Ist der Forderungsverzicht im Fall einer nicht mehr werthaltigen Forderung auch für die Gesellschaftsteuer mit Null zu bewerten? Ist der Verzicht eines Gesellschafters auf eine derartige Forderung steuerpflichtig? -Abweisung
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vertreten durch Leitner + Leitner, Steuerberater Wirtschaftsprüfer, 1030 Wien, Am Heumarkt 7/14, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern Wien vom , ErfNr. betreffend Gesellschaftsteuer entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungsgründe
Im gegenständlichen Fall ist strittig, ob der im Zuge des Verkaufs der Anteile an der O GmbH abgegebene Verzicht des Gesellschafters auf eine Forderung gegenüber der überschuldeten Kapitalgesellschaft überhaupt eine gesellschaftsteuerpflichtige Leistung darstellt, die weiters gemäß § 14 Abs. 2 BewG mit null Euro als Bemessungsgrundlage für die Gesellschaftsteuer anzusetzen ist ("minderwertige Forderung").
In Punkt 7. (Verzicht) des entsprechenden Kaufvertrages wurde vereinbart: "Der Verkäufer verzichtet zum Erfüllungstag unter der auflösenden Bedingung des Punktes 13 (Anmerkung: Bedingung ist der Abschluss eines Vertriebsvertrages zwischen der Gesellschaft und dem Verkäufer) auf einen Teil seiner Forderungen gegen die Gesellschaft. Der Verzicht umfasst so viele Forderungen des Verkäufers gegen die Gesellschaft, dass nach den Anpassungen, welche in Übereinstimmung mit Punkt 5 durchgeführt werden, die Abrechnungsbilanz ein Netto-Eigenkapital der Gesellschaft in Höhe von EUR 21.000 (Euro einundzwanzigtausend) ausweist. Somit sind Forderungen in Höhe von insgesamt EUR 2.197.618,03 (Euro zwei Millionen einhundertsiebenundneunzigtausend sechshundertachtzehn Komma drei) vom Verzicht umfasst (der Verzicht). Der Verzicht umfasst die ältesten Forderungen des Verkäufers gegen den Käufer, wobei zuerst fällige Zinsen und dann das Kapital samt kapitalisierten Zinsen heranzuziehen ist."
Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern Wien die Gesellschaftsteuer gemäß § 8 KVG mit 1 % vom Wert der Leistung gemäߧ 7 Abs.1 Z. 2 KVG in Verbindung mit § 2 Z. 2 bis 4 KVG in Höhe von € 2.197.618,03 fest und begründete dies wie folgt: "Gemäß § 2 Z. 4 b KVG unterliegt der Verzicht auf Forderungen der Gesellschaftsteuer. Da der Forderungsverzicht in der Höhe von € 2.197.618,03 zu einer wesentlichen Verminderung des Ausmaßes am negativen Eigenkapital beigetragen hat und ebenso die erfolgswirksame Auflösung dieser Verbindlichkeit einer Festsetzung der Gesellschaftsteuer nicht entgegen steht, war die Gesellschaftsteuer im Ausmaß des abgegebenen Forderungsverzichtes zu erheben."
Die dagegen eingebrachte Berufung führt im Wesentlichen aus: "...............Aus der Ergebnisentwicklung unseres Klienten lässt sich ableiten, dass die Gesellschaftereinlage im Laufe der Jahre kontinuierlich an Wert verlor. Zum war der Wert bereits null. Mangels Nachschussverpflichtung war ein Absinken unter EUR 0,00 nicht möglich. Da die Gesellschafteranteile in der Folge zum symbolischen Preis von EUR 1,00 abgetreten wurden, wird deutlich, dass der Forderungsverzicht nicht geeignet war, den Wert der Anteile zu erhöhen. Bereits zum wurde eine Rangrücktrittserklärung seitens des Gesellschafters abgegeben, um einen Konkurs über die Gesellschaft abzuwenden. Der spätere Forderungsverzicht konnte zur wirtschaftlichen Stärkung der Gesellschaft nicht mehr beitragen, da die Verbindlichkeit gegenüber dem Gesellschafter ohnehin keine wirtschaftliche Belastung für die Gesellschaft darstellte (BFH , BStBI1954 111 368 f). Aus den oa Gründen war uE der Forderungsverzicht des Gesellschafters im vorliegenden Fall objektiv nicht geeignet, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen und unterliegt daher nicht der Gesellschaftsteuer........................Aufgrund der Identität der Bewertungsmaßstäbe hat sich das Gesellschaftsteuerrecht bei der Bestimmung der Bemessungsgrundlage am Ertragsteuerrecht anzulehnen. Im Ertragsteuerrecht ist zur Bestimmung des Wertes einer Einlage deren Tageswert heranzuziehen () sowie BFH vom (GrS 1/94, DB 1997, 1693 f). In diesem Sinne darf nur jener Betrag der Gesellschaftsteuer unterworfen werden, der ertragsteuerlich als Einlage des Gesellschafters behandelt wurde, nämlich der Tageswert der Forderung. Wie unter Punkt 1. bereits dargestellt, hat der Gesellschafter bereits am eine Rangrücktrittserklärung für den Jahresabschluss zum abgegeben. Dies war zur Vermeidung einer insolvenzrechtlichen Überschuldung erforderlich. Die Rangrücktrittserklärung musste zur Ermöglichung der Erstellung des Jahresabschlusses zum unter der going concern Prämisse der Höhe nach adaptiert und verlängert werden. Die Tatsache, dass auch im Geschäftsjahr 2005 eine Änderung der negativen Ertragssituation nicht absehbar war und trotz des erfolgten Forderungsverzichtes die Gesellschaft nur zum symbolischen Preis von EUR 1,00 verkauft werden konnte, zeigt, dass die Forderung im Zeitpunkt des Verzichtes wertlos war."
Nachdem die Berufung als unbegründet abgewiesen worden war, wurde ein Antrag auf Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde II. Instanz gestellt. In diesem begehrte die Bw. die Entscheidung durch den gesamten Berufungssenat sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
Mit Vorhalt vom teilte die Referentin der Bw. zur Vorbereitung auf die beantragte mündliche Verhandlung vor dem gesamten Berufungssenat mit, wie sich auf Grund der Aktenlage die Sach- und Rechtslage für die Referentin zum damaligen Zeitpunkt darstelle.
Mit Telefax vom nahm die Bw. die Anträge auf mündliche Verhandlung und Entscheidung durch den gesamten Berufungssenat zurück.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 2 Z. 4 lit. b KVG unterliegt der Gesellschaftsteuer der Verzicht auf Forderungen (freiwillige Leistung) eines Gesellschafters an eine inländische Kapitalgesellschaft, wenn die Leistung geeignet ist, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen.
Die Bemessungsgrundlage für die Erhebung der Gesellschaftsteuer ist in § 7 Abs.1 Z. 2 KVG geregelt. Die Steuer berechnet sich bei Leistungen (§ 2 Z. 2 bis 4) vom Wert der Leistung.
Im Berufungsfall wendet die Bw. vorweg ein, dass der Forderungsverzicht des Gesellschafters objektiv nicht geeignet war den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen.
Als zweiten Punkt stellt sich die Bw., ausgehend vom Ertragssteuersektor, auf den Standpunkt, dass der Wert der Leistung aus Sicht des Gesellschafters und nicht aus Sicht der Gesellschaft zu beurteilen sei.
Gemäß § 2 Z 4 lit. b KVG unterliegen Verzichte auf Forderungen als freiwillige Leistungen eines Gesellschafters an eine inländische Kapitalgesellschaft der Gesellschaftsteuer, wenn die Leistungen geeignet sind, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen. Bei den freiwilligen Gesellschafterleistungen ist keine Leistung des Gesellschafters für den Erwerb von Gesellschaftsrechten Steuergegenstand, sondern es gibt hier nur die Leistung des Gesellschafters. Der Wert der Leistung des Gesellschafters ist die Bemessungsgrundlage.
Unstrittig ist, dass es sich bei dem gegenständlichen Forderungsverzicht um eine freiwillige Leistung des Gesellschafters an die Bw. handelt.
Zu klären ist ob diese Leistung geeignet war, den Wert der Gesellschaftsrechte an der Bw. zu erhöhen und gegebenenfalls wie diese zu bewerten ist.
Zur Erhöhung des Wertes der Gesellschaftsrechte hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeführt, dass der Nachweis einer tatsächlichen Werterhöhung nicht erforderlich ist. Es reicht die objektive "Eignung" der Leistung, den Erfolg der Wertsteigerung zu bewirken. Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichtshof auch ausgesprochen, dass selbst die Abdeckung von Verlusten als wertsteigernd im Sinn des § 2 Z. 4 KVG zu qualifizieren ist. Nur dann, wenn der Zuschuss an eine bereits in Liquidation befindliche Kapitalgesellschaft geleistet wird, ist die Wertsteigerung im Sinne des § 2 Z. 4 KVG ausgeschlossen (siehe dazu und vom , 93/16/0103).
Die steuerliche Erfassung all jener freiwilligen Zuwendungen eines Gesellschafters, die ihrem Wesen nach direkt oder indirekt eine Vergrößerung der Rechte der Gesellschafter oder eine Erhöhung des Wertes dieser Rechte herbeiführen sollen, ist der Grundgedanke des § 2 Z. 4 KVG. Eine Erhöhung des Wertes der Gesellschaftsrechte liegt vor, wenn die ohne Gegenleistung erbrachte Gesellschafterleistung zu einer wirtschaftlichen Stärkung der Gesellschaft führt. Die Leistung durch den Gesellschafter braucht nur objektiv geeignet sein, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen. Die Steuerpflicht tritt ein, wenn die Leistung zu einer wirtschaftlichen Stärkung der Gesellschaft führt.
In der Rechtsache Deltakabel BV hatte der EuGH (, Slg. 1991-I 241) die Steuerpflicht eines freiwilligen Forderungsverzichtes durch den Gesellschafter zu beurteilen. Eine Muttergesellschaft hatte die Anlaufverluste ihrer Tochtergesellschaft im Rahmen eines Kontokorrentverhältnisses finanziert. Um die Beteiligung an der Tochtergesellschaft verkaufen zu können, verzichtete die Muttergesellschaft im Nachhinein auf einen Teilbetrag ihrer Gesamtforderung aus dem Kontokorrent. Der EuGH bejahte die Gesellschaftsteuerpflicht des Forderungsverzichtes, weil sich der Verlust durch den Schulderlass seitens des Gesellschafters verringerte und das Wirtschaftspotential der Gesellschaft gestärkt wurde.
Auch der unabhängigen Finanzsenat hatte sich bereits wiederholt mit der Frage - ob und inwieweit ein Forderungsverzicht eine gesellschaftsteuerpflichtige Leistung darstellt zu befassen (so zB: (UFS RV/2391/-W/10 oder UFS RV//0543/-K/07)
So hat der unabhängigen Finanzsenat in seiner Entscheidung GZ RV/2391/-W/10 nach ausführlichster Darstellung zusammengefasst: "Verzichtet der Gesellschafter gegenüber seiner Kapitalgesellschaft auf eine Forderung, liegt gesellschaftsteuerrechtlich eine freiwillige Gesellschafterleistung vor. Beim Verzicht ist der Wille des Gläubigers auf den Untergang des jeweiligen Rechtes gerichtet. (Heidinger in Schwimann, ABGB3, VI, § 1444 Rz 1). D.h. der Gesellschafter vermehrt erst durch den endgültigen Verzicht das Vermögen der Gesellschaft. Verzichtet wie im gegenständlichen Fall der Gesellschafter auf seine Forderung von 7,829.916,99 Euro, dann erhöht sich das Vermögen der Gesellschaft um 7,829.916,99 Euro. Diese Erhöhung des Wirtschaftspotentials der Gesellschaft findet statt, auch wenn dadurch die Überschuldung der Gesellschaft nicht gänzlich beseitigt wird und auch wenn fraglich war, ob sie die Schuld jemals an den Gesellschafter hätte zurückzahlen können."
Insgesamt ist festzustellen, dass unter Berücksichtigung der ständigen Judikatur die Gesellschaftsteuerpflicht freiwilliger Leistungen eines Gesellschafters in Form eines Forderungsverzichtes nur dann auszuschließen ist, wenn der Verzicht gegenüber einer bereits in Konkurs befindlichen Gesellschaft ausgesprochen wird.
Die Bw. war zu keinem Zeitpunkt in ein Insolvenzverfahren verfangen. Der Forderungsverzicht war vielmehr Teil der Verkaufsabwicklung bezüglich der Geschäftsanteile und sollte dazu führen, dass die Abrechnungsbilanz ein Netto-Eigenkapital von € 21.000,- ausweist. Daraus aber wird deutlich, dass der Forderungsverzicht das Wirtschaftspotential der Gesellschaft deutlich erhöhte und damit jedenfalls objektiv geeignet war, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen.
Die Gesellschaftsteuerpflicht besteht daher dem Grunde nach zu Recht.
Auch in Bezug auf die Bewertung des Forderungsverzichtes vermag der unabhängigen Finanzsenat der Ansicht der Bw. nicht zu folgen.
Nach § 14 Abs.1 BewG sind Kapitalforderungen und Schulden mit dem Nennwert anzusetzen, wenn nicht besondere Umstände einen höheren oder geringeren Wert begründen.
Nennwert ist der Betrag, den nach dem Inhalt des Schuldverhältnisses der Gläubiger fordern kann und demgemäß der Schuldner entrichten muss.
In Bezug auf die Gesellschaftsteuer ist der Wert eines Forderungsverzichtes aus der Sicht der Gesellschaft zu ermitteln und entspricht im Regelfall dem Nennwert der Forderung (siehe Dorazil, Kapitalverkehrsteuergesetz-Kurzkommentar², S. 185 und 186 Pkt. V.6. und 8. zu § 7; Brönner/Kamprad, Kommentar zum KVG4, Rz 13 zu § 8).
Das Eigenkapital der Kapitalgesellschaft wird durch den Forderungsverzicht erhöht. Dies gilt auch dann, wenn bereits vor dem Verzicht eine Überschuldung bestand. Nach § 7 Z. 2 KVG bildet der Wert der Leistung die Bemessungsgrundlage für die Gesellschaftsteuer. Abzustellen ist dabei auf jenen Wert, den die Leistung für die Kapitalgesellschaft hat. Aus Sicht der Kapitalgesellschaft ist Gegenstand der freiwilligen Leistung der weggefallene Passivposten. Durch diesen Verzicht wird das Betriebskapital der Gesellschaft gestärkt und zwar in der Höhe des Nennwertes der Forderung, da die Gesellschaft in dieser Höhe die Schuld nicht mehr zurückzahlen muss und es ist dies der tatsächliche Wert der Leistung.
In seiner Berufungsentscheidung GZ RV/2391-W/10 vom hat der unabhängigen Finanzsenat zu dieser Problematik festgestellt, dass zwar ertragsteuerlich sowohl die Leistungsfähigkeit des Gesellschafters als auch der Gesellschaft im Blickpunkt stehe, doch gesellschaftsteuerlich nur eine Leistung, ein Rechtsvorgang stattfinde, nämlich der Verzicht auf die Forderung. Durch diesen Verzicht werde das Betriebskapital der Gesellschaft gestärkt und zwar in Höhe des Nennwertes der Forderung, da die Gesellschaft in dieser Höhe die Schuld nicht mehr zurückzahlen muss. Der unabhängige Finanzsenat kommt auch in dieser Entscheidung zum Schluss, dass das Wirtschaftspotential der Gesellschaft durch den Verzicht des Gesellschafters auf die Forderung verstärkt wurde, da dieser Betrag endgültig in ihr Vermögen übergegangen ist, was dazu führt, dass der Forderungsverzicht mit dem Nennwert der Forderung zu bewerten ist.
Die Berufung war daher vollinhaltlich abzuweisen.
Wien, am
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 2 Z 4 KVG, Kapitalverkehrsteuergesetz, dRGBl. I S 1058/1934 § 7 Abs. 1 KVG, Kapitalverkehrsteuergesetz, dRGBl. I S 1058/1934 § 14 Abs. 1 BewG 1955, Bewertungsgesetz 1955, BGBl. Nr. 148/1955 |
Zitiert/besprochen in | StExp 2012/170 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at