238 BAO verjährt wären, ist die Aktenlage entgegenzuhalten, wonach ab Jänner 1999 (dem ältesten Fälligkeitstag) folgende Unterbrechungshandlungen, die die fünfjährige Einhebungsverjährungsfrist jeweils neu in Gang setzten, gesetzt wurden:
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Unterbrechungshandlung | Datum | Verjährt am |
Zahlungsaufforderung | ||
Bescheid betreffend Abweisung eines Zahlungserleichterungsansuchens | ||
Zahlungsaufforderung | ||
Zurückweisungsbescheid betreffend Einspruch gegen Zahlungsaufforderung | ||
Bescheid betreffend Pfändung einer Geldforderung | ||
Zahlungsaufforderung | ||
Vorhalt wegen Haftungsinanspruchnahme an die Bw. | ||
Anfrage der Meldedaten der Bw. | ||
Feststellungen der wirtschaftlichen Verhältnisse der Bw. | ||
Anfrage der Meldedaten der Bw. | ||
Anfrage der Meldedaten der Bw. | ||
Haftungsbescheid |
Daraus erhellt, dass eine Verjährung der Einhebung nach § 238 Abs. 1 BAO zufolge der regelmäßigen Unterbrechungshandlungen gemäß § 238 Abs. 2 BAO nicht eingetreten ist. Dies gilt auch für die übrigen haftungsgegenständlichen Abgaben, da trotz unterschiedlicher Fälligkeitstage auf Grund der Vielzahl der Einhebungsmaßnahmen die Einhebungsverjährung insgesamt noch nicht eingetreten ist.
Die Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO ist eine Ausfallshaftung (). Voraussetzung ist die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden (). Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären ().
Im gegenständlichen Fall steht die Uneinbringlichkeit fest, da die H-GmbH am von Amts wegen gemäß § 40 FBG im Firmenbuch gelöscht wurde.
Aus dem Einwand der Bw., dass die Abgabenbehörde keine ausreichenden Vollstreckungsmaßnahmen bei der Primärschuldnerin gesetzt hätte, lässt sich nichts gewinnen, da zum Einen aus obiger Aufstellung ersichtlich ist, dass seitens des Finanzamtes nichts unversucht blieb, den Abgabenrückstand einbringlich zu machen, und zum Anderen nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes der Haftungstatbestand nach § 9 BAO zwar die Kausalität zwischen schuldhafter Pflichtverletzung und Uneinbringlichkeit der Abgabe voraussetzt, der jedoch der Umstand nicht entgegensteht, dass die Abgabenbehörde in der Vergangenheit Eintreibungsmaßnahmen unterlassen hat ().
Unbestritten ist, dass der Bw. als Geschäftsführerin der H-GmbH die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft oblag. Insbesondere ist im Rahmen dieser Verpflichtung für die rechtzeitige und vollständige Entrichtung der Abgaben Sorge zu tragen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Sache des Geschäftsführers, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert haben, die ihm obliegenden abgabenrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen (, 0038). Er hat also darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, andernfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf (vgl. ).
Wird eine Abgabe nicht entrichtet, weil der Vertretene überhaupt keine liquiden Mittel hat, so verletzt der Vertreter dadurch keine abgabenrechtliche Pflicht ().
Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten zur Verfügung gestanden sind, hierzu nicht ausreichen; es sei denn, er weist nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als andere Verbindlichkeiten ().
Im gegenständlichen Fall bringt die Bw. jedoch keine triftigen Gründe, aus denen ihr die Erfüllung ihrer abgabenrechtlichen Pflichten unmöglich gewesen wäre, vor. Insbesondere wurde nicht behauptet, dass der Bw. keine Mittel zur Entrichtung der haftungsgegenständlichen Abgaben zur Verfügung gestanden wären.
Aus der Aktenlage ergibt sich jedoch, dass zumindest seit der Löschung der Gesellschaft im Firmenbuch am keine liquiden Mittel mehr vorhanden waren, weshalb die Zwangs- und Ordnungstrafe 2003 in Höhe von € 500,00 aus der Haftung auszuscheiden war.
An der Bw., der als Geschäftsführerin der Primärschuldnerin ausreichend Einblick in die Gebarung zustand, wäre es gelegen gewesen, das Ausmaß der quantitativen Unzulänglichkeit der in den Fälligkeitszeitpunkten der Abgaben zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen (), da nicht die Abgabenbehörde das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen hat, sondern der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer das Fehlen ausreichender Mittel ().
Weist der Haftungspflichtige nach, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, dann haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und dem tatsächlich bezahlten Betrag. Tritt der Vertreter diesen Nachweis nicht an, dann kann ihm die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden ().
Den im Rahmen der besonderen Behauptungs- und Konkretisierungspflicht zur Feststellung des für die aliquote Erfüllung der Abgabenschuld zur Verfügung stehenden Teiles vom Gesamtbetrag der liquiden Mittel geforderte Liquiditätsstatus - in Form einer Gegenüberstellung von liquiden Mitteln und Verbindlichkeiten zum jeweiligen Fälligkeitstag der haftungsgegenständlichen Abgaben, wobei es auf die Abgabenverbindlichkeiten einerseits und die Summe der übrigen Verbindlichkeiten andererseits ankommt - hat die Bw. jedoch - mangels vorhandener Unterlagen - nicht aufgestellt.
Im Hinblick auf die unterlassene Behauptung und Konkretisierung des Ausmaßes der Unzulänglichkeit der in den Fälligkeitszeitpunkten zur Verfügung gestandenen Mittel zur Erfüllung der vollen Abgabenverbindlichkeiten kommt eine Beschränkung der Haftung der Bw. bloß auf einen Teil der von der Haftung betroffenen Abgabenschulden nicht in Betracht ().
Für aushaftende Abfuhrabgaben wie die Lohnsteuer gelten aber ohnedies Ausnahmen vom Gleichheitsgrundsatz (; , 2000/15/0168), da nach § 78 Abs. 3 EStG der Arbeitgeber, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes ausreichen, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten hat.
Infolge der schuldhaften Pflichtverletzung durch die Bw. konnte die Abgabenbehörde nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (), auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben war.
Auf Grund des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 BAO erfolgte somit die Inanspruchnahme der Bw. als Haftungspflichtige für die Abgabenschuldigkeiten der H-GmbH im Ausmaß von nunmehr € 18.106,41 zu Recht.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 7 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 238 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at