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OGH vom 23.03.2012, 1Ob50/12b

OGH vom 23.03.2012, 1Ob50/12b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ. Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***** S*****, vertreten durch Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OG in St. Pölten, gegen die beklagte Partei A***** Genossenschaft mbH, *****, vertreten durch Nusterer Mayer Rechtsanwälte OG in St. Pölten, wegen Einwilligung in die Einverleibung (Streitwert 31.000 EUR), über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom , GZ 21 R 273/11x 19, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts St. Pölten vom , GZ 4 C 1080/10h 15, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die Parteien haben ihre im Rekursverfahren entstandenen Kosten selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Beklagte ist Alleineigentümerin einer Liegenschaft, auf der sich eine Wohnhausanlage befindet. Mit Nutzungsvertrag vom überließ sie dem Kläger gegen eine Nutzungsgebühr von ursprünglich 1.474,53 ATS monatlich eine bestimmte Wohnung samt Kellerabteil ab auf unbestimmte Zeit zu Wohnzwecken. § 21 des schriftlichen Nutzungsvertrags hat folgenden Wortlaut: „Beide Vertragsteile verpflichten sich, entsprechend den Bestimmungen des Wohnungseigentumsgesetzes und des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes in der jeweiligen Fassung (derzeit Wohnungseigentumsgesetz vom , BGBl Nr. 149 und Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz vom , DRGBl. I, S 438) das Wohnungseigentumsrecht an der gegenständlichen Wohnung vertraglich zu begründen und das Eigentumsrecht an der gegenständlichen Wohnung zu übertragen bzw. zu übernehmen, wenn sämtliche Darlehen für das Haus zur Gänze abgestattet sind und die Darlehensgeber (nach den Bestimmungen des Wohnbauförderungsgesetzes 1968 oder anderer Fonds und Darlehensgeber ...) hiezu ihre ausdrückliche Zustimmung erteilen. Die durch die Begründung des Wohnungseigentums entstehenden Kosten und Gebühren jeder Art hat das Mitglied zu tragen. Bei Begründung des Wohnungseigentums werden die derzeit vom Bundesministerium für Bauten und Technik in Ausarbeitung befindlichen Verträge abgeschlossen, wobei auf die einschlägigen Bestimmungen des WGG Bedacht genommen werden muss.“

Mittlerweile wurden sämtliche Darlehensverbindlichkeiten beglichen und die entsprechenden bücherlichen Belastungen auf der Liegenschaft gelöscht.

Der Kläger begehrte nun unter Berufung auf § 43 Abs 1 WEG von der Beklagten die Einverleibung seines Eigentumsrechts an einem Mindestanteil der Liegenschaft, die Einwilligung in die Begründung und Einverleibung des Wohnungseigentumsrechts an der von ihm bewohnten Wohnung sowie die Einwilligung in die Begründung und Einverleibung des Wohnungseigentumsrechts der beklagten Partei an allen anderen wohnungseigentumstauglichen Objekten der Liegenschaft. Durch die Vertragsbestimmung des § 21 sei er Wohnungseigentumsbewerber und die Beklagte Wohnungseigentumsorganisatorin geworden. In sämtlichen Vorgesprächen zwischen den Streitteilen habe ihm die Beklagte unmissverständlich mitgeteilt, dass Wohnungseigentum begründet werden und der Kläger nach Bezahlung des Baukostenbeitrags sowie des Grundkostenbeitrags und der Rückzahlung des aufgenommenen Darlehens in Form der monatlichen Annuitäten das Eigentum an der Wohnung erwerben würde. In diesem Sinne sei auch § 21 des Nutzungsvertrags verstanden worden. Er habe alle vereinbarten Beträge, die in diesem Sinne den Kaufpreis für die Wohnung darstellen sollten, bezahlt. Das in der Vertragsbestimmung weiters enthaltene Zustimmungserfordernis des Darlehensgebers könne bei richtiger Auslegung nur dahin verstanden werden, dass eine solche nur dann erforderlich sei, wenn die Wohnungseigentumsbegründung bereits vor Rückzahlung sämtlicher Darlehen erfolgen sollte, weil ein anderer vernünftiger Grund dafür, dem Darlehensgeber ein Mitspracherecht einzuräumen, nicht erkannt werden könne. Im Übrigen gingen alle allfälligen Unklarheiten bei der Interpretation dieser Vertragsbestimmung zu Lasten der Beklagten, die diese formuliert habe.

Die Beklagte wandte dagegen im Wesentlichen ein, § 21 des Nutzungsvertrags reiche nicht aus, um einen Anspruch auf Einverleibung im Sinn des nunmehrigen § 43 WEG zu begründen, weil darin ein Kaufpreis nicht festgelegt worden sei. Das regelmäßig bezahlte Nutzungsentgelt, das einem Mietzins entspreche, könne auf einen allenfalls vereinbarten Kaufpreis nicht angerechnet werden, weshalb auch kein bedingter oder befristeter Kaufvertrag anzunehmen sei. Jedenfalls sei auch eine vereinbarte Bedingung nicht eingetreten, weil die Darlehensgeber ihre ausdrückliche Zustimmung zur Wohnungseigentumsbegründung nicht erteilt hätten; eine derartige Bedingung sei mit dem WGG vereinbar und daher zulässig.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit der wesentlichen Begründung ab, dass keine ausreichend klare Vereinbarung über die vom Kläger als Wohnungseigentumsbewerber zu erbringende Gegenleistung vorliege. Die Beklagte sei auch als Wohnungseigentumsorganisatorin nicht säumig, weil nach dem Nutzungsvertrag für ihre Pflicht zur Wohnungseigentumsbegründung auch nach vollständiger Darlehensrückzahlung die ausdrückliche Zustimmung der Darlehensgeber erforderlich sei.

Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichts auf, trug diesem die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf und erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig.

Die von einer gemeinnützigen Bauvereinigung vor dem gegebene Zusage der Einräumung von Wohnungseigentum könne nach Maßgabe des § 43 WEG im streitigen Rechtsweg durchgesetzt werden, ohne dass die ab in den §§ 15b und 15c WGG normierten Voraussetzungen für die Übertragung einer Wohnung in das Wohnungseigentum erfüllt sein müssten. Nach der einschlägigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs reiche für eine Klage nach (nunmehr) § 43 WEG jede Vereinbarung aus, die eine bindende Verpflichtung der Parteien vorsehe, Wohnungseigentum zu verschaffen bzw zu übernehmen. Eine solche Vereinbarung könne auch formlos oder schlüssig zustande kommen. Sie müsse neben dem ins Wohnungseigentum zu übertragenden Objekt nur die Gegenleistung des Wohnungseigentumsbewerbers festlegen. Für die notwendige Bestimmtheit dieser Gegenleistung gelte allgemeines Vertragsrecht, sodass auch die Bestimmbarkeit der vom Wohnungseigentumsbewerber zu erbringenden Gegenleistung ausreiche. § 21 des Nutzungsvertrags sei nach den Kriterien der §§ 914 und 915 ABGB auslegungsbedürftig, wobei der Kläger hiezu einen (übereinstimmenden) Parteiwillen behauptet habe, wonach er nach Bezahlung des Baukosten und Grundkostenbeitrags sowie der monatlichen Annuitäten als seine Gegenleistung einen Anspruch auf Erwerb des Wohnungseigentums haben sollte. Nur wenn eine übereinstimmende Parteienabsicht nicht als erwiesen angenommen werden könne, dürfe der Inhalt der schriftlichen Willenserklärung allein im Weg der rechtlichen Beurteilung durch Auslegung ermittelt werden. Auch wenn in § 21 des Nutzungsvertrags keine konkrete Gegenleistung genannt sei, könnte sich diese aus den Erklärungen der vertragsschließenden Parteien anlässlich des Vertragsabschlusses oder davor unmissverständlich ergeben. Weil dazu ausreichend konkrete Feststellungen fehlten, sei ein ergänzendes Beweisverfahren zum behaupteten Parteiwillen durchzuführen. Wenn das Erstgericht eine Säumnis der Beklagten mit der Wohnungseigentumsbegründung weiters mit dem Argument verneint habe, die im Vertrag als Bedingung vorgesehene Zustimmung des seinerzeitigen Darlehensgebers liege nicht vor, so könne sich diese Auslegung der Vertragsklausel zwar auf deren Wortsinn stützen. Auch hier seien aber wieder die Auslegungsregeln des § 914 ABGB und insbesondere die notwendige Erforschung der Parteienabsicht zu bedenken. Der Kläger habe zu dieser Bedingung vorgebracht, es sei keinerlei Interesse eines Darlehensgebers zu erkennen, nach vollständiger Rückzahlung des Darlehens eine Zustimmung zum Erwerb des Wohnungseigentums durch einen Nutzungsberechtigten zu erteilen. Die Beklagte habe dazu im Verfahren erster Instanz nichts wirklich Relevantes eingewendet. Zur Auslegung dieser Bedingung werde es daher ebenso noch eines ergänzenden Beweisverfahrens bedürfen, um insbesondere die Frage zu klären, welche Absicht mit der offensichtlich von der Beklagten vorgenommenen Formulierung dieses Zustimmungserforder-nisses verbunden gewesen sei und ob dies in die Vertragsverhandlungen in irgendeiner Weise Eingang gefunden habe. Erst wenn sich eine übereinstimmende Parteienabsicht auch zu dieser Bedingung nicht klären lassen sollte, werde die Auslegung nach dem Wortsinn und der Übung des redlichen Verkehrs vorzunehmen sein. Gegebenenfalls werde durch ein ergänzendes Beweisverfahren auch zu ermitteln sein, ob die Darlehensgeber ihre Zustimmung tatsächlich erteilt haben. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil insbesondere die Frage, ob eine nur durch Vertragsauslegung nach dem Parteiwillen ermittelte bestimmbare Gegenleistung ausreiche, um eine vor dem abgegebene Zusage der Einräumung des Wohnungseigentums zu einer Anspruchsgrundlage für eine Einverleibungsklage nach § 43 Abs 1 WEG zu machen, vom Obersten Gerichtshof konkret noch nicht beantwortet worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene Rekurs der Beklagten erweist sich als nicht zulässig, weil zu den maßgeblichen Fragen bereits Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliegt und auch sonst keine entscheidungserhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt wird.

Die Behauptung der Rekurswerberin, der Oberste Gerichtshof habe zu 5 Ob 269/00w ausgeführt, es sei ein vor dem begründeter (formloser) Titel erforderlich, der Leistung und Gegenleistung der Parteien „exakt“ festlege, ist nicht richtig. Die Entscheidung bietet daher keine Grundlage für den Schluss, eine ausschließlich durch Vertragsauslegung nach dem Parteiwillen zu ermittelnde bestimmbare Gegenleistung reiche für ein Begehren nach § 43 WEG nicht aus. Von einer „exakten“ Festlegung von Leistung und Gegenleistung wird in der zitierten Entscheidung entgegen der insoweit unpräzisen Zusammenfassung in MietSlg 52.611 nicht gesprochen. Vielmehr wird darin die Vorjudikatur (5 Ob 77/00k) bestätigt, nach der zur Durchsetzung vertraglicher Ansprüche der streitige Rechtsweg zu beschreiten ist. Im Übrigen verwies der Oberste Gerichtshof auf die als zutreffend erachteten Entscheidungsgründe der zweiten Instanz, die etwa ausgeführt hatte, dass eine die Klage auf Begründung von Wohnungseigentum nach (damals) § 25 WEG begründende Vereinbarung auch formlos und schlüssig zustande kommen könne, wobei nur zu fordern sei, dass sie die Gegenleistung des Wohnungseigentumsbewerbers festlege (idS auch 5 Ob 79/95 = WoBl 1996/24 [ Call ]; 5 Ob 26/04s; RIS Justiz RS0083196). Warum eine solche Festlegung nicht auch durch einen übereinstimmenden Parteiwillen erfolgen könnte, der im Vertragstext möglicherweise nicht ausreichenden Niederschlag findet, vermag die Rekurswerberin nicht nachvollziehbar zu erklären. Sie bestreitet auch gar nicht, dass grundsätzlich für die Auslegung unklarer schriftlicher Vertragsbestimmungen die vor dem Vertragsabschluss geführten Gespräche der Parteien von wesentlicher Bedeutung sein können. Warum die vom Kläger behauptete Abrede über die von ihm insgesamt zu erbringenden Gegenleistungen nicht ausreichend bestimmt sein sollte, wird nicht dargelegt. Ob eine solche Vereinbarung getroffen wurde und daher § 21 des Nutzungsvertrags in diesem Sinne zu verstehen ist, wird er im fortgesetzten Verfahren zu beweisen haben.

Ins Leere gehen die Verweisungen der Rekurswerberin auf verschiedene Bestimmungen des WGG, macht der Kläger doch keinen (gesetzlichen) Anspruch auf Wohnungseigentumsbegründung und verschaffung geltend, sondern beruft er sich ausschließlich auf eine entsprechende vertragliche Vereinbarung (vgl dazu nur 5 Ob 269/00w).

Unverständlich sind letztlich die Rekursausführungen, dem Kläger stünde ausschließlich die Möglichkeit einer Feststellungsklage zu, wenn es strittig sei, ob er sich überhaupt auf einen tauglichen Rechtsgrund berufen könne. Vielmehr hat der Kläger grundsätzlich mit Leistungsklage vorzugehen, wenn er eine Vereinbarung behauptet, auf deren Grundlage die Beklagte zur Wohnungseigentumsbegründung nach § 43 WEG verpflichtet ist, wogegen einer bloßen Feststellungsklage der Mangel eines rechtlichen Interesses (§ 228 ZPO) entgegenstünde.

Auf die Frage der Notwendigkeit einer Zustimmung des früheren Darlehensgebers kommt die Rekurswerberin nicht zurück.

Die Kostenentscheidung beruht auf den § 50 Abs 1, § 41 Abs 1 ZPO. Für ein nicht zulässiges Rechtsmittel gebührt kein Kostenersatz. Der Kläger hat in seiner Rekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rekurses nicht hingewiesen, sodass sein Schriftsatz nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgungsmaßnahme dient.

Fundstelle(n):
KAAAD-03842