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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 13.02.2013, RV/2378-W/12

Antrag auf Aufhebung eines Haftungsbescheides (§ 9 Abs. 1 BAO iVm § 80 BAO) gemäß § 299 BAO

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., als Masseverwalter im Konkurs des M.S., Adresse_XY, vertreten durch Steuerberater, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Lilienfeld St. Pölten vom betreffend Antrag auf Aufhebung des Haftungsbescheides vom (§ 9 Abs. 1 BAO iVm § 80 Abs. 1 BAO) gemäß § 299 BAO entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Mit Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten vom wurde der über das Vermögen der T-GmbH am eröffnete Konkurs nach Schlussverteilung aufgehoben.

Mit Schreiben vom ersuchte das Finanzamt den Berufungswerber (Bw.) um Bekanntgabe aller Verbindlichkeiten und liquiden Mittel im Zeitraum der Fälligkeiten der aushaftenden Abgabenschuldigkeiten zum Nachweis der Gläubigergleichbehandlung.

Dieser Vorhalt blieb unbeantwortet.

Mit Bescheid vom wurde der Bw. gemäß § 9 Abs. 1 BAO iVm § 80 BAO als Geschäftsführer der T-GmbH für Abgaben in der Höhe von € 189.000,64, nämlich


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Abgabe
Betrag
Fälligkeit
Umsatzsteuer 03/2008
5.000,00
Umsatzsteuer 05/2008
10.488,69
Lohnsteuer 06/2008
1.790,69
Dienstgeberbeitrag 06/2008
1.448,42
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 06/2008
128,75
Lohnsteuer 07/2008
3.630,48
Dienstgeberbeitrag 07/2008
753,73
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 07/2008
67,00
Umsatzsteuer 07/2008
15.517,47
Lohnsteuer 08/2008
1.538,10
Dienstgeberbeitrag 08/2008
769,54
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 08/2008
68,40
Lohnsteuer 09/2008
2.173,39
Dienstgeberbeitrag 09/2008
913,04
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 09/2008
81,16
Lohnsteuer 10/2008
1.311,31
Dienstgeberbeitrag 10/2008
636,02
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 10/2008
56,53
Lohnsteuer 11/2008
2.417,09
Dienstgeberbeitrag 11/2008
1.267,18
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 11/2008
112,64
Umsatzsteuer 11/2008
18.477,94
Lohnsteuer 12/2008
1.311,31
Dienstgeberbeitrag 12/2008
636,02
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 12/2008
56,53
Umsatzsteuer 12/2008
5.660,36
Umsatzsteuer 2008
22.328,64
Lohnsteuer 01/2009
1.553,58
Dienstgeberbeitrag 01/2009
671,82
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 01/2009
59,72
Lohnsteuer 02/2009
1.503,33
Dienstgeberbeitrag 02/2009
662,28
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 02/2009
58,87
Lohnsteuer 03/2009
1.667,20
Dienstgeberbeitrag 03/2009
739,53
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 03/2009
65,74
Umsatzsteuer 02/2009
13.128,58
Umsatzsteuer 04/2009
11.473,09
Lohnsteuer 05/2009
1.751,24
Dienstgeberbeitrag 05/2009
739,96
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 05/2009
65,77
Umsatzsteuer 05/2009
11.272,15
Lohnsteuer 06/2009
1.533,96
Dienstgeberbeitrag 06/2009
1.320,94
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 06/2009
117,42
Umsatzsteuer 06/2009
11.733,83
Lohnsteuer 07/2009
1.406,28
Dienstgeberbeitrag 07/2009
811,50
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 07/2009
72,13
Lohnsteuer 08/2009
1.799,22
Dienstgeberbeitrag 08/2009
740,01
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 08/2009
65,78
Lohnsteuer 09/2009
880,88
Dienstgeberbeitrag 09/2009
720,84
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 09/2009
64,08
Umsatzsteuer 09/2009
6.473,82
Lohnsteuer 10/2009
880,88
Dienstgeberbeitrag 10/2009
722,50
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 10/2009
64,22
Umsatzsteuer 10/2009
12.758,11
Lohnsteuer 11/2009
1.395,44
Dienstgeberbeitrag 11/2009
1.272,49
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 11/2009
113,11

zur Haftung herangezogen, da diese durch die schuldhafte Verletzung der ihm als Vertreter der Gesellschaft auferlegten Pflichten nicht hätten eingebracht werden können.

Mit Schreiben vom wandte der Bw. ein, dass durch den Konkursantrag und der Schließung der Gesellschaft durch den Masseverwalter alle Unterlagen, Buchhaltungsbelege und Firmenaufzeichnungen vernichtet worden wären. Durch den Zwangsausgleich wäre eine Kontrolle und Unterstützung durch einen Betriebsberater und die Wirtschaftskammer erfolgt. Nach dem Konkurs wäre vom Masseverwalter behauptet worden, dass alles erledigt wäre.

Am beantragte der Bw. die Aufhebung des Haftungsbescheides gemäß § 299 BAO und führte aus, dass er im Zuge der Eröffnung des gegen ihn laufenden Insolvenzverfahrens von seinem jetzigen Steuerberater auf den Haftungsbescheid aufmerksam gemacht worden wäre. Er selbst hätte diesem Bescheid keine Bedeutung beigemessen, da für ihn das Kapitel "T." abgeschlossen gewesen wäre. Eine Zahlung von € 189.000,00 wäre für ihn ohnedies außerhalb jeder Möglichkeit gewesen.

Deshalb wäre von ihm die Berufungsfrist übersehen worden. Daher stelle er auch jetzt den Antrag nach § 299 BAO. Eine Durchbrechung der Rechtssicherheit wäre dann geboten, wenn der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung in den Vordergrund trete (Doralt-Ruppe, Steuerrrecht² Tz 559). Dazu wäre § 299 BAO geschaffen worden. Da es hier um einen sehr hohen Betrag, im Endeffekt um sein wirtschaftliches Überleben gehe und die Gleichmäßigkeit der Besteuerung derzeit nicht gegeben wäre, stelle der Bw. den Antrag, den Haftungsbescheid vom ersatzlos aufzuheben, da nach seiner Ansicht der Spruch des Bescheides nicht richtig wäre.

Begründend brachte er vor, dass eine Haftung nach § 9 BAO iVm § 80 BAO unter anderem voraussetze, dass eine schuldhafte Pflichtverletzung des Geschäftsführers vorliege und dass diese Pflichtverletzung die Uneinbringlichkeit verursacht hätte.

Der Bw. wäre in der Zeit vom bis zur Eröffnung des Konkurses am alleiniger Geschäftsführer der Primärschuldnerin gewesen. In dieser Zeit wäre die Firma sowohl von der Steuerberatungskanzlei YZ betreut worden, die für die Buchhaltung und Lohnverrechnung (samt der Meldung der Daten an das Finanzamt) zuständig gewesen wäre, als auch von einem Unternehmensberater, der Firma H., der eng in der Firma eingebunden gewesen wäre und ihn laufend in kaufmännischen Angelegenheiten beraten hätte. Der Unternehmensberater hätte dem Bw. immer attestiert, dass keine Insolvenzgefahr bestehe und dass alles ordnungsgemäß gemacht werde. Während seiner gesamten Zeit als Geschäftsführer wäre der Bw. in regelmäßigem und engem Kontakt mit diesem Unternehmensberater gewesen. Die Kosten dafür wären nicht unerheblich gewesen, aber seit der ersten Insolvenz 2004 wäre ihm diese Begleitung sehr wichtig erschienen.

Wie man daraus ersehen könne, hätte der Bw. alle ihm auferlegten Pflichten nach bestem Wissen und Gewissen erfüllt. Er hätte sich keiner vorsätzlichen oder fahrlässigen Pflichtverletzung schuldig gemacht. Er hätte sich auch darum gekümmert, dass alle Meldungen von Selbstbemessungsabgaben an das Finanzamt rechtzeitig erfolgen würden. Aber er hätte sich auch auf seine Berater verlassen müssen. Wie dem Abgabenkonto entnommen werden könne, wären alle Meldungen von Selbstbemessungsabgaben fristgerecht erfolgt. Er wäre seinen Verpflichtungen als Geschäftsführer immer pünktlich nachgekommen.

Der Bw. hätte in der kritischen Zeit auch keine Gläubiger begünstigt. In der Zeit ab Mai 2008 wären immer wieder Zahlungen an das Finanzamt erfolgt, soweit dies liquiditätsmäßig möglich gewesen wäre. Es gelte der Grundsatz, dass die Finanzverwaltung nicht schlechter gestellt werden dürfe als die übrigen Gläubiger, aber im Umkehrschluss dürfe sie auch nicht besser gestellt werden. Er hätte versucht, alle Gläubiger möglichst gleichmäßig zu bedienen.

Während des Insolvenzverfahrens bzw. im Anschluss daran wäre es zu keinem Kridaverfahren gegen den Bw. gekommen. Das bedeute, dass er sich keiner Pflichtverletzung schuldig gemacht hätte. Auch das Betriebsfinanzamt hätte ein derartiges Verfahren gegen ihn anstrengen können.

Abschließend wies der Bw. darauf hin, dass es auf Grund seiner Vermögens- und Einkommenssituation ausgeschlossen wäre, den Haftungsbetrag auch nur teilweise zu begleichen. Auch ersuche er um Berücksichtigung, dass er damals auf Grund seines geringen Alters noch keine Erfahrungen in Geschäftsführungsangelegenheiten gehabt hätte. Über geschäftliche Belange hätte immer seine Familie entschieden.

Mit Beschluss des Landesgerichtes Steyr vom wurde über das Vermögen des Bw. das Konkursverfahren eröffnet.

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag auf Aufhebung ab und führte begründend aus, dass die Abgabenbehörde erster Instanz gemäß § 299 BAO auf Antrag der Partei oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz aufheben könne, wenn sich der Spruch des Bescheides als nicht richtig erweise. Die Aufhebung setze eine Gewissheit voraus, die bloße Möglichkeit reiche nicht (; Ritz, BAO, § 299 Tz 13).

Der Abgabenbehörde würden keine Gründe vorliegen, die die Rechtsrichtigkeit des Haftungsbescheides widerlegen würden. Da der Bw. als Geschäftsführer der Gesellschaft infolge schuldhafter Verletzung seiner Pflichten zur Haftung herangezogen worden und der Haftungsbescheid in Rechtskraft erwachsen wäre, komme eine Aufhebung nicht in Betracht.

In der dagegen am rechtzeitig eingebrachten Berufung wandte der Bw. ein, dass es dem angefochtenen Bescheid an jedweder Begründung mangle. Eine solche wäre gemäß § 93 Abs. 3 lit. a BAO jedoch erforderlich gewesen, da dem Rechtsstandpunkt des Bw. nicht Rechnung getragen und der Antrag auf Aufhebung des Haftungsbescheides zu Unrecht abgewiesen worden wäre. Die als Begründung bezeichneten Ausführungen würden sich in einer inhaltsleeren Wiedergabe des Verfahrensstandes sowie der Erklärung, dass der Abgabenbehörde keine Gründe vorliegen würden, von der Rechtswidrigkeit des Haftungsbescheides auszugehen, erschöpfen.

Die Abgabenbehörde erster Instanz verabsäume es dabei jedoch, inhaltlich auf die Ausführungen des Bw. im Aufhebungsantrag einzugehen. Richtigerweise handle es sich daher um eine bloße Scheinbegründung, der sich nicht entnehmen lasse, von welcher Sachverhaltsannahme die Abgabenbehörde erster Instanz ausgegangen wäre. Da dem Bw. ein subjektiver Anspruch darauf zukomme, die inhaltlichen Gründe für die Abweisung des Aufhebungsantrages zu erfahren, da er nur so in die Lage versetzt werde, seine Rechte sachgemäß zu verteidigen, wäre der angefochtene Bescheid mit einem wesentlichen Verfahrensmangel behaftet.

Eine "Wiederaufnahme" eines Bescheides nach § 299 BAO liege im Ermessen der Behörde. Auch eine Begründung des Ermessens fehle zur Gänze. Dazu verwies der Bw. auf das VwGH-Erkenntnis vom , 97/14/0176, wonach Ermessensentscheidungen von der Behörde insofern zu begründen wären, als dies die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes erfordere.

Eine Begründung für eine Ermessensentscheidung fehle im Übrigen bereits im Haftungsbescheid zur Gänze. Laut Erlass des Bundesministeriums für Finanzen, BMF-010103/0050-IV/2006, vom , Pkt. 2.10, wären in der Ermessensentscheidung die wirtschaftliche Lage des Haftungspflichtigen und der Grad des Verschuldens des Vertreters zu berücksichtigen bzw., ob der Betrag beim Haftungspflichtigen einbringlich wäre. Über keinen dieser Punkte finde sich eine Begründung im Haftungsbescheid.

Auch die rechtliche Beurteilung wäre unzutreffend, weil alle Umsatzsteuervoranmeldungen fristgerecht eingebracht worden wären. Auch die Jahreserklärung 2008 wäre innerhalb der den Quotenvertretern zustehenden Frist eingebracht worden und gelte somit als Selbstanzeige. Bei den Lohnabgaben verhalte es sich ähnlich, lediglich Abgaben im Ausmaß von € 23.180,29 wären nicht fristgerecht gemeldet worden.

Haftungsrelevant wäre nur die Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten, insbesondere die Abgabenentrichtung aus den Mitteln, die der Vertreter verwalte, sowie die Führung gesetzmäßiger Aufzeichnungen.

Die Pflicht des Vertreters, die vom Vertretenen geschuldeten Abgaben zu entrichten, bestehe nur insoweit, als hierfür liquide Mittel vorhanden wären. Es gelte der Gleichbehandlungsgrundsatz. Ausnahme hierfür bestehe nur für die Lohnsteuer, die im Verhältnis zur Lohnzahlung abzuführen gewesen wäre. Jedoch wären auch die Löhne zuletzt nicht mehr zur Gänze ausbezahlt worden.

Der Gleichheitsgrundsatz besage, dass alle Gläubiger im gleichen Verhältnis befriedigt werden müssten. In der Zeit, als der Bw. Geschäftsführer der Gesellschaft gewesen wäre, wären an das Finanzamt in Summe € 80.135,36 bezahlt worden. Es werde sich heute nicht mehr verifizieren lassen, wie weit andere Gläubiger bedient worden wären. Aber auch bei den Gebietskrankenkassen und Gemeinden hätten (laut Verteilungsbeschluss) hohe Rückstände bestanden. Tatsache wäre, dass sich die Haftung des Geschäftsführers nur auf jenen Betrag beziehe, den das Finanzamt bei Gleichbehandlung mehr bekommen hätte (). Eine Erörterung dafür fehle im Haftungsbescheid zur Gänze.

Werde eine Abgabe nicht entrichtet, weil der Vertretene (im Zeitpunkt der Fälligkeit der Abgabe) überhaupt keine liquiden Mittel hätte, so verletze der Vertreter dadurch keine abgabenrechtliche Pflicht (VwGH 95/15/0249).

Die gesetzmäßigen Aufzeichnungen wären geführt worden, die entsprechenden Meldungen wären zum weitaus überwiegenden Teil fristgerecht erfolgt. Dies hätte die Behörde jederzeit überprüfen können. Auch wenn den Haftenden eine qualifizierte Mitwirkungsverpflichtung treffe, so wäre die Behörde nicht von jeglicher Mitwirkung entbunden (VwGH 94/14/0147; VwGH 2001/14/0013).

Die Frage des Verschuldens bei Nichtentrichtung von Abgaben stelle sich nur dann, wenn überhaupt liquide Mittel vorhanden wären. Da dies nicht der Fall gewesen wäre, treffe den Geschäftsführer somit auch kein Verschulden und damit keine Haftung.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 299 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde erster Instanz auf Antrag der Partei oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist.

Eine Aufhebung kommt demnach nur dann in Betracht, wenn sich ein Bescheid als nicht richtig erweist, wobei die bloße Möglichkeit nicht ausreicht, sondern Gewissheit herrschen muss (). Antragsberechtigt ist derjenige, dem gegenüber der aufzuhebende Bescheid wirkt. Aus § 302 Abs. 2 lit. b BAO ergibt sich, dass der Antrag vor Ablauf eines Jahres ab Bekanntgabe des aufzuhebenden Bescheides einzubringen ist.

Da der Bw. Bescheidadressat des bekämpften Haftungsbescheides vom war und der Antrag auf Aufhebung innerhalb offener Frist gestellt wurde, war inhaltlich darüber abzusprechen.

In der Sache selbst ist festzustellen, dass für den Bereich des § 299 BAO dem Prinzip der Rechtmäßigkeit der Vorrang vor dem Prinzip der Rechtssicherheit zukommt. Das eingeräumte Ermessen wird regelmäßig dann im Sinne des Gesetzes gehandhabt, wenn die Behörde bei Wahrnehmung einer nicht bloß geringfügigen Rechtswidrigkeit mit Aufhebung des bereits rechtskräftigen Bescheides vorgeht, gleichgültig ob zum Vorteil oder zum Nachteil des Abgabepflichtigen ().

Ein Aufhebungsantrag soll die Behörde in die Lage versetzen, klar zu erkennen, welche Unrichtigkeit des Bescheides der Antragsteller für gewiss hält. Die Erklärung, welche Änderungen im gemäß § 299 Abs. 2 BAO gleichzeitig zu erlassenden Ersatzbescheid durchgeführt werden sollen, muss somit einen bestimmten oder zumindest bestimmbaren Inhalt haben, wobei sich die Bestimmtheit aus dem Aufhebungsantrag ergeben muss. Um von einer Gewissheit der Unrichtigkeit des Spruches ausgehen zu können, muss der Aufhebungsantrag in Abgabensachen einerseits die Fehler der aufzuhebenden Bescheide konkret aufzeigen und hinsichtlich der Abgabenhöhe oder der Bemessungsgrundlage ziffernmäßig bestimmte Angaben enthalten oder aufzeigen, wo der Bescheid, dessen Aufhebung begehrt wird, inhaltliche Unrichtigkeiten aufweist. Dazu wird es nicht ausreichend sein, darzulegen, dass bestimmte Tatsachen oder Beweismittel bislang nicht berücksichtigt wurden. Vielmehr ist vom Antragsteller darzulegen, welche konkreten Auswirkungen sich auf Grund der neuen Sachlage ergeben.

Zudem muss ein Antragsteller aus eigenem Antrieb im Antrag auf Aufhebung einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels darlegen, dass sich der Spruch des Bescheides, dessen Aufhebung beantragt wird, als nicht richtig erweist und diese Unrichtigkeit auch gewiss ist (Ritz, BAO, § 299 Tz 13).

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Die Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO ist eine Ausfallshaftung (). Voraussetzung ist die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden (). Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären ().

Im gegenständlichen Fall steht die Uneinbringlichkeit fest, da mit Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten vom der über das Vermögen der T-GmbH am eröffnete Konkurs nach Schlussverteilung aufgehoben wurde.

Unbestritten ist, dass dem Bw. als Geschäftsführer der genannten Gesellschaft die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft oblag. Insbesondere ist im Rahmen dieser Verpflichtung für die rechtzeitige und vollständige Entrichtung der Abgaben Sorge zu tragen.

Aus dem Einwand des Bw., dass alle Umsatzsteuervoranmeldungen wie auch die Jahreserklärung 2008, die als Selbstanzeige zu werten wäre, fristgerecht eingebracht worden wären, lässt sich nichts gewinnen, weil die Haftungsinanspruchnahme keine Strafsanktion darstellt, sondern eine Einhebungsmaßnahme. Darüber hinaus zählt neben der Abgabe von Steuererklärungen auch die rechtzeitige und vollständige Abgabenentrichtung zu den steuerlichen Pflichten.

Ob diese Verpflichtung vom Bw. schuldhaft verletzt wurde, war daher nunmehr zu prüfen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Sache des Geschäftsführers, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert haben, die ihm obliegenden abgabenrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen (, 0038). Er hat also darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, andernfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf (vgl. ).

Wird eine Abgabe nicht entrichtet, weil der Vertretene überhaupt keine liquiden Mittel hat, so verletzt der Vertreter dadurch keine abgabenrechtliche Pflicht ().

Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten zur Verfügung gestanden sind, hierzu nicht ausreichen; es sei denn, er weist nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als andere Verbindlichkeiten ().

Im gegenständlichen Fall bringt der Bw. jedoch keine triftigen Gründe, aus denen ihm die Erfüllung seiner abgabenrechtlichen Pflichten unmöglich gewesen wäre, vor. Es wurde zwar behauptet, dass ihm keine ausreichenden Mittel zur Entrichtung der haftungsgegenständlichen Abgaben zur Verfügung gestanden wären und dass er sämtliche Gläubiger gleich behandelt hätte. Jedoch wurde seitens des Bw. trotz mehrfacher Aufforderung im Vorhalt vom und Haftungsbescheid vom kein Gleichbehandlungsnachweis erbracht.

Am Bw., dem als Geschäftsführer der Primärschuldnerin ausreichend Einblick in die Gebarung zustand, wäre es gelegen gewesen, das Ausmaß der quantitativen Unzulänglichkeit der in den Fälligkeitszeitpunkten der Abgaben zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen (), da nicht die Abgabenbehörde das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen hat, sondern der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer das Fehlen ausreichender Mittel ().

Weist der Haftungspflichtige nach, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, dann haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und dem tatsächlich bezahlten Betrag. Tritt der Vertreter diesen Nachweis nicht an, dann kann ihm die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden ().

Im Hinblick auf die unterlassene Behauptung und Konkretisierung des Ausmaßes der Unzulänglichkeit der in den Fälligkeitszeitpunkten zur Verfügung gestandenen Mittel zur Erfüllung der vollen Abgabenverbindlichkeiten kommt eine Beschränkung der Haftung des Bw. bloß auf einen Teil der von der Haftung betroffenen Abgabenschulden nicht in Betracht ().

Dem Einwand des Bw, dass gegen ihn - nach Prüfung der Gleichbehandlung durch den Masseverwalter - kein Kridaverfahren eingeleitet worden wäre, ist zu entgegnen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () der Geschäftsführer die dem Abgabengläubiger gegenüber bestehende Pflicht zur zumindest anteiligen Tilgung der Abgabenforderungen auch verletzt, wenn er das Gebot quotenmäßiger Befriedigung der offenen Forderungen insoweit nicht beachtet, als er keinem der Gesellschaftsgläubiger auch nur anteilig Zahlung leistet.

Darüber hinaus entbindet auch ein Freispruch des Abgabepflichtigen vom Vorwurf der Krida den Abgabepflichtigen nicht von der Verpflichtung, im Haftungsverfahren die Gründe aufzuzeigen, die ihn ohne sein Verschulden an der rechtzeitigen Abgabenentrichtung hinderten, zumal es keine Voraussetzung für die Haftungsinanspruchnahme bildet, ob in einem förmlichen Strafverfahren ein Schuldspruch erfolgt oder nicht (). Für die Haftung nach § 9 BAO kommt es daher nicht darauf an, dass gegen den Bw. kein Kridastrafverfahren eingeleitet worden ist (). Überdies deckt sich der Haftungstatbestand des § 9 Abs. 1 BAO nicht mit einem Straftatbestand des StGB ().

Für aushaftende Abfuhrabgaben wie die Lohnsteuer gelten aber ohnedies Ausnahmen vom Gleichheitsgrundsatz (; , 2000/15/0168), da nach § 78 Abs. 3 EStG der Arbeitgeber, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes ausreichen, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten hat.

Der Einwand des Bw., dass in der letzten Zeit vor Konkurseröffnung keine Löhne mehr ausbezahlt worden wären, wäre grundsätzlich geeignet, ihn hinsichtlich der zu Unrecht gemeldeten Lohnsteuern zu exkulpieren. Jedoch war der Bw. außerstande, sowohl diese Beträge zu beziffern als auch den Zeitraum exakt anzugeben, da ihm nach seinen eigenen Angaben keine Unterlagen mehr zur Verfügung stünden.

Eine Beschränkung der Haftung kommt auch diesfalls nicht in Betracht, weil es dem Vertreter obliegt, entsprechende Beweisvorsorgen - etwa durch das Erstellen und Aufbewahren von Ausdrucken - zu treffen (). Wie der Verwaltungsgerichtshof etwa im Erkenntnis vom , 97/14/0160, ausgeführt hat, ist es dem Vertreter, der fällige Abgaben der Gesellschaft nicht (oder nicht zur Gänze) entrichten kann, schon im Hinblick auf seine mögliche Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger zumutbar, sich - spätestens dann, wenn im Zeitpunkt der Beendigung der Vertretungstätigkeit fällige Abgabenschulden unberichtigt aushaften - jene Informationen zu sichern, die ihm im Fall der Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger die Erfüllung der Darlegungspflicht im oben beschriebenen Sinn ermöglichen. Diese Darlegungspflicht trifft nämlich auch solche Haftungspflichtige, die im Zeitpunkt der Feststellung der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Gesellschaft nicht mehr deren Vertreter sind ().

Auch vermag der Einwand, dass er sich einer Steuerberatungskanzlei und eines Unternehmensberaters bedient hätte, auf die er sich verlassen hätte können, den Bw. nicht zu exkulpieren, weil ein Vertreter beauftragte Personen zumindest in solchen Abständen zu überwachen hat, die es ausschließen, dass ihm Steuerrückstände verborgen bleiben ().

Infolge der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Bw. konnte die Abgabenbehörde nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (), auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben war.

Die vom Bw. geltend gemachten "Billigkeitsgründe", deren Berücksichtigung er bei der Ermessensübung vermisst, nämlich seine (darüber hinaus nicht determinierte) Vermögens- und Einkommenssituation, stehen in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung (). Soweit der Bw. vorträgt, dass die belangte Behörde nach der Aktenlage von der Uneinbringlichkeit der geltend gemachten Verbindlichkeiten bei ihm ausgehen hätte müssen, weshalb die Heranziehung zur Haftung in Ausübung des Ermessens nicht zweckmäßig sei, ist er darauf hinzuweisen, dass die allfällige derzeitige Uneinbringlichkeit nicht ausschließt, dass künftig neu hervor gekommenes Vermögen oder künftig erzielte Einkünfte zur Einbringlichkeit führen können ().

Die im Rahmen des § 224 BAO zu treffende Ermessensentscheidung iSd § 20 BAO ist innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenze nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist ().

Auf Grund des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 BAO erfolgte somit die Inanspruchnahme des Bw. als Haftungspflichtiger für die Abgabenschuldigkeiten der T-GmbH, weshalb eine Aufhebung des Haftungsbescheides nach § 299 BAO nicht in Betracht kommt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 299 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 302 Abs. 2 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at