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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSL vom 15.09.2006, RV/0373-L/06

Haftung gemäß § 11 BAO bei anhängigem VwGH-Verfahren betreffend die der Haftung zugrunde liegende rechtskräftige Verurteilung wegen eines vorsätzlichen Finanzvergehens

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/0373-L/06-RS1
Die Haftung gemäß § 11 BAO setzt eine rechtskräftige Verurteilung wegen eines vorsätzlichen Finanzvergehens voraus. Wird die im Zeitpunkt der Erlassung des Haftungsbescheides bzw. einer diesbezüglichen Berufungsentscheidung rechtskräftige Verurteilung durch ein höchstgerichtliches Erkenntnis aufgehoben, erweist sich die Haftungsinanspruchnahme als rechtswidrig. Sowohl der Haftungsbescheid als auch die Berufungsentscheidung gelten infolge der Gestaltungswirkung des aufhebenden Erkenntnisses mit diesem als beseitigt, da sie mit dem aufgehobenen Bescheid in einem unlösbaren rechtlichen Zusammenhang stehen.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des EK, vertreten durch Wölflingseder & Partner Wirtschaftstreuhänder-Steuerberater, 4040 Linz, J.-W.-Kleinstraße 18, vom gegen den Haftungsbescheid des Finanzamtes Linz vom zu StNr. 000/0000, mit dem der Berufungswerber gemäß § 11 BAO für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der Firma G-GmbH im Ausmaß von 70.132,30 € in Anspruch genommen wurde, entschieden:

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben. Die Haftungsinanspruchnahme wird auf folgende Abgaben eingeschränkt:


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Abgabenart
Zeitraum
Betrag in €
Umsatzsteuer
1997
13.325,36
Kapitalertragsteuer
1997
28.577,03
Summe
41.902,39

Im Übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber war mit Erkenntnis des Spruchsenates beim Finanzamt Linz vom wegen der Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG und der fahrlässigen Abgabenverkürzung nach § 34 Abs. 1 FinStrG schuldig gesprochen worden, weil er als steuerlich Verantwortlicher der Firma G-GmbH vorsätzlich durch Abgabe von unrichtigen Steuererklärungen betreffend das Veranlagungsjahr 1997 eine Verkürzung an Kapitalertragsteuer in Höhe von insgesamt 435.003,00 S und an Umsatzsteuer in Höhe von 202.840,00 S dadurch bewirkt hatte, dass er Umsätze und die Gewinne daraus in den Steuererklärungen verschwiegen hatte, und fahrlässig unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht, nämlich zur Bekanntgabe der an ausländische, in Österreich lediglich beschränkt steuerpflichtige Prostituierte bezahlten Provisionen gegenüber der Abgabenbehörde eine Verkürzung der Abzugssteuer im Sinne des § 99 EStG 1988 betreffend die Jahre 1995 bis 2001 in Höhe von insgesamt 474.638,00 S bewirkt hatte.

Eine Berufung des Beschuldigten gegen dieses Erkenntnis wurde mit Berufungsentscheidung des unabhängigen Finanzsenates vom , FSRV/0012-L/03, hinsichtlich der genannten Schuldvorwürfe als unbegründet abgewiesen. Gegen diese Entscheidung wurde eine zu Zl. B 1262/04 protokollierte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof eingebracht, die dieser mit Beschluss vom an den Verwaltungsgerichtshof abtrat, und bei diesem unter der Zl. 2004/14/0153 anhängig ist.

Mit Haftungsbescheid vom nahm das Finanzamt den Berufungswerber gemäß § 11 BAO für folgende aushaftende Abgabenschuldigkeiten der Gesellschaft in Anspruch:


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Abgabenart
Zeitraum
Betrag in €
Beschränkte Einkommensteuer
1996
6.236,10
Beschränkte Einkommensteuer
1997
2.888,75
Umsatzsteuer
1997
14.740,96
Beschränkte Einkommensteuer
1998
1.435,29
Kapitalertragsteuer
1997
31.612,88
Beschränkte Einkommensteuer
2000
13.218,32
Summe
70.132,30

In der Begründung wurde auf die bereits zitierte Berufungsentscheidung des unabhängigen Finanzsenates vom verwiesen. Über das Vermögen der Gesellschaft sei mit Beschluss des Landesgerichtes Linz vom ein Konkurs eröffnet, und dieser am nach Verteilung gemäß § 139 KO aufgehoben worden. Die Abgabenschuldigkeiten wären somit bei der Primärschuldnerin nicht mehr einbringlich. Die Geltendmachung der Haftung sei eine geeignete Maßnahme und den Abgabenausfall zu verhindern bzw. in Grenzen zu halten.

Gegen diesen Bescheid wurde nach gewährter Fristerstreckung mit Eingabe vom Berufung erhoben. Gegen die Berufungsentscheidung des unabhängigen Finanzsenates vom sei beim Verwaltungsgerichtshof fristgerecht Beschwerde erhoben worden. Eine endgültige Erledigung dieser Beschwerde sei noch nicht ergangen. Die Rechtsgrundlage für die Haftungsinanspruchnahme sei daher nicht gegeben, da eine rechtskräftige Verurteilung nicht vorliege.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 11 BAO haften bei vorsätzlichen Finanzvergehen rechtskräftig verurteilte Täter und andere an der Tat Beteiligte, wenn sie nicht selbst abgabepflichtig sind, für den Betrag, um den die Abgaben verkürzt wurden.

§ 11 BAO erfasst auch finanzbehördliche Finanzstrafverfahren, obwohl dort nicht "verurteilt" sondern "erkannt" wird (Ritz, BAO³, § 11 Tz 4 mit Hinweis auf Stoll, BAO 142 f und sowie ).

Da die Haftung somit eine rechtskräftige gerichtliche oder finanzbehördliche "Verurteilung" wegen eines vorsätzlichen Finanzvergehens voraussetzt, scheidet eine Haftungsinanspruchnahme für Abgaben, hinsichtlich derer dem Täter lediglich eine fahrlässige Abgabenverkürzung zur Last gelegt wurde, aus. Hinsichtlich der Abzugssteuern im Sinne des § 99 EStG war dem Berufungswerber nur ein Vergehen nach § 34 FinStrG vorgeworfen worden. Der Berufung war daher insoweit Folge zu geben, diese Abgaben wurden aus der Haftungssumme ausgeschieden.

Für eine Haftungsinanspruchnahme verbleiben daher nur mehr die Umsatzsteuer 1997 und Kapitalertragsteuer 1997, die am Abgabenkonto der Gesellschaft derzeit noch mit den im gegenständlichen Bescheidspruch angeführten Beträgen aushaften. Die betragsmäßige Verminderung dieser Abgabenschulden ist laut einem Aktenvermerk des Finanzamtes auf Zahlungseingänge aus einem bereits abgeschlossenen Haftungsverfahren gegen BK zurückzuführen.

In der gegenständlichen Berufung wird lediglich vorgebracht, dass aufgrund des derzeit anhängigen Beschwerdeverfahrens beim Verwaltungsgerichtshof noch keine rechtskräftige Verurteilung des Berufungswerbers im Sinne des § 11 BAO vorliege.

Gemäß § 164 FinStrG ist gegen Rechtsmittelentscheidungen und sonstige Bescheide der Finanzstrafbehörden zweiter Instanz ein weiteres ordentliches Rechtsmittel nicht gegeben.

Die Erhebung einer Verfassungsgerichtshof- oder Verwaltungsgerichtshofbeschwerde hindert, auch wenn ihr aufschiebende Wirkung zuerkannt wird, nicht den Eintritt der formellen Rechtskraft (Fellner, Kommentar zum Finanzstrafgesetz, §§ 164-164 FinStrG, Tz 32 mit Hinweis auf B 362, 363, 364, 583, 584/78).

Die Wirkungen des Bescheides letzter Instanz, das sind nach Maßgabe des Verwaltungsverfahrensrechts Unanfechtbarkeit, Unwiderrufbarkeit, Unwiederholbarkeit, Verbindlichkeit, Vollstreckbarkeit und Tatbestandswirkung, treten mit seiner Erlassung ein. Die Einbringung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof ändert - abgesehen von einer Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung - an diesen Wirkungen nichts (Fellner, a.a.O. mit Hinweis auf ).

Im gegenständlichen Fall war im Zuge der VfGH-Beschwerde zwar gemäß § 85 Abs. 2 VfGG ein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gestellt worden, den der Verfassungsgerichtshof jedoch mit Beschluss vom abgewiesen hat. Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof wurde keine aufschiebende Wirkung beantragt. Die Berufungsentscheidung des unabhängigen Finanzsenates vom war daher im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Haftungsbescheides vom formell und materiell rechtskräftig. Die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 11 BAO waren somit erfüllt.

Sollte der Verwaltungsgerichtshof der derzeit anhängigen Beschwerde stattgeben und den angefochtenen Bescheid aufheben, ist auf die Bestimmung des § 42 Abs. 3 VwGG Bedacht zu nehmen. Demnach tritt durch die Aufhebung eines Bescheides die Rechtssache in die Lage zurück, in der sie sich vor Erlassung des angefochtenen Bescheides befunden hatte.

Die mit rückwirkender Kraft ausgestattete Gestaltungswirkung eines aufhebenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes bedeutet nicht nur, dass der Rechtszustand zwischen Erlassung des aufgehobenen Bescheides und seiner Aufhebung im nachhinein so zu betrachten ist, als ob der aufgehobene Bescheid von Anfang an nicht erlassen worden wäre, sondern hat auch zur Folge, dass allen Rechtsakten, die während der Geltung des sodann aufgehobenen Bescheides auf dessen Basis gesetzt wurden, im nachhinein die Rechtsgrundlage entzogen wurde; solche Rechtsakte erweisen sich als rechtswidrig und gelten infolge der Gestaltungswirkung des aufhebenden Erkenntnisses mit diesem dann als beseitigt, wenn sie mit dem aufgehobenen Bescheid in einem unlösbaren rechtlichen Zusammenhang stehen ( mwN).

Die Haftung gemäß § 11 BAO setzt eine rechtskräftige Verurteilung wegen eines vorsätzlichen Finanzvergehens voraus. Wird diese rechtskräftige Verurteilung durch ein aufhebendes Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes beseitigt, fehlt es an der tatbestandsmäßigen Voraussetzung für die Haftung. Auch endet die formelle Rechtskraft mit der Aufhebung eines Bescheides (Stoll, BAO, 943). Die rechtskräftige Verurteilung durch die Berufungsentscheidung vom und die Haftungsinanspruchnahme gemäß § 11 BAO für die hinterzogenen Abgaben stehen daher in einem unlösbaren rechtlichen Zusammenhang. Sollte somit der anhängigen Verwaltungsgerichtshofbeschwerde stattgegeben und die angefochtene Berufungsentscheidung aufgehoben werden, würde sich auch die Haftungsinanspruchnahme als rechtswidrig erweisen und infolge der Gestaltungswirkung des aufhebenden Erkenntnisses mit diesem als beseitigt gelten. Es würden also sowohl die gegenständliche Berufungsentscheidung als auch der angefochtene Haftungsbescheid aus dem Rechtsbestand ausscheiden.

Die Heranziehung zur Haftung begründete bereits das Finanzamt zutreffend damit, dass die Abgabenschuldigkeiten bei der Gesellschaft im Hinblick auf das bereits im Jahr 2001 abgeschlossene Konkursverfahren nicht mehr einbringlich sind. Die Firma wurde am im Firmenbuch gelöscht. Bei der gemäß § 9 BAO zur Haftung herangezogenen Haftungsschuldnerin konnte nur ein Teil der aushaftenden Abgabenschuldigkeiten eingebracht werden. Die Geltendmachung der gegenständlichen Haftung war daher zweckmäßig (vgl. dazu etwa ). Billigkeitsgründe, welche die genannten Zweckmäßigkeitsgründe überwiegen würden und eine Abstandnahme von der Heranziehung des Berufungswerbers zur Haftung rechtfertigen könnten, wurden nicht vorgebracht.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 11 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 33 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
§ 34 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
§ 164 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
§ 42 VwGG, Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985
Schlagworte
Vorsatz
Rechtskraft
VwGH-Beschwerde
aufschiebende Wirkung
Verweise
Zitiert/besprochen in
UFSaktuell 2007, 32

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at