Einbehaltung von KESt für den Zeitraum zwischen Kuponfälligkeit und Schenkung
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., P., gegen den Bescheid des Finanzamtes Baden Mödling betreffend Abweisung eines Antrags gemäß § 240 Abs. 3 BAO auf Rückerstattung von Kapitalertragsteuer entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Die Berufungswerberin (Bw.) erwarb im Rahmen der Neuemission eine im August 2010 aufgelegte Kassenobligation einer inländischen Raiffeisenkasse im Nennwert von € 100.000,--. Die Laufzeit beträgt 8 Jahre (bis 2018), der Zinssatz 4,75 %. Die erste Kuponfälligkeit war mit festgelegt. Das Wertpapier wird in einem inländischen Depot bei einer inländischen Bank gehalten.
Am schenkte die Bw. das Wertpapier ihrem Sohn. Dieser lebt seit vielen Jahren in der Schweiz und hat in Österreich keinen Wohnsitz. Der Schenkungsvertrag wurde schriftlich abgeschlossen und darin ausdrücklich festgehalten, dass der gesamte Kuponertrag mit Fälligkeit dem Geschenknehmer zusteht. Die Schenkung wurde durch Übertragung der Wertpapiere vom Depot der Bw. auf ein auf den Namen des Sohnes lautendes Depot bei der gleichen inländischen Bank vollzogen. Die Schenkung wurde nach den Bestimmungen des SchenkMeldG der Abgabenbehörde ordnungsgemäß angezeigt. Die depotführende Bank belastete die Bw. als Geschenkgeberin mit Kapitalertragsteuer für einen fiktiven Zinsertrag für den Zeitraum ab Ausgabe bis zum Zeitpunkt der Schenkung. Auf Nachfrage der Bw. berief sich die Bank auf "gesetzliche Verpflichtungen". Eine Stückzinsengutschrift erfolgte auf ausdrücklichen Wunsch der Bw. nicht und hätte der Schenkungsvereinbarung widersprochen.
Die Bw. stellte am den Antrag nach § 240 Abs. 3 BAO auf Rückerstattung von ihrer Ansicht nach zu Unrecht einbehaltener Kapitalertragsteuer in Höhe von € 419,69.
Das Finanzamt brachte der Bw. mit Schreiben vom folgende nach Rücksprache mit dem Bundesministerium für Finanzen (bundesweiter Fachbereich) festgehaltene Rechtsansicht zur Kenntnis:
"Zinsen stellen ein laufzeitabhängiges Entgelt für die Überlassung fremden Kapitals dar und entsteht der Anspruch auf Zinsen zeitraumbezogen (pro rata). D.h., der Zinsenanspruch aus der Kassenobligation vom Zeitpunkt der Emission bis zum Schenkungstag ist jedenfalls noch in der Person des Geschenkgebers entstanden und sind die bis dahin entstandenen Zinseinkünfte daher auch ihm steuerlich zuzurechnen.
Die Vereinbarung zwischen Geschenkgeber und Geschenknehmer, wonach die Kuponzinsen bereits für den gesamten Kuponzeitraum August 2010 bis August 2011 dem Geschenknehmer zustehen, ist steuerlich nicht anzuerkennen, da damit eine rückwirkende Übertragung von Zinsansprüchen, die in der Person des Geschenkgebers entstanden sind, auf den Geschenknehmer erfolgt, und diese Vereinbarung dem allgemeinen steuerlichen Grundsatz, wonach rückwirkende Vereinbarungen mit steuerlicher Wirkung nicht anzuerkennen sind, widerspricht. Die rückwirkende unentgeltliche Übertragung des Zinsenanspruchs auf den Geschenknehmer stellt ertragsteuerlich eine Einkommensverwendung beim Geschenkgeber dar.
Nach § 95 Abs 4 Z 3 Einkommensteuergesetz 1988 gelten für Zwecke des Kapitalertragsteuerabzugs die Meldung des Eintritts von Umständen, die die Abzugsverpflichtung beenden oder begründen, die Entnahme eines Wertpapiers aus dem Depot oder die Übertragung des Wertpapiers auf ein Depot eines anderen Steuerpflichtigen als Veräußerung. Diese Abzugsverpflichtung knüpft nicht an das Tatbestandsmerkmal des tatsächlichen Zufließens der anteiligen Zinserträge iSd § 19 Einkommensteuergesetz 1988 anlässlich einer Veräußerung, sondern wird für diese Fälle für Zwecke des Kapitalertragsteuerabzugs eine Veräußerung und damit verbunden ein (Stück-)Zinsenzufluss fingiert.
Im vorliegenden Fall erfolgte eine Übertragung des Wertpapiers auf ein Depot des Geschenknehmers und erfolgte daher von der Bank der Kapitalertragsteuerabzug gem. § 95 Abs 4 Z 3 Einkommensteuergesetz 1988 zu Recht, der Rückzahlungsantrag gem. § 240 Abs 3 Bundesabgabenordnung des Steuerpflichtigen wäre vom Finanzamt daher abzuweisen.
Nachdem der Geschenknehmer mit den Zinserträgen in Österreich nicht der österreichischen Einkommensteuer unterliegt (Zinserträge aus inländischen Forderungswertpapieren sind nicht von der beschränkten Einkommensteuerpflicht gem § 98 Abs 1 Z 5 Einkommensteuergesetz 1988 umfasst), es sich folglich bei ihm nicht um einen kapitalertragsteuerpflichtigen Erwerber handelt, erfolgte bei Depotübertragung richtigerweise von der depotführenden Bank bei ihm auch keine Kapitalertragsteuergutschrift auf die Stückzinsen."
Mit Bescheid vom wies das Finanzamt unter Bezugnahme auf obiges Schreiben den Rückerstattungsantrag ab.
Die Bw. brachte gegen den abweisenden Bescheid des Finanzamtes mit folgender Begründung Berufung ein:
"Nach Schweizer Steuerrecht entsteht Einkommensteuerpflicht für Kassenobligationen zum Zeitpunkt der Kuponerträge (gleich für Aktien bei Dividendenzahlung). Im vorliegenden Fall am - vorher ist keine Einkommensteuerpflicht gegeben. Eine aliquote Steuer (in unserem Fall August 2010 - ) die in Österreich noch dazu fingierterweise - dies, obwohl Raika an mich keinerlei Zinsen bezahlt hat - vorgeschrieben und abgeführt wurde, kann in der Schweiz nicht geltend gemacht werden.
Es werden in Österreich fingierte Erträge für die Zeit bis besteuert, in der Schweiz Erträge aus der Kassenobligation für die Zeit bis besteuert. Für die Zeitspanne bis werden die Erträge aus der Kassenobligation doppelt besteuert. Das 1. mal in Österreich, das 2. mal in der Schweiz, dies obwohl Doppelbesteuerung zwischen den beiden Ländern nicht stattfinden soll.
Im Übrigen besteht kein objektiver Grund, eine unterschiedliche steuerliche Behandlung bei Schenkung von Kassenobligationen und bei Aktien vorzunehmen.
Erträge aus Aktien in Form von Dividenden werden zu einem bestimmten Zeitpunkt ausbezahlt. Bis zum Auszahlungstag der Dividende wird der anwachsende Ertrag im Kurswert der Aktie eingerechnet. Dies wird auch am Tag der Dividendenauszahlung durch einen "Kursabschlag" zum Ausdruck gebracht. Falls nun vor dem nächsten Dividendenauszahlungstag Aktien geschenkt werden, werden dem Schenker nicht anteilsmäßig Dividenden als Einkunft fingierterweise zugeschrieben.
Lassen Sie mir 2 weitere theoretische Beispiele - kommen sicher in der Praxis vor - ansprechen. Steuerliche Behandlung bei Anwendung Ihrer Rechtsmeinung Ihres Bescheides vom muss interessante Schlussfolgerungen ergeben:
Ein nicht pauschalierter Bauer schenkt seinem Sohn einen in voller Blütenpracht stehenden Kirschbaum, am 15.04. Die Kirschen werden vom Sohn am 10.07. im Reifezustand geerntet.
Derselbe Bauer schenkt seiner Tochter eine Kuh. Diese ist am Schenkungstag 3 Monate trächtig. Der Bauer erklärt seinen Kindern bei der Schenkung, daß die Früchte - Kirschen und Kalb - aus den Hauptsachen - Baum, Kuh - ihnen zur Gänze gehören sollen. Er beansprucht keinen Anteil an den Früchten für die Zeitspanne in welcher er Eigentümer der Hauptsachen des Anwachsens der Früchte war..."
Das Finanzamt legte die Berufung ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vor.
Über die Berufung wurde erwogen:
Sachverhalt
Der dieser Entscheidung zugrunde gelegte Sachverhalt ist unstrittig; die Bw. hat eine inländische Kassenobligation am ihrem in Österreich nicht steuerpflichtigen Sohn geschenkt. Strittig ist ausschließlich, ob die Bank zu Recht für den Zeitraum ab Kuponfälligkeit bis zum Schenkungszeitpunkt Kapitalertragsteuer einbehalten hat.
Rechtsgrundlagen
§ 95 Abs. 4 Z 3 EStG 1988 lautet:
"Der zum Abzug Verpflichtete hat die Kapitalertragsteuer im Zeitpunkt des Zufließens der Kapitalerträge abzuziehen. Die Kapitalerträge gelten für Zwecke der Einbehaltung der Kapitalertragsteuer als zugeflossen:
...
3. Bei Kapitalerträgen aus Forderungswertpapieren im Zeitpunkt der Fälligkeit der Kapitalerträge und im Zeitpunkt des Zufließens (§ 19) anteiliger Kapitalerträge anläßlich der Veräußerung des Wertpapiers oder des Wertpapierkupons. Die Meldung des Eintritts von Umständen, die die Abzugspflicht beenden oder begründen (insbesondere Befreiungserklärung oder Widerrufserklärung), die Zustellung eines Bescheides im Sinne des § 94 Z 5 letzter Satz, die Entnahme aus dem Depot oder die Übertragung auf ein anderes Depot, ausgenommen auf ein inländisches Depot desselben Steuerpflichtigen beim selben Kreditinstitut gilt als Veräußerung."
Rechtlich folgt daraus:
Es mag durchaus zutreffen, dass die von der Bw. in ihrer Berufung angeführten Beispiele von Schenkungsvorgängen noch keinen (aliquoten) Zufluss der Früchte auslösen. Wie allerdings aus der oben zitierten Gesetzesbestimmung ersichtlich ist, fingiert der Gesetzgeber unter bestimmten Voraussetzungen den Zufluss von Kapitalerträgen für Zwecke der Einbehaltung der Kapitalertragsteuer, ohne dass noch ein tatsächlicher Zufluss stattgefunden hat. Jedenfalls als zugeflossen gelten anteilige Kapitalerträge anlässlich der Veräußerung des Wertpapiers. Als Veräußerung gilt aber auch wie im Berufungsfall die Entnahme eines Wertpapiers aus einem Depot, was den (aliquoten) Zufluss der Kapitalerträge und damit die Verpflichtung der Bank zur Vornahme des Kapitalertragsteuerabzugs auslöst.
Ausdrücklich gilt die Übertragung auf ein inländisches Depot desselben Steuerpflichtigen beim selben Kreditinstitut nicht als kestpflichtige Veräußerung. Dies bedeutet, dass sowohl die Übertragung des Depots auf einen anderen Steuerpflichtigen als auch der Wechsel desselben Steuerpflichtigen zu einem anderen Kreditinstitut eine kestpflichtige "Entnahme" auslöst (sh. Jakom/Marschner EStG, 2011, § 95 Rz 31). Korrespondierend dazu gewährt § 95 Abs 7 EStG 1988 konsequenterweise (dem Erwerber) eine KESt-Gutschrift bei Depoteinlage, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass für die Kapitalerträge ein Kapitalertragsteuerabzug vorzunehmen ist. Da der Geschenknehmer mit den Kapitalerträgen nicht der österreichischen Einkommensteuer unterliegt, kann aber kein Kapitalertragsteuerabzug und demzufolge auch keine KESt-Gutschrift erfolgen.
Auf welche Weise eine von der Bw. vorgebrachte mögliche (wirtschaftliche) Doppelbesteuerung vermieden werden kann - wie etwa dadurch, dass in der Schweiz im konkreten Fall doch nur die aliquoten Zinsen ab Schenkungszeitpunkt besteuert werden -, ist nicht Gegenstand dieses Berufungsverfahrens.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 95 Abs. 4 Z 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 95 Abs. 7 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
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