Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSG vom 15.09.2006, RV/0276-G/06

Voraussetzungen einer Rückgängigmachung eines Erwerbsvorganges iSd § 17 Abs. 1 GrEStG.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vertreten durch Mag. Klaus Rieger, Rechtsanwalt, 8572 Bärnbach, Telepark 1/II, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Graz-Umgebung vom betreffend Abweisung eines Antrages gemäß § 17 GrEStG entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Am wurde dem Finanzamt ein zwischen der I-GmbH als Verkäuferin einerseits und Herrn TV und der Berufungswerberin (Bw.) als Wohnungseigentumsbewerber andererseits abgeschlossener Anwartschaftsvertrag vom zur Anzeige gebracht.

Gegenstand dieses Vertrages ist eine näher bezeichnete Wohnung zuzüglich Gartenfläche und unbebautem Dachboden. Als Kaufpreis wurde ein Betrag von insgesamt € 156.247,- vereinbart (Finanzierung des Erwerbes ua. durch einen Wohnbauscheck des Landes). Nach Punkt X. des Vertrages haben sich die Vertragsparteien zum unverzüglichen Abschluss eines vom Treuhänder zu errichtenden Kaufvertrages bzw. Kauf- und Wohnungseigentumsvertrages über den Kaufgegenstand verpflichtet, sobald die gesetzmäßige Nutzwertfestsetzung vorliegt. Die Übergabe und Übernahme der Wohnung wurde spätestens für den festgesetzt.

Vertragspunkt XIX. lautet - auszugsweise wörtlich wiedergegeben - wie folgt:

"1.) Für den Fall, als es sich bei den Wohnungseigentumsbewerbern um zwei Personen handelt, welche verheiratet sind bzw. in Lebensgemeinschaft leben oder auch nur eine Eigentümerpartnerschaft gemäß § 13 WEG 2002 eingegangen sind, gilt primär, dass im Falle der Auflösung dieser Partnerschaften, aus welchem Grund auch immer ( .....), vor Abschluss des Kauf- und Wohnungseigentumsvertrages der Überlebende oder der der I-GmbH einverständlich bekannt gegebene oder vom Gericht festgestellte Partner als alleiniger Wohnungseigentümer behandelt und verbüchert wird. Sollte im Zeitpunkt des Abschlusses des Kauf- und Wohnungseigentumsvertrages im Streitfall zwischen den Partnern noch keine Einigung erfolgt sein, ....., werden beide Partner verbüchert.

.....

2.) Aus der Auflösung einer der obgenannten Eigentümerpartnerschaften abzuleitende Ansprüche hinsichtlich dieses Vertrages, insbesondere hinsichtlich der Zuordnung von Zahlungen, sind ausschließliche Angelegenheiten der beiden betroffenen Eigentümerpartner und von diesen selbst zu klären und zu regeln. Die Eigentümerpartner erklären sich ausdrücklich damit einverstanden, dass allfällige Rückforderungsansprüche dessen, der nicht mehr als Wohnungseigentümer behandelt wird, nur gegen den anderen Partner zu richten sind und keinerlei Rückabwicklungsansprüche gegenüber der I-GmbH bestehen."

Daraufhin wurde der Bw. mit vorläufig ergangenem Bescheid des Finanzamtes vom die Grunderwerbsteuer - ausgehend vom halben Kaufpreis - vorgeschrieben.

In der Folge brachte die Bw. mit Eingabe vom einen Antrag gemäß § 17 GrEStG ein und begründete diesen folgendermaßen:

Die Lebensgemeinschaft mit TV sei zwischenzeitig aufgelöst worden. Die Parteien seien mit dem Verkäufer und Wohnungseigentumsorganisator übereingekommen, den (ursprünglichen) Anwartschaftsvertrag vom hinsichtlich der Bw. aufzulösen, da TV die gegenständliche Eigentumswohnung nunmehr alleine erwerbe. Zwischen dem Wohnungseigentumsorganisator und TV sei hinsichtlich des frei werdenden Anteiles der Bw. ein neuer, dem ursprünglichen Vertrag entsprechender Anwartschaftsvertrag geschlossen worden. Der Erwerbsvorgang sei daher gemäß § 17 GrEStG innerhalb von drei Jahren seit Entstehung der Steuerschuld durch Vereinbarung aufgehoben worden, weshalb eine entsprechende Änderung der Grunderwerbsteuerfestsetzung beantragt werde.

Dem Antrag war eine zwischen der I-GmbH einerseits und Herrn TV sowie der Bw. andererseits abgeschlossene, mit datierte Vereinbarung beigefügt. Diese nimmt einleitend auf den oa. Anwartschaftsvertrag vom sowie auf die damals zwischen der Bw. und Herrn TV bestehende Lebensgemeinschaft Bezug und hat im Wesentlichen folgenden Wortlaut:

"Präambel

.....

Die Lebensgemeinschaft zwischen TV und [der Bw.] wurde nunmehr aufgelöst und kommen die Vertragsparteien daher überein wie folgt:

I. Der Anwartschaftsvertrag vom zwischen der I-GmbH und [der Bw.], dies hinsichtlich des [die Bw.] betreffenden Hälfteanteiles des Wohnungseigentumsobjektes, wird mit Unterfertigung dieses Vertrages einvernehmlich aufgelöst.

II. Die I-GmbH und TV schließen einen inhaltlich mit dem Anwartschaftsvertrag vom identischen Anwartschaftsvertrag hinsichtlich des Hälfteanteiles der [Bw.], betreffend die Wohnung ..... ab.

III. Festgehalten wird, dass sämtliche bisher auf Kreditrückzahlungen und Eigenmittel geleisteten Zahlungen nach einer getroffenen internen Vereinbarung zwischen TV und [der Bw.] von TV geleistet wurden.

IV. Sämtliche Vertragsparteien verpflichten sich zur Übertragung der Darlehen und des Wohnbauschecks notwendigen Erklärungen unverzüglich nach Aufforderung in der dazu notwendigen Form abzugeben, wobei TV versuchen wird, die Kreditgeber zu veranlassen, [die Bw.] auch aus der persönlichen Haftung für sämtliche Verbindlichkeiten zu entlassen, kann aber eine derartige Haftungsentlassung, da sie von der Zustimmung der Kreditgeber abhängig ist, nicht garantiert werden.

Jedenfalls verpflichtet sich TV,[die Bw.] hinsichtlich sämtlicher Forderungen, betreffend den Erwerb der gegenständlichen Eigentumswohnung, vollkommen schad- und klaglos zu halten.

V. Die Kosten dieser Vereinbarung bzw. der weiters notwendigen Schritte (Finanzamt, Land, Banken usw. ) trägt TV."

Das Finanzamt wies den Antrag der Bw. mit dem nunmehr berufungsgegenständlichen Bescheid ab und führte begründend aus, eine Rückgängigmachung iSd. GrEStG liege nicht vor, wenn der Vertrag bloß formal aufgehoben werde, der ursprüngliche Verkäufer jedoch sein früheres Verfügungsrecht über das Grundstück nicht zurückerlange.

In der dagegen erhobenen Berufung wird zunächst darauf verwiesen, dass die Bw. und ihr damaliger Lebensgefährte ursprünglich mittels Anwartschaftsvertrag vom beabsichtigt hätten, eine Eigentümerpartnerschaft gemäß § 13 WEG zu begründen. Die Lebensgemeinschaft sei jedoch zwischenzeitig aufgelöst worden. Laut "§ IXX:" (gemeint wohl: XIX.) des Anwartschaftsvertrages seien die Erwerber gegenüber dem Verkäufer zur Mitteilung berechtigt, wer für den Fall der Auflösung der Lebensgemeinschaft verbüchert werden soll. In Ermangelung eines Parifizierungsgutachtens sei eine Verbücherung noch nicht möglich gewesen, weshalb "die vertragliche Grundlage für die Abwicklung der Auflösung der Lebensgemeinschaft in obligatorischer Hinsicht erfolgen" habe müssen. Um der Meinung der Erstbehörde zu entsprechen, hätte das gesamte Geschäft rückabgewickelt bzw. hätten beide Anteile an die I-GmbH rückübertragen und hätte schließlich ein neuer Anwartschaftsvertrag mit TV über die gesamten Miteigentumsanteile abgeschlossen werden müssen. Dies hätte - wenngleich formal möglich - "hinsichtlich der Rückabwicklung und Neubegründung des Landesdarlehens einen unzumutbaren Aufwand bedeutet, sodass (aus Gründen der Vereinfachung)gegenständlicher Weg der direkten Übertragung gewählt wurde." Wirtschaftlich gesehen hätte aber auf Grund der Vereinbarung im Anwartschaftsvertrag, welcher noch keine Aufsandungserklärung enthalte, auch ohne die nunmehrige Vereinbarung nur der nunmehrige Alleinanwartschaftsberechtigte TV als Eigentümer ins Grundbuch eingetragen werden können.

In der abweislichen Berufungsvorentscheidung legt das Finanzamt dar, dass die Rückabwicklung erfolgt sei, um den Verkauf der Wohnung an den im Voraus bestimmten neuen Käufer zu ermöglichen, wobei die Auflösung des alten und der Abschluss des neuen Vertrages gleichzeitig erfolgt seien. Daher habe der Verkäufer nicht die Möglichkeit wiedererlangt, das Grundstück einem Dritten zu verkaufen. Daran hätten im Übrigen auch die Rückabwicklung des gesamten Rechtsgeschäftes sowie der anschließende Neuabschluss eines Anwartschaftsvertrages mit Herrn TV über die gesamten Miteigentumsanteile nichts geändert.

Von Seiten der Bw. wurde schließlich - ohne Erstattung eines weiteren Vorbringens - die Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz beantragt.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 17 Abs. 1 Z 1 GrEStG wird die Steuer auf Antrag nicht festgesetzt, wenn der Erwerbsvorgang innerhalb von drei Jahren seit Entstehung der Steuerschuld durch Vereinbarung, durch Ausübung eines vorbehaltenen Rücktrittsrechtes oder eines Wiederkaufsrechtes rückgängig gemacht wird. Ist in einem derartigen Fall die Steuer bereits festgesetzt, so ist die Festsetzung gemäß § 17 Abs. 4 GrEStG auf Antrag entsprechend abzuändern.

Nach der Judikatur des VwGH kommt es bei der rechtlichen Beurteilung, ob das Tatbestandsmerkmal einer Rückgängigmachung des Erwerbsvorganges im obzitierten Sinne des Gesetzes vorliegt, entscheidend darauf an, dass der Verkäufer jene Verfügungsmacht über das Grundstück, die er vor Vertragsabschluss innegehabt hatte, durch einen der in § 17 Abs. 1 Z 1 leg. cit. genannten Rechtsvorgänge wiedererlangt. Ein Erwerbsvorgang ist sohin nicht im Sinne des § 17 Abs. 1 Z 1 GrEStG rückgängig gemacht, wenn der Vertrag zwar - was die Vertragsfreiheit des Schuldrechtes erlaubt - der Form nach aufgehoben wird, der Verkäufer (und nunmehrige "Rückerwerber") jedoch seine ursprüngliche (freie) Rechtsstellung nicht wiedererlangt (s. zB sowie vom , 89/16/0146, oder zuletzt etwa vom , 2005/16/0261).

Erfolgt die Rückgängigmachung des Kaufvertrages nur, um den Verkauf des Grundstückes an einen im Voraus bestimmten neuen Erwerber zu ermöglichen, wobei die Auflösung des alten und der Abschluss des neuen Kaufvertrages gleichsam uno actu erfolgen, so hat der Verkäufer in Wahrheit nicht die Möglichkeit wiedererlangt, über das Grundstück frei zu verfügen (zB , mwN; oder zuletzt etwa vom , 2002/16/0258).

Die Begünstigung des § 17 GrEStG setzt sohin eine Wiederherstellung des früheren Zustandes voraus. Eine solche findet auch in der Rückstellung der Gegenleistung, die der erste Erwerber dem Rückerwerber geleistet hat, durch diesen ihren Niederschlag ().

Der Annahme einer Wiedererlangung der freien Verfügungsmacht des Verkäufers im oa. Sinne ua. steht es insbesondere entgegen, wenn

-- die Stornovereinbarung und der zweite Kaufvertrag am selben Tag abgeschlossen werden,

-- die Kaufverträge von denselben Rechtsvertretern errichtet und zu denselben Bedingungen abgeschlossen werden,

-- eine Rückabwicklung der Zahlungsmodalitäten nicht erfolgt sowie

-- der Verkäufer bei der Stornierung des ersten Kaufvertrages und dem darauf folgenden Abschluss des zweiten Kaufvertrages kein finanzielles Risiko zu tragen hat

(s. zB die VwGH-Erkenntnisse vom , 89/16/0186, und vom , 2000/16/0331).

Ob der ursprüngliche Kaufvertrag bereits erfüllt und der (ursprüngliche) Käufer bereits im Grundbuch eingetragen war, ist für die Frage der Rückgängigmachung des Erwerbsvorganges ohne Bedeutung (, und vom , 2000/16/0871).

Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage sind die Voraussetzungen für eine Rückgängigmachung im vorliegenden Fall auf Grund folgender Umstände zweifelsohne nicht erfüllt:

Die Auflösung des den Hälfteanteil der Bw. betreffenden Anwartschaftsvertrages sowie der Abschluss des neuen Vertrages erfolgten uno actu in ein und derselben Vertragsurkunde. Der neue Anwartschaftsvertrag ist zudem - Punkt II. der Vereinbarung vom zufolge - inhaltlich völlig ident mit dem ursprünglichen Anwartschaftsvertrag.

Eine Rückabwicklung der geleisteten Zahlungen zwischen der Bw. und der I-GmbH ist nicht erfolgt. Für den Fall der Auflösung der Lebensgemeinschaft wurde im ersten Vertrag sogar ausdrücklich festgehalten, dass "allfällige Rückforderungsansprüche ..... nur gegen den anderen Partner zu richten sind und keinerlei Rückabwicklungsansprüche gegenüber der I-GmbH bestehen". Dementsprechend wurde zwischen der Bw. und dem nunmehrigen Erwerber TV auch eine "interne Vereinbarung" hinsichtlich der bisherigen Kreditrückzahlungen und Eigenmitteln getroffen (Punkt III der Vereinbarung vom ). Darüber hinaus hat sich Herr TV gegenüber der Bw. verpflichtet, diese hinsichtlich sämtlicher Forderungen in Zusammenhang mit den für den Wohnungserwerb aufgenommenen Darlehen (bzw. Wohnbauscheck) schad- und klaglos zu halten. Eine Rückabwicklung zwischen der Bw. und der ursprünglichen Verkäuferin hat sohin in keiner Weise - nicht einmal ansatzweise - stattgefunden.

Dazu kommt, dass die I-GmbH im Zusammenhang mit der Auflösung des Vertrages mit der Bw. sowie mit dem Neuabschluss mit Herrn TV laut Vereinbarung vom keinerlei finanzielles Risiko zu tragen hatte.

Überdies wird in der Berufung selbst vorgebracht, dass der "Weg einer direkten Übertragung" (von der Bw. an den neuen Erwerber ihrer Hälfteanteile) gewählt wurde, und obendrein eine Rückgängigmachung des Anwartschaftsvertrages zwischen der Bw. und der I-GmbH nach Ansicht der Bw. gesetzlich gar nicht möglich gewesen wäre (vgl. dazu zB , 95/16/0170; hier brachte der Gerichtshof zum Ausdruck, dass die Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 Z 1 GrEStG ua. dann nicht gegeben sind, wenn eine Rückübertragung unmöglich ist).

Wenn schließlich in der Berufung (im letzten Absatz der ersten Seite) ausgeführt wird, wirtschaftlich gesehen hätte auf Grund der Vereinbarung im ursprünglichen Anwartschaftsvertrag nur der nunmehrige Alleinanwartschaftsberechtigte TV als Eigentümer ins Grundbuch eingetragen werden können, so ist dieses Vorbringen nicht nachvollziehbar (bzw. sogar unzutreffend): Grundsätzlich war zunächst natürlich die grundbücherliche Eintragung beider Erwerber - je zur Hälfte - vorgesehen. In Punkt XIX. des Anwartschaftsvertrages vom wurde den Wohnungseigentumsbewerbern zwar für den Fall der Auflösung ihrer Lebensgemeinschaft das Recht zugestanden, durch Einigung und entsprechende Mitteilung an die I-GmbH grundsätzlich selbst zu bestimmen, wer von den beiden (ehemaligen) Partnern ins Grundbuch eingetragen werden soll. Unter Einem wurde aber auch festgehalten, dass in Ermangelung einer derartigen Einigung beide Partner "verbüchert" werden. Zum Anderen ist dieses Vorbringen aber auch rechtlich unbeachtlich, da es - siehe oben - für die Frage der Rückgängigmachung eines Erwerbsvorganges nicht von Belang ist, ob der Käufer bereits im Grundbuch eingetragen ist oder nicht. Das die Grunderwerbsteuerpflicht auslösende Rechtsgeschäft wurde bereits mit Abschluss des Anwartschaftsvertrages verwirklicht, auf die Erfüllung bzw. grundbücherliche Eintragung kam es (steuerlich) nicht mehr an.

Von einer für die Inanspruchnahme der Begünstigung des § 17 GrEStG erforderlichen Wiedererlangung der freien Verfügungsmacht über die Hälfteanteile der Bw. durch die I-GmbH kann somit im Berufungsfall keine Rede sein, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Graz, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Rückgängigmachung
Rückabwicklung
Anwartschaftsvertrag
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at