OGH vom 20.04.2010, 1Ob52/10v
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Angelika Truntschnig, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei B***** GmbH, *****, vertreten durch CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 123.597,26 EUR sA, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 76.941,30 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 220/09s-133, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
B e g r ü n d u n g :
Rechtliche Beurteilung
1.) Die Auffassung der Revisionswerberin, das von der Klägerin hergestellte Werk sei zur Gänze misslungen, weshalb sich Erwägungen zur Frage einer allfälligen Teilbarkeit der Werkleistungen erübrigten, ist nicht verständlich. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen wurde die Klägerin mit der Durchführung umfangreicher Baumeisterarbeiten zu einem Werklohn von insgesamt 10,7 Mio ATS beauftragt, wogegen sich die Warnpflichtverletzung ausschließlich auf bestimmte Teile der durchgeführten Verputzarbeiten bezieht. Von einem gänzlichen Misslingen des Werks kann daher nicht im Entferntesten die Rede sein.
2.) Richtig ist, dass der Werkunternehmer seinen Entgeltanspruch idR verliert, wenn das Werk aufgrund Verletzung der diesen treffenden Warnpflicht nach § 1168a ABGB unbrauchbar wird. Davon ist das Berufungsgericht aber ohnehin ausgegangen. Dieses hat jedoch ebenso zutreffend auf die ständige Rechtsprechung verwiesen, nach der dieser Verlust des Werklohnanspruchs dann nur teilweise - entsprechend den Verschuldensanteilen - eintritt, wenn den Werkbesteller ein Mitverschulden am Misslingen des Werks trifft (RIS-Justiz RS0116075). Dieser Ansatz wird von der Revisionswerberin nicht in Frage gestellt, sondern vielmehr gar nicht erwähnt.
3.) Wenn die Revisionswerberin im Zusammenhang mit der Frage einer vertraglichen Haftungsbegrenzung dem Berufungsgericht vorwirft, „offenbar übersehen“ zu haben, dass die Beklagte vom Werkvertrag zurückgetreten ist, für welchen Fall die Haftungsbegrenzung von 5 % der Auftragssumme nicht zur Anwendung komme, erweckt sie den Eindruck, die Begründungen der Vorinstanzen nicht ausreichend studiert zu haben. Dort wird nämlich dargelegt, dass die Beklagte ihre Rücktrittserklärung auf angebliche Mängel gestützt habe, die in Wahrheit gar nicht vorgelegen seien, weshalb ein wirksamer Vertragsrücktritt nicht erfolgt sei. Daran, dass die von der Revisionswerberin angesprochene Vertragsbestimmung, wonach „bei Rücktritt“ Schadenersatz ohne Begrenzung zu leisten ist, nur die Fälle eines berechtigten und damit wirksamen Rücktritts erfassen soll, kann kein Zweifel bestehen. Aus welchen Gründen der Vertrag entgegen der Auffassung der Vorinstanzen durch die Rücktrittserklärung der Beklagten weggefallen sein sollte, wird in der Revision jedoch in keiner Weise erörtert.
4.) Das Berufungsgericht hat die Regelung in Punkt 6.4 der (vereinbarten) allgemeinen Vorbemerkungen nach der Unklarheitenregel des § 915 Satz 2 ABGB in dem Sinne ausgelegt, dass von den dort erwähnten „Lieferungen oder Beistellungen“ des Auftraggebers, die eine Prüfpflicht dahin auslösten, ob diese für die vorgesehene Verwendung „geeignet, bedingt geeignet oder beschädigt“ sind, nicht der Baugrund oder die Vorarbeiten anderer Unternehmer erfasst sein sollten. Die Formulierung spreche dafür, hier unter Beistellungen etwa (nur) Baustrom, Baukräne, Bauaufzüge oder Baumaterial zu subsumieren, welche auf eine individuelle Schadhaftigkeit geprüft werden müssten. Vorleistungen anderer Unternehmer, wie hier etwa eine Trockenlegung, seien daher im Zweifel nicht erfasst.
Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, stellt nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS-Justiz RS0042936). Ein solches liegt hier nicht vor. Auch die Revisionsargumente vermögen eine solche erhebliche Fehlbeurteilung bei der Auslegung nicht darzustellen.
Wenn die Revisionswerberin etwa darauf hinweist, die unter dem Abschnitt „Ausführung“ enthaltenen Bestimmungen der Punkte 6.4 und 6.2 seien „zusammen zu lesen und einheitlich zu interpretieren“, unterstützt dies eher die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, ist doch lediglich in Punkt 6.2 von „Vorarbeiten anderer Unternehmer“ die Rede, womit nahe liegt, dass die in Punkt 6.4 verwendete Formulierung „Lieferungen oder Beistellungen“ eben etwas anderes ausdrücken und die Vorarbeiten anderer Unternehmer gerade nicht erfassen soll. Mit ihrer Rechtsauffassung, mit den Begriffen „Lieferungen und Beistellungen“ sei nichts anderes gemeint als mit dem Begriff „Stoff“ in § 1168a ABGB bestätigt die Revisionswerberin nur die leicht vermeidbare Unklarheit ihrer Formulierung, hätte sie doch ohne weiteres durch entsprechende Wortwahl klarstellen können, dass es in der fraglichen Bestimmung um die (alle) Fälle der Warnpflicht nach § 1168a ABGB gehen soll. Wenn die Beklagte statt dessen eine höchst unklare Formulierung verwendet hat, darf sie sich nicht dadurch beschwert erachten, dass das Berufungsgericht diese im Zweifel zu Gunsten ihrer Vertragspartnerin ausgelegt hat.
Nicht leicht nachvollziehbar ist auch der - offenbar an das Berufungsgericht gerichtete - Vorwurf, dem Werkbesteller als Klauselverfasser dürfe nicht unterstellt werden, er hätte sich durch Textierung und Verwendung dieser Klauseln im Ergebnis schlechter stellen wollen, als es das dispositive Recht einräume, und angeblich Baugrund bzw das Mauerwerk von der Warnpflicht ausnehmen wollen. Davon, dass bestimmte Bereiche von der gesetzlich vorgesehenen Warnpflicht auszunehmen wären, ist überhaupt nicht die Rede; Derartiges wird auch vom Berufungsgericht nicht vertreten. Es geht allein um die Frage, in welchem Bereich der Werkunternehmer auch bei einem (erheblichen) Mitverschulden des Werkbestellers die nachteiligen Folgen einer Warnpflichtverletzung alleine zu tragen hat.
5.) Entgegen der Auffassung der Revisionswerberin ist dem Berufungsgericht bei der Gewichtung des Verschuldens bzw Mitverschuldens keine erhebliche Fehlbeurteilung unterlaufen. Wenn die Revisionswerberin in diesem Zusammenhang auf eine vermeintliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts hinweist, wonach die Klägerin Kenntnis von der vorhandenen Feuchtigkeit gehabt hätte und in der gegebenen Situation zumindest damit rechnen habe müssen, dass sich die Feuchtigkeitsebene nicht auf das Mauerwerk unterhalb der Injektageebene beschränkte, ist sie vorerst darauf hinzuweisen, dass es sich bei dieser Passage in Wahrheit um Ausführungen im Rahmen der erstgerichtlichen rechtlichen Beurteilung handelt, wogegen die Tatsachenfeststellungen dahin lauten, dass der Klägerin „bei Auftragserteilung“ bekannt war, dass die Wände im Erdgeschoß feucht waren und dass Trockenlegungsmaßnahmen (durch die Beklagte) durchzuführen sind, bevor der Gipsputz aufgebracht werden kann, was auch Gegenstand diverser Baubesprechungen war; der Klägerin waren Art, Umfang und Notwendigkeit vorhergehender Trockenlegungsmaßnahmen als Voraussetzung für eine erfolgreiche Anbringung des Gipsputzes bekannt. Aus den weiters getroffenen Tatsachenfeststellungen ergibt sich, dass ursprünglich mehrere Methoden (Durchschneideverfahren, Elektro-Osmoseverfahren, Injektageverfahren) zur Diskussion standen und dass in diversen Baubesprechungen die Rede davon war, dass vor Beginn der Trockenlegungsarbeiten eine Mauerwerksanalyse durch die TU Wien in Auftrag gegeben werden sollte. Weder die Beklagte, noch das für sie tätige Architekturbüro legten der Klägerin ein Sanierungskonzept für die Trockenlegungsmaßnahmen vor; die Beklagte entschied sich schließlich für das Injektageverfahren und beauftragte mit den Trockenlegungsarbeiten ein anderes Unternehmen. Weder die Klägerin, noch die Beklagte, noch das Architekturbüro überprüfte nach Abschluss der Arbeiten den Erfolg der Trockenlegungsmaßnahmen. Die Klägerin begann nach dem vorgesehenen Zeitplan mit dem Aufbringen des Gipsputzes, ohne vorher weitere Überprüfungen vorgenommen zu haben. Ohne solche Überprüfungen konnte die Klägerin mangels eines Sanierungskonzepts mit nachvollziehbaren Angaben über Art und Vorgangsweise bei der Trockenlegung und weil der alte Putz bereits abgeschlagen war den Umfang der (verbliebenen) Durchfeuchtung nicht erkennen.
Aus welchen Gründen unter Berücksichtigung des festgestellten Sachverhalts die vom Berufungsgericht vorgenommene Verschuldensteilung im Verhältnis 1 : 1 unzutreffend oder gar unvertretbar sein sollte, vermag die Rekurswerberin nicht nachvollziehbar darzulegen, zumal sie ihren Rechtsausführungen nur Bruchstücke dieses Sachverhalts zugrundelegt. Hat nun aber weder die Beklagte noch das von ihr beigezogene Architekturbüro die Klägerin darauf hingewiesen, dass der Erfolg der durchgeführten Trocknungsarbeiten in keiner Weise überprüft worden ist, kann der Klägerin kein erheblich größerer Verschuldensvorwurf gemacht werden, wenn sie ohne weitere Überprüfung davon ausging, der angestrebte Trocknungsgrad sei wohl erreicht worden. Soweit der Verschuldensvorwurf darauf beruht, dass es für jeden Fachkundigen naheliegen musste, dass bei der gewählten Trocknungsmethode nach wenigen Wochen ein ausreichender Trocknungserfolg noch nicht eingetreten sein konnte, erscheint es unbedenklich, wenn die Vorinstanzen insoweit die Auffassung vertreten haben, dies hätte dem Architekturbüro ebenso auffallen müssen wie der Klägerin.
Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).