Grobes Verschulden bei verspätet veranlasster Banküberweisung
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der S-GmbH, vertreten durch KPMG Alpen-Treuhand GmbH, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, 4020 Linz, Kudlichstraße 41-43, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Linz vom über die Festsetzung von ersten Säumniszuschlägen entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungsgründe
Mit Wirksamkeit wurde von der Berufungswerberin ein Betrag von 536.190,08 € zur Entrichtung der am fälligen Abgaben (unter anderem Lohnsteuer und Dienstgeberbeitrag 04/2006 sowie Umsatzsteuer 03/2006) überwiesen.
Das Finanzamt setzte mit Bescheid vom wegen nicht fristgerechter Entrichtung dieser Abgaben folgende erste Säumniszuschläge fest:
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Abgabe | Frist | Betrag | Säumniszuschlag | |
Lohnsteuer | 04/2006 | 127.913,04 | 2.558,26 | |
Dienstgeberbeitrag | 04/2006 | 26.761,16 | 535,22 | |
Umsatzsteuer | 03/2006 | 378.936,13 | 7.578,72 |
Gegen diesen Bescheid wurde mit Eingabe vom Berufung erhoben, und beantragt, gemäß § 217 Abs. 7 BAO die Säumniszuschläge auf 0,00 € herabzusetzen. Die Berufungswerberin habe seit Jahren ihre Abgabenschulden fristgerecht gezahlt. Sie habe ebenfalls fristgerecht die Zahlungen der Lohnabgaben 04/2006 und der Umsatzsteuer 03/2006 bei ihrer Hausbank zur Anweisung gegeben. Sie bediene sich dort eines Zessionskredites. In diesem Zusammenhang müsse mit Ende des Monats eine Offene-Posten-Liste (Forderungen) abgegeben werden. Für den Monat April sei dies jedoch bedingt durch eine EDV-Umstellung nicht möglich gewesen, da diese erst programmiert werden hätte müssen. Aufgrund der fehlenden Offene-Posten-Liste sei die Überweisung vom Bankrechner nicht durchgeführt, sondern an die zuständige Filiale zur gesonderten Freigabe weitergeleitet worden. Da der Filialleiter Dr. L zu diesem Zeitpunkt nicht im Büro gewesen wäre, sei die Überweisung erst mit durchgeführt worden. Die Berufungswerberin habe sich um die rechtzeitige Einzahlung der Abgaben dadurch bemüht, dass sie die Anweisung fristgerecht durchgeführt habe. Dass aufgrund der fehlenden Saldenliste die Überweisung verzögert worden sei, habe sie nicht vorhersehen können, da ja die Überweisung "an und für sich kein Problem darstellte."
Mit Berufungsvorentscheidung vom wurde diese Berufung abgewiesen, da grobes Verschulden an der Säumnis anzunehmen sei. Nach dem Vorbringen der Berufungswerberin wäre es offenbar bisher üblich gewesen, dass seitens der Hausbank die Durchführung von Überweisungen von der vorherigen Vorlage von Offene-Posten-Listen abhängig gemacht worden sei. Wenn nun eine solche Liste nicht rechtzeitig vorgelegt werden konnte, wäre die Berufungswerberin bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt gehalten gewesen, sich bei der Hausbank zumindest zu vergewissern, dass die Überweisung auch so rechtzeitig erfolgen würde bzw. Vorsorge dafür zu treffen, dass die Abgaben eben auf andere Weise rechtzeitig entrichtet werden.
Mit Eingabe vom ersuchte die Berufungswerberin um Nachsicht der Säumniszuschläge und beantragte weiters die Vorlage der gegenständlichen Berufung an den Unabhängigen Finanzsenat sowie die Aussetzung der Einhebung der Säumniszuschläge.
Im Nachsichtsansuchen wurde ausgeführt, dass die sachliche Unbilligkeit des Falles darin liege, dass die Berufungswerberin aufgrund von Umständen, die nicht in ihrer Sphäre gelegen seien, die "rechtzeitige" (gemeint wohl: nicht rechtzeitige) Überweisung vertreten müsse. Der Überweisungsauftrag an die Bank sei "rechtzeitig genug" gewesen, um keine Säumnisfolgen auszulösen. Bei normalem Verlauf der Dinge wäre dieser Auftrag auch prompt ausgeführt worden, wie dies in den Wochen davor bereits zahllose Male geschehen sei. Der zuständige Filialleiter sei jedoch auf Außendienst gewesen und habe daher die Freigabe nicht unterzeichnen können. Selbst wenn also die Berufungswerberin nachgefragt hätte, wäre es zu der Verzögerung "von einem Tag" gekommen. Es liege eine sachliche Unbilligkeit vor, da die Berufungswerberin aus ihrer Sicht alle erforderlichen Schritte gesetzt habe und auch den bereits vertrauten Mechanismus der Genehmigung durch den Filialleiter in Gang gesetzt habe. Die Umstände, die letztlich zur Säumnis geführt hätten, wären bei aller Umsicht nicht vorhersehbar gewesen und hätten vor allem nicht durch Nachfrage vermieden werden können. Eine Überweisung auf anderem Weg sei nicht möglich gewesen, da der gesamte Zahlungsverkehr in dieser Größenordnung über die betreffende Bank abgewickelt werde und auf anderen Konten der Gesellschaft kein entsprechender Rahmen verfügbar sei.
Den Vorlageantrag begründete die Berufungswerberin ergänzend damit, dass grobes Verschulden im Sinne des § 217 Abs. 7 BAO dann nicht vorliege, wenn ein normalerweise verlässliches Kreditinstitut mit der Durchführung der Überweisung der Abgaben betraut werde und dieses Kreditinstitut die Überweisung verspätet durchführe. Da die säumnisauslösenden Umstände nicht von der Berufungswerberin zu vertreten wären, liege bei ihr kein grobes Verschulden vor. Es habe auch keine Verpflichtung zu einer Vergewisserung bestanden, da die Genehmigung durch den Filialleiter in den Wochen vor der betreffenden Überweisung klaglos und verlässlich funktioniert habe. Üblicherweise gebe es bei Abwesenheit eines Filialleiters auch eine Vertretungsregelung. Die Voraussetzungen des § 217 Abs. 7 BAO lägen daher vor.
Mit Bescheid vom wies das Finanzamt das Nachsichtsansuchen ab. Die Einhebung eines Säumniszuschlages sei nicht allein schon deshalb unbillig, weil den Abgabenschuldner an der verspäteten Entrichtung der Abgabe kein Verschulden treffe. Diesfalls räume § 217 Abs. 7 BAO eine Korrekturmöglichkeit ein.
Ebenfalls am wurde die gegenständliche Berufung dem Unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vorgelegt.
In den am veröffentlichten Erkenntnissen vom , 2005/14/0014-0017, hat der Verwaltungsgerichtshof die Bescheidqualität rein automationsunterstützt erlassener Erledigungen (insbesondere Säumniszuschlagsbescheide) bejaht. Das mit Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates vom gemäß § 281 BAO ausgesetzte gegenständliche Berufungsverfahren konnte daher fortgesetzt werden.
Mit Vorhalt vom wurde der Berufungswerberin um Stellungnahme zu folgenden Punkten ersucht:
"Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt darauf hingewiesen, dass die Respirofrist des § 211 Abs. 2 BAO keineswegs der Einräumung einer weiteren Frist zur Abgabenentrichtung dient, sondern der Gesetzgeber erkennbar davon ausgegangen ist, dass die Bearbeitung von Banküberweisungen längere Zeit in Anspruch nehmen kann (Judikaturnachweise bei Ritz, BAO³, § 211 Tz 12). Die gegenständlichen Abgaben waren am fällig. Die Gesellschaft hätte daher spätestens am die Überweisung der Zahlungen veranlassen müssen, was jedoch aus dem bisherigen Vorbringen erkennbar nicht der Fall war. Die Überweisung wurde laut Berufungsvorbringen aufgrund der Abwesenheit des Filialleiters von der Bank erst am "" (richtig: ) durchgeführt. Im Nachsichtsansuchen vom wurde ergänzend darauf hingewiesen, dass der Überweisungsauftrag an die Bank "rechtzeitig genug" gewesen wäre, um keine Säumnisfolgen auszulösen. Bei normalem Verlauf der Dinge wäre dieser Auftrag auch prompt ausgeführt worden, doch der zuständige Filialleiter sei auf Außendienst gewesen und habe daher die Freigabe nicht unterzeichnen können. Selbst wenn also die Berufungswerberin nachgefragt hätte, wäre es zu der Verzögerung "von einem Tag" gekommen.
Aufgrund des bisherigen Vorbringens ist somit davon auszugehen, dass der Überweisungsauftrag erst am ("einen Tag" vor der tatsächlichen Durchführung der Überweisung) zur Bank gegeben wurde. Unter Berücksichtigung der oben erwähnten Rechtsprechung liegt aber bereits in dieser verspäteten Veranlassung der Überweisung ein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden (vgl. -I/02).
Wenn durch eine EDV-Umstellung die aufgrund des Zessionskredites an die Bank zu übermittelnde OP-Liste in einem Monat nicht abgegeben werden kann, und damit den vertraglichen Pflichten aus dem Kreditvertrag nicht nachgekommen wird, trifft den Abgabenschuldner eine erhöhte Pflicht dafür Sorge zu tragen, dass dessen ungeachtet Banküberweisungen termingerecht durchgeführt werden. In einem solchen Fall muss man eben schon zeitgerecht vor der beabsichtigten Überweisung durch Kontaktaufnahme mit der Bank sicherstellen, dass die Überweisung auch tatsächlich ohne Verzögerung durchgeführt werden kann. Wird dies unterlassen, liegt auch darin ein grobes Verschulden im Sinne des § 217 Abs. 7 BAO.
Insgesamt gesehen liegen daher im gegenständlichen Fall nach Ansicht des unabhängigen Finanzsenates die Voraussetzungen des § 217 Abs. 7 BAO für eine Herabsetzung bzw. Nichtfestsetzung der gegenständlichen Säumniszuschläge nicht vor."
Die Berufungswerberin gab zu diesem nachweislich am zugestellten Vorhalt keine Stellungnahme ab.
Über die Berufung wurde erwogen:
Wird eine Abgabe, ausgenommen Nebengebühren (§ 3 Abs. 2 lit. d), nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so sind nach Maßgabe des § 217 BAO Säumniszuschläge zu entrichten. Der erste Säumniszuschlag beträgt 2% des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages (§ 217 Abs. 2 BAO).
Auf Antrag des Abgabepflichtigen sind Säumniszuschläge insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen, als ihn an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft, insbesondere insoweit bei nach Abgabenvorschriften selbst zu berechnenden Abgaben kein grobes Verschulden an der Unrichtigkeit der Selbstberechnung vorliegt (§ 217 Abs. 7 BAO).
Der Antrag gemäß § 217 Abs. 7 BAO kann auch in einer Berufung gegen den Säumniszuschlagsbescheid gestellt werden (vgl. Ritz, SWK 2001, S 343) und ist diesfalls in der Berufungsentscheidung zu berücksichtigen.
Die Herabsetzung bzw. Nichtfestsetzung eines Säumniszuschlages gemäß § 217 Abs. 7 BAO bei fehlendem groben Verschulden an der Säumnis stellt eine Begünstigung dar. Bei Begünstigungstatbeständen tritt die Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung gegenüber der Offenlegungspflicht des Begünstigungswerbers in den Hintergrund. Der eine Begünstigung Inanspruchnehmende hat also selbst einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels das Vorliegen all jener Umstände darzulegen, auf die die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann (; ; vgl. auch zu § 212 BAO). Ein derartiges Vorbringen wurde von der Berufungswerberin jedoch nicht erstattet.
Nach den unwidersprochen gebliebenen Feststellungen im Vorhalt vom wurde die Überweisung der den gegenständlichen Säumniszuschlägen zugrunde liegenden Abgaben nicht zum Fälligkeitstermin (), sondern erst zwei Tage später () veranlasst. Einen Tag später, nämlich am , wurde die Überweisung von der Hausbank durchgeführt, und am wurde der überwiesene Betrag am empfangsberechtigten Konto des Finanzamtes gutgeschrieben.
Bei Überweisung auf das Postscheckkonto oder ein sonstiges Konto der empfangsberechtigten Kasse gelten die Abgaben am Tag der Gutschrift als entrichtet (§ 211 Abs. 1 lit. d BAO). Da Banküberweisungen regelmäßig eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen, und die Abgabe erst als entrichtet gilt, wenn die Zahlung am Bankkonto des empfangsberechtigten Finanzamtes gutgeschrieben wird, würde eine Einzahlung von Abgabenschulden erst am Fälligkeitstag regelmäßig zu einer verspäteten Abgabenentrichtung führen. Der Gesetzgeber hat aus diesem Grund in § 211 Abs. 2 BAO eine dreitägige Respirofrist eingeführt. Erfolgt demnach die Gutschrift im Sinne des § 211 Abs. 1 lit. d BAO zwar verspätet, aber noch innerhalb von drei Tagen nach Ablauf der zur Entrichtung einer Abgabe zustehenden Frist, so hat die Verspätung ohne Rechtsfolgen zu bleiben; in den Lauf der dreitägigen Frist sind Samstage, Sonntage, gesetzliche Feiertage, der Karfreitag und der 24. Dezember nicht einzurechnen.
Wie bereits im Vorhalt vom ausgeführt, dient diese Respirofrist des § 211 Abs. 2 BAO aber keineswegs der Einräumung einer weiteren Frist zur Abgabenentrichtung, sondern soll allein dem Umstand Rechnung tragen, dass die Bearbeitung von Banküberweisungen längere Zeit in Anspruch nehmen kann (auf die Judikaturnachweise bei Ritz, BAO³, § 211 Tz 12 wurde bereits hingewiesen). Die gegenständlichen Abgaben waren am fällig. Die Gesellschaft hätte daher spätestens am die Überweisung der Zahlungen veranlassen müssen, was jedoch nicht der Fall war. Bereits in dieser verspäteten Veranlassung der Überweisung liegt ein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden (vgl. -I/02).
Darüber hinaus konnte die Berufungswerberin nach ihrem Vorbringen aufgrund der EDV-Umstellung die aufgrund des Zessionskredites an die Bank zu übermittelnde OP-Liste nicht abgeben, und somit den vertraglichen Pflichten aus dem Kreditvertrag nicht entsprechen. In diesem Fall hätte die Berufungswerberin aber eine erhöhte Pflicht getroffen, dafür Sorge zu tragen, dass dessen ungeachtet Banküberweisungen termingerecht durchgeführt werden. Sie hätte daher schon zeitgerecht vor der beabsichtigten Überweisung durch Kontaktaufnahme mit der Bank sicherstellen müssen, dass die Überweisung auch tatsächlich ohne Verzögerung durchgeführt werden kann. Da dies unterlassen wurde, lag auch darin ein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden an der eingetretenen Säumnis.
Insgesamt gesehen liegen daher im gegenständlichen Fall die Voraussetzungen des § 217 Abs. 7 BAO für eine Herabsetzung bzw. Nichtfestsetzung der gegenständlichen Säumniszuschläge nicht vor, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | |
Schlagworte | Banküberweisung Respirofrist Zessionskredit |
Verweise |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at