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OGH vom 24.11.1998, 1Ob53/98w

OGH vom 24.11.1998, 1Ob53/98w

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj David B*****, vertreten durch Dr. Klaus Dieter Strobach und Dr. Wolfgang Schmidauer, Rechtsanwälte in Grieskirchen, wider die beklagte Partei M***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Harald Schmidt, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 150.000,-- sA und Feststellung (Streitwert S 10.000,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom , GZ 6 R 106/97v-72, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom , GZ 3 Cg 232/93m-66, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 8.370,-- (darin S 1.395,-- USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte erzeugt unter anderem Kamillentee als Instant-Trockenprodukt. Mit Bescheid vom bestätigte das Bundesministerium für Gesundheit und Umweltschutz die Anmeldung dieses Kamillentees sowie anderer Teeprodukte der Beklagten als diätetische Lebensmittel im Sinn des Lebensmittelgesetzes 1975, BGBl Nr 86, und teilte nach Prüfung der Waren anhand der vorgelegten Unterlagen mit, daß kein Grund für die Untersagung des Inverkehrbringens gemäß § 17 Abs 4 LMG 1975 gefunden wurde.

Die Verpackung des von der Beklagten erzeugten Kamillentees wies seit Herbst 1988 und im hier maßgeblichen Zeitraum 1989 und 1990 unter anderem folgende Aufschrift auf:

"... Kamillentee ist wohltuend und bekömmlich. Er ist für Säuglinge, Kinder und Erwachsene geeignet. ... Kamillentee wird aus Kamillenextrakt und Traubenzucker hergestellt.

Kamillentee wirkt beruhigend bei Magen- und Darmstörungen.

... Kamillentee wird auf modernste Weise in einem wertschonenden Agglomerierverfahren hergestellt und durch Trocknung haltbar gemacht."

Unter diesem Text fand sich unter der fettgedruckten Überschrift "Zubereitung für Säuglinge" folgende Anleitung:

"Ins Fläschchen 50 cm3 frisch abgekochtes warmes Wasser geben, ca 2 bis 4 g (ein Teelöffel ist ca 4 g) ... Kamillentee einstreuen - schütteln - fertig!"

Unmittelbar darunter durch Fettdruck des gesamten Textes hervorgehoben und leicht les- bzw wahrnehmbar fand sich folgender Hinweis:

"Wichtige Hinweise:

Flasche selbst halten und nicht dem Kind als Nuckelfläschchen überlassen; häufiges oder andauendes Umspülen der Zähne, zB vor dem Einschlafen, kann Karies verursachen. Nach der abendlichen Zahnpflege sollte grundsätzlich nichts Süßes gegessen und getrunken werden."

Der von der Beklagten erzeugte Kamillentee besteht aus 91 % Traubenzucker und 3 % Kamillenextrakt. Traubenzucker besteht aus Kohlehydraten. Kohlehydrate weisen grundsätzlich eine kariogenes Potential auf. Bei der laut Anleitung zubereiteten Standardauflösung des Kamillentees der Beklagten beträgt der Kohlehydratgehalt maximal 6,74 %. Bei Vollmilch beträgt der Kohlehydratgehalt 5,1 %, bei einer bestimmten Apfelsaftmarke 10,6 %, bei Trinkschokolade-Mischung eines bestimmten Herstellers 8,2 %, bei Babybrei Williams-Birne eines bestimmten Herstellers 11,7 % und bei einem mit einem Teelöffel Zucker gesüßten selbst hergestellten Kamillentee 2,1 %.

Für die Eignung eines Produkts, Zahnkaries hervorzurufen, spielt die Dauer, während der die Zähne von den Süßstoffen umspült werden, eine bedeutendere Rolle als die Konzentration des Granulats im Teegetränk. Aus diesem Grund ist das "Dauernuckeln" geeignet, bei entsprechender genetischer Veranlagung des Säuglings Karies zu verursachen. Dieser Umstand ist Müttern in der Regel bekannt, zumal Säuglingen und Kindern gesüßter Tee schon viel länger verabreicht wird, als es Instant-Trockenprodukte der Beklagten gibt.

Der am geborene Kläger bekam im Alter von ca 9 Monaten die ersten Zähne. Bis zu seinem ersten Lebensmonat wurde er von seiner Mutter gestillt. Den von der Beklagten hergestellten Kamillentee erhielt er schon einige Wochen nach seiner Geburt zum Zwecke der Durstlöschung. Bereits im Krankenhaus hatte man der Mutter mitgeteilt, daß möglichst spät damit begonnen werden sollte, Getränke für Babys zu zuckern, weil bei jeder gezuckerten Nahrung Kariesgefahr bestehe. Daß der von der Beklagten erzeugte Kamillentee gezuckert war, wußte die Mutter des Klägers nicht. Sie las den Verpackungstext nicht, weil ihr das Produkt von der Verwendung durch andere Mütter bekannt war. Sie verabreichte dem Kläger den Kamillentee je Fläschchen um das Doppelte überdosiert. Der Kläger erhielt in der ersten Zeit etwa fünf halbe Fläschchen Kamillentee täglich. Dieses Maß steigerte sich bis auf rund fünf ganze Fläschchen Kamillentee im Alter von einem Jahr. Im ersten Lebensjahr hielt die Mutter das Fläschchen, während der Kläger daraus trank, danach ließ sie es von ihm selbst, jedoch nicht für längere Zeit und auch nicht während der Nacht halten. Als Trinksauger verwendete die Mutter den ebenfalls von der Beklagten hergestellten Silikonsauger. Dieser Sauger hat im Gegensatz zum Naturkautschuksauger das Trinkloch an der Oberseite. Jeder Trinkflasche mit Sauger lag ab 1990 eine Gebrauchsanweisung mit folgendem umrandeten Hinweis bei:

"Bitte beachten Sie: Überlassen Sie die Flasche Ihrem Kind nicht als "Dauer-Beruhigungsschnuller". Häufiger oder dauernder Kontakt der Zähne mit der Flüssigkeit kann Karies verursachen. Allgemein gilt: Nach der abendlichen Zahnpflege grundsätzlich nichts Süßes essen oder trinken. Sobald Ihr Kind groß genug ist, lassen Sie es aus der Tasse oder einem Becher trinken, um Zahnschäden zu vermeiden".

Als der Kläger 13 bis 14 Monate alt war, fiel der Mutter auf, daß die Schneidezähne etwas dunkler geworden waren. Außerdem hatte sich das Zahnfleisch entzündet. Die Mutter konsultierte daraufhin mit dem Kläger einen praktischen Arzt, der Fluortabletten verschrieb und regelmäßiges Zähneputzen empfahl, was die Mutter bis zu diesem Zeitpunkt unterlassen hatte. Die Mutter achtete in der Folge darauf, daß der Kläger möglichst wenig Süßigkeiten, wie zB Schokolade, konsumierte. Den von der Beklagten erzeugten Kamillentee erhielt der Kläger jedoch fast bis zum Alter von zwei Jahren. Erst kurz vor dem zweiten Geburtstag des Klägers erhielt dessen Mutter vom praktischen Arzt den Hinweis, daß der von der Beklagten erzeugte Kamillentee für die Zahnschäden (mit-)verantwortlich sein könnte. Die Mutter suchte in der Folge mit dem Kläger einen Zahnarzt auf, der den Kläger in die Kieferabteilung eines Krankenhauses überwies, wo ihm alle vier oberen Schneidezähne unter Lokalanästhesie gezogen werden mußten.

Im Juni 1991 entschloß sich die Beklagte zu einer Änderung des Warnhinweises auf der Verpackung und zu deren geänderten Plazierung. Der Hinweis wurde aus dem fließenden Text herausgenommen, mit schwarzen Balken umrandet und oberhalb der Zubereitungsanleitung angebracht. Der Warnhinweis lautete nun:

"Wichtiger Hinweis! Der Tee enthält Kohlehydrate, die ab Durchbruch der ersten Zähne und insbesondere bei häufigem und längerem Gebrauch Karies verursachen können. Trinkflasche deshalb selbst halten, nicht als Schnullerersatz überlassen und möglichst früh auf Tasse umstellen. Nicht vor dem Einschlafen geben."

Am gab das Bundesministerium für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz folgenden Runderlaß heraus:

"Aus gegebenem Anlaß teilt das Bundesministerium für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz folgendes mit: Bei gesüßten Teeprodukten und Milchnahrungen für Säuglinge und Kleinkinder wird die Aufnahme eines Warnhinweises in der Aufmachung der Produkte empfohlen. Der Warnhinweis soll sich auf Kariesschäden, die durch Fehl- bzw Mißbrauch des jeweiligen Produktes (allzu häufiges oder lang andauerndes Trinken aus dem Fläschchen) entstehen können, beziehen und inhaltlich so abgefaßt sein, daß die bestehenden Gefahren für das Verständnis des Verbrauchers plausibel werden, d.h. die Funktionszusammenhänge klar gemacht werden. Darüber hinaus wäre der Warnhinweis in die Augen fallend gestalterisch hervorzuheben. Ein derartiger Warnhinweis ist keine gesundheitsbezogene Angabe im Sinn des § 9 Abs 1 lit a LMG 1975."

Mit seiner am beim Erstgericht eingebrachten Klage begehrte der Kläger von der Beklagten ein Schmerzengeld von S 150.000 und die Feststellung der Haftung für sämtliche Spätfolgen, die auf den Genuß des von der Beklagten erzeugten Kamillentees im Säuglingsalter zurückzuführen seien. Der beim Kläger festgestellte massive Kariesbefall, der in der Folge zur Extraktion von vier Schneidezähnen geführt habe, sei auf das Trinken des von der Beklagten erzeugten Kamillentees zurückzuführen, weil die Inhaltsstoffe dieses Tees aggressiv und mangelhaft seien. Dadurch komme es schon bei normalem Genuß dieses Produkts zu Kariesbefall. Bei Produkten der Beklagten erwarte man Erzeugnisse, die in jeder Hinsicht für Kinder unbedenklich seien. Diesen Erwartungen habe der Tee aufgrund seines hohen Zuckeranteils nicht entsprochen; er sei daher als fehlerhaft im Sinn des § 5 PHG anzusehen. Die hohe Kariesgefährdung sei darüber hinaus auf die Kombination des Tees mit der von der Beklagten empfohlenen und vertriebenen Saugflasche zurückzuführen. Dem Kläger seien während des Verwendungszeitraums des Tees keine anderen derart aggressiven, Karies verursachenden Nahrungsmittel verabreicht worden. Von einer permanenten und unsachgemäßen Verabreichung des von der Beklagten hergestellten Kamillentees könne keine Rede sein. Die Beklagte habe es unterlassen, einen Warnhinweis auf dem Produkt anzubringen, aus dem zu entnehmen gewesen wäre, daß auch bei gewöhnlichem und nicht übermäßigem Genuß des Getränks die Gefahr des Kariesbefalls bestehe. Da der auf der Verpackung angebrachte Hinweis nicht den allgemein erwarteten Sicherheitserfordernissen entspreche und sich zudem nicht ausreichend vom übrigen Text abhebe, sei das Produkt auch infolge eines Instruktionsmangels fehlerhaft. Darüber hinaus hätten im fraglichen Zeitraum von der Beklagten durchgeführte Forschungstests aufgezeigt, daß bereits eine fallweise Verabreichung des Tees genüge, um bei Kindern massive Zahnschäden in Form von Karies hervorzurufen.

Die Beklagte bestritt die Fehlerhaftigkeit ihrer Teeprodukte. Diese wiesen keine besondere oder außergewöhnliche Kariogenität auf. Vielmehr enthielten alternative Produkte mehr Zucker und Kohlehydrate. Der Kläger habe den Tee nach seinem eigenen Vorbringen nur fallweise zu sich genommen, womit feststehe, daß die Kariesschäden nicht auf das Produkt der Beklagten zurückzuführen seien. Daß Kohlehydrate grundsätzlich Karies verursachen könnten und insbesondere "Dauernuckeln" an Saugflaschen Kariesgefahr mit sich bringe, sei schon 1989 in der Bevölkerung allgemein bekannt gewesen. Davor habe nicht gewarnt werden müssen. Der von der Beklagten dennoch auf dem Produkt angebrachte Warnhinweis diene nur dazu, Klagen unvorsichtiger Kunden, die das Produkt fehlerhaft verwendeten, von vornherein aussichtslos zu machen. Mangels gesundheitsschädlicher Eigenschaften des Produkts wäre überhaupt kein Warnhinweis erforderlich gewesen. Sowohl auf den Teeprodukten der Beklagten als auch auf den von der Beklagten vertriebenen Saugern und Flaschen werde ausdrücklich und leicht les- bzw wahrnehmbar durch Fettdruck auf die Kariesgefahr insbesondere durch "Dauernuckeln" von süßen Getränken hingewiesen. Allfällige Instruktionsfehler seien weder kausal noch adäquat, weil die Mutter weder die Zubereitungshinweise noch den Warn- bzw Verpackungstext gelesen habe. Weiters habe die Mutter eine entsprechende Zahnpflege beim Kläger unterlassen und darüber hinaus den Kamillentee überdosiert. Bei der in Österreich im Mutter-Kind-Paß allgemein vorgesehenen Fluorprophylaxe und den dort angegebenen Ernährungshinweisen wäre die Zerstörung der Zähne des Klägers nicht aufgetreten.

Das Gericht erster Instanz wies das Klagebegehren ab. Es führte aus, der von der Beklagten erzeugte Kamillentee sei in der Standardauflösung nicht mehr oder weniger gefährlich als jeder andere gezuckerte Tee auch. Die von der Beklagten angebrachten Warnhinweise seien daher ausreichend gewesen. Sauger stellten bei Säuglingen und Kleinkindern die einzige praktische Form der Flüssigkeitsaufnahme dar. Für die Zahnschäden des Klägers seien weder Konstruktions- noch Instruktionsfehler des Produkts der Beklagten verantwortlich.

Das Gericht zweiter Instanz gab der dagegen erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Es legte in Behandlung der Rechtsrüge dar, das Produkt der Beklagten sei nicht fehlerhaft, weil es vergleichbaren Getränken für Kleinkinder gegenüber einen durchschnittlichen Kohlehydratgehalt aufweise. Nach den Feststellungen sei nicht das Produkt in seiner Zusammensetzung oder die Verabreichung in einer kindergerechten Saugflasche fehlerhaft, sondern würden Kariesschäden nur durch die permanente Einwirkung des gezuckerten Getränks auf die Zähne hervorgerufen. Auch ein Instruktionsfehler liege nicht vor. Ursache der Kariesschäden bei Kleinkindern sei nicht der Glukosegehalt des jeweiligen Getränks, sondern das sogenannte "Dauernuckeln". Nach den Feststellungen sei dieser Umstand Müttern in der Regel bekannt. Auch sei die Mutter des Klägers bereits im Krankenhaus darauf hingewiesen worden, möglichst spät die Getränke für das Baby zu zuckern, weil bei jeder gezuckerten Nahrung Kariesgefahr bestehe. Wenn aber potentiellen Abnehmern des von der Beklagten erzeugten Kamillentees nach ihrem Erfahrungswissen die mit einer bestimmten Verwendung verbundenen Gefahren bekannt seien, brauche davor nicht gewarnt zu werden. Daß die Mutter nicht gewußt habe, daß der Tee gezuckert sei, weil sie den Verpackungstext überhaupt nicht gelesen und den Tee offensichtlich auch nicht gekostet habe, begründe noch keine Informationspflicht der Beklagten. Selbst wenn man davon ausgehe, daß einem Teil der möglichen Produktverwender, etwa jüngeren Eltern, die vom "Dauernuckeln" ausgehenden Gefahren für die Zähne nicht bekannt sei, reiche der Warnhinweis auf der Verpackung des von der Beklagten erzeugten Kamillentees aus. Der Warnhinweis sei vom übrigen Text durch Fettdruck deutlich abgehoben und stelle sowohl die Anwendung als auch die Folgen unrichtiger Anwendung klar.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobenen Revision des Klägers kommt keine Berechtigung zu.

Im Revisionsverfahren ist der festgestellte Sachverhalt nur mehr dahin zu prüfen, ob ein Fehler des Produkts gemäß § 5 Abs 1 Z 1 PHG, somit aufgrund seiner Darbietung, gegeben ist. Der Kreis der Produktdarbietung ist weit gezogen. Er beginnt mit der Werbung und geht über die Aufmachung des Produkts und den Anschluß von Beipackzetteln bis zur mündlichen Information beim Verkaufsgespräch (RV 270 BlgNR 17. GP, 10; Welser, Produkthaftungsgesetz, Rz 11 zu § 5). Unter Darbietung des Produkts wird somit die Art und Weise der Produktpräsentation in der Öffentlichkeit verstanden. Dabei gehört es zu den Instruktionspflichten des Herstellers, den Benützer auf gefährliche Eigenschaften des Produkts hinzuweisen, ja ihn unter Umständen selbst vor widmungswidrigem Gebrauch zu warnen. Ihrem Inhalt nach müssen Warnhinweise klar und allgemein verständlich formuliert sein. Das spezielle Risiko ist in seiner ganzen Tragweite möglichst eindrucksvoll zu schildern. Die Instruktion muß daher geeignet sein, das Risiko einer Rechtsgutverletzung zu beseitigen (SZ 65/149; SZ 67/105 je mwH).

Für die Verpflichtung, vor Folgen zu warnen, ist entscheidend, ob ein Schutzbedürfnis des Verbrauchers vorliegt. Das ist nur dann gegeben, wenn der Hersteller damit rechnen muß, daß ein Produkt in die Hände von Personen gerät, die mit den Produktgefahren nicht vertraut sind. Was im Bereich allgemeiner Erfahrung der in Betracht kommenden Abnehmer und Benützer liegt, braucht nicht zum Inhalt einer Warnung gemacht zu werden. Die berechtigten Sicherheitserwartungen der Produktbenützer sind somit entscheidend. Beurteilungsmaßstab ist der Idealtypus des durchschnittlichen Produktbenützers (SZ 65/149; SZ 67/105; 6 Ob 157/98a). Für unvorhersehbare oder geradezu absurde Gebrauchsarten hat der Hersteller keinesfalls einzustehen. Er hat aber auch unterhalb der Schwelle der Sozialüblichkeit mit bestimmten Verbrauchergewohnheiten zu rechnen, solange es sich nicht bloß um einen theoretisch denkbaren, sondern um einen naheliegenden Abusus handelt (SZ 70/61; 10 Ob 399/97t).

Dem Revisionswerber ist darin beizupflichten, daß der Oberste Gerichtshof in SZ 65/149 ausgeführt hat, der Sinngehalt des Begriffs "berechtigte Sicherheitserwartungen" könne nur durch Zuhilfenahme außerrechtlicher Begriffsinhalte und Wertmaßstäbe ausgefüllt werden. Es liege ein unbestimmter Rechtsbegriff vor, zu dessen Konkretisierung es auch der dem Tatsachenbereich zuzuordnenden Kenntnis der Rechtsüberzeugung und der Verkehrssitte der in Frage kommenden Verkehrskreise bedürfe, die nicht vorweg durch richterliche Eigenwertung ersetzt werden könne. Der Richter dürfe zwar zur Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe seine allgemeine Lebenserfahrung einsetzen, aber auch dieses Wissen könne vom Revisionsgericht überprüft werden. Bestünden Bedenken gegen diese Normenkonkretisierung, könne auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht verzichtet werden. Der Revisionswerber übergeht allerdings in diesem Zusammenhang die bereits vom Erstgericht getroffene Feststellung, der Umstand, daß "Dauernuckeln" geeignet sei, bei entsprechender genetischer Veranlagung des Säuglings Karies zu verursachen, sei den Müttern in der Regel bekannt. Diese Feststellung wurde vom Revisionswerber in seiner Berufung nicht bekämpft, sodaß er nicht nunmehr zur Feststellung des tatsächlichen Wissens der beteiligten Verkehrskreise (Mütter) die Einholung eines Sachverständigengutachtens fordern kann.

Es kann dahingestellt bleiben, ob aufgrund dieses festgestellten Wissens potentieller Bezieher des von der Beklagten hergestellten Kamillentees der eingangs dieser Entscheidung wiedergegebene Warnhinweis entbehrlich gewesen wäre, weil die von der Beklagten angebrachte Warnung vor den Produktgefahren jedenfalls als ausreichend anzusehen ist: Warnhinweise müssen umso deutlicher ausfallen, je größer das Ausmaß der potentiellen Schadensfolgen und je versteckter die Gefährlichkeit ist (Fitz/Purtscheller/Reindl, Produkthaftung 66). Kann die Verwendung des Produkts mit erheblichen Gefahren für die Gesundheit des Menschen verbunden sein, müssen die Hinweise deutlich sein und dürfen nicht zwischen Teilinformationen über Darreichungsformen, Werbeaussagen usw "versteckt" werden (vgl BGHZ 99, 167, 181; BGHZ 116, 60, 68). Inhaltlich müssen die Hinweise so abgefaßt sein, daß darin die bestehenden Gefahren für das Verständnis des Verbrauchers plausibel werden. Das wird dann erreicht, wenn die Art der drohenden Gefahr deutlich herausgestellt wird, damit der Produktverwender sie nicht erst durch eigenes Nachdenken, möglicherweise erst aufgrund von Rückschlüssen, voll erfassen kann. Funktionszusammenhänge sind klar zu machen, sodaß erkennbar wird, warum das Produkt gefährlich ist (BGHZ 116, 60, 68).

Im vorliegenden Fall entspricht der von der Beklagten auf der Verpackung des von ihr produzierten Kamillentees angebrachte Warnhinweis (Beilage A) den dargestellten Erfordernissen. Zwar ist die Warnung nicht wie auf den ab Juni 1991 verwendeten Packungen aus dem fließenden Text herausgenommen, jedoch hebt sie sich von diesem hinreichend deutlich durch den verwendeten Fettdruck ab, sodaß sie dem Verbraucher, insbesondere wenn er sich erstmalig über die Art der Zubereitung informieren will, ins Auge springen muß. Auch der Inhalt des Hinweises ist gerade vor dem Hintergrund des festgestellten Wissens der Mütter um die Gefahren des "Dauernuckelns" hinreichend deutlich und klar, wird doch die Ursache der Gefährlichkeit des Produkts, nämlich daß häufiges Umspülen der Zähne mit diesem zu Karies führen kann, in nachvollziehbarer Weise dargestellt. Die gleichen Überlegungen gelten für den Warnhinweis, der der von der Beklagten vertriebenen Trinkflasche mit Sauger beigegeben war. Auch darin wird klargestellt, daß häufiger oder dauernder Kontakt der Zähne mit der Flüssigkeit Karies verursachen könne. In diesem Sinne entsprachen schon die zu Beginn des Jahres 1990 von der Beklagten verwendeten Warnhinweise durchaus dem Runderlaß des Bundesministeriums für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz vom . Daß die Beklagte diesen Warnhinweis ab Juni 1991 inhaltlich noch verbesserte und aus dem fließenden Text herausnahm, ist demgegenüber kein Indiz dafür, daß Inhalt und Aufmachung der davor angebrachten Warnung unzureichend gewesen sein müsse.

Auch der Bundesgerichtshof hatte sich mit dem "Baby-Bottle-Syndrom" oder "Nursing-Bottle-Syndrom" zu befassen; er bestätigte in BGHZ 116, 60 ein die Haftung der deutschen Muttergesellschaft der Beklagten bejahendes Berufungsurteil. Damals lag allerdings der Fall insoweit anders, als das dort klagende Kind durch das Trinken von gesüßtem Tee aus einer Saugflasche bereits in der Zeit vor Ende November 1981 geschädigt wurde, bis zu welchem Zeitpunkt weder auf den Verpackungen der Produkte noch der Saugflasche irgendwelche Warnhinweise abgedruckt wurden. Für die Folgezeit ab November 1981 fanden sich zwar Warnhinweise, jedoch unauffällig innerhalb des Textes über die Zubereitung, weshalb der Bundesgerichtshof davon ausging, daß mit dem Produkt bereits vertraute Benutzer diesen Warnhinweis nicht wahrnehmen würden. Ausdrücklich offen ließ der Bundesgerichtshof, ob die Warnung gegenüber denjenigen Verwendern ausreichend war, die erstmals Tee für ihre Kleinkinder zubereiteten. Diese Frage wurde sodann in der Entscheidung "Kindertee III" (WRP 1995, 480) dahin gelöst, daß eine unter den Zubereitungshinweisen plazierte, mit der hier strittigen wortlautgleichen Warnung als ausreichend erachtet wurde. Durch den Hinweis würden die Gefahren des Produkts deutlich herausgestellt, weil für alle erwachsenen Verwender des Tees verdeutlicht werde, daß den Kindern durch den häufigen Teegenuß Karies drohen könne. Auch sei der Warnhinweis nicht mehr wie in der Zeit davor in die Zubereitungshinweise aufgenommen worden, sondern durch die schwarze Umrandung, die größer und fetter gedruckte Überschrift mit Unterstreichung in genügendem Maß von den sonstigen Gebrauchsinformationen abgesetzt und als Warnung deutlich herausgestellt.

Nichts anderes kann - wie bereits dargestellt - im hier zu beurteilenden Fall gelten, zumal nach den Feststellungen Müttern in Österreich ganz allgemein die für die Zähne von gesüßten Getränken ausgehenden Gefahren bekannt sind. Daß im konkreten Einzelfall die Mutter des Klägers weder die Zubereitungshinweise noch die Warnung auf der Packung gelesen hat, kann der Beklagten nicht angelastet werden, weil ihr zumutbarerweise andere Informationsmöglichkeiten als schriftliche Hinweise auf der Verpackung nicht zur Verfügung standen.

Der Revision ist ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.